Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230411
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-11
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
prü V«rnrus '»rronae. atm. t. Wald«« t Schmidt Ildendatn «.«Micke »chro« sachmaan »ay«rbott d«mr Vt '»'i. »ltzr. «tel <r. ro. in«n. — »««rltncha Str u ", Uhr: rdLvs. lsorlter. Hast rsgllih y Ha»« kür die M«ka«1-(Staden.Posoo«»Naae: G «Ngk»gk»pkk»s.i)„ etnlp. 24 Mio br. mm-Zetle M 150.—.für » Durch die Post in Deutschland monatliL M. 4600 auSw.Jnser.M. 270—Tonderpre t se: Famittenanz.v.Priv. die ww- . u BenrUaed: ins Ausland M t-600 miiPorio. U^UUM MM -Md M M MM MM ^tüc M. 30.-. Gcle<?cnhciiSan,. <priv. Ncnur) u. Srcllcnangcv.. die TaS Leip,Igerraacblailersw.iügi. morgens, anker Montags. Nummern. M MM RA U M W M^ jW MM >7 MUMM U M MM mm-Zcile M.75-. Siellenge, die mm eieile M. 60.-. am» Besann»«, die inlolge höhererÄewatt nichterichetnen. werden nicht eriem.—Schrill- Doppel-mw-ZetleM.300—.s.ausw.M.540.-. Rekl 72ww br.,d«ewm-Zetle leUung. GelchititSktelle nnd Druckerei: Letp,ig. JohanniSgasse 8 (gern- M.750.—,».au»w.M.12OO.-AuSiandSani.m valutaauiichl. Be>Wteder- sprecher 17080-17092): evenda und in allen Filialen Anzeigen, und hol.Nachlah.Plav-u.Daienvorsch.unverdindlich.ErsüllungSortLeipzig. Abonnement-ANnahme; auch ntmmt ledcS Postamt Bestellungen an. Postscheck!.Leip,ig3004.Drucku.Berl Leip,.verlag4dr G m d H Leipzig- Da» «eU»,t«er raaablatt »«IHSlt amtliche «eraaatmachanSe« des »lates der »<adt LetV<la. des ValiZeiVrettldiam» Leivzi«, des Aa»1S«ertchtA Selpzia. »o«ie verschiedener anderer Behörden Xr. 85 SLZEZ LUttsvock, äea 11. LprU 1923 ^»F»F» -I«,SFS/»0 117. /sdrg. Die Opfer öes franzöflsthen Militarismus Im Neichstag Drahtbeiicht unserer Berliner Tchristleiiung Berlin, 10. April. Heute vornlittag, während in Essen die 13 Todesopfer vom Karsonnabend unter Betei ligung der ganzen einheimischen Bevölkerung zu Grabe getragen wurden und während überall durch das Reich hin die Glocken klangen, ver sammelten sich im Reichstag die Abgeordneten, die Minister, die Vertreter der Länder, die Diplo matie und eine große Anzahl» geladener Gäste mit dem Reichspräsidenten an der Spitze zu einer Trauerfeier, die das Reich veranstaltete. Im Sitzungssaal war alles, was sonst glänzte, mit schwarzem Flor verhüllt, und einen besonders ergreifenden symbolischen Ein druck machten die tiefverschleierten Karyatiden- Figuren und Bronzegestalten in den Wand nischen: es war, als ob die Mütter des deut schen Volkes ringsum in Trauertracht und tiefem Schweigen an dieser Feier für die toten Volks söhne teilnahmen. Trat man aus dem Hellen, sonnigen Vorfrühlingsmorgen in den düsterver- hängten Saal, so hörte man zuerst die gedämpf ten Klänge des Trauermarschs auf den Tod eines Helden aus der 3. Sinfonie Beethovens. Die Musik sprach lange zu den Hörern. Sie diente heute nicht, bloß als Einleitung und zur Her stellung der feierlichen Stimmung — sie war ein wesentlicher Teil der Feier selber, und man tritt den Kanzler, der darauf das Wort nahm, nicht zu nahe, wenn man feststellt, daß tiefer als diese Klänge auch seine Worte nicht wirken konnten. Es war genug, daß sich der Ton seiner Ausfüh rungen auf dieser Höhe hielt. Er fand eine Reihe schöner und zu Herzen gehender Sätze und besonders eindringlich kamen die Worte heraus: „Im Namen der Toten frage ich die Völker der Erde: Wie lange noch wollen sie warten, ehe diesem Wahnwitzigen und grauenvollen Miß brauch der Gewalt ein Ende geboten wird?" Im übrigen legte sich der Kanzler in politi scher Hinsicht offenbar Zurückhaltung auf, und das kam dem Eindruck der Trauerveranstaltung zugute. Wer aber eine große politische Kund gebung bei dieser Gelegenheit erwartet hatte, mag enttäuscht gewesen sein. Die Rede brachte kaum etwas Neues, außer dem Hinweis vielleicht, daß territoriale Veränderungen an den Grenzen uns schon durch die Verfassung unmöglich ge macht seien. Dies war aber der einzige deutliche Bezug auf die Londoner englisch-französischen Verhandlungen und auf die Erörterungen, die sich an die Reise Loucheurs und das vom Daily Telegraph veröffentlichte französische Programm angeschlossen haben. Dieser Meinungsaustausch der beiden führenden Ententemächte hatte in den Kreisen deutscher Politiker die Hoffnung erweckt, daß der Kanzler ausführlicher dazu Stellung nehmen werde. Das gilt für rechts wie links. Auf der Rechten dachte man, er würde der neu- auftauchenden Gefahr eines sogenannten neutra len Pufferstaates, der aus deutschem Reichsge biet herausgeschnitten werden sollte, so entgegen- treten, daß dieser Teil seiner Rede das Ereignis des Tages bilden würde. In der Sozialdemokra tie dagegen hätte man vor allem gewünscht, daß die deutsche Regierung eine etwa durch die Reise Loucheurs gebotene Gelegenheit zum Eingreifen in die Debatte nicht vorübergehen ließe. Der Vorwärts hatte heute morgen geschrieben, daß auch viele, die bisher nicht nach Verhandlungen gedrängt Hütten, in Sorge seien, ob nicht die deutsche Regierung etwa die Stunde, die von ihr ein bestimmtes Handeln erfordere, versäumen würde. Line Kapitulation, so wurde weiter aus geführt, werde ja von uns allem Anschein nach nicht mehr verlangt. Unser Widerstand an der Ruhr sei ungebrochen. Eine englisch-französische Verständigung, die uns vor vollendete Tatsachen stelle, sei noch nicht zustande gekommen; sie könnte aber zustande kommen, wenn sich die deutsche Negierung einem passiven Gehenlassen ergebe. Die Rede des Kanzlers hat diese Befürchtung nicht bestätigt, aber sie hat allerdings auch die Hoffnung nicht erfüllt, daß sie Wege weisen könnte, die aus dem Chaos wieder herausführen. Anderseits sind indessen auch nicht etwa von un serer Seite Türen zugeschlagen worden, die sich allmählich zu öffnen beginnen, wovor man in Kreisen der Sozialdemokratie ebenfalls gewarnt hatte. Politischen Schaden hat der Kanzler sicher nicht angerichict. Ob seine Rede viel politischen Nutzen bringen wird, das muß dahingestellt bleiben. Der Eindruck der Trauerfeier wurde durch nichts gestört. Auch die Kommunisten, die ja selber Parteiangehörige unter den 12 Gefalle ¬ nen beklagen, verzichteten bei den politischen Stellen der Rede auf jede Aeußerung. Sie haben bei dieser Gelegenheit gute Disziplin ge- halten. Leider kann man das für die Gegenseite außerhalb der Versammlung nicht sagen. Die Deutsche Zeitung brachte heute morgen einen "Artikel über die Toten und die Lebenden, worin sie „vor den Gräbern in Essen" einen großen Teil der lebenden Volksgenossen heftig be schimpfte. Da las man Sätze wie diese: „Jeder der 13 teuren deutschen Toten in Essen ist eine blutige stumme Anklage auf feigen Volksverrat. So darf und kann es nickt weitergehen. Weh- leidig und unmännlich klingt uns die fromme Totenklage in Deutschland." Diese angebliche deutschesten der Deutschen bleiben sich immer gleich. Das große Deutschland aber wird sich durch solche Dissonanzen seine fromme Toten klage nicht stören lassen. Der Reichskanzler hält die Trauerrede Drahtüertchl unserer Berliner Schrtstlettung Berlin, 10. April. Zur selben Stunde, da die Beisetzung der Todes opfer des Karsonnabends in Essen stattfand, hielt der Reichstag eine Trauerfeier ab, die außer den Parla mentariern, Pertreter aller politischen und wirtschaft lichen Korporationen, die Kirche und die Behörden vereinigte. Die Reichsregierung, die zu Vieser Trauer feier ins Parlamentsgebäude, von dessen Zinnen die schwarz-rot-goldenen Fahnen auf Halbmast wehten, geladen hatte, war vollzählig erschienen, ebenso Ver treter der preußischen Regierung und der anderen deutschen Länder. Der große Sitzungssaal war mit Trauergirlanden ausgeschmückt, die große Mittel estrade war schwarz überdeckt, in der Mitte eine große schwarz-rot-goldene Fahne. Um 10 Uhr erschienen der Reichspräsident Ebert, der Reichskanzler Cuno und der Reichstagspräsident Loebe und nahmen auf den freigebliebenen ersten Sitzen der Regierungebank Platz. Die Kappelle der Staatsoper, die hinter der Estrade aufgestellt war, intonierte den Trauermarsch aus der Beethovenschen „Eroica". Darauf schritt der Reichskanzler zur Rednertribüne empor und hielt die Trauerrede Dr. Cuno gedachte der Männer, die zwischen Kar freitag und Auferstehungstag durch französische Kugeln ihr Leben lassen mußten. „Dreizehn Men- schen, die in schwerer Arbeit ihr Brot verdient haben, sind wahllos von den Kugeln durchbohrt worden. Sie hatten keine andere Schuld zu büßen, als die, Deutsche zu sein und mit Wissen und Wil len zu ihrem Volk zu gehören. Gedenkt man ihrer, so ist es, als ob der lange Zug der Blutzeugen, der Gemarterten und Verfolgten, der Verurteilten und Vertriebenen, sich ihren Särgen anschließen würde. Und hinter ihnen schreitet endlos die Menge der Mütter und Kinder im Gefolge, die im Frieden Leid erlebten, deren Beseitigung im Kriege alle Kulturnationen erstrebten. Die dreizehn Männer sind gefallen im Abwehr kampf des deutsck-en Volkes. Sie standen vor den französischen Maschinengewehren als Vertreter des moralischen Rechts Deutschlands, das zu einer Macht geworden ist, weil es vom Willen einer ganzen Nation getragen wird. Nicht die französischen Sol daten, die vielleicht blind einem blinden Befehl gehorcht haben, in deren Seele vielleicht ein Grauen vor der ihr Recht fordernden Masse entstanden sein mag, sollen angeklagt werden, die Schuld tragen nur die französischen Macht haber, die zur Durchsetzung ihrer unberechtigten und deshalb erfolglosen Gewaltpolitik Menschenleben und Menschenglück vernichteten. Nicht ein Wort des Bedauerns über die Tat von Essen ist aus dem Munde der amtlichen Vertreter Frankreichs zu hören gewesen. Wenn jetzt vor den Kriegsgerichten ein Prozeß das Nachspiel der Bluttat sein soll, möchte es einem scheinen, daß man damit Scham und Gewissen des französischen Volkes beruhigen will. Aber kein Urteil der Welt wird über die wahren Schuldigen zeugen können, wird den Schrei des vergossenen Blutes zum Schweigen bringen können. Hat die Welt bisher den Ereignissen im Ruhrgebiet in mehr oder weniger interessierter Zu schauerrolle beigewohnt, so muß sie heute sehen, wo Krieg und wo Frieden ist. Im Namen der Toten geht deshalb die Frage an alle Völker der Erde, wie lange sie noch warten wollen, ehe diesem grauen vollen Mißbrauch der Gewalt ein Ende geboten wird. An den Schluß seiner Rede stellt der Reichs kanzler den politischen Gedanken der Möglichkeit von Verhandlungen Er berief sich darauf, daß die deutsche Regierung noch nach der Besetzung des Ruhrgebictes wiederholt ihrem Wunsch zu Verhandlungen auf dem Prinzip der Gleichberechtigung Ausdruck gegeben habe. Die deutsche Regierung habe den Vorschlag des amerita- niscken Staatssekretärs Hughes zur Lösung des Repa rationsproblems ausgenommen. Es ist aber keine Antwort darauf erteilt worden. Auf deutscher Seite ist alles geschehen, um die Besetzung des Ruhrgebiet« zu vermeiden oder abzukürzen. Auch heute am offenen Grabe ver Essener Opfer sinv wir trotz allevcm bereit, mit der Gegenseite in freie, von jedem Zwange freie Verhandlungen einzntreten. Aber wenn die Opfer an der Ruhr und am Rhein nicht umsonst gebracht sein sollen, müssen Frieden und Freiheit gesichert werden. Die Rcparationspflichc Deutschlands muß auf ein erfüllbares Maß zurück gebracht werden. Die Erde, in der heute die Opfer von Essen begraben werden, muß frei werden von der Anwesenheit fremder, feindlicher Soldaten. Die Gefangenen und Verbannten müssen in ihre Heimat wiederkehren. Keinem Vertrage kann zugestimmt werden, der das Gebiet der Ruhr und des Rheines, territorial oder verfassungsmäßig, antastet. Solange der Gegner zu einer solchen Regelung nicht bereit ist, muß der moralische Widerstand des ganzen Volkes mit voller Entschlossenheit und der gleichen Besonnenheit wie bisher fortgesetzt werden. In diesem Kampfe darf es keinen Unterschied zwischen den Parteien und keine Gegensätze zwischen den Klassen geben. Das ist man den Toten von Essen schuldig. Nach der Rede des Reichskanzlers spielte ' die Musik das Andante aus der siebenten Sinfonie von Beethoven. Damit war die Trauerfeier zu Ende. Der Reichspräsident und der Reichskanzler sprachen den anwesenden Vertretern der Kruppschen Arbeiter ihr Beileid aus. ver Vertreter der Reichs regierung verhaftet Giesberts, Stegerwalb und Ztinnes zeitweilig verhaftet Berlin, 1Ü. April. Der von Ver Reichsregierung nach Essen zu Ven Beisetzungsfeierlichkeiten entsanvtc Ltaatssekretär Hamm ist in Scharnhorst von ven Aranzosen vcrhastet worven. Autzervem sinv verhaftet worven Vcr frühere Reichspostminister Giesberts, ver frühere preutzische Ministerpräsivent Ltegerwalv sowie ver Industrielle Hugo 2 tinnes. Ttinnes besanv sich mit seiner Gattin aus Ver Rückreise ins Ruhrgebiet. Bcive mutzten ihr Abteil verlassen unv einen Gepäckwagen besteigen, wo sie bewacht wur- ven. Lie sinv aber bereits wiever frei gelassen worven. Auch Vie früheren Mi nister Giesberts unv Ltegerwalv befinven sich wiever auf freiem Autz. Hingegen ist Ver Vertreter ver Reichs regierung, Ltaatssekretär Hamm, bis jetzt noch nicht sreigelassen. Vie Beisetzung Ligrnrrrrahtbericht des Leipziger Tageblattes Essen, 10. April. Essen steht im Zeichen tiefster Trauer. Die Stadt liegt völlig still, und alle Arbeit ruht. Wer die innigen Beziehungen kennt, und wer weiß, daß Esseu und Krupp nur als eines betrachtet werden können, wird den Ausdruck des tiefernsten Mitgefühls zu er messen imstande sein, der in der heutigen großen Trauerkundgebung liegt. Alle Geschäfte in der inneren Stadt sind geschlossen. Aus der Stadt strömen Tausende und aber Tausende nach dem Westen, durch den der Trauerzug gehen wird. Zu diesem Huben sich schon um 7 Uhr früh die Werk kameraden der ermordeten Arbeiter eingestellt. Nach einem rom Betriebsrat ausgearbcitcten Plan, der der fabelhaften Organisation, die in den Kruppschen Werken herrscht, entspricht, haben sich die Arbeiter an den verschiedenen Plätzen des Werkes versammelt. Der Traucrzug selbst hat sich schon um 9 Uhr formiert. Unter den Klängen einer Kapelle setzt sich die Spitze in Bewegung. Er geht auf drei Kilometer durch die verschiedenen Straßen der ganzen Werk anlagen und kommt erst in der Kruppstraße auf öffentliche Straßen der Stadt. Hier hat sich eine nach vielen Tausenden zählende Menge bereits versammelt, die den Zug erwartet. Der Zug langt um 10 Uhr mit der Spitze am Ehrenfriedhof an. Er macht dort halt, spaltet sich und bildet dann ein ununterbrochenes lichtes Spalier vom Haupt verwaltungsgebäude bis zum Ehrenfriedhof, durch das sich der eigentliche Leichenkondukt begeben wird. Von ollen Seiten des Industriebezirks sind die Deputationen und Werkvertretungen erschienen. Die Zahl der mit Fahnen und Kränzen er- schienenen Abordnungen geht auch in die vielen Tausende. Der Zug selbst ist Kilometer lang, trotz dem von jeder Kranzspende und Fahne nur immer fünf Mann zugelasscn sind. Ein Fahnenwald, der vom Hauptverwaltungsgebäude die ganze Altendorfcr Straße bis zum Limbeck-Platz reicht, beweist, wie ungeheuer groß die Zahl der Teilnehmer ist. Ei» großer Teil dieser Deputation besteht aus den Ab ¬ ordnungen von Gruben und Schächten und ist in Bergmannstracht erschienen. Die Kommunisten haben ein besonders starkes Aufgebot zusammengebracht und namentlich auch sehr viele Fahnen in den Zug ein gestellt. Ein Riesensowjetstern wurde ihrer Ab teilung vorangetragen. Zum ersten Male bringen sie ihre neugebildeten Hundertschaften in die Öffent lichkeit, die an der Spitze ihres Zuges marschieren. Auch sie fügen sich unter Leitung ihrer Betriebsrats- Mitglieder und Parteifunktionäre in den großen Trauerzug ein. Während sich der Trauerzug auf den Essener Straßen formiert, findet sich im großen Lichthof des Hauptverwaltungsgebäudes der Friedr.-Krupp-A.-G. die Trauergemeinde ein. Der große Lichthof ist in einen dichten Wald von Palmen und Lorbeerbäumen umgewandelt. Aus den Fenstern und den Palkonen des ersten Stockwerkes hängen lange schwarze Vor hänge herab, die großen Kronleuchter sind tief um flort, und ein gedämpftes Licht liegt über dem Raum. In zwei Reihen sind die 11 Einzelsärge aus- gebahrt, die die Opfer der Katastrophe vom Oster sonnabend bergen. Ilm den Sarg der Leicke des Bergmanns Mannerz, der von seinem Arbeitsstand auf Zeche Gustav vom Tode überrascht wurde, stehen acht Bergleute und halten ihrem erschossenen Kame raden die Totcnwacht. Alle Särge tragen reichen Blumenschmuck. In der Mitte liegt ein Riesenlorbeerkranz der Regierung, den diese „Den Opfern für Recht und Frei heit" widmet. Daneben die Kränze des Dr. Krupp von Bohlen-Halbach, sowie von Frau Geheimrat Krupp und vom Direktorium, ferner von allen Zweig anstalten der Firma. Auf der anderen Seite liegt der große Kranz des Betriebsrats mit schwarz-rot- goldener Schleife, an den sich dann die anderen Blumenspendcn der einzelnen Betriebsräte, der ver schiedenen Werke und Hütten anschließen. Die Feier wurde mit einem Musikstück eingeleitet. Dann erhob sich Krupp von Bohlen- und Halbach und trat vor die Reihe der Särge. Er hielt folgende Ansprache: „Die Verschiedenen haben sich in deutscher Treue det schaffenden Arbeit gewidmet. Schmerzlich bewegt und unaussprechlich betroffen, drücken wir den An gehörigen in dieser Stunde des Scheidens die Hano. Uns allen aber, die wir zur Kruppschen Werks- Gemeinschaft gehören. Möge diese gemeinsame Trauer dazu dienen, daß wir eng zusammenstehen, um die schwere Gegenwart zu tragen und zu über winden in dem Andenken der Gefallenen. Auch sie starben für die Freiheit, für die Würde und für deutsche Arbcitsverantwortung. Ihr Leben und Sterben bleibe unvergessen in Deutschlands Zukunft. Das walte Gott!" Unter Trauerklängen wurden die einzelnen Särge aufgehoben, und cs formierte sich der Trauertondukt. An dem offenen Grabe hielt als erster der Schlosser Paul Brehne, der Vorsitzende des Be triebsrates der A.-G. Fried. Krupp, folgende Ansprache: „Verehrte Leidtragende! Wir stehen hier an den Bahren von Opfern eines Schicksals, welches Ange- hörige der Fried. Krupp A.-G. durch den Einbruch einer fremden Militärmacht getroffen hat. Diel ist in den letzten Tagen darüber geredet worden, ob die Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Firma zweckmäßig und angebracht waren. Die Kruppsche Arbeiterschaft hat stets die Ansicht vertreten, nicht unter Bajonetten zu arbeiten. Ich will es nicht unterlassen, auch an dieser Stelle zn sagen, daß die Franzosen sich schon vor dein 31. März Angriffe auf das Gelände der Fabrik er laubt hatten, und zwar einmal auf das Lager personal Feederoth und ein anderes Mal in der Eisenbahnbetriebswerkstätte Siegen, sowie in der graphischen Anstalt. Dadurch bildeten sich die wil desten Gerüchte innerhalb der Betriebe, und das Bc- tricbsratsbureau wurde ununterbrochen von Frage stellern aus den Betrieben bestürmt. Ilm die Beleg- fchast nicht unnötig zu beunruhigen, mußte eine Regelung für die Tatsache der Besetzung eines Fabrikteiles geschaffen werden. Unsere Kollegen haben versucht, Zusammenstöße mit dem franzö sischen Militär zu vermeiden. Aber blinder Militär gehorsam raffte dreizehn im blühenden, hoffnungs- vollen Lebensalter stehende Kollegen dahin. Fünf Lehrlinge haben wir unter ihnen zu beklagen, bei denen wir uns zur Aufgabe gestellt hatten, mitzu- helfen, um sie zu tüchtigen, fähigen Arbeitern heran zubilden. Aber auch ältere Kollegen traf das tragische Geschick. Daß doch gerade Ihr es wart, die die töd liche Kugel traf, Ihr, die Ihr Euch bemüht habt, alle Unbesonnenheit einzelner Personen zu vermei den! Im vollen Bewußtsein für unser Recht in friedlicher Absicht zu demonstrieren, seid Ihr un seren Reihen entrissen worden. Ich glaube auch in Eurem Sinne zu sprechen, wenn ich sage, nicht im Haß, nicht mit Kanonen und Gewehren, sondern auch ferner werden wir bestrebt sein, durch friedlich«, kulturfSrdernde Arbeit der Bölkerversöhnung zu dienen. Nicht rohe Gewalt der Sieger bei den Auseinandersetzungen der Völker, sondern der Wille zur friedlichen Verständigung der Völker unter-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite