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Sächsischer Landes-Anzeiger : 17.03.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188603172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860317
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860317
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-03
- Tag 1886-03-17
-
Monat
1886-03
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 17.03.1886
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«s — 6. SahrM«. Abonnementspreis: Der unparteiische — jeden Wochentag Abend (mit dem Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende — iiaiwes-Anzeiger mit Beiblättern kostet monatlich 60 Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz »nd den Vororten, sowie bei der Post. (Eingetragen unter Nr. 4633.) Im 4. Quartal erscheint für Abonnenten Zahresluich (Weihnachksbeigabe) d. Anzeigers. Verlag: Alexander Wiede, Buchdruckcrei, Lhemniy. Sächsischer Lindes-AimiM Mittwoch, 17. Miir, 1886. JusertionSpreiS: Raum einer schmalen KorpuSzeile IS Pfg.; — Reklame (Ispaliige Petitzeile) 30 Pfg. — BeiWiederholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifüg«! (ie8 Silben Korpusschrift bilden ca. l Zeile). Annoncenannahme: nur bis Vormittag. Expedition und Redaktion: Chemnitz, Theaterstraße Rr. L. Telegramm-Adr.: Wiede'S Anzeiger, Chemnitz. Fernsprech st eile Nr. 136. mit „Chemnitzer» Stadt-Anzeiger" Matter: „Tägliches Unterhaltungsblatt " «ad humoristisch illustrirtkr Siaatag-blatt „Lustiges Bilderbuch"". Tel,gr<,phifche Rachrichte». Vom 15. März. Frankfurt a. M. Proceß Meyer. Polizeirath von Hacke und Polizeidirector Langer fageri übereinstimmend und belastend, daß Meyer nur eventuell Gewalt hätte brauchen solle». Nachdem die Aufforderung stattgefunden, hätte man erwartet, daß er die Menge auseinanderzudräugtu versuchen werde uud Renitenten verhaftet hätte, dann erst hätte er die Waffe gebrauchen sollen Ferner wird bezeugt, daß Meyer befahl, di« Seite« thürcn des FriedhosSportals zu schließen, und daß mau sie erst nach dem Vorfall wieder öffnete. Wiesbaden. In der vergangenen Nacht, um12Uhr 28 Minuten. Wurde hier ein heftiger Erdstoß verspürt Wien. Dem „Fremdenblatt" zufolg« nahm der Kaiser die Demission des HaudelsministerS Pino an. Madrid. Gestern Abend fand in Granada eiu starkes Erdbeben statt, dasselbe dauerte sieben Se künden, viele Menschen verbrachten die Nacht im Freien; eS herrscht unbeschreibliche Panik. Kairo. In Gebetzeyd an der Küste des Rothen Meeres hat man eine mächtige Petroleumquelle entdeckt. Die Frankfurter Friedhofs Tkffaire vor Gericht. L. 6. Frankfurt a. M, den 15. März. Vor der Strafkammer des hiesigen Landgerichts nimmt heute die Verhandlung gegen den am 3 Februar 1833 zu Lichtenrade, Kreis Teltow, geborenen Polizeicommiffar Heinr. Meyer als Hauptangellagteu, sowie die mit unter Aullage gestellten Schutzleute Adam Wingleit, Bartholomäus Hohmann und Eduard Schweiger, von deueu Wingleit zweimal wegen Ueberschre.tuug der Dienstgewalt beim Militär vorbestraft ist, ihren Anfang. Außerdem ist noch der Schneider Joseph Leyenvecker aus Mainz in Anklage- zustand gesetzt. Vou dem Jutereffe, den der Fall in weiteste» Krrijeu erregt, zeugt der Umstand, daß zahlreiche auswärtige Blätter — daruuter auch der „Sächsische Landes-Anzeiger" — eigene Correspondeuteu ab- gesaudt haben. Der Zuschauerraum, zu dem der Eintritt nur gegen LegitimationSkarteu gestattet ist, ist mäßig gefüllt. Nicht weniger als 88 Zeugen, darunter der ReichStagsabgeorduete Frohme, sind vorgeladen. Der Anklage — Vergehen gegen den § 340 des Str-G.-B. — liegt ungefähr folgender Thatbefiand zu Grunde: Der Polizeieommifsar Meyer war beim Leichenbegängnisse de» Soeialdsmokraten CiseleurS Hugo Hille r, welches am Morgen des 23. Juli 1885, gegen 9 Uhr stattfand von dem hiesigen Polizei präsidenten damit beauftragt worden, auf dem in seinem Reviere liegenden Friedhöfe mit 33 Schutzleuten zu Fuß und fünf berittenen die Ordnung aufrecht zu erhalte» und Demonstrationen der Partei genossen des Verstorbenen zu verhiuder«. In letzter Hinsicht enthielt die ihm am Tage vorher schriftlich ertheilte Instruction die Weisung, dafür zu sorgen, daß am Grabe außer einem Geistlichen Niemand sprechen werde und daß die am Leichenzuge theilnehmenden Vsr- wandten hiervon z« verständigen seien; enveutuell sei in Gemäßheit de» § 9 deS SocialistengesetzeS unverzüglich mit Auslösung der Ver- sammlung am Grabe vorzugehen und diese Anordnung eventuell mit Anwendung vou Gewalt durchzuführen. In Befolgung dieser Instruction hat Meyer, als der Condnct das Friedhossportal, wo er denselben mit den ihm unterstellten Schutzleuten erwartete, an- gelangt war, dem Bruder de» Verstorbenen eröffnet, daß Reden oder sonstige Demonstrationen auf dem Friedhöfe nicht zugelassen werden würden. Die gleiche Mittheilung machte er dem Kaufmann Oscar Füll grabe, welcher sich im Zuge befand und mit einem mit roiher Schleife versehene« Kranze vor ihn hiatrat. Nachdem solche von Füll grabe aus die Aufforderung hin entfernt worden war, ließ Meyer da» Leichevgefolge, trotzdem eine ganze Anzahl Theiluehmer rothe Blumen, welche vor dem Sterbehause von Unbekannten vertheilt worden waren, als Zeichen socialipischer Gefinnuvg im Knopfloch« trugen, in den Friedhof eiutreteu. Dir etwa 300 bis 400 Personen zählende Menge drängte sich nun um das unweit vom Portale gelegene Grab des Hillcr, an dem sich auch Meyer mit 25 seinem direkten Befehl unterstellten Schutz lente» nud dreizehn Beamten, die der ihm beigegebene Commissar Kloeppel kommandirte, ausgestellt hatte. Die fünf berittene» Schutz lente, geführt von dem Schutzmann Veit«, hatten außerhalb der Friedhofs, seitwärts vom Eingänge, Posto gefaßt. Nachdem an der Gruft eiu Lied gesungen worden, begann Füllgrabe eine Rede mit den Worten: „Geehrte Genossen!" — brach dann aber ab, als er vou Meyer von Neue« daraus aufmerksam gemacht worden, daß keine Reden zugelafsen werden könnten, und begnügte sich damit, einen Kranz am Grabe niederzulegen. Gleiches thaten auch andere an wesende Sozialdemokraten im Namen der von ihnen vertretenen, auswärts wohnenden Genoffen. — Einige warfen auch rothe Schleife» ins Grab. Nun begann der Schneider Joseph Sehendecker ans Mainz, gegen den dieserhalb ebenfalls Anklage erhoben worden ist, nachdem er einen Kranz im Namen der Mainzer Parteigenossen uiedergelegt hatte, vou einem Grabhügel aus eine Rede an die Menge zu halten, indem er da» Leben und Leiden HillerS für di« Sache der Freiheit verherrlicht«. Meyer soll nunmehr, da sein Einspruch keine Beachtung fand, Leyeudecker ihn vielmehr zu überschreien suchte, auch seine dreimalige, unter Berufung aus 8 9 des Sozialistengesetzes an die Menge gerichtete Aufforderung, auSeinauderzugehen, völlig wirkungslos blieb, de« Schutzleuten zugerufen haben, die Leute mit den Waffen auSeinanderzutrriben uud dabei seinen Degen gezogen haben. Gleiches thaten die Schutzleute, welche er vorher angewiesen haben soll, auf diese- Commando hin, nicht wie bei früheren Gelegenheiten, die Leute mit den Händen fortzudräugeu, sondern mit flacher Klinge einzuhauen Diesem Befehle wurde in der Wüse Folge geleistet, daß die Schutzleute sofort auf die dicht- gedrängte Meng« eiuhieben und dieselbe, vor sich hertreibeud, in wenigen Minute« aus dem Friedhof drängten. Hierbei sollen nicht uur Lente, welche sortzugehen zögerten, sondern auch manche Personen, die bemüht waren, durch das Gedränge hindurchzukommen und den Burgang zu gewinnen, über den Kopf, den Rücken und die Arme geschlagen sein. De« Schneider Heinrich Berthold soll in das offene Grab gestoßen und, al» er sich daran- heranSgrarbeitet hatte, von -einem Schutzmann mit flacher Klinge auf Rücken und Arme geschlagen sei», auch Andere, di« stürzten, soll man in gleicher Weise mißhandelt habe». Die Verwundungen sind zahlreich, aber meist unbedeutend gewesen. Nur Wenige habe« eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeit zu erleiden gehabt Erst als der Kirchhof schon fast geleert war, wurde von Meyer dem Vorgehen der Schutzleute Einhalt geboten. Da ein thätlicher Widerstand, der die Anwendung der Waffe allein rechtfertigen könnte, von keiner Seite geleistet worden ist, so erscheint der angeschuldigte Polizeikomwiffar Meyer für die infolge seines Befehls verübten Handlungru verantwortlich. Sein« Entschul digung, daß er. durch frühere Vorgänge belehrt, geglaubt habe, die staatlich« Autorität aus kein- andere Weis« wahren zu können, ist für die Schuldfrage ohne Bedeutnug, da die Anwendung der Waffe von Seiten de» Militärs, der Gendarmerie uud der Schntzmannschaft durch Gesetz «nd Dlenstiustructiou nicht in das Ermessen de» Com maudireuden gelegt, sondern denselben uur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn sich gelinde Mittel al» fruchtlos erwiesen haben, gestattet ist. Der Angeklagte hätte jedenfalls vor Anwendung von Gewaltmaßregeln der dichtgedrängten Menge längere Zeit lassen sollen, seiner Aufforderung, auseianderzugehen. nachzn- kommen und namentlich abwarteu solle«, welchen Eindruck sein Ruf, die Säbel zu ziehen und der Anblick der entblößten Waffe auf die selbe machen würde Nach einigen Zeugenaussagen scheint eS sogar, als ob in der Thal sein Commando bereits di« Wirkung hatte, daß die Leute auseinander zu laufen begannen. Im Allgemeinen erscheinen die Schutzleute, welche auf Personen einhieben, die sortzugehen zögerten, oder von denen sie annahmen, daß sie sich nicht eutsernen wollten, durch den Befehl Mryer'S von strafrechtlicher Verantwortung befreit ; tu manchen Fälle« sollen jedoch, wie bereits bemerkt, auch solche Leute mißhandelt sein, welche offenbar auS dem Kirchhofe so schnell als möglich hinauszukommen bemüht waren. Eine sichere Recoguition der Schutzleute, die sich einer derartigen Handlung schuldig gemacht haben, ist jedoch nur be züglich de» Schutzmanns Wingleit erfolgt, welcher den Gürtler Dippel, den Schneider Degen uud den Schuhmacher Faber in dem Augenblicke mit dem Säbel über Kopf und Arm schlug, als dieselben das eiserne Thor, welches das mittlere Kirchhofsportal abschließt, zu pasfireo suchten. Seine Einrede, daß die von ihm Geschlagenen ihm mit geballten Fäusten gegenübergetreten, erscheint wenig glaubhast. Einer weiteren strafbaren Handlung, verübt gegen den Maurer Heuß, sollen sich die Schutzleute Hohmaun und Schweiger schuldig gemacht haben. Als sie nach dem AuSrinaudersprengen der Menge mit anderen Schutzleuten den Kirchhof durchzogen, um Theiluehmer ap dem Hiller'schen Leicheuznge, di« sich etwa in» Inner« geflüchtet hätten, hinauszutreiben, stießen sie auf de» Maurer Heuß, der ver sichert, an dem Leichenbegängnisse überhaupt nicht theilgenomme», ja nicht einmal etwas vou demselben gewußt zu haben. Er sek in den ArbeitSkleideru auf de« Friedhof gegangen, um für seine» verstorbenen Vater ein Denkmal zu entwerfen; als er dort, etwa 200 Schritte von dem Hiller'schen Grabe entfernt, auf einer Bank saß uud in sein Notizbuch den Querschnitt des projectirten Denkmals zeichnete, trat der Gärtner Ferdinand Fleck an ihn heran uud gab ihm sein Kind mit der Bitte in Obhut, auf dasselbe aufzupaffen, während er die Gräber begieß«. Bald darauf hörte er den bei dem AuSeinauder- treiben der Menge entstandenen Tumult. Mehrere Schutzleute, unter ihnen Hohmaun und Schweiger, stürmten an ihm vorbei, ohne ihn jedoch zu erblicke«. Nach einigen Minuten erschienen dieselben jedoch wieder uud trieben ihn, nachdem Hohmann ihn als einen vou Denen, der an dem Hiller'schen Grabe gestände», bezeichnet hatte, trotz seines Protestes fort. Dabei soll er von Hohmann einen Hieb mit blanker Klinge auf die rechte Schulter «halten, während ihm Schweiger einen Säbelhieb aus de» rechten Arm versetzt haben soll. Die beiden beschuldigten Schutzleute leugnen diese That und wollen auch nicht gesehen haben, daß Heuß vou anderen Schutzleuten geschlagen wurde, die Verletzungen desselben sind jedoch noch an dem selben Tage von dem De. weck. Wolfs coustatirt worden uud hat auch das Kind deS Fleck alsbald seinem Vater unter Thränen erzählt, daß Heuß von Schutzleute» mit Säbelhieben tractirt worden sei; endlich ist auch die Behauptung deS angeblich Mißhandelten, daß Hohmann seiner feindliche» Gesinnung gegen ihn schon früher Ausdruck gegeben, durch den Schreiner Philipp Jacob Spengler und den Zimmermanu Johann Held bestätigt worden. — Unter den übrigen Theilnehmeru au dem Leichenzuge, welche bei dem Verlaßen des Friedhofes durch Säbelhiebe der Schutzleute verletzt sein wollen, befanden sich auch die Schneiver Stabiler, Neupert, Schweitzer, Gießer, Bloomenkawp, Ewe, Hofmann, Muth und Berthold, die Schuhmacher Farnung, Brühme, Ring, Kleinschmidt, Köhler, Acker «nd Schäfer, die Schreiner Fleisch- man», WillmuthS, Schäfer, Metz und Höck, di« Buchbinder Markgraf und Wenderhold, der Metallgießer Wetzel, der Spengler Hellwig, der Schmied Hesse, der Korbmacher Fleckenstein, der Schloff«« Weber, der Steindruck» Marti«, der Tapezierer Meyer, der Portefeuiller Craß, der Wirth Jean Eckhardt, der Kaufmann Oscar Füllgrabe und die Frau Katharina Martin. Stadtler, Schweitzer, Farnung, Metz, Köhler und Fleckenstein sind mehrere Tage hindurch infolge der erhaltenen Verletzungen arbeits unfähig gewesen; außer ihnen haben sich auch Gießer, Ewe, Hofman«, Brühme, Willmuths, Dippel und Heuß der gegen Meyer erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger angeschloffen. Meyer wird hiernach beschuldigt, daß er am 25. Juli 1885 als Polizeibeamter in der Ausübung jene» Amtes vorsätzlich die Körperverletzung einer Menge vou Personen, der Schutzmann Wingleit, daß er diejenige der oben benannten drei Leute und die Schutzleute Hohmaun und Schweiger, daß sie diejenige des Maurer» Heuß verursacht hätten. Politische Rundschau. Chemuitz, den 16. März. Deutsches Reich. Dir PrufiouSgesetzcommisfion deS Reichs tage» hat die Officier-Kommunalsteuervorlage gegen die Stimmen vou Freisinnigen und Socialdemokraten angenommen. Die Officier- kommunalste»«» soll in allen norddeutschen Bundesstaaten (in Süd deutschland besteht die Steuer schon) gleichmäßig geregelt werden und zwar soll da« HeirathSgut frei bleiben. Hiergegen wurde von frei- finniger «nd soekalistischer Seite protestirt. Nach der «nuahme de» Gesetzes durch den Reichs,ag solle» in den Eiuzelstaaten die AuS- führnngsbestimmunge» erlaffen werden und dann im Reichstage die Annahme de» MilitärpenfionSgesetzr» erfolgen. — Die Post schreibt: Mau erzählt im Abgeordnetenkreisen, daß Se. Majestät der Kaiser auf eine Bemerkung des Abg. Windthorst, er uud seine Partei würden ausnahmsweise für die Verlängerung de» Soeialistengesetzc» stimmen, aber nur in Bezug auf die Person de» Kaisers, den Minister vou Puttkammer beauftragt habe, Herrn Wiudt« Horst für die freundliche Rücksichtnahme aus seine Person zu danken, hinzusügend, daß diese in einem Alter von 89 Jahren «nd nach drei Kriegen, in denen die Hand Gottes ihn beschützt, bei diesem Gesetz weniger in Betracht komme, als Leben und Gut seiner Unterthanen, deren Schutz durch da» Gesetz bezweckt werden solle. — ES wird bestätigt, daß am 11. März von Rom ein Speciah- courier abgegangeu ist, um einen Brief des Papstes an den Reichs kanzler z« überbringen, in welchem erster» für die Wort« de» Lobe» über ihn dankt, welche der Kanzler auf dem letzten parlamentarischen Diner gesprochen. Oesterreich-Ungarn. Er geht? Dem österreichischen Handelsminister Pino war bekanntlich im Abgeordnetenhaus« in Wien die Annahme von Trinkgeldern vorgeworfen; die Sache sollte nicht wahr sein, Baron Pino blieb im Amte. Jetzt heißt eS auf einmal, er habe seine Entlassung eingereicht, weil er sich mit seinen College» wegen einer Verordunng über den Wirkungskreis der Postsparkaffen nicht einigen konnte! !I — Lebhaften Krawäll gab eS an den Gräber» der Wiener Märzgefallene«. Mehrere Arbeiter wurde» verhaftet. England. Gladstoue'S irische Reformpläne nehme» immer größere Ausdehnung -an. Sonnabend hat er seine« College« da» Nothweudige mitgetheilt. Er ist jetzt nicht mehr mit der Schaffung eines irischen Parlaments zufrieden, der irische Großgrundbesitz soll auch zu Gansten der Landbevölkerung expropriirt werden. Damit wird er uuu wohl nicht so schnell durchkommeu. — Bei Suakin fand ein Gefecht mit aufständischen Arabern statt» di« mit einem Verlust von 30 Todten schließlich verjagt wurden. — Die Kosten der von Gladftone geplanten Expropriation der irischen Gutsbesitzer wer den auf 4000 Millionen Mark veranschlagt. Russland. Abermals ist der Petersburger Polizei ein, wie behaupket wird, wichtiger Nihilisten fang geglückt. Anfang» der vorigen Woche gelang e» ihr, vier Revolutionäre dingfest zu machen und dabei Briefwaterial in die Hände zu bekommen, welches einige Tage später die Arretiruug noch einer fünften Persönlichkeit ermög lichte. ans eben deren Festnahme jetzt besondere Wichtigkeit gelegt wird und für die den bethelligteu Polizeiorganeu wieder Extrabelohnung«» auSgezahlt wurden. Orient. Während de» serbisch bulgarische FriedenSvertrag schon vor mehrere« Tagen von beiden Fürsten unterzeichnet ist, ist die Genehmigung des rumelischeu Vertrag» durch die Mächte nicht erfolgt. Rußland hat wieder vorgeschlagen, den Fürsten von Bulgarien uur auf 5 Jahre zum Generalgouverneur von Rumelien zu ernennen, dagegen erhebt Fürst Alexander Widerspruch. Die Vertreter der Mächte in Sofia sind bemüht, den Fürsten zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Vus dem Reichstag. —NN. Berlin, den 15. März. Der Reichstag ist fortdauernd schwach besetzt. In dritter Lesung augeuommen wurden der NachtragSetat für 1886 87, der Gesetzentwurf betr. die Entschädigung unschuldig Verurtheilter (Antrag Lenzmanu), der Gesetzrntwurf betr. Wiedereinführung der Berufung gegen Straf» kammerurtheile. Begonnen wurde die zweite Berathuug der Arbeiter schutzanträge. An dem Antrag Lenzmann hat Abg. Hartmann (cous.) auSzusetzen, daß derselbe zu weit gehe. Abgg. Träger (freist), Reicheusperger (Ceutrum) treten energisch für Annahme ei». Vollkommen sei der Entwurf nicht, aber es sei doch immer «och besser, daß etwas geschehe, als gar nichts. Die Regelung dieser Frage werde im Volke dringend verlangt. Bezüglich der Arbeiterschntzanträge be antragt die Commisiou dt« Ablehnung deS socialistischeu Arbeiterschutz gesetze», dafür aber, den Reichskanzler um Vermehrung der Fabrik- insprctoren und um Vorlage eine» Gesetzes zu ersuchen, durch welche» obligatorische Bewerbegerichte eingeführt werden Abg. Kalle (nat.-lib.) sprach sich für den CmmisfionSantrag au», der vom Abg Kayser (Soz.) bekämpft wurde. Kayser verlangte eine organifirte Vertretung der Arbeiter. Darauf folgte Vertagung. Sächsische» Landtag. Die Erste Kammer nahm gestern den Gesetzentwurf, einige Abänderungen des Gesetzes über die Landes-BrandversicherungSanstalt vom 25. August 1876 betreffend, nach den auch von der Regierung angenommenen Abänderungsvorschlägen der Zweiten Kammer an. Zweite Kammer. Zunächst gelangt die Vorlage über einen Aufsatz, die event. Ermächtigung der Regierung zu provisorischem Erlaß einer Verordnung über die Heranziehung der Militärpersonen zu Gemeindeabgaben betreffend, zur Berathung. Das Wort ergreift zunächst Abg. Ackermann, um eine allgemeine Uebersicht über die Materie zu geben. Vor 1868 habe in Sachsen keine Steuerfreiheit für dieselben bestanden. Er weist ferner auf die NeichstagSverhand- lungen hin. Wiewohl er die Verbindung des Militärpensionsgesetzes mit dieser Angelegenheit nicht für richtig hielte, so sei es doch im Interesse des Zustandekommens jenes Gesetzes wünschenswert, daß man sich über die zweite Forderung einigen würde. Er glaube jedoch, daß man den Officieren eine gewisse Vergünstigung gewähren müsse, da dieselben in Bezug auf das Wahlrecht, sowie in Bezug auf die Wahl des Aufenthaltsortes benachteiligt seien. Er halte den Vor schlag der Regierung für den annehmbarsten. Er beantrage, den Gegenstand der Gesctzgebungsdeputation zu überweisen. Abg. Kir- bach. Er sei anderer Ansicht als der Vorredner. Ec sei nicht sehr erbaut von dem Vorschläge, die Regelung im Verordnungswege vsrzu- nehmen. Er halte es für richtiger, wenn in Bezug auf die Be- steuerung der Officiere bis auf Weiteres nach Erlaß deS Reichsge setzes der frühere Zustand eintretcn möge. Ec habe nicht geglaubt, daß man abzuwarten habe, was Preußen thun würde. Das wider strebe ihm durchaus, sich einfach dem zu unterwerfen, was man in Preußen für gut hielt, so weit er sonst dem Reiche Concesstonen zugestände. Wenn man nach den doch immerhin recht glaubhaften Gerüchten betreffs des Vorgehens Preußens in dieser Beziehung die Vortheile der früheren sächsischen Verhältnisse ins Auge fasse, so werde man umsomehr zu seinem Standpunkt kommen. — Zwischen dem Wahlrecht und der Bestimmung dürfe man keine Parallele ziehen. Betreffs der Beschränkung des Aufenthaltsorte» stünden fast
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