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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960512023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896051202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896051202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-05
- Tag 1896-05-12
-
Monat
1896-05
-
Jahr
1896
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Abend-Ausgabe NMM T agM M M. Dienstag den 12. Mai 1896. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abknd-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Hedartiou u«d Lrpe-itiou: JatzannrSgafir 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Vtto Klemms Sortim. (Alfred Hahn) Uttiversitatsstratze 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Kathannenstr. 14, Part, und Königsvlatz 7. Anzeiger. AmtMatt des Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Molizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Bezugs'PreiS in der Hauptexpedition oder den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten Aus- gabrslrlten abgehott: vierteljährlich.^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich .4l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich -/k 7.50. AuzrigenPrri- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. 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Und weiter bestätigt die „Post", daß auch die Veröffentlichung „selbstverständ lich" mit kaiserlicher Ermächtigung erfolgt ist. Damit ist Herrn Stocker und seinen Genossen der Versuch abgeschnitten, Herrn v. Stumm einer Verstümmelung der kaiserlichen Worte oder einer IndiScretion zu beschuldigen und auf ihn ihren Groll abzuladen. Sie werden sich mit dem Telegramm selbst abzusinden haben, und daß sie das ziemlich genau so thun werden, wie wir es gestern Voraussagen zu dürfen glaubten, dafür liegt bereits ein Anhaltspunct in der Auslassung des „Volk" vor, die christlich-socialen Pastoren seien keine Politiker im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Sehr bald werden daher diejenigen Blätter, welche die Ansicht aussprechen, „der Stöckcrei sei der Todes stoß versetzt", ihres Jrrthums inne werden, es müßte denn — was nicht unmöglich, ja nicht einmal unwahr scheinlich und sehr erwünscht wäre — ein ausführ licher Commentar erscheinen, der den Agitatoren nach Stöcker'schcm Muster jede Ausflucht abschnitte. Vorläufig halten auch Blätter, die nicht christlich-social im Parteisinne deö Wortes sind, wie der „Reichsbole", mit der Erklärung nicht zurück, daß das Telegramm in seiner epigrammatischen, verschie dene Deutung zulassenden Kürze den beabsichtigten Zweck, die christlich-sociale Bewegung in die rechten Bahnen zu lenken, schwerlich erreichen werde. Der conservative „Reichsbote" zeigt sich über den „drastisch schroffen" Ausspruch: „Ehristlich-social ist Unsinn", von tiefem Schmerz erfüllt und wünscht, das „ver- bängnißvolle Wort" wäre nicht vom Throne herab gesprochen worden. Mögen nun aber auch die Ehristlich-Socialen selbst und ihre Halbfreunde mit diesem Ausspruche sich abfinden, wie sie wollen und können, wir und wahrscheinlich die große Mehrheit der nationalgesinnten Bevölkerung finden das Ernsteste in dem kaiserlichen Telegramm in der Weg Weisung der Pastoren von der Politik. Gemeint können nur die evangelischen Pastoren sein. Denn die katholischen Geistlichen treiben von jeher Politik, und es ist doch ganz und gar die Vermuthung ab zuweisen, der Kaiser könnte beabsichtigt haben, auf die katholischen „Pastoren" mit seinen Worten Eindruck zu machen. Diese erkennen als Richter darüber, was s e zu thun und zu lassen haben, nur die geistlichen Oberen an, und diese wiederum begünstigen die politische und agitatorische, gegen den Protestantismus gerichtete Wirk samkeit der Priesterschast. Der .Kaiser aber, als 8umwu8 episeopus der evangelischen Kirche in Preußen, hat mit dem Wortlaute seines Telegramms die Diener dieser Kirche von der Abwehr römischer Angriffe abgemahnt. Darüber kann kein Zweifel bestehen, wenn der Wortlaut des Tele gramms nicht einen einschränkenden Commentar erhält. ES ist doch nicht nur Politik, wenn ein Pastor sich mit Herrn v. Stumm nicht einverstanden zeigt. Politik ist es auch, wenn er bei Wahlen, wie z. B. denen von 18S3, seine Mitbürger zu einer Stimmabgabe im patriotischen Sinne auffordert, wenn er im Osten seine Glaubens- und Stammesgenossen in der Vertbeidigung gegen die Polen unterstützt und im Westen sein Theil dazu beiträgt, daß diese GebietStheile nicht ausschließlich durch „Mußpreußen", wie Herrn Lieber, in den Parlamenten ver treten sind. Wir sprechen gewiß nicht vom Parteistandpuncte, wenn wir die Verdammung der politischen Thätigkeit der evangelischen Geistlichen bedauern. Sie sind in den meisten deutschen Staaten überwiegend orthodox und consrrvativ und vielfach besonders geneigt, gerade die Mittelparteien zu be fehden. Aber wir legen den Hauptwerth auf ihre Mit wirkung bei Dem, was uns mit den Conservativen gemeinsam ist, und diese Wirksamkeit ist in dem kaiserlichen Telegramm fast noch schärfer gemißbilligt als die christlich-sociale Agitation. Absicht ist das sicherlich nicht; aber die epigrammatische Form der Kundgebung wird den ultramontanen und freisinnigen Gegnern jedes politischen Hervortretens der evangelischen Geistlichkeit eine erwünschte Handhabe geben, so lange nur dieses nackte Telegramm vorliegt. Die AricdenSfeier bat auch das führende Organ der deutschen LocialSemokratie zu einer Aeußerung veranlaßt. Daß es dabei ohne Geschichtsfälschung und Verhetzung nicht abgehen würde, war vorauszusehen. Aber der „Vorwärts" hat selbst die gespanntesten Erwartungen zu übertreffen ge wußt, denn er schreibt: „Ein Friedensjubiläum nach den vielen Kriegsjubiläen l Heute, am 10. Mai, ist es ein Vierteljahrhundert, daß der Friede mit Frankreich in Frankfurt abgeschlossen ward. Der Friede ist ein schönes Ding. Doch es giebt Frieden und Frieden. Wurde der nach der Schlacht von Sedan und dem Falle des Kaiserreichs mit Frankreich geschloffene Frieden ehrlicher Friede, der nicht die Saat neuer Kriegsgefahr in sich trug, dann wäre der Sedanstag ein Jubelfest für das deutsche wie für das französische Volk geworden. Aber nach Sedan wurde der Krieg fortgesetzt, und zwar, nachdem er bis dahin für Deutsch land Vertheidigun gskrieg gewesen, von deutscher Seite als Er oberungskrieg. Elsaß-Lothringen sollte den Franzosen abgenommen werden. Nach unsäglichem Blutvergießen gelang dies — Frank reich wurde so heillos geschwächt und gedemüthigt, daß es am 10. Mai 1871 den Frankfurter Frieden unterzeichnen mußte. Mit Zähneknirschen und dem Gedanken der Revanche. Frankreich benutzte den Frieden, um sich zu erholen und feine verlorene Machtstellung wieder zu gewinnen. Und noch ehe die Tinte des Frankfurter Friedensvertrages getrocknet war, tauchte die Wolke der französisch-russischen Allianz am politischen Himmel auf. Und diese Wolke ist dräuender und dräuender geworden; sie bedeckt noch heute den politischen Himmel und wirst einen erkältenden Schatten, der alles gesunde Wachsthum hemmt, auf das innere politische Leben der Völker. Der Franksurter Friede war mit dem Schwerte geschrieben, nur das Schwert konnte und kann ihn aufrecht erhalten. Er zwang Deutschland, seine Armee fortwährend zu vermehren, dem Volk imincr schwerere Lasten auszuladen. Und die nothwcndige Folge: Unzufriedenheit unten mit Unterdrückung von oben blieb nicht aus. Der Culturkampf, das Socialistengesctz, die Ver wandlung der Justiz in ein Machtmittel der Gewalthaber, das Ueberwuchern des Militarismus, die Züchtung des Agrarier- thums, die Bereicherung der herrschenden Minderheit auf Kosten des arbeitenden Volks und beständige Kriegsgefahr. Gefahr nicht eines Krieges zwischen zwei Staaten, nicht eines europäischen Krieges — nein, eines Weltkrieges im wahrsten Sinne des Wortes, der die ganze „alte Welt": Europa, Asien und Afrika zum Schauplatz haben und mehr Schrecken, Unheil und Mordgreuel ver- Ursachen würde, als irgend ein Krieg der Vergangenheit — ein Krieg, neben dem der deutsch-französische deS „glorreichen" JahreS 1870,71 das reine Kinderspiel wäre. Das sind die „Segnungen", welche die Pandorabüchse des Frankfurter Friedens über uns aus gegossen hat." Daß der Verfasser dieses Artikels wirklich selbst glaube, der Abschluß des Krieges mit Sedan und milde Friedens bedingungen würben uns einen dauernden Frieden gebracht haben, wird er keinem Menschen einreden. Auch er weiß sicherlich, daß lediglich der Verlust von Elsaß-Lothringen un sere westlichen Nachbarn davon abhält, ohne Verbündete Re vanche für Sedan ebenso zu fordern, wie sie einst Revanche für Sadowa forderten. Er weiß, daß eine Schwächung Frankreichs eine Nolbwendigkeit war. Seinen Kummer und seinen Groll kann daher nur die „heil lose" Schwächung Frankreichs erregen, die alle Aussicht auf eine Verwickelung nimmt, welche in Deutschland den Umstürzlern freie Hand für ihre Pläne gäbe. Den Grund dieses Grolls kennt man freilich schon längst; daß er aber am Friedensfeste wieder so ungescheut angeveutet wurde, ist eine Schamlosigkeit, die kaum noch übertroffen werden kann durch die Behauptung, daß in Deutschland, dem Lande der auö gebildetsten socialpolitischen Gesetzgebung, als notbwendige Folge zener „heillosen" Schwächung „Bereicherung der herrschenden Minderheit auf Kosten des arbeitenden Volkes" in die Er scheinung getreten sei. In -intzlanb ist man mit dem neuesten Ministerwechsel in Frankreich außerordentlich zufrieden und freut sich über den Sturz des radicalen CabinetS Bourgeois. Dies kommt in verschiedenen Artikeln der „Nowoje Wremja" wie des „Journal de St. Pötersbourg", beide bekanntlich der Re gierung nahestehend, unverhohlen zum Ausdruck. Beide ein flußreiche Organe sehen in der jetzigen Lage den Beweis dafür, daß das Land wirklich, wie Meline in seiner Er klärung gesagt habe, nach Ruhe dürste, und die „Nowoje Wrem;a" weist darauf hin, daß die glückliche Wahi einiger Minister an der Festigung der Stellung des ganzen Cabinets ihren Antheil habe. Das Blatt schreibt nämlich: „Auf die jetzige ruhige Stimmung der Nation hat auch der Um stand Einfluß gehabt, Laß das Portefeuille der Auswärtigen Angelegenheiten sich wieder in den Händen Hanotaur' befindet und das Cabinet außerdem noch einen andern offenkundigen Russensreund zu seinen Mitgliedern zählt, den bekannten Patrioten und Schriftsteller Rambaud, der den Posten des Unterrichts ministers bekleidet. Rambaud hat ziemlich lange in Ruß land gelebt, kennt die russische Sprache gut und hat die unparteiischste Geschichte unseres Vaterlandes geschrieben, die jemals in französischer Sprache erschienen ist. In den politischen Kreisen von Paris legt man diesem Umstande eine ernste Bedeutung bet, und er ist einer der Gründe, welche das Publicum bewegen, dem Mini sterium Möline zu vertrauen, welches gerade zu einer solchen Zeit zur Macht gelangt ist, wo eS für Frankreich von höchster Wichtigkeit ist, daß es fortfahre, auf der inter- nationalen Arena im vollen Einvernehmen mit Ruß land vorzugehen." Aus der allgemeinen Lage ergiebt sich keine erkennbare besondere Veranlassung für die Betonung des WertheS, welchen die russisch-französische Entente gerade für Frankreich bat; um so mehr mutz die letzte Wendung in den Aus führungen der „Now. Wremja" auffallen. Von den Tamoa-Jnscln wird den „Alldeutschen Blättern" über einen Fall von Zurücksetzung der deutschen Sprache berichtet, der die deutsche Bescheidenheit wieder in erhebendstem Lichte zeigt und Abhilfe erheischt. Der Gewährs mann der „Alld. Bl." hatte sich vor einiger Zeit bei dem amerikanischen Oberrichter aus Samoa erkundigt, weshalb mehrere gegen Eingeborene wegen Diebstahls rc. gerichtete Klagen, die bei dem Richter eingereicht waren, nicht zur Verhandlung kämen, woraus folgende Antwort erfolgte: „Deutsch haben Sie an mich geschrieben? Das ver stehe ich nicht, dann könnten Sie auch ebenso gut griechisch oder hebräisch an mich schreiben!" Solche Antworten, fügt der Berichterstatter sehr zutreffend hinzu, aus dem Munde eines von drei Großmächten an gestellten Juristen rn erhalten, der nach deutschen Begriffen klassisch gebildet, also in gewissem Grade auch der griechischen Sprache mächtig sein sollte, das ruft uuS immer wieder die schmachvolle Lage in das Gedächtniß zurück, in der die Deutschen in Samoa sich befinden, und die geringe Fürsorge, welche die deutsche Regierung den hiesigen Neichsangehörigen und deren Interessen entgegenbringt. Diese mangelnde Fürsorge zeigt sich dadurch, daß die deutsche Regierung eö zuläßt, daß ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Beamter in einem Lande als Richter an gestellt wird, in welchem die deutschen Reichsangehörigen mehr als zwei Dritttheile aller direkten und indirekten Steuern tragen und also mit mehr als zwei Dritttheileu zu dem außer gewöhnlich hoben Gehalte jenes Beamten beisteuern, in einem Lande, in welchem den Deutschen vertragsmäßig doch wenigstens die Gleichberechtigung mit Engländern und Amerikanern zugestanden ist. Die Erfolge jenes von der deutschen Regierung mitunterzeichneten Samoa-Vertrages vom 14. Juni 1889 sind zu offenkundig und zu oft erörtert, als daß ein nochmaliges Eingehen auf dieselben erforderlich Ware. Hoffen wir aber, daß erkannte Fehler recht bald beseitigt werden im Interesse des deutschen Ansehens, des deutschen Handels und zur Wohlfahrt des deutsche» Volkes. Wenn auch die neuerliche Einmischung der Bereinigten Staaten in die kubanische Angelegenheit in Spanien das verletzte Selbstbewußtsein der Kreise, welche in Straßen demonstrationen auswärtige Politik betreiben, wieder gewaltig sich aufbäumen macht, so scheint doch die spanische Negierung bereits auf dem Wege, klein beizugeben. Wenigstens liegt uns heute folgende Mittheilung aus Washington vom 1. Mai vor: Von zuständiger Seite wird gemeldet, auf Ersuchen der Regiernng der Bereinigten Staaten werde die spanische Regierung die Voll ziehung der Todesurtheile der an Bord des „Compctidor" fest genommenen Amerikaner verschieben, bis die Ansichten der Unionsregierung, betreffend die Anwendung des Vertrages von 1795 und deS Protokolls von 1877 auf diese Fälle, unterbreitet und erwogen werden können. Der Austausch der Anschauungen zwischen den beiden Regierungen über die Auslegung der betreffen- den Vertragsbestimmungen werde einigeWochen inAnspruchnehmcn. Wie die Dinge liegen, sprach von vornherein die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Cabinet Canovas es ver meiden werde, die spanisch-amerikanischen Beziehungen durch Hinrichtung der drei Amerikaner zu compromittiren, indeß ist es klar, daß eine Begnadigung der Jnculpaten die Situation nicht beseitigen kann, aus welcher solche Conflicte, wie die „Competidor"-Affaire, erwachsen. Diese Situation selbst ist eine durch und durch ungesunde und konnte sick nur dadurch herausbilden, daß Spanien dem Aufstande überhaupt Zeit ließ, sich zu einer Krise für Cuba und für das Mutterland selbst zu entwickeln. So lange cs den Spaniern nicht möglich ist, den Aufstand mit erdrückender Uebermacht zu bewältigen, oder es ihnen nicht beliebt, ibn durch Gewährung weitgebender Zugeständnisse gegenstandslos zu machen, können Conflicte u la „Competidor" sich jeden Tag wiederholen, und damit dürfte dann das Schicksal der spanischen Autorität jenseits des Atlantic überhaupt besiegelt sein. General Weyler und seine beiden Untergencrale dürften es mit Freuden begrüßen, wenn die spanische Regierung nachgiebt: einen patriotischeren Anlaß, Cuba zu verlassen, dem sie schon längst gern den Rücken ge kehrt hätten, können sie nicht finden. Es wäre Weyler viel leicht geglückt, den Aufstand zu ersticken, wenn er nicht von auswärts immer neue Nahrung bekommen hätte. Daraus erkärt sich zur Genüge das kategorische Verlangen des Ober befehlshabers. Erst letzthin hat wieder dem „El Liberal" Feurllrtsn. Die Tochter des Millionärs. 10s Roman aus dem Englischen von L. Bernfeld. kNachdruck verboten.) Irgend etwas in Victors Gesicht erschreckte Beatrix; dunkel und unbestimmt überkam sie wohl eine Ahnung von den Gefühlen, welche ihn bewegten. „Es ist schon spät, wir wollen hinuntergehen", sagte das junge Mädchen hastig, einen Versuch machenv, an ihm vorbei zu schlüpfen. „Nur einen Augenblick noch, ich möchte eine Frage an Sic richten. Miß Hopley, glauben Sie wohl, daß ein Mädcken aus Liebe zu einem unbemittelten Manne im Stande wäre, auf ihre Brillanten und schönen Kleider zu verzichten, und sich auch ohne dieselben an seiner Seite glücklich fühlen könnte?" Beatrix' Antlitz färbte sich dunkelrotb, ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Aber sie unterdrückte ihre Aufregung und sagte lachend: „Ich gebe es auf — ich, ich kann kein Rätbsel rathen!" Und hastig eilte sie an ihm vorüber die Treppe hinab und machte erst Halt, al« sie sich in dem hell erleuchteten Gesell schaftszimmer in der Nähe ihrer liebenswürdigen Wirthin sicher fühlte. Victor folgte langsam, er war nachdenklich geworden, denn er sagte sich selbst, daß er sich mit seiner Frage übereilt batte. Es war ihm daher ganz reckt, daß sie nach echter Frauenart seine voreilige Frage mit einem Scherze beant wortet hatte. War cs doch unklug von ibm gewesen, Beatrix gegenüber schon jetzt so weit vorzugehen. Wa« bätte sie ihm auch nach ihrer kurzen Bekanntschaft antworten sollen? Sie hatte sich in der reizendsten Weis« au« der Verlegenheit ge- zogen. Victor bewunderte ihre Klugheit und Intelligenz, frohen Muthe« blickte er in die Zukunft, und mehr als je von den Reizen Beatrix' gefangen, betrat er die Gesellschafts zimmer de« Hause«. Indessen hatte Helene Gelegenheit gefunden, Mr«. Lar- combe zu bitten, ihr bei dem Diner einen Platz anzuweisen, der sich nicht in unmittelbarer Nähe de« Capitain« Seudamore befand, von dem sie wisse, daß er zu ver Gesellschaft von Ardatb Bal« tzrhikk. „Warum ist der Capitain ein so gefährlicher Mann, Helene?" „Ich mag ihn nicht", erwiderte Helene. „Dann werde ich Ihnen Mr. Vyner als Tischherrn zu weisen", sagte Helene's gütige Wirthin. „Ich fürchte, er wird meiner müde sein, Mrs. Larcombe." Ein schwaches Lächeln zog bei diesen Worten über das Antlitz des schönen Mädchens. „Hier kommt er gerade, wir wollen ibn fragen." „Tbeuerste MrS. Larcombe, ich bitte Sie —" „Schweigen Sie, Helene", rief die Dame lebhaft. „Mr. Vyner, sind Sie Miß Greville'S müde, oder wollen Sie dieselbe zu Tisch führen?" „Ich, Miß Greville'S müde! O, MrS. Larcombe, welche Frage!" Und seine Augen sprachen so beredt, daß man mit Leichtigkeit darin die Geschichte seines Herzens lesen konnte. „Nun denn, Mr. Vyner", sagte befriedigt MrS. Larcombe, „so stelle ich Helene für diesen Abend unter Ihren Schutz." Der junge Mann nahm den Platz an Helene's Seite rin und gelobte sich, denselben keinem Andern zu überlassen. Im Geheimen war die gute MrS. Larcombe erstaunt darüber, daß Helene den Capitain Seudamore nickt leiden mochte. Ihr selbst war nichts weiter von ihm bekannt, al« die Tbatsache, daß er ein hübscher und stattlicher junger Mann sei — gerade solch ein Mann, wie ihn in der Regel junge Damen gern haben. Al« die Gesellschaft von Arbath Vale anlangte, war MrS. Larcombe noch mehr überrascht, als sie bemerkte, daß Seudamore gar keine Notiz von Helene nahm und that, al« ob er sie überhaupt bis dahin gar nicht gekannt bätte. MrS. Larcombe beschloß, ihm Miß Harnaß als Tisch nachbar zu geben. „Bitte, Herr Capitain, führen Sie Miß Harnaß zu Tisch!" sagte sie später in ihrer Eigenschaft al« Wirthin zu ihm, als sie durch das Zimmer ging, um ihre Anordnungen für die Tafelördnung zu treffen. „Sie ist eine reiche Erbin. Die Eltern sind todt und Miß Harnaß hat im vergangenen Jahre von einem australischen Onkel ein ungeheures Ver mögen geerbt." Philipp verbeugte sich leicht, al« er seinen Arm einer nicht mehr in der erste» Biüthe stebepden, aber noch hübschen Dame, in einer Toilette von rotbbraunem Sammet mit gelben Rosen garnirt, bot. „Ein ungeheure« Vermögen" klang sehr anziehend für seine Ohren. Welch' ein glückliches Mädcken! Und welck' ein beneidenswerther Mann wurde Derjenige, den sie mit ihrer Hand und ihrem Vermögen beglücken wollte. Als Philipp mit seiner Dame an der Tafel Platz nahm, sah er in daS ihm freundlich zuläckelnde Gesicht Beatrix', welche ihm gegenüber saß; und bei dieser Gelegenheit war es, wo er zum ersten Male daS Brillanten-Halsband wahrnahm, welches Beatrix' Nacken heute Abend schmückte. Durch zwischen ihnen stehende TreibhauSfarren und ausländische Blumen schimmerte ihm der funkelnde Glan; der großen herrlichen Steine entgegen, der Anblick derselben ließ seine Pulse schneller schlagen und versetzte ihn in eine ganz un gewöhnliche Aufregung. IX. Jane Harnaß hatte ihr Leben noch niemals so genossen als jetzt, die Aufmerksamkeiten von Seiten de« stärkeren Ge schlechts waren ihr bisher eine unbekannte Sache gewesen. In früheren Zeiten, als sie noch im Hause ihres VaterS lebte, und jung und hübsch war, hatten sich ihr junge beiratbsfähige Leute nie genähert, und später, als sie mit dem kleinen Vermögen ihres VaterS zu rechnen hatte und von einem Hause ihrer vornehmen Verwandten zu dem anderen zog, mußte sie stets darauf bedacht sein, mit den Zinsen des kleinen Vermögens, welche zur Beschaffung ihrer Toilette und anderer nothwendigen Bedürfnisse dienten, aus- zureicken. Deshalb war sie in diesen Kreisen, wo daS Geld keine Rolle spielte, gewissermaßen immer als arme Verwandte betrachtet worden, und man batte ihr nie besondere Aufmerk samkeit erwiesen. Jetzt mit einem Male bemerkte sie zu ihrer äußersten Befriedigung, daß Alle« um sie her voll ständig verändert war; sie nahm jetzt eine weit angenehmere Stellung als früher ein. Hier war sogar einer der schönsten und elegantesten Herren der Gesellschaft, der sich die größte MUbe gab, ihre Gunst zu erlangen. Dieses ihr ganz neue Gefühl von Erfolg und Triumph versetzte sie in rin Ent zücken, welches der armen Jane den Kopf verwirrte und ihr Blut schneller durch die Adern rollen ließ. Jane Harnaß war sehr empfänglich für neue Eindrücke, sie war von einfachem Gemütd und durch die Leben« erfahrungen, die sie gemacht hatte, sehr bescheiden in ihren Ansprüchen. Pbilipp, als großer Frauenkenner, zog in Be tracht, daß e« für ihn wohl zweckvoll wäre, wenn er sich die Gunst Miß JaneS sickern könne. Er dämpfte seine Stimme und flüster«, ihr leise Compliment« zu; er sah ihr schwärmerisch in di« Augen und lächelt, st, d«d,utung«voll an; ,r v«r» anlaßte sie, von sich selbst zu sprechen, und das that sie auch; sie plauderte lebhaft von ihren Gefühlen, von ihren oft sehr romantischen Träumen und Einbildungen. Es dauerte gar nicht lange, so befanden sich Pbilipp und Miß Jane in einem lebhaften Gespräch über die Liebe, und dies Thema war so ergiebig, und sie schienen sich darüber so viel sagen zu können, daß die Unterhaltung gar kein Ende nehmen wollte. Endlich gestand Miß Jane dem Capitain, daß sie selbst noch niemals in ibrem Leben geliebt babe. Pbilipp gab sich den Anschein, als sei er sehr erstaunt darüber, und mit einem leisen Seufzer flüsterte er ihr ins Ohr — sie war gerade im Begriff, sich mit Hummer mayonnaise zu versehen, welche ihr in diesem Augenblick ge reicht wurde: „Glücklich wird in der Tbat Derjenige zu preisen sein, dem es vergönnt wäre, den Schatz dieses noch unberührten Herzen« zu heben." Miß Harnaß hielt die« für die schönste Bemerkung, die ihr jemal« in ihrem Leben gesagt worden wäre. Während dieser Zeit batte Trixie, deren Tischnachbar — einer der Herren, die von Ardatb Vale mit berübcrgekommen waren — sie in eine sehr uninteressante Unterhaltung ver flochten batte, mit unverhohlenem Erstaunen da« Benehmen de« Capitain« beobachtet. Sie saß zu weit ab, um verstehen zu können, was gesprochen wurde, aber au« Philipp « Gesichts auSdruck entnahm sie, daß er Miß Harnaß in hervorragender Weise anszrichnete und ihr den Hof machte. Er bemübte sich so aufmerksam um seine Tischdame, war so gefesselt von ihrer Unterhaltung, ja, e« schien Trixie, als sehe er sie sogar liebevoll an, daß dem jungen Mädcken fast der Athen« stockte. Für einen Augenblick empfand sie die Qualen der Eifersucht, aber schon im nächsten lachte sie über ihre Narrbeit. Sie — Beatrix Hopley — eifersüchtig aus Jane Harnaß; Jane, die fas« so al« war, wie Beatrix*« Mutter, nein, ras wäre zu lächerlich. Philipp trieb wohl nur sein Spiel mit ihr, das Beatrix aber durchaus nicht billigte, sie wollte ihm die« schon sagen! Welche sonderbare Erfahrungen batte sie bisher mit Pbilipp bereit« gemacht, welche Blößen batte er sich ihr gegenüber bereit« gegeben, e« kam dem jungen Mädchen wohl nicht voll zum Bewußtsein, aber im Innersten ihres Herzens regte sich bereit« rin Gefühl, welche« sie scheu vor dem jungen Manne zurückweichen ließ. DaS Diner verlief in fröhlicher Weise. Al« die Damen da« Speis«zimm»r verlassin hatten, erging sich Miß Harnaß
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