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Deutsche AllMtiuc Zeitung «Wahrheit »ud Recht, Freiheit und Sesetz!» Soüuahe»», 4. J«sm»r 1879. Inserate »» di« «spidittou i» >» ft-d-a. Zaserll,,§,«»»»« . t»r die S,»Ite»i-ile r» Ps» «»ter Li-gejaLdt »u Ps. Nr. 3. «eipzi,. , »»ter S»«»t,»« tiigliq. Preis »ierteljährlich 7M. »ayf. -ed« eiütel»« Num»«> «Pf. Herüberzichung des BürgerthumS von ihr zur Fort schrittspartei, dagegen eine Vereinigung mit der weiter links stehenden, bekanntlich ganz radikalen, „BolkS- Partei" prockamirte. Inzwischen hatten schon lange, schon seit Jahren, neben den eigentlich politischen Fragen je mehr und mehr die volkswirthschaftlichen Fragen das Haupt interesse sowol im Reichstage als in den weitesten Kreisen des Volkes auf sich gezogen und die ganze Situation, auch die politische, zu beherrschen begonnen Der alte Kampf zwischen Schutzzöllnern und Frei händlern war von neuem heftig entbrannt. Auf dem Gebiete der innern Gewrrbegesetzgebung hatte sich eine Bewegung für Rückgängigmachung gewiffer weit gehender Consequenzen der Gewerbefreiheit und Frei- zügkeit entwickelt, die neben vielen unberechtigten auch einzelne berechtigte Forderungen hinsichtlich einer „Re vision der Reichsgewerbeordnung" stellte. Solchen be rechtigten Forderungen — in Bezug auf Arbeitsbücher, Kinderarbeit, überhaupt das Berhältniß der Arbeitgeber zu Gehülfen und Lehrlingen rc. — ward in der Früh-- jahrSsession des Reichstages Rechnung getragen durch die daselbst angenommene Novelle zur Gewerbe ordnung. Für den AuStrag des Streits zwischen Freihänd lern und SchutzzöllNcrn (zu welchen letzter» sich neuer dings auch ein Theil der Landwirthe gesellte, der für die laudwirthschaftlichen Produkte ebenfalls „Schutzs verlangt) müssen die Arbeiten der verschiedenen vor bereitenden Commissionen, welche die Reichsregierung (zum Theil nach ausdrücklichen Beschlüssen des Reichs tages) Niedergesetzt hatte, von wesentlichen« Einflüsse sein, so der Tabacksenquetecommission, der Enquete- comMissiok für die Textilindustrie (Weberei) re. Neuer dings nun käm zu diesen Commission«» eine neue, nach wichtigere Hinz«, diejenige, die sich unmittelbar mit , Vorarbeiten zur Revision des bestehenden Zolltarif- beschäftigen Und dem BundeSrath darüber Vorlagen machen soll. , ' ' " " Bei Gelegenheit der Bildung dieser Commission »u« "'7. .7 den Dnndrsrath — zu» Zwecke - der Wit die genannte Commission — ergehen lM, welche- so grosses Aufsehen erregtes noch jetzt die gesmumte deut sche und selbst außerdeutsche Wesse lÄhast beschäftigt und die öffentüche Meinung i» ganz Deutschland noch länge in Aufregung erhalten wird. ES ist. ei« halb fikanzpolitische», halb zollpolitisches Programm, welche» da- Schreiben enthält, jenes auf Vermehrung der direkten Einnahmen des Reiches gerichtet (der alte Gedanke drs Reichskanzler»), dieses der herrschenden schutzzvllnerischen Strömung einigermaßen entgegen- komutend durch den Vorschlag einer Rückkehr zu dem System der Zollpflichtigkeit aller über die deutschen Grenzen eingeführten Waaren, wie cs dem Zollvereins- tatif bi« 1865 zu Grunde lüg. Inwieweit diese" so tiefeinschneidenden Fragen Deutschlands innere Lage im Jahre 1878. — Leipzig, 3. Ian. Das Attentat Hödel, sagten wir am Schlüsse des vorigen Artikels (Nr. 2), änderte die ganze parlamentarische Lage. Bekanntlich legten die Regierungen schon damals ein sogenanntes Socialisten- gesetz vor, der Reichstag lehnte eS aber ab. Dar auf erfolgte die Auflösung des Reichstages. Die am 30. Juli vollzogenen Neuwahlen sielen ungünstig für die liberalen Parteien aus, indem sie die konserva tiven wesentlich verstärkten. Dem neuen Reichstage unterbreiteten die Regierungen ein gegen das frühere in einigen wesentlichen Punkten modificirtes Socialisten- gesetz. Dasselbe ward mit ziemlich starker Majori tät angenommen, trat alsbald in Wirksamkeit, und mit seiner Hülfe sind in kurzer Zeit fast sämmtliche Organe der Socialdemokratie in Deutschland, einer seits Vereine, andererseits Zeitungen und Zeitschriften, durch Verbote aus der Welt geschafft worden. Ob oder inwieweit dieses äußerliche Verstumnienmachen der Socialdemokratie auch eine innere Rückbildung der von ihr beherrschten Arbeiterkreise zu verständigern und ge sünder» Anschauungen zur Folge haben wird, kann erst die Zeit lehren. Jedenfalls gehört dazu, wie schon im Reichstage und in den Motiven zum So- cialistengesetze ausgesprochen ward, wesentlich mit, neben jener verbietenden, negativen Thätigkeit der Gesetzge bung, auch eitie positive, d. h. eine geistig, sittlich und ökonomisch fördernde Einwirkung auf die arbeitenden Klassen im Sinne der Humanität, zugleich aber im Geiste der bestehenden Gesellschaftsordnung und ihrer Voraussetzungen. Diese Einwirkung muß von der SelbstthLtigkeit der besitzende» Klaffen anSgehen. Doch wir kehren zur. Betrachtung der parlamen tarischen Lage, mit andern Worten, der Stellung der großen Hauptparteien im Deutschen Reichstage unter sich und zur Reichsregierung zurück. Bei Gelegenheit der Verhandlung ünd Beschluß fassung über da» zweite Socialistengesetz hatten die Natiogal-Libexal« sich wieder mit den Frticousrrva- gefunden. T)ie drei Parteien gemeinsam (eiufchließlich der „Gruppe Löwe" Md einiger „Wilden") hatten die große „staatSerhalteude" Majorität gebildet, während die andern Gruppen de» Reichstages, nicht blo», wie natürlich, die Socialisten, die Welfen, die Polen, die Ultramontanrn, sondern auch die Fortschrittspartei, in ihrer rein verneinende» SteÜung gegen daS Gesetz verharrten. . Noch größer wurde der Zwiespalt zwischen dem Fortschritt und den mehr rechts stehenden Fractionen, also auch der national-liberalen, da jene Partei auf ihrem „Parteitage" zu Berlin am 24. und 25. Nov. 1878 sich wieder ganz auf den abstract-doctrinären Stand punkt von vor 1866 stellte, als ihre taktischen Ziele aber, statt einer Fühlung mit der national« liberalen Partei, eine Bekämpfung derselben durch möglichste Telegraphische Depeschen. Wien, 2. Jan. Wie die -Presse« meldet, wäre Lem Kronprinzen am Sonntag auf einer Eberjagd bald ein Unglück widerfahren, jedoch sei dasselbe glück lich abgewendet worden. — AuS Zwornik wird ge- mcldet: „Eine Deputation türkischer Geistlicher über reichte dem Commando zu Neujahr eine Widmungs urkunde, wonach die Moschee, welche unter Matthias CorvtNuS der katholischen Kirche angehörte, ihrer ur sprünglichen Bestimmung zurückgegeben wird. Dieser Act ist ein spontaner Ausdruck der Dankbarkeit." — AuS Rom meldet man: „Betreffs der Mission des Grafen Corti ««ach Wien verlautet, derselbe werde er klären, Italien wolle die strengt Durchführung des Berliner Vertrages und beabsichtigt keinerlei Annexion, Mnal infolange im Mittelmeere der StatuSquo ver bleibt." (-Post».) ^London, 2. Ian. morgens. Der Strike der Arbeiter in den Baumwollspinnereien zu Oldham ist beendigt; die Arbeiter haben bedingungslos eine Lohnherabsetzung von 5 Proc. acceptirt. ^London, 2. Ian. Der Daily Telegraph läßt sich ausJellalabad vom 1.Jan.melden, vier afgha- Uisch« Regimenter seien infolge eines Streites mit JatUb-Khan über den Sold desertirt. *Wien, 2. Iaft. abends. Meldungen der Politi sche» Correspondenz. AuS Konstantinopel von heute: „Der Sultan hat mittels eines besondern Jrade Lie Pforte zu Verhandlungen über den definitiven Friodensvertrag mit Rußland ermächtigt. Die Pforte wird in einer an die Albanesen gerichteten Proklamation dieselben auffordern, der Abtretung von Podgoritza Und Spuz nicht hindernd entgegenzutreten, widrigenfalls mit Anwendung von Waffengewalt gegen sie vorgegangen werde» würde. Die türkisch-grie chische GrenzregulirungScommission wird in Athen -usammentretxn." — AuS Bukarest: „Ro- setti ift üach Rom, Demeter Bratianv nach Wien neu betraut/'" ; üo«st«mtinopet, 31. Dec. Der von der Pforte Len Signatarmächten gemachte Vorschlag, Rustem- Pascha, gegenwärtig Gouverneur des Libanon, -um Gouverneur von Rumelien zu ernennen, hat, wie osficiöS versichert wird, bei sämuttlichen Mächten; mit Ausnahme Rußlands, die beste Aufnahme ge funden. (»Post».) ^Konstantinopel, st. »Jan. Der Beschluß, mo- «atlich 150000 Pfd. KaimeS anzukaufen, ist eine Folg« Ler Zwischenfälle, welche durch die Weigerung der Bäcker, Kaimts anzunehmen, hervorgerufen worden. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um eine Wieder holung solcher Zwischenfälle zu verhüten. (Wiederholt.)' Musikalische- auS Leipzig. ** Leipzig, 1. Jan. Da« erste Concert im neuen Jahre wurde nicht, wie gewöhnlich, durch ein reli giöses Stück, sondern mit der Ouvertüre aus der Suite Nr. 4 (ks-ckur, Op. 129) von Franz Lachner eröffnet. Warum man gerade an die Spitze des Neu- jahrSconcert» ein Bruchstück auS einem größern Gan zen stellte, ist uns nicht recht begreiflich. Zwar hat die Ouvertüre einen festlichen Charakter und ist viele» Glanzvolle und Interessante i» ihr, so z. B. die St«, gerung zur Fuge mit der brillant wirkenden Augmen tation de» Hauptthemas in den Contrabäffen und Posaunen rc.. Trotz alledem hätten wir aber gerade in diesem Concert lieber ein größere» selbständige«, klassische» Werk, etwa eine der Fidelio- oder eine der feurige» Weber'schen Ouvertüren, gehört. Auf Lach ner'» Composition folgte die Arie „Martern aller ArtM" aü» der „Entführung au» dem Serail" von W. A. Mozart, gesungen von der königlich sächsischen Hofopernsängerin Frl. Marcella Sembrich. Als dritte Nummer de» Abend» haben wir ein neue», zur Zeit noch al» Manuscript existirende» Violinconcert von I. Brahm» zu nennen, das vom Componisten dirigirt und in welchem der Violinpart von Hrn. Joachim vorgetragen wurde. i Ist das Erscheinen eines neuen größern Werkes von BrahmS (so z. B. daS der beiden Symphonien) von der gesaMmtrn Kunstwelt stets als ein Ereigniß o »gesehen, wdrden, so darf auch daS Erscheinen einer Schöpfung, mit welcher der Componist rin für ihn gänzlich neue» Gebiet betritt (nämlich daS der Solo- musik für Violine), als ein solche» gelten. Wir befanden un» anfänglich diesem Concert gegc^Lber i» einem gewissen Dilemma. Denn mit dem Namen „Concert" verbindet sich ausschließlich der Begriff eine» ToustückeS, in welchem dem Soloinstru- ment die herrschende, der Begleitung dagegen (wenn auch nur bedingungsweise) die srcundäre, dienende Rolle zuertheilt ist. Selbst di« gltichnamigen Meister schöpfungen eine» Mendelssohn und Beethoven, in denen die Begleitungen aufs höchste durchgeistigt sind, nöthrgen zu dieser Auffassung. Wir können, wollen wir nicht voreingenommen erscheinen, nicht sagen, daß die» eben bezeichnete Berhältniß zwischen Solovioline und Orchester m dem Concert von BrahmS bestehe, und wir mußten daher einen andern Standpunkt suchen, um nicht ungerecht gegen die Composition zu werden. Wir glauben dieselbe am besten dadurch zu charakterisiren, wenn wir sie, allerdings abweichend vom Componisten, al» , eine Symphonie mit obligater Violine bezeichnen. Denn eS dient in ihr alles der GesaMmtidee und ist nichts einseitig nur der Solo violine wegrn da. Die Tutti sind nicht nur Vor bereitungen auf die Soli und AuSruhestellen für den Solisten, sondern wesentliche, ja vielleicht die wirk samsten Bestandtheile de» Ganzen und daher min- dcstetl» ebenso bedeutsam wie die Soli selbst. Wer schmachtende Cautilenen und glänzende, brillirende Effectpaffagen, wie sie in den meisten andern Violin- concertcn Vorkommen, erwartet hat, der wird sich freilich durch die BrahmS'sche Composition enttäuscht gesehen haben. Dieselbe detlangt daher auch einen Interpreten, der Resignation genug besitzt, auf äußern Virtuosenerfolg zu verzichten, und der mit Aufgebe» feine» Ich» sich völlig in den Gedankengang de- Ganzen zu versenken und in demselben aufzugehe» vermag. Daß dies keiner von dm Violinmeister» der Gegenwart Heffer im Stande ist als der Freund de» Componisten, Hr. Joachim, darüber bedarf eS wol kaum noch einer besondern Bemerkung. Das Publi kum spendete denn auch dem Componisten und dem Vortragenden stürmischen Beifall. An dieses Concert schloffen sich zwei TranS- scriptionen für Gesang und Klavier an: a) Not turno, d) Mazurka von Chopin, gleichfalls von Frl. Sembrich vorgetragen. Diese Sängerin, welche erst unlängst nach Deutschland gekommen ist, hat uns und — dem reichen Beifall nach zu schließen — auch dem Publikum recht wohl gefallen. Ihre Stimme ist umfangreich (sie reicht bequem bis in« dreige strichene 6), weich und ausgiebig, auch coloraturfähig, und nur einige Töne in der höher» Mittellage klingm noch etwa» breit und unfrei. Am meisten gefiel un» Frl. Sembrich in der Arie. In den beiden Cho- pin'fchen Piecen vermißten wir Leichtigkeit und Finesse. Namentlich muß genannte Dame noch sehr sorgsame Pflege auf den Triller verwenden, denn stellenweise wurde aus dem Secundenintcrvall desselben geradezu ein Terzentremolo. Al» Schlußnummer haben wir Beethoven'S .4 äur- Symphouie Nr. 7 zu nennen, deren im ganzen schwung volle Vorführung da» Publikum, ungeachtet einiger recht fataler Versehen in den Violinen, hinriß. Gan- besonder» müssen wir noch das seitens des Dirigenten