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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191111223
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19111122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19111122
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-22
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Being-.PrriS lllr Leivita und Poron« durch „fee, Teiiaer und kordileuk« 2»«l li»ltch in» yau» gedracht SUP«. monatl,L7uMl. vieneliadrt. Vet untern Ätliaien u. Tn» nahmeslellen abactzoit 7Ü Vf. «onutl^ L»«l. »ierteltdhrl. Lurch dir V»Itr innrrhuld DeuNchlanb» und der deutsch«, N-lonien vierlrijährt. r.iiu Mk.. monaU. ILO Ml. aunsihi. Poitdestelloeld Kerner tn Bei-ien, Dänemark. drn Donauftoaten, Ilaiirn. uurembura. Niederlande. Nor wegen, Leilerrerch-Ungarn. Nuklano, Schweben, Echweu u Eoanten. 2n allen übrigen Slaalen nur direkt durch di« <be>chati,Il«U» de» Blatte» erhältlich. Da» Leiptig«, Tageblatt «rlchrint 2«al tdglrch. Sonn» u. ^e,erlog» nur morgen». Udonnemrni»-Annadm« 2ohon»i»gal>r 8, de» unleren Tragern 3ti«al»n. Spediteuren uu» LnnahmefteUen. lowr« Pogamteru und Briesiragern. cht»i»l»«rta»t»v,»t» 10 WpMerTllgMM , . s " «SL Mrühtauschlu») Ä a,»^chchchch^ - . - ,,, s N KS2 l«-ch1°nschl»» ^el.-Avschl ! 14N3 rel.-Inschl.^ 14 693 Amtsökatl des Aales und des A-lizeiamtes der Lladt Leipzig. Anreiqrn-Preis fdr Inlerar» au» ü'«»0t>g und Umgebung die lloallig« Pettlretir »PI .die Neklame» teil« I Mk. von au»worl» Zli PI. Neklamrn l^ii Mk. 2ni»lat« von Behörden >m amt lichen Leu di« Pelllteii« SU Pt chelchail»an»ela«n mit Plagoorlchrtsteu im tzreue erhöht. Rabat« nach Tarn Bellagegedilhr Gelamt- autiag« ä Mk. v Tauiend erki. Pollgcdühr. Tetldeiiage Höver. Fektrrtellt« Bullraae können nicht jurück» gezogen werden nür da» ikrlchrinen an bestimmten Tagen und Plagen wird kein» Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme Ioda»»l»,«ss« bei iamilichen ,Zii«u>«n u. ollen Annoncen» Lrpevitionen de» In» und Au»land«u Druck und Verlag oou Mischer L Nürstr» Inhaber Paul Nitriten. Redaktion und S«IchSlt»st«lle: 2ohanni»ga!1« 8. -aaot» Filiale Dr»»d«u: Seeitrah« < 1 (Teieohon «Ü2td Nr. 324. Mittwoch, Len 22. November lSll. lO5. Jahrgang. Die nächste Nummer erscheint des Vusztags wegen Donnerstag früh. Die vorlieienve AuSilaste limjasik 32 Lenen. Dss Wichtigste. * Im sächsischen Landtagbeantwor tete Staatsminister Gras Vitzthum von Eckst ädt die Interpellation über das Ma rokko-Abkommen. (S. Landtagsbericht.) * Die Regierung veröffentlicht die aus führliche Darstellung der deutsch-französi schen Verhandlungen, wie sie in der ver traulichen Sitzung der Budgctkommission vom Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter gegeben wurde. (S. den Art. in der Beilage.) * Die Budgetkommission beendete am Dienstag die Beratung des deutsch-fran- z ö s i s ch e n A b k o m m e n s. (S. bes. Art.) * Zur Errichtung einer Station für draht lose Telcgravhie in Tripolis ist der Phy siker Marconi dorthin abgercist. (S. des. Art.) * In Sianfu (Provinz Schensi) sind die Schulvorsleherin J-rau Beckmann mit mehre ren Kinder:! und ein Postbeamter deut scher Herkunft namens Henne von Chine sen ermordet worden. (S. des. Art.) * In Bremen fand am Dienstag die Bei setzung des verstorben.n Bürgermeisters Dr. V. Markus statt. (S. letzte Dep.) * In I na starb der Geschichtsschreiber des deutschen Zeitungswesens Dr. Ludwig Salomon. (S. letzte Dep.) Vorteile unü Nachteile ües Lango-Vertrsges Unser ko.onialvoli ischer Muarbei er schreibt uns: Marokto-Ablommen und Konge-Vc.trag sind nunmehr auch in der Buoget-Koulini,sioi! durch beraten worden, und das hat weder den Ver trägen etwas geschadet, noch den Mitgliedern der Kommission. Einen unmittelbaren materiel len Wert hatten die Kvinmissionsberalungen frei lich nicht, denn an dem Faktum und dem Inhalt des Ablommens ist nichts mehr zu ändern, wohl aber kann für seine praktische Ausfüh rung noch manches gewonnen worden. Etwas ist ja auch gewonnen worden, was aller dings mit dem Kongo-Vertrag nicht direkt zu tun hat, nämlich die Ergänzung des Schutzge- bietsgcse^es, dahin,'ittend, das; in Zukunft Ucbcr- raschungen ausgeschlossen sein werden. Die Erörterungen der letzten Wochen, insbe sondere die Reichstagsverhandlungcn, haben er wiesen, daß die öfsentliche Meinung und Volks vertretung über die Natur der „Kompensationen" noch sehr wenig unterrichtet sind. Nachdem nun an dem materiellen Inhalt des Kongo-Vertrags nichts mehr zu ändern ist und weil es keinen Zweck hat, wenn wir die von den Fran'v.en angebo.enen Entschädigungen möglichst „maoig machen", können wir uns ruhig emgesiehen, daß der Zuwachs, den wir in Kamerun bekommen haben, lange nicht so schlecht ist, wie er bisher hin gestellt wurde. Mit den in letzter Zeit vielgehörten Schlagworten „Sümpfe" und „Wüsten" werden wir der wirklichen Sachlage jedenfalls nicht ge recht. Wenn wir uns die Karte von Afrika betrach ten, so fällt uns auf, daß unsere alte Kolonie Kamerun zwischen zwei gewaltigen Strom systemen liegt, dem des Niger und des Kongo, die wichtige Verkehrswege vom Innern nach der Küste bilden. Charakteristisch für unsere Ko lonie war nun aber, daß sie von diesen Verkehrswegen geradezu kunstvoll abgeschnitten rvar. Durch das neue Abkommen hat sie bis zu einem gewissen Grade wenigstens im Lüden ihre natürliche Gestalt erhalten. Man darf nun allerdings den Anschluß, den wir an den Kongo bekommen haben, nicht über schätzen. Um die volle Gunst der Lage des heutigen Süd-Kamerun ausnützen zu können, hätten wir das ganze rechte Ufer des Kongo-Un terlaufs vom Sanga ab bekommen müssen. Wir nehmen zwar, wie die Franzosen und Belgier, in Zukunft an dem Kongoverkehr unmittelbar Anteil, doch da die Schiffbarkeit dieses Stromes oberhalb der Mündung unterbrochen ist, so muß unser Verkehr zum Schluß doch noch auf eine fremde Eisenbahn übergchen, um den Seehafen zu gewinnen. Dieser Nachteil kann aber auf der andern Seite für uns später zu einem Vorteil werden, sobald wir direkte Verkehrswege durch Südkamerun an den Kongo geschaffen haben, denn wir können dann mit dem unteren Kongo und der Schncllen-Umgehungsbahn in Wettbe werb treten und vielleicht einen Teil des Ver kehrs aus dem Kongobecken durch unsere Kolonie leiten. Natürlich hat diese Aussicht für uns zu nächst nur eine sekundäre Beeeuluug. Vorläufig gilt es kür uns, die eigene Kolonie möglichst umfassend zu erschließen, und dabei wird uns der Kongoanschluß gute Dienste leisten. Schon bi her ging der Po,.- und Personen verkehr nach der Süöost-Ecke von Kamerun den Kongo aufwärts in den Sanga und daun in den Dscha, und nachdem jetzt die User des Sanga fast ganz in unseren Besitz übergegangen sind, bat dieser Weg für uns an Wichtigkeit und Ren tabilität gewonnen. Daneben ist bereits ein Ansatz zu einem direkten Weg von unserer Küste nach dem Südosten unserer Kolonie, nament lich auch nach den neuen Gebieten vor handen. Bekanntlich ist von Duala auS eine Eisenbahn nach Widimenge am mittleren Njong im Bau begriffen. Bon hier ist der Njong auf wärts bis Abong Mbang schiffbar. Baut man nun von Abong Mbang eine etwa 50 Kilometer lange Bahn nordostwärts an der Dume, so kann man die Schiffbarkeit dieses Flusses und des Kade'i, in den er fällt, bis nahe an die alte Kameruner Ostgrenze nutzbar machen. Ein der art kombinierter Verkehrsweg, der mehrfache Um ladungen bedingt, ist nun allerdings einem wach senden Verlehr nicht gewachsen, aber er hilft we nigstens bei der Erschtt.ßung und B.herrschung der Kolonie so lange mit, bis cs uns gelungen ist, eine direkte Bahnlinie nach dem Osten und Südosten fertigzustellen. Und diese Bahnlinie muß kommen, sonst» nützt uns der neue Land zuwachs gar nichts, sondern kostet uns nur Geld. Nun wird man, entsprechend den Behauptun gen, die in den letzten Wochen durch Presse und Parlament gingen, einwenden, daß in dem Land der „Sümpfe" und „Wüsten" ja gar nichts zu holen sei, höchstens Schlafkrankheit. Gewiß, die iLchlaflranlheit ist eine schlimme Zugabe, die uns noch viel Kopfzerbrechen und Kosten machen wird, aber sie ist nicht unüberwindlich und darf uns in Kamerun so wenig »vie in Ostafirika abhalten, Kolonisationsarbcit zu leisten. Und was die „Sümvfe" und „Wüsten" anbe langt, soexistieren sie im wesentlichen nur in der Phantasie einiger Pes si- misten. Sümpfe und sterile Strecken gibt es in jedem Neuland, und manchmal haben sich später solche Strecken bei näherer Untersuchung als Kulturland erwiesen. Das Kongo ge biet, das wir bekommen haben, entspricht geographisch den sich anschließenden Teilen von Kamerun und i st n i ch t s ch l e ch t e r als diese. Unsere Kolonie gehört zwei grundverschiedenen geographischen Regionen an, die nördlichen zwei Drittel sind ein Teil der großen Steppenregion, die sich quer durch Afrika vom West-Sudan bis zur Ostküste und an den Sambesi hinzieht, das südliche Drittel gehört zur Urwaldregion des Kongobeckens Und weist dieselben natürlichen Reichtümer auf wie dieses. Damit sind wir bei den ursprünglichen Aus fuhrprodukten angelangt, die zunächst der Kolo nie eine Eristenzmöglichkeit bie.en. Im Urwald des Kongobeckens ist dies neben dem in den Hin tergrund getretenen Elfenbein der Kauts cksu k, der aus den ungeheuren wildwachsenden Be ständen von Kautschukpflanzen „im Raubbau" gewonnen wird. Welche Mengen dieses auf dem Weltmarkt begehrten Produktes dec Urwald liefert, mag aus der Tatsache erhellen, daß in den letzten sieben Jahren allein aus unserm Südkamcruner Hafen Kribi für rund 40 Mill. Mark Kautschuk exportiert wurde. Unb die schon oft, so auch jetzt wieder hervorgeiretene Behaup tung, Südkamcrun sei nachgeraoe vom Kautschuk entblößt, wird trefflich durch den Umstand sä adZuräum geführt, das; die Kautschuk-Ausfuhr Jahr für Jahr stetig steigt; es werden eben in dem ungeheuren, nur langsam zugäugigen Gebiet im mer neue Gegenden erschlossen, wo die wertvollen Pflanzen wachsen, und die „ausgeplünderten" Gegenden erholen sich, wie festgestcllt worden ist, inzwischen wieder. Und wo Kautschuk in solchen Mengen wild wächst, wird er sich auch pflanzen lassen; Anfänge dazu sind schon ge macht. Und wenn einmal Eisenbahnen das Land durchziehen und die Wasserwege besser erschlos sen sind, so wird auch der Reichtum des Urwaldes an wertvollen Nutz- und Edelhölzern für unsere Kolonialwirtschaft eine Rolle spielen. All' dies gilt gleichermaßen für den französischen Kongo, insbeson dere dieTeile, die uns jetzt zugefall en sind. Dafür spricht namentlich auch die Be geisterung der Südkameruner Handelsfirmen dar über, daß das Gebiet deutsch geworden oder — wie sich eine alte englische Firma gegenüber dem Schreioer dieser Zeilen geäußert hat — aus der faulen französischen in die geordnete und gerechte deutsthe Derlvaltung übergeht. Freilich wird der Nutzen des neugewonnen Gebietes dadurch beeinträchtigt, daß ein großer Teil davon sich in Händen französischer Gesell schaften befindet. Aper einerseits hat die fran zösische Regierung unmittelbar vor Abschluß des Marokko-Abkommens die Verträge mit diesen Gesellschaften wesentlich eingeschränkt, anderseits haben wir im Notfall mancherlei Handhaben, diejenigen Gesellschaften, die ihre Pflichten nicht erfüllen, uns vom Halse zu schaffen. Uebri- gens wird cs ja dort von selbst so kommen, daß die Anteile dieser Gesellschaften allmah ich in deutsche Hände üvcegehen. Einstweilen bringen uns die Konzessionen gewisse, wenn auch müßige Einnahmen; der sranzö.i che Ko.o.iial^istus hat jährlich etwa 4 Millionen bezogen. Der mittlere Teil des Kompensations gebiets ist wie der entsprechende Teil Kameruns noch kaum erforscht und ziemlich menschen leer und kommt seiner geographischen Lage nach sür die Kolvnialwirtfchaft vor^änsig wenig in Be- tracht. Desto wertvoller ist der Norden, das Stromgebiet des Logone und die westlich davon sich ausbrcitenden Tschadseeländcr. Wir verlieren dort leider die sehr wertvolle Land schaft zwischen Schari und Logone, erhalten dafür aber das Land westlich vom Mittellauf des Lo gone, das reich an Vieh sein soll. Das Lvgone- tal selbst ist intensiv bebaut und von fleißigen Negern bewohnt, die ihr Land sogar düngen, eine Seltenheit in Afrika. Ein Teil dieser Leute fällt asterdings an Frankreich, vielleicht gelingt es aber, sie teilweise auf unserer Seile an zusiedeln. Die Tschadseeländcr sind ebenfalls sehr wichtig für Vieh-, und namentlich für Pferdezucht, jeder anständige Mensch unter unter den Eingeborenen ist dort beritten. Außer dem wird seit alter Zeit Baumwollbau ge trieben, und verschiedene Reifende erzählen, daß man tagelang durch Baumwollfelder reitet. Na türlich ist das alles sür unS erst dann von praktischen! Wert, wenn wir eine Eisenbahn nach dem äußersten Norden der Kolonie gebaut haben. Ist die wirtschaftliche Seile des Kongo-Ver trags demnach erträglich, so erregt anderseits die Frage dec Etappenstraßen einige Bedenken. Es wird jedenfalls gut sein, wenn bei Ausarbei tung der Aussührungl-bestimmunzcn sehr vorsich- rig verfahren wird. Reichstag und Kolonial verwaltung mögen dafür sorgen, daß Versäum nisse auf diese Weise nach Möglichkeit repariert »vcrden. Unsere Meinung ist nun, daß wir uns keines wegs emem unfruchtbaren Ko.ouialvesttmismus hingcben dürfen. Der Geoietszuwacys wiro uns erhebliche La,.en auf mili.äri,chcm Gebiet auf erlegen, denen nicht sofort entsprechende Ein nahmen gegenüberychen dürften. Das wäre jedoch auch der Falt gewesen, wenn wir ein Stück Marokko bclommen hätten. Und wenn wir auch Kamerun schon soweit hatten, daß es sich im wesentlichen selbst erhielt, und jetzt in mancher Hinsicht von vorn anfangen und unsere Organi sation umkrempeln müisen, so ist dem entgegen zuhalten, daß wir doch noch nicht auf unsern Lorbeeren ausruhen wollen. Wir wollen viel mehr an die Nutzbarmachung des neuen Kolonial besitzes mit derselben Energie Herangehen, wie an die des alten; schließlich arbeiten wir nicht nur für uns, sondern auch für die Zukunft der Nation. Die heutige Form von Kamerun kann uns noch nicht ganz befriedigen. Wenn nicht alles trügt, wird später eine weitere Abrun dung erfolgen. Unser Ziel muß sein, durchzu setzen, daß später der untere Kongo die Grenze von Kamerun bildet. Es wird gut sein, wenn wir von diesem Geoanten unsere Bercehrs- und Wirtschaftspolitik in Kamerun leiten lassen. Ter Reichstag wird sich vor Augen halten müssen, daß dies nicht mit kleinen Mitteln zu bewerk stelligen ist, und der Kolonialverwaltung auf die Finger sehen, daß sie nicht aus falscher Spar- famteit die Gelegenheit entgehen läßt, uns im Kongobecken Geltung zu verschaffen. Zur Fruge üer Ltcskprozetzorünung. Die Frage nach der Reform des Strafprozesses hat seit dem Erlasse üer heute geltenden Strafprozeß ordnung aus dem Jahre 1877 nicht geruht. Bereits im Jahre 1883 setzte ein freisinniger Antrag aus Ein führung der Berufung ein, nach einigen weiteren Ver suchen scheiterte eine Ztrafprozeßnooelle im Jahr« 1896 in der dritten Lesung des Reichstags, und seitdem sind immer weitere Anträge im Reichstage gestellt worüen. Eine der ersten Interpellationen, die im gegen wärtigen Reichstage eingebracht wurde, war eine Anfrage, wie es mit üer Reform Les Straf prozesses stehe. Am 29. November 1909, also vor nunmehr zwei Jahren, wurde dem Reichs- tage bei Beginn seiner zweiten Session eine völlig neue Ttrafprozeßordnung vorgelegt, di« ihm bereits gegen Schluß der «rst«n Session zu gegangen, dort aber nicht erledigt worden war. Die Strafprozeßordnung wurde einer Kommission vor gelegt und dort bis in den November 1910 eingehend beraten. Zu Beginn Les Jahres 1911 erstattete die Kommission ihren sehr eingehenden Bericht. I m Februar trat man im P l e n u m für einige Tage in die zweite Beratung «in, und seitdem ruht di« Sache, um fürs erste überhaupt zu verschwinden. Die Reformversuche leiden in sich an gewissen Fehlern, und vielleicht sind es diese Fehler, die die Sache nicht vorwärtskommen lassen. .Da» Natürlich« in der Reihenfolge der großen Strafrechtsgesetze ist da», daß zunächst «in Gesetz über di« Strafvollstreckung, dann ein Strafgesetzbuch, dann «ine Strafprozeß- ordn ung verabschiedet wird. Erst muß man wissen, welche Strafarten man überhaupt zur Verfügung hat. Dann muß man diese Strafarten im Strafgesetzbuch für dir verschiedenen Delikte verwenden, und schließ lich muß man in der Prozeßordnung regeln, wie man die einzelnen Delikte prozessual behandelt. Fängt man, wie das bei den Anträgen für Reform des Strafprozeßes geschehen ist. von hinten an, so bietet das Schwierigkeiten, die vielleicht nicht offen zutage liegen, die aber eins gewiße Unsicherheit in die Aktion bringen und daher hemmen. Ein weiterer Uebclstand war, daß die Reform des Strafprozeßes aufs engste mit üer Wiedereinführung der Berufung verknüpft war. Für manche Parlamen. tarier ging sie geradezu in der Wleüereinführung der Berufung auf. Parlamentarische Unternehmungen knüpfen sich leicht an populäre Wünsche, ohne Rücksicht auf die sachliche Berechtigung dieser Wünsche, und so war es mit der Berufung. Es war leicht, die Forderung aufzustcllen, daß gegen ein strafrichtcrlichcs Urteil ein Höheres Gericht angegangen werden dürfe. Für den Kenner Les Prozesses sind aber die Uebelständc einer Berufung einleuchtend. Er sieht einen aut geführten Prozeß in der sorgfältigsten Vorbereitung und in einer Instanz, auf der die ganze Verantwortung ruht; und deshalb hatte für viele Juristen die Berufung keinerlei Anziehungskraft. Sie standen zum mindesten einer Reform kühl gegenüber, die sür sie keine eigent liche Reform, sondern eine Wiederkehr zu Vorurteilen war, die man 1877 glücklich überwunden hatte. Geht aber Ler Juristensrand nicht mit einer gewißen geschlossenen Freudigkeit an eine Reform, so wird ihr in den Anfängen bereits die Schwungkraft gebrochen. Dies einige der Schwierigkeiten, di« vor? Anfang an in der Sach« lagen. Zu Beginn des Jabres 1910 begann die Reichs- tagskommiyion ihre Tätigkeit, aber die Art, wie sie Lie Sache behandelte, hat diese auch nicht besonder» gefördert. Eine Prozeßordnung ist ein Kunstwerk, streng systematisch aufgebaut, bei dem die eine Be stimmung mit der anderen eng zujammenhängt, enger oft, als man auf den ersten Blick gewahrt wird. Einem solchen Werke gegenüber gibt es nur zwei Arten der Behandlung. Entweder, man hält es in den Erundzllgen sür verfehlt, dann lehnt man es ab, oder man halt cs in den Erunözügen für brauchbar, dann nimmt man es an, ohne in den Einzelheiten viel zu ändern. Die Einzelheiren haben dem Gesamtwerke gegenüber untergeordnete Bedeutung, Aenderungen an ihnen können aber leicht das Eesamtwerk schädigen, da sie mit dem System nicht überein stimmen. Wollte man ein Oelporträt tadurch ver bessern, daß man im einzelnen die Haltung der Hand gestreckter, die Haare dunkler die Nase röter machte, so würde zumeist eine Karikatur herauskommen. Die Reichstagskommission nun ging, ohne die Grundlagen des Entwurfs zu ändern, zu sehr in die Einzelheiten und focht in sich endlose Kämpfe um Einzelänterungen aus. Das Ganze hat dadurch nicht gewonnen, und die Freude am Ganzen hat sich ge mindert. Es fehlte schließlich die Begeisterung, ohne die ein großes Werk nicht gelingt. Mit der jetzigen Strafprozeßordnung ist die Re vision des Strafprozeßes zunächst erledigt. Man wird nunmehr warten, bis Las in der Vorbereitung be griffene Strafgesetzbuch verabschiedet ist. Dieses wird erst dem übernächsten Reichstage, etwa im Jahre 1918, oorgelegt werden können. Seine Beratung im Reichs tage wird nach den Erfahrungen, die man mit der Prozeßordnung gemacht hat, mehrere Jahre in An spruch nehmen. Dann kann die Reichsregierung erst daran gehen, «ine neue Strafprozeßordnung auszu arbeiten. Wenn diese dem Reichstage im Jahre 1922 zugeht, muß alles glatt gehen. Bis dahin muß also jedenfalls gewartet werden. Vielleicht schadet es nichts, denn vielleicht ist bis dahin manches Vorurteil beseitigt, das die Beratungen des jetzt gescheiterten Entwurfes beeinträchtigte. Die Revolution in Lhlns. * Die Wirren in China, der Kampf zwischen der Mandschu-Dynastie und den Revolutionären hält seit kurzem alle Welt in Spannung und stellt den gewaltigen Koloß China vor Aufgaben, deren Umsang und Bedeutung für die Weiter entwickelung des Landes von unabsehbaren Folgen sein werden. Wir sind in der Lage, unseren Lesern Augenzeugenberichte unse res ostasiatischen Mitarbeiters in Schanghai zu bieten, der sich in der zweiten Hälfte Oktober nach dem Ausgangspunkte der Unruhen begeben hat. Der nachfolgende erste Artikel legt die Gründe klar, weshalb sich die Revolution so schnell im Pangtsetal ausge breitet hat. Längs ües Dangtle. <Von unserem ostasiatischen Spezialkorrespondenten.> (Nachdruck verboten.) Zwischen Kiukiang und Hankou, am 27. Oktober 1911. „Die schnellen Eisenbahnsahrten sind nur geeignet, über die ungeheuren Landes- und Völkermassen Chinas hinwegzulauichen. Die Pangtsefahrt rückt das Problem auch dem Neuling greifbar vor Augen." Dieie Worte hat Staatssekretär a. D. Dr. Dern- bürg fast genau vor einem Jahre in das Gästebuch des deutschen Pangtsedampfers „Meili" eingetragen, als sich seine Fahrt vor Hankou ihrem Ende ge nähert hatte. Ein Jahr ist seitdem verstrichen, und der Reisende, der in diesen Herbsttagen den Pangtse auf wärts fährt, wirb sich in ganz besonderem Maße bewußt, wieso der Pangtse mit dem „China problem" io eng verknüpft ist. Dernbura mag rn erster Linie an die friedliche Muston des Riejenstromes gedacht haben, an seine Bedeutung für die Dolkswir.schäft, an den Aufschwung der an ihm liegenden Handelsstädte und an die wachsende Bedeutung der Waßerstraße für den Welthandel
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