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Wöchentlich erscheinen drcj Nummern. PrönumerationS- PreiS 22h Sgr. (j THIr.) rierteßeihrtech, Z Thlr. für tu« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen ter Preußischen Monarchie. für die Man priinr.merirt auf tiefes Beiblatt der Ailg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in ter Errctition (Mohrin < Strafe Nr. Z4); in ter Provinz so wie im Auslande bei ten Wobttökl. Post - Nennern. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den 12. September 1836. kMLML'LÄMl England. Neuere historische Forschungen. Die Französische Oommission Iiislne iezuo ulid die Eng lischc leecnrel - Go >» m is sinn. Eß läßt sich nicht leugnen, daß in unserem Zeitalter für alle Ver hältnisse und Richtungen des Lebens viel gearbeitet und viel Erfolg reiches geleistet wird. Diese allgemeine Lebendigkeit der Bestrebungen erstreckt sich auch aus alle Zweige der Literatur.' Die größten wissen schaftlichen Unternehmungen sind im Gange, und wie schnell auch unsere Fortschritte sehn mögen, so ganz und gar sind wir unseren Bcschästi- gnnzcn in der Gegenwart nicht hingegcbe», so abgeschlossen sind wir nicht in Selbstgenügsamkeit, daß uns keine Zeil zum Rückblick aus die Vergangenheit übrig bliebe; vielmehr zeichnet sich das gegenwärtige Zeitalter vor allen anderen dadurch ans, daß auf die Geschichten frü herer Zeiten so manches glückliche Licht geworfen, so manche neue und richtige Ansicht darüber geltend gemacht worden ist. I» der jüngstvergangenen Zeit standen dem Geschichtschreiber für daß Gcbäudc, welches er anszusühren unternahm, wenig oder gar keine Materialien für eine feste Grundlage zu Gebote; er konnte künstlich und elegant, aber nicht dauerhaft bauen. Seitdem man in neuester Zeit das Bcdürfniß festerer bonstructione» empfindet, ist man auch erst gewahr worden, wie tief und breit der Grund dazu gelegt werden muß und wie viel Aufwand au geistigen und materiellen Kräften dazu er forderlich ist. Gegenwärtig wird zwar allmälig, aber mit Fleiß und Eifer, an dieser Grundlegung gearbeitet, und wir gehen einer Zeil ent gegen, wo ter Historiker sein Werk auf sicherer Basis mit Lust und Zuversicht ausrichtcn und nicht mebr dem Vorwurf unterliegen wird, Laß er Fabeln uiedergcschrieben, während doch Materialien zur Erfor schung und Begründung der historischen Wahrheit vorhanden gewesen. — Wir stehen am Eingang zu einer neuen Aera der Geschichtschrei bung. Allerdings haben die Geschichtschreiber auch bieder Quellenschrif ten, Archive und Urkunden benutzt, so viel sie deren habhaft werden konnten. Diese Quellen waren aber meistens wenig reichhaltig und zu verlässig; eß waren Chroniken, hingcworsenc Notizen, verwebt und iden- tisizirt mit den Gesinnungen und Irrihümcrn desjenigen, der sic aus- zcichncle, zum größten Theil mehr literarische alß historische Denkmäler und alß solche in den öffentlichen Bibliotheken ausbcwahrt. Die amt lichen Archive mit ihren authentisch zuverlässigen Quellenschatzen sind bisher selten, und nur ;u oft zu Parleizweckeu, den Gelehrten geöffnet gewesen, und da die Historiker mit Urkunde» dieser Art ,lieht immer gründlich vertraut waren, so hat es an Mißverständnissen und groben Irrtbümcrn nicht gefehlt. Der neuere Historiker aibeilcte ungefähr aus dieselbe Art und Weise, wie die allen Römischen Geschichtschreiber; ter Autor sah sich nach allerlei Quellen und Urkunden um und benutzte sie je nach persönlichen oder äußeren Uinsländcn, mit größerem oder gerin gerem Geschick. Spärlicher war man damals allerdings mit Hülssmit- tcln bedacht, als unsere^ nächste» Vorgänger es gewesen sind. Den Quellen, woraus der Römer oder Grieche seine frühesten Geschichten, schöpfen konnte, lagen ursprünglich Volkßgesänge zu Grunde, — mit unseren frühesten Chroniken verhält eß sich eben so —; von diesen VolkSgcsängen, die sich lediglich durch's Gedächtnis; von Geschlecht zu Geschlecht sortvsianzen, ist nichts auf unS gekommen, und die neuesten Forscher der Römischen Geschichte haben aus gelegentlichen Notizen der Schriftsteller, welche diesen älteste» Quellen-Vorrath benutzt haben, müh sam konjckluriren müssen, wie derselbe ungefähr beschaffen gewesen sevn mag. . Wenn durch eine Katastrophe alle unsere Archive zu Grunde gingen und nur die Werke unserer Geschichtschreiber übrig blieben, so würde in künftigen Jahre» irgend ein neuer Niebuhr dieselbe mühsame Untersuchung instruiren müsse», um die wahren historische» Tbalsachcn ausfindig »u mache», oder eine Annäherung daran zu gewinnen. Die Geschichlbücher, welche unsere Vorfahren uns hinterlassen haben, ent halten eben so viel, vielleicht noch mehr Irrthümlichcs und Falsches, alß jene ältesten Römischen Ucbcrlicfcrungc»; nicht allein sind unzählige Thatsache» falsch berichtet, sondern der Charakter und Zustand eines ganzen Zeitalters wird unrichtig aufgcsaßr, und die daraus entspringen de» Irrlhümer sind eben so schlimm und eben so lief eingreifend, als wen»" z. B. ein künftiger Erzähler der heutigen Ereignisse in England den ganzen Gesichtspunkt verkehrte, unsere Radikalen als Verfechter aristokratischer Mißbräuche und unsere Konservativen als heillose, aus den Umsturz von Kirche und Staat hinarbeltendc.Gcsctzverächier dar- siellle. Acbnliche und nicht aeringere Fehler habe» sich unsere Historiker scühcrer Jahrhunderte zu Schulden kommen lassen und konnten sic nicht vermeiden, weil ihnen keine archivarische Ausschlüsse zu Gebote staiidcn. Wir aber müßten uns schämen, wenn noch fernerhin der gleichen Mißgriffe in unserer Historiographie zu beklage» wären, während uns über jede Periode unserer Geschichte ganze Schiffsfrachten von Ur kunden aufgcstapclt liege», authentische Urkunde», großentheilß unter de» Auge» und von den Hände» derjenigen Personen geschrieben und be siegelt, die selbst Theil an den Vorgängen gehabt "haben, so daß un zählige Dinge sich.mittelst dieser Zeugnisse mit aller Zuverlässigkeit auf« Reine bringen lassen. Wir sind weit davon entfernt, de» Werth der Chroniken und der von Zeitgenossen herrührcndcn Erzählungen gering anschlagcn zu wollen. Zwar sind die Verfasser meisteiuhcils vorurtheilsvoll und parteiisch; zwar berichte» sie i» der Mehrzahl der Fälle nur nach Hörensagen und nach allgemein verbreitete» Gerüchten; gleichwohl sind uns ihre Berichte wesentlich schätzbar und unentbchrlich. Man muß die Chronik fortlau fend vermittelst ter Urkunden und der übrige» archivarischen Hülfsmiitcl kontrollirc», prüfen und berichtigen; aber da andererseits nur die Chro nik und das Geschichtsbuch uns die Ereignisse in übersichtlich fortlau fendem, pragmatischem Zusammenhänge überliefern, da außerdem so Man ches, weiß in Urkunden u. dgl. keine Stelle findet, nur durch schrift stellerische Vermitt lung auf die Nachwelt gebracht werden kann, so wür de» wir ohne die Chronik und die Historie sehr ost gar nicht verstehe» und in keinem Falle gehörig larzustellen und der Geschichte cinzuvcr- lciben wissen, was uns aus den Urkunden, auß Briefen, Berichte» und anderen osfizicllcu Aktenstücken, die alle für das unmittelbare Berständ- nitz der Zeitgenosse» und der Nächstbetheiligte» abgcfaßt sind, aus frag mentarische Weise und außer allem Zusammenhänge bekannt wird. Noch mehr, da bei dieser Gailling von Quellen jedes Stück für sich ei» Ganzes ausmachlc und als ein einzelne« Vielen zu Händen und zu Kenmniß kam, so ging im Lause der Jahrhunderte hier und dort man ches Stück, nicht selten eine ganze Reihe von Stücken verloren, so daß die Kelle dieser Ueberlicserungen stcllcnwcisc abbricht und der Forscher sich mit de» erzählenden Quellen allein behelfen muß. Ja, es gicbt für die Gcsehichlc der früheren Zeilen in England bis ins !2le Jahrhundert, in Frankreich noch weiter hinab, fast keine andere bistoiischc Dokumentc, als Chroniken und Histoucn. Ihr größerer Umfang und ihre zum Lesc» einladende Form veranlaßte, daß sic zuerst zum Bcbuf allgemeiner histo rischer Lektüre im Druck aufgelegt und giößcrcn Sammlungen cinver- lcibl wurden. In diesem Gebiete haben die Duchesne, die Camden, die Spelman, die Gate und unzählige andere Gelehrte höchst Verdienst liches geleistet; auch die ruhmwürdigeu Arbeite» der Beilediklmcr-Cou- greganou Sainl-Maur müssen hier genannt werde». Im Lause des I7tcn Jahrhundert« fing mau an, den Werth archivarischer Hülfsmiitcl für'die Geschichtschreibung gehörig zu würdi gen. Seit damals kamen Männer, die in diesem Fache kompetent und selbst durch historische Forschungen und Arbeiten zu wohlverdientem Ruse gelangt waren, mehrfach in amttiche Stellungen, wodurch ihnen der Verwahrsam dieser Schätze zugänglich wurde. Im l7tcu Jahrhun derte, wie gesagt, kam man in England hierüber zu freisinnigen Ansich ten und umfassenden Plauen; gleichzeitig oder nachfolgend cnlwtckciteii sich dieselbe» in Frankreich, und zu Ansauge des l8lc» Jahrhundert« war man in beiden Ländern wetteifernd bestrebt, sich mit dem Inhalt der National-Archive bekannt zu mache». Die erste Frucht dieser Be strebungen war in England die berühmte Sammlung der h'uoüoru, tsunvonkiouos oto. von Rehmer; später wurde eine Komission nieder- gesetzt, deren Nachforschungen über die Beschaffenheit und den Inhalt lenserer politischen und NechlSurkundc» nun schon seil langen Jahren im Ganze sind. Die Französische Regierung schlug um die nämliche Zeit einen ähnlichen Weg ei». Im Jahre I723 erschien drr erste Folivbaiid der wichtigen Sammlung: Orstonuanoo« üos rni^ sie h'ruuco el» la lroimeui« rar«, zusamiucnqclragen und herausgcgeben durch Monsieur de Lauriöre, ei» gelehrte« Pariser Parlamculs-Miiglied. Der selbe starb, als er bereit« die Herausgabe de« Ben Bande« vorbereitet Halle; Sccoussc bcsorgle die Forlsctzung de« Merke« bis zum Zien Bande und arbcilclc an der Herausgabe des 8lc», al« er starb. Monsieur dc Villevaull bcsorgle darauf den Ulen und spälcr in Verbindung mit dcm qclchrlen Allerthumssorschcr dc Brsquignp de» Ililcn Band, welcher I7UZ erschic». Der Illc und I2le Band tragen gleichfalls noch Billc- vaull's Name», die t> folgenden gehöre» gänzlich Bröguignv an. Die Französische Regierung Halle lange Zeil den Wunsch gehegt, au« dc» Englischen Archiven Lokttinenle ausiuchen zu lassen, die i» Bezug zur Geschichte von Frankreich siänden: al« der Friede geschlossen war, schickte der Herzog de Praslin, damals Minister der anSwärligcn Angelegenhei ten, den bereits genannten Monstcm de Bre'gnignh mit diplomatische»