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Mittwoch» äen 7. Dezember 1921 Nr. 284 16. Jahrgang Mer Tageblatt Änreiaek für üa« lkkraokie-ao MMM j»knfpr«ch»Anschluß Nr. SI ->nj«ia«nannahm,^ u» ,«in«n»>>, r.l.oramm.v Lag.diail 'nu.«zg«b!rgr. Dieses ölatt enthält öle amtlichen Sekanntmachungen -es Nates -er Staüt /^u». postsch.ck.non!°! flm^L.'pzE'nr. 1-»». Das Wichtigste vom Tage. Tic Meldung, die KredithNfe der Industrie sei als gescheitert anzusehen, wird als vollkom men falsch bezeichnet. Tie Tatsache, oaß die Ver handlungen Tr. RathenauS in London wei ter gehen, wird als günstiges Zeichen betrachtet. « Ter vorläufige Reichswirtschaftsrat tritt am heutigen Mittwoch zu einer Plenarsitzung zu- sammen. In Leipz t g trat der erste Reichs-Betriebs- rätekongretz der Metallarbeiter zusamnlen In Berliner sowjetrussischen Kreisen wird die An kunft von Vertretern der P e t e r s b u r g e ' Staatsbank erwartet, die mit deutschen Bankt" in Fühlung treten wollen. V Tie Oedenburger Generalkommission teilte der un garischen Regierung in einer Note mir, daß die Bc freiung West Ungarns am 3. Dezember be endet wurde. Was geht m äer Fraktion äer Deutschen Dolkspartei vor? Unter dieser Ueberschrtft wird den L. N. N. von be sonderer Seite geschrieben: Es unterliegt keinem Zwei fel. daß sich innerhalb der NeichstagSfraktion der Deut schen Volköpartei Auseinandersetzungen vorbereiten, die entscheidend sein können für die von der Fraktion zu betreibende Politik. Politisch Geschulte erkannten die ersten Anzeichen dieser kommenden Auseinandersetzun gen bereits in Stuttgart, wo Stresemann sich in sei ner Rede gm Festabend mit einer bemerkenswerten Schärf, i l gegen eine gewiss» Interessenwirtschaft wandte. Tiefe Aeutzerungen Gtresemanns bestätigen nunmehr auch dem Fernerstetzenden, daß gewisse Kreise innerhalb der Fraktion der Deutschen Volkspartcr be müht sind, der Politik StresemannS auf Schritt und Tritt Schwierigkeiten in den Weg zu legen. SS ist. in jenen Kreisen sogar der Gedanke erwogen worden>zur Durchführung dieser Pläne Stresemann zu veranlassen, den Vorsitz in der Fraktion niederzu legen und sich aus den Vorsitz der Partei zu beschränken. Man hat in Verbindung hiermit den Namen des früheren hessischen Finanzministers Tr. Becker genannt, und in jenen Kreisen erwogen, ihm den Fraktionsvorsitz an- zubicten. Wer den Fraktionsvorsitz hat, hat aber nicht nur die Klinke zur Gesetzgebung in der Hano, sondern kann stets die Politik der Fraktion entscheidend beein flussen. Sv, wie wir die Verhältnisse beurteilen. denkt heute Stresemann «ar nicht daran, sich aus diese i Weise beiseite schieben ,» lassen. Hat er doch auch in Stuttgart mit außerordentlicher Schärfe betont, daß er sich nie von gewissen Kreisen taktisch etnfangen lassen werde, und daß er den Posten eines Parteiführers nicht so betrachtet, um nur hinter einer beliebigen Mehrheit herzutrotteln, sondern eine vorhandene Mehrheit im Sinne seiner von ihm ver tretenen Politik zu beeinflussen. Wenn «S nach den Wünschen jener Kreise ginge, soll Stresemann sich darauf beschränken, in der Oeffentltchkeir volkstümliche Reden zu halten, Himer denen jene Drahtzieher dann bequem ihre Politik machen können. Sünnes hat mit dieser Gruppe, die unlängst, nicht ohne Humor, das Fähnlein der sieben Aufrechten aus dem Kreise Weser- Ems genannt wurde, ebensowenig etwas zu tun, wie Krupp. Sünnes hat vielmehr wiederholt versichert, daß er durchaus für die große Koalition zu haben sei und sich durchaus nicht auf die Pläne jener Gruppe, die au« der Vergangenheit nichts gelernt zu haben scheint, festlegen lassen werde. Ti« Vch»,klnd«sttl«llen treib«» «In« Art interfraktionelle Politik Hu gen berg, der früher über Krupp das Zepter schwang, sitzt bet den Teiitschnationalon, Borg.!er, der Generaldirektor von Deutsch-Luxemburg, verrcttt die Schwcrtttdustrtelleu in der Deutschen Vvlksparier. Herr von Tiemens verbleibt, auf Wunsch (?) der beiden vorgenannten Herren, unter den Demokraten und Ge neraldirektor ten Hompel vertritt die Gchwerindu- strte im Zentrum! Auch in sächsischen Kreisen sind diese Tinge nicht unbekannt und die Kritik de» Dresdner Rechtsanwalts Tr. Kaiser auf dem Stuttgarter Parteitag gegen eine aewtss» ' ! UnetnheitltchSit tu de« »oN»»a,ie«kch»n Aeaktlenepolitik richtet» sich gegen di« Veetnflussungsversuche j.ener Kreis». Ten Auftakt zu d»n kommenden Auleinander- sehungen. die hoffentlich zu einer Reinigung führen werden, bildet die Tatsache, daß am 12. Dezember Abg. Stresemann in Dresden sprechen wird, um sich auch mti der Dresdener Opposition in diesem Sinne ausetn- anderzusetzen. Daß nicht nur die Mehrheit der Frak tion, sondern auch die Parteiinstanzen ziemlich geschlos. sen hinter Stresemann und seiner Politik stehen, .hat der Perlauf des Stuttgarter Parteitages bewieien. Die Arbeiten des Reichstags. Ter Reichstag wird sich kommende Woche nur noch zu einigen wenigen Sitzungen vor Weihnachten ver sammeln, um die dringlichsten Vorlagen, die für die Vollversammlung inzwischen fertiggestellt find, Lu ver abschieden. Dazu gehört das neue Umsatzsteuer gesetz, das bereits am 1. Janpar in Kraft treten soll und den Steuerausschuß Passiert hat, sowie das neue Ortsklassenverzeichnis, das so viel Aufregung in der Beamtenschaft verursacht hat und nun endlich mit rückwirkender Kraft vom 1. April des laufenden Jahres ab endgültig unter Dach gebracht werden dürfte, nach dem der Beamtenausschuß des Reichstags zahllose Sit zungen zu seiner Nachprüfung und Durchberatung ab gehalten hat. Erfreulicherweise wird wohl auch der demokratische Antrag auf Einführung eines Gedenk tages für die Opfer des Weltkrieges am 1. Januar-Sonntag noch rechtzeitig Annahme durch den Reichstag und die Reichsregierung finden. Ebenso dürf te die eilige Interpellation der Demokraten über Reichs hilfe für die Gemeinden noch zur Verhandlung kommen. Dagegen wird in der wichtigsten und dringlich sten Frage der Verabschiedung der neuen Reichs? steuern kaum etwas zustande kommen, wenn es nicht gelingt, bis zum Zusammentritt des Reichstages oder gleich in den ersten Tagen danach eine breite Steuer- verständigungsfrvnt zu bilden. Der Beratung dieser Frage war die Besprechung gewidmet, die am Tienstaa in der Reichskanzlei zwischen den Parteiführern der Demokraten, Sozialdemokraten, des Zentrums und dem Reichskanzler stattfand. Zu irgendwelchen fe sten Vereinbarungen oder gar Beschlüssen ist: es dabei aber noch nicht gekommen. Im übrigen wurde von al len Teilnehmern der Besprechung strengste Vertraulich keit gewünscht und zugesagt. Tie Meldung einiger Ber liner Abendblätter, daß besonders die auswärtige Lage und die Fragen des Moratoriums und der Zahlung der am 15. Januar fälligen Rate eingehend besprochen worden seien, ist unzutreffend. Die Besteuerung des Vermögens zuwachses äer Nachkriegszeit beschäftigte gestern den B e s i tz ste u e r a u s s ch u ß deS Reichstages. Das Gesetz will den VermÜgenszuwachS vom 30. Juli 1919 bis dahin 1921 erfassen. Die Schwierigkeiten liegen einmal in der Feststellung zum 30. Juli 21. also für einen rückliegenden Zeitpunkt, für den die meisten Steuerzahler Aufzeichnungen nicht ha ben werden, prnd in der Veränderung des Geldwertes in diesem Zeitraum. Tie demokratischen Vertreter spra chen sich deshalb und weil am 30. Juni und 31. Tv--: zember 22 das allgemeine Vermögenssteuergeletz Ange führt werden soll, grundsätzlich dagegen aus. Das Ge setz wurde jedoch von einer Mehrheit, zu der Sozialdemo kratie und Zentrum gehörten, angenommen. Die Einzelheiten des Gesetzes erfuhren wenig. Aenderungen. an dem Tarif wurde nichts geändert. Tie Bewer- tungsgrundsätze erfuhren einen weiterqehrnden Eingriff durch einen Zentrumsantrag, nach dem bei der Bewertung die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Geldentwertung berücksichtigt werden sollen. Mit diese,n Antrag sind die Grundlagen einer sicheren Bewertung ebenso erschüttert wie beim Vermügenssteuergesetz Die allgemeine Auffassung ging dahin, daß das Gesek auch in der qbgeünderten Form keinen Ertrag bringen werde und daß die Kosten dek Veranlagung zum Er trag in keinem rechten Verhältnis stehen. Man ging dann zur Beratung des U m s a tz st e u e r g e s e tz e s über. Nach den Darlegungen des Berichterstatters Abg. Brett scheid (Uuabh.) über die Beratungen im Retchrwirl- schastsrai äußerte Abg. Hergt (deutschn.) große Beden ke» gegen die Vorlage, ohne sich aber direkt ablehnend zu Verhalten. Abg. Hugo (D. Vp.) stellte sich auf den Boden der Vorlage, da unter den gegenwärtigen Um ständen an eine andere Steuerform nicht zu denken sei. Abg. Keinath (Dem.) äußert« schwere Bedenken nicht de» Warenverkehr» an sich wegen, sondern gegen die jetzig« Form. Die Steuer sei außerordentlich hoch zahl los« Existenzen würden au-geschaltet, die Konzentration großer Beiried« gefördert, die Belastung de« Konsu menten ungleichmäßig. Ti« Regierung sollt« dem Ge danken einer veredelten Umsatzsteuer, wie sie von Gie men» vertreten sei, ernstlich uachgeben, die jetzige Um satzsteuer sei in normalen Zeiten unhaltbar. Von der Be steuerung de» ersten Umsatzes nach der Einfuhr droh« di« Vertreibung de» Handels nach dem Auslands, wenn nicht die vorgesehenen Freilisten weitherzig ausgedehnt werden. Tie Luxussteuer sei ein Fehlschlag, der besei- tigt werden müsse. Auch die Besteuerung der Gast stätten werde für da» Reich keinen Erfolg bringen, man könnte sie höchsten» für die Gemeinden Vorbehal ten. Tie Sozialisten erklärten, daß sie höchstens einer Besteuerung bis zu 2 Prozent zustimmen könnten und sich auch hierzu ihre Stellungnahme noch bis zur Ge samtregelung der Steuern Vorbehalten müßten. Tie Fortsetzung der Beratung wurde auf morgen vertagt. Eine Cinicmng in äer irischen^rage? Tie schwierigen Verhandlungen zwischen der engli schen Regierung, dem Premierminister von Mster und den Stnnfeinerdelegierten, die in den letzten Wochen srattgefunden haben, soNen nach .einer Reutermeldung zu einem Abkommen geführt haben. Tie Sinnfeiner halten sich immer wieder geweigert, den König von England als Oberhaupt anzuerkennen. Ste sind auch bei dieser Weigerung geblieben und wollen nunmehr wenigstens neben ihrem eigenen Parlament dem Britischen Reich den Treueid leisten. Auf der an deren Seite hatten die Unionisten in Ulster jegliche Vereinbarung mit den Sinnfeinern über di« Wirtschaft einheit Irlands abgelehnt. Wenn jetzt Reuter ein Ab kommen meldet, so scheint dies vorläufig nur mit den Sinnfeinern getroffen zu sein? denn von Zugeständ nissen Ulsters war bisher noch keine Rede. Ohne diese Zugeständnisse könnte aber die irische Frage nicht ge- regelt werden. Für Llotzd George wird es jetzt daraus ankommen, den englischen Unionisten in ihrer Forde rung nach protektionistischer Wirtschaftspolitik entgegen- zukommen, damit sie auf ihre Parteifreunde in Mster mäßigend einwirken. Wenn das alles gelingt, so könnte die irische Angelegenheit als endgültig geregelt ange sehen werden und Llohd George wäre dann in der Lage, noch nach Washington zu gehen und die Per sönlichen Erfolge dort einzuheimsen, von denen er träumt Abfertigung eines rheinischen Lanäesveriäters. Die Antwort eine, anständigen Engländers. Dem früheren englischen Abgeordnetem Joseph King, von dem die Absender meinten, er gehöre den, Unterhaus noch au, ist folgendes Schreiben ans Köln äugegangen, dessen e..glichen Text wir hier wortgetreu übersetzen: Köln, 10. November 1921. Rheinische Republikanische Volkspartei. Generalsekretariat: Köln, Luxembnrgersrraße 26- Sehr geehrter Herr! Die unterzeichnete politische Partei er laubt sich, Ihnen eine Einladung zu ihrer Konferenz zu senden, '« am 4. Dezember im Dreikaisersaal, in der Köln-Straße in Bonn statifinden wird. Die Rheinisch-Republikanische Volkspartei ar beitet für die Neutralisierung des Rheinlandes im Interesse des allgemeinen Frieden«, wobei ste der Gedanke leitet, daß, wenn die Dinge bleiben wie sie sind, es höchst schwierig sein wird im der Zukunft weitere Konflikte zwischen Frankreich und Deutschland zu vermeiden. Eg scheint uns im Auslanv nicht all gemein bekannt zu sein, daß das rheinische Volk nach Ur sprung, Sprache, Religion und Charakter von seinen östlichen Nachbarn gpnz verschieden ist- Oh.ce um seine Ansicht gefragt zu werden, wurde es 1815 durch den Wiener Kongreß dem Königreich Preußen einverleibt. Durch eine Politik der Unterdrückung ist es Preußen gelungen, allmählich beträchtliche Teile der Bevölkerung zu assimilieren, was aber nicht ohne Widerstand geschah. Wir erinnern an die Aufstände von 1830 (!) und den Streit gegen Bismarcks Kul turkampf. Der große Krieg hat diese alten Traditionen w i e d e r be l e b t, und diese Bewegung wächst von Tag zu Tag. Die Sprache der meisten Blätter und Führer der alten Parteien luch den Fortschritt dieser Renaissance zu verheimlichen. Wir halten es daher liir das beste Mittel, um ausündic: zu machen, wie es hier wirklich steht, unserer genannten Konferenz einen Besuch ab- zustatten, und cs würde uns sehr freuen Eie auf ihr »u sehn. Hochachtungsvoll Die Rheinisch NcpubManüche Dolkspartet Jos. S m e c t s, Präsident. Herausgeber des Blatte» Rheinische Republik. * a « Der geladene Engländer antwortet« auf dieses Schreiben: Sandhouse bei Godalming, England, IS. Nov. Sehr geehrter Herr! Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 10. November. Ich fühle mich geehrt durch die Einladung -u der Konferenz in Bonn am 4. Dez. Ich verfolge di« Ereignisse in Deutschland, sein« Denkrichtungen und Politik sehr genau: ich les« täglich «ine deutsche Zeitung und habe Deutschland in letzter Zett verschied».,« Besuch« abgestattet. Die Behauptungen Ihre« Brie fe, Haden mich daher besonder, interessiert. Ich Lin schon vor einiger Zeit zu dem Schluß gekommen, daß ein» separat, rhetnische Repilik nicht m» glich, und wenn mkglich. nicht wünschenswert wäre. Ich -laude, daß da» rhetnische Volk