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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110619016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911061901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911061901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-19
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Dss Wichtigste. * Prinz Heinrich von Preußen lst am Sonntag von Kiel nach London abgereist, um an Len englischen Krönungsfeierlich- keiten teilzunehmen. * In Eisenach begann am Sonntag die Tagung der Delegierten des Reichsoerbandes der Lrutschen Presse. tS. d. des. Art.) * Den Großen Hansapreis in Hamburx- Horn gewann am Sonntag Hin. Packheisers br. H „Sta r" unter Jockei Spear. (S. Sport.) * Aur deut Rakoser Flugfelde bei Pest wurde durch die Schraube eines in die Zuschauer gerate.ien Flugzeuges einem Mädchen der Kopf vom Leibs gerissen. (S. d. bes. Art.) * Aus Frankreich werden wieder zwei tödliche Fliegerunfälle gemeldet. (S. Leiste Dep.) * Aui dem Schwarzen Meer herrscht starker Sturm. Der Verkehr in den Häfen ist unterbrochen. Mehrere Havarien wurden bereits ge- metder. vlllkswirtlchsft unü Schule. Es ist oft genug nachgesprochen worden, daß der preußische Schulmeister die Schlacht bei Königgrätz gewonnen habe. In diesem Ausspruch liegt ganz sicher ein Kern von Wahrheit. Denn der allseitig gebildete und national erzogene Mensch wird ge wiß auch einen tüchtigeren Soldaten abgeben, als der ungebildete. Der Kürassier in Wallensteins Lager , der dem Berufe seinen ganzen tüchtigen Men schen entgegenbringt, steht doch unendlich höher, als der abgestumpfte, verblödete Kroat, der nur gerade das tut, wozu er gestoßen wird. So stehen Schule und Militär ganz sicher in einem innigen Zusammenhänge zueinander. Die Intelligenz, die ein tüchtiges Heer bedarf, muß durch die Schule schon mit geschaffen werden. Noch viel weniger aber läßt es sich leugnen, daß die Schul erziehung jenes andere große Volkshesr tüchtig zu machen hat, das den fortwährenden großen wirt schaftlichen Kainpf zu führen hat. Denn die Gegen wart ist tatsächlich mehr wie die Vergangenheit eine fortgesetzte harte Kampfzeit. Es läßt sich er Lllümig SoNmanns Wllhlkshrtsvsuten. Berlin, 18. Juni. Ein Ausflug, den die rührige Zentralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs unter Führung des Geheimrats Jacob arrangierte, gab er wünschte Gelegenheit, die Bauten Berliner Wohl fahrtsanstalten vom Stadtbaurat Ludwig Hoffmann in Buch kennen zu lernen. Durch den Nordosten Berlins, wo jetzt die Schachte der neuen Untergrundbahn zur Verbindung mit dem Westen den Boden unterwühlen, ging die Fahrt auf Autobussen. An der Stettiner Bahn, zwei Meilen von Berlin, liegt Buch. Nach der Hitze und dem Staub der märkischen Chaussee öffnet sich eine schattengrüne Allee großwipfliger, uralter Bäume. An dem ummauerten Herrschaftshof, breit, flach ge lagert mit seinem Herrenhaus, wie es Theodor Fon tane liebevoll geschildert, an der in der Mark ein zigen Rokokokirche vorbei mit ihrem zierlich be wegten, an den Seiten rundwölbigen Unterbau, aus dem sich spielend und leicht Kuppel und Turm ent wickelt — und nun dehnt sich in der Sonne schim mernd weitzügiges Wiesengelände, und in ihm ein gebettet die Lungenheilstätte. Sonnenwiese, von allen Seiten durch Wald vor Winden geschützt, das gibt der Anlage das Gc- nesungsklima. Und man erkennt den sachergebenen und liebevollen Sinn des Baumeisters daran, wie er die sanatoriumgemäßen Zweckvoraussetzungen ästhe tisch schmuckhaft ausbildete, rein, einfach, ohne über flüssigen Ausputz. Der Reiz des ganzen Vaukomplexes kommt aus seiner Anlage, aus dem glücklichen Verhältnis der Bauglieder. Von den vorgeschobenen Seilenwangen des Hauptgebäudes eingefaßt, streckt sich lang als ein glitzernder Glaskasten die Liegehalle: dahinter, als besonnter Luftraum zwischen ihr und dem Haupt gebäude ein grüner Eartenstrich mit Plätscher brunnen. Treppenhäuser, Säle, Zimmer, alles hell, blank, im weißen Rahmen der Fenster immer blühende Baum- und Wiesenausschnitte. Architektur und Landschaft klingen zusammen. Diese Harmonie wirkt besonders innig bei der zweiten philanthropischen Gründung, dem Alt- Leute-Heim. Der Heimcharakter ist hier vor allem betont. Unter Vermeidung alles Kasernen mäßigen ist diese Anlage, die für 1500 Menschen be stimmt, in 12 Kleinhäuser über das Parkgelände ver streut, verteilt. Je vier bilden ein Karree um einen Gartenhof herum. Abwechslungsreiche Brunen- skulpturen, meist aus dem porigen Muschelkalkstein, stehen im Rasen und lassen ihr Wasser aus Röhren springen. Die Karrees sind nicht geschlossen, sondern haben die vi« Ecken, de» freien Luftdurcku'igs halber, offen. Montag, üen 19. Hunt 1911. los. Jahrgang. freulicherweise beobachten, wie unser Volk wirtschaft, lich einen hohen Aufschwung genommen hat, und in dem Maße, wie es sich vermehrt, ist es erst recht ge zwungen, sich immer mehr eine»: bevorzugten Platz auf dem Weltmärkte zu sichern. Und das ist in der Gegenwart nicht ganz leiht, da >ir mit so und soviel rivalisierenden Nationen in einen an gestrengten Wettkampf eintreten müssen, in manchen Dingen die anderen Völker im Vorsprung vor uns sehen. Das gebildetste Volk wirs bei dieser starken Konkurrenz zweifelsohne am besten ab- schneiden. Wissen, Können, Charakterstärke und körperliche Gesundheit, das sind die Faktoren, die zu sammengenommen auch die wirtschaftliche Tüchtig keit und den Erfolg garantieren. Der Begriff Bil dung will also hier in seinem weitesten Sinne ver standen sein. Der Schule aber ist die besondere Aufgabe zugewiesen, die Rekruten für diesen Arbeits krieg recht kampftüchtig zu machen. Sie muß daher in erster Linie dem wirklichen Leben die nen und darf nicht abseits ihre eig-icn Wege gehen, hochmütig die Forderungen des Lebens un^-schätzend. Damit wird zunächst verlangt, daß sie in ihrer Stoffauswahl eine scharfe Revision vornehmen muß, um alles das auszuscheiden, was keinen Lebenswert hat. Sehr richtig bemerkt der feinsinnige Pädagoge Lazarus in seinen pädagogischen Briefen hierzu: „Je niedriger die Schule, desto weniger bereitet sie ein bestimmtes Fach vor, aber desto mehr muß sie Bildungs-, Erregungs- und Orientierungsschule sein. Hier muß das meiste und das beste durch den Vortrag, die Anregung, die Anschauung gv'chehen, während das Lernenlassen mit seiner sib..:r Aussiät auf baldiges Vergessen unnütz ist. Aber nicht bloß unnütz ist es, sondern auch schädlich, denn vor allem beschränkt es den Kreis dessen, womit sich die Volks schule in ihren sieben oder acht Jahren befassen kann, allzusehr." Auch dem Werkunterrichte muß allgemein eine größere Berücksickstigung zuteil werden. Gerade an geschickten, ästhetisch durchgebil deten Handarbeitern fehlt es uns ja. Die Erwerbsmöglichkeiten haben sich heute so sehr vervielfacht und der wirtschaftlichen Aufgaben sind so viele, daß nur ein sehr reichgegliedertes Schul wesen diesen mannigfachen Forderungen gut Rech nung tragen kann. Deshalb müssen wir ein« weit verzweigte Organisation unserer Schulen recht will kommen heißen. Mögen die humanistischen An stalten weiterbestehen, die sicher einen recht großen Anteil daran haben, daß wir den Ruf bewahrt haben, das Volk der Dichter und Denker zi sein aber da neben verlangen oie großen wirtschaftlichen Forte- rungen unserer Zeit möglichst viele Fach schule n, die tüchtige Führer und geschickte Arbeiter auf den Lebensmarkt zu schicken vermögen. Es sotten alle Kräfte ausgenützt werden und alle Menschen eine möglichst individuelle Ausbildung für ihren zukünf tigen Beruf erfahren. Etwa neunzig Prozent unserer Jugend gehen nur durch die Volksschule. Aus ihnen rekrutieren sich später meist die Leute, die in den Fabriken und Werk stätten, auch in den Schreibstuben ihre Tagesarbeit verrichten, also das Eros der eigentlichen Produzenten ausmachen. Und weil es mit den Führern allein nicht getan ist, weil auch die einzelnen Glieder des Wirtschaftsheeres die größte Tüchtigkeit haben müssen, darum ist auch die Volksschule von der größten Bedeutung für unser Volk. Es ist notwendig, im mer wieder darauf hinzuweisen, wenn aus keinem andern, so doch schon aus rein wirtschaftlichem In teresse. Der Volksschule wird aber heute noch nicht immer das Maß von Teilnahme zugewendet, das sie entschieden als Hauptbildungsstütte unseres Volkes verdient. Als Politikum wird sie von den Parteien oft zu viel beachtet; was ihr aber mehr nottut, das ist ein höheres Interesse von jedermann für sie selbst als Erziehungsstätte zu staats bürgerlicher Lebenstüchtigkeit. Der wirt schaftliche Sieg wird sicher dem Volke mit zufallen, das die beste Volksschule hat, das seine Massen am besten erzieht. Der Handwerker- und der Kauf mannsstand haben beide daher ein ganz besonderes Interesse an einer guten Volksschule und an tüch tigen Fortbildungsschulen, die in jeder Hinsicht das vollenden, was jene begonnen hat. Möge schon gus diesen rein praktischen Erwägungen heraus — trotz dem die ideellen Momente nicht geringer anzuschlaqen sind — die allgemeine Teilnahme an unseren Volks und Fortbildungsschulen immer höher steigen. Unsere Schulen sind in dem Sii^re keine politische Einrichtung, daß sie der einen oder der anderen der politischen Parteien ganz besonders zu dienen hätten, sie sind vielmehr in dem Sinne alle Volksschulen, auch die höheren und die Fachschulen, daß sie dem Vorwärtskommen unserer ganzen Na tion dienen sollen. Mag es in manchen Punkten nicht an scharfen, bisher noch unausgeglichenen Dif ferenzen fehlen, in wirtschaftlicher Beziehung sollte es wohl aber leichter fallen, nur das zu tun, was einigt und weiter bringt. Und man wird leicht den richtigen Weg finden, wenn man sich immer vorhält, daß höchste Lebenstüchtigkeit aller Voltsglieder vor nehmstes Erziehungsziel ist. l. Delegierlenverlsmmlung des Reichsverbsnües üer üeutlchcn prelle. h. Eisenach, 18. Juni. sPrio.-Tcl.) Von 56 Delegierten aus allen Landesteilen Deutschlands besucht, begann heute hier die Tagung des Neichsverbandes der deutjci-en Presse. Sie wurde eröffnet durch eine markige Ansprache des ersten Vor sitzenden des Verbandes, Chefredakteurs Marks (Berlin), der etwa folgendes ausfiihrte: Eine glänzende Arbeit haben die Delegierten während des erst halbjährigen Bestehens des Ver bandes geleistet, und schon heute kann man eine große Blüte des Neichsverbandes der deutschen Presse konstatieren. Der Vorstand könne mit den Dele gierten und ihrer Arbeit sehr zufrieden sein. Es sei hier nicht der Platz, der Aufgaben des Reichsver bandes zu gedenken, aber man müsse nochmals fest stellen, daß der Reichsoerbanü für die E h r c und Würde des Journalistenstandes eintrete und darin seine erste Pflicht sehe. Hohe Anforderungen würden heute an die Presse gestellt, und da sei es wunder voll, wie die Reinheit und Lauterkeit der deutschen Presse überwiege, wenn man auch hier und dort der ausländischen Presse große Fähigkeiten zusprechcn müsse. Eintreten wolle der Verband stets für die Freiheit der Presse. Das Wort Friedrichs des Großen: „Gazetten sollen nicht genieret werden!" gelte noch heute, ebenso gelte jedoch auch der Satz: „Sic sollen sich selbst genieren und sollen ihren kulturellen Hochstand wahren!" Dazu sei cs notwendig, daß die Vorbedingungen für die Eristenz der Journalisten gut seien. Deshalb sei eine weitere Hauptaufgabe des Neichsverbandes darauf gerichtet, für die materielle Existenzfrage der deutschen Presse einzutrcten. Notwendig sei dazu das Interesse der Behörden. In dieser Beziehung seien die schönsten Erfolge erzielt worden: Der Reichskanzler, die Staatssekretäre und die Ministerien der Bundesstaaten haben der Gründung des Verbandes zugestimmt. Die zweite Macht, an die der Verband zu denken habe, seien die deutschen Verleger. Nörgler hätten versucht, Zwietracht zu säen zwischen Verleger und Reichsvcr- band, aber dieses Bestreben brauche man hier nicht weiter zu beachten. Anerkannt müsse werden, daß die deutschen Verleger es in der ernstesten Weise mit dem deutschen Journalistcnstand gut mernen. Auch würden die Verleger aus eigenem Jrteresse tun Reichsverband anerkennen, und so gehe man mit den besten Hoffnungen in die Zukunft! Nach Eintritt in die Tagesordnung wurde zunächst, entsprechend einem Anträge L>r Ortsgrnove Hamburg, eine Kommission eingr.etzt zur Vor- Torbogen verbinden sie, figural geschmückt oder mit steinernen Kugeln, und reizvollste Durchblicke er geben sich. Ueber den Portalen finden sich oft liebenswürdige Steinmetzzierate, heiteres Vignetten werk von Ignatius Taschner, ein Eichhorn, Vögel auf einem Zweig, drollige Bären. Die dritte An lage ist ein Irrenhaus. Hierfür waren aus Zweck mäßigkeitsgründen große Gebäude vorgeschrieben. Die so dankbare Zerlegung in Landhausgruppen zu einer Gartenstadt vereinigt, konnte hier nicht an gewendet werden. Hoffmann löste auch diese Auf gabe unter Vermeidung alles Kasernenmäßigen. Er gab seinen Bauten Farbe und Bewegung. Rot und weiß sind die Fassaden: Ziegel gibt das Grund material, und die Fenstereinfassungen sind aus Stein. Durch die Stockwerke durchgeführte Erker und in das Dach schneidende Giebel erinnern an hanseatische Architektur. Auch diese Anlage ist in Wiesengelände gebettet, und das Plätschern der Brunnen klingt durch ihre Stille. Polix koppemderx. Gn-UMer krönungsbrsuch. Die hohe Wertschätzung eines gesunden Fortschritts hindert den Engländer nicht, an altem Brauch mit einer Zähigkeit festzuhalten, als sei er der konserva tivste Mann der Welt. Der Sprecher im Unterhaus« und der Lord-Oberrichter sind ihm ohne Perücke so undenkbar, wie der Jahrestag der Puloeroerschwörung ohne Feuerwerk und der Lord-Mayors-day ohne den großen Festzug von Westminster nach Guildhall. Nicht minder undenkbar sind ihm sein König und seine Königin ohne feierlich vollzogene Krönung. Leute im Silberhaar wissen aus ihrer Kinderzeit von der Krönung der Queen Victoria in rühmenden Worten zu reden, jüngere Leute von der prächtigen Krönung des Königs Eduard und der Königin Alexandra, und so erscheint es nicht mehr als recht und billig, daß sich König Georg und seine Gemahlin ebenfalls krönen lassen. Zwar legt die Krönung mit ihren Zeremonien, Umzügen, Empfängen, Banketten und sonstigen Fest- lichkeiten den Gekrönten für viele Tage gewaltige Anstrengungen auf: aber der Tradition und dem na tionalen Empfinden muß Rechnung getragen werden, denn Kräfte solcher Art sind nicht so leicht aus ihrer gewohnten Bahn zu bringen. Schon genug, daß wenigstens die Zeremonial- vorschriften, sofern sie gar zu umständlich, langwierig und verjährt waren, verständig gekürzt cü>er um gebildet sind. Denn was am Anfang des 14. Jahr hunderts bei der Krönung Eduards II. möglich war und im „Liber Neqalis", dem alten Königsbuche, zur Nachahmung für kommende Generationen hingestellt wurde, läßt sich trotz aller Ehrfurcht vor der Tra dition in unfern Tagen nicht mehr durchführen. Täuscht die in der altfranzösischen Froissart-Hand- schrift der Breslauer Stadtbibliothek enthaltene Darstellung der Krönung Heinrichs IV. von Eng land nicht, so hat damals, im Jahre 1599, sogar noch ein Brauch bestanden, der rauh wie ein altes Nord- landslied anmutet: kräftige Hände hoben den thro nenden König, sobald er vor dem Altar in West minster gesalbt und gekrönt war, auf einer rot aus geschlagenen Plattform hoch über die Häupter der Versammelten empor, damit er die stürmischen Akkla mationen der Huldigung empfange. Fast war es wie im 6. Jahrhundert, als die Goten auf italieni schem Boden ihre frei gewählten Heerkönige, die Vitiges, Totila und Teja, unter Jauchzen und Waffengeklirr hoch auf den Schild hoben, und wie im 8. Jahrhundert, als die streitbaren Sachsen mit ihrem Wittekind desgleichen taten — eine stolze ger manische Art, die auch aus der Beowulf- und Frithjof-Sage groß und reckenhaft herübsrklingt. Auch in der Kirche der Abtei von Westminster wird der mystische Nimbus nicht fehlen. Der angli kanische Kultus bewegt sich ja in erheblich dekora tiveren Formen als der deutsch-protestantische, und gar bei einer Krönung. Aber mehr noch: tiefe Wir kung übt mit unwiderstehlicher Macht das Gottes haus mit seinen weiten gotischen Hallen und Kapellen, in denen Las britische Volk den großen Toten des Landes Ehrenmäler errichtet hat. Man liest Namen von Geoffrey Chaucer, William Shake speare, Isaac Newton, Robert Stephenson, Charles Darwin, John Herschel, Thomas Macaulay, Lord Palmerston, William Pitt — eine lange, lange Kette hervorragender Leuchten der Menschheit. Es ist, als ob jeder Stein des Baues von denen, die da schlummern oder wenigstens mit einem Epitaph be dacht sind, geadelt sei. Und die Steine sind gefügt zu einer architektonischen Pracht, die die Erinnerung an die berühmten Kathedralbauten der fran zösischen Gotik des 13. Jahrhunderts lebendig macht. Zwar behaupten die Engländer gar zu gern. Laß es pch um oarlv ünpiish, den früh-englischen Stil handle, aber für diesen kommen nur Einzelheiten in Betracht. Das Zugeständnis, daß der direkte fran zösische Einfluß unleugbar ist, trübt doch die Wir kung durchaus nicht, ebensowenig wie dies die Tat sache vermag, daß die abgestumpften Türme der Westfassade, an der sich der Haupteingang öffnet, erst in der zweiten Hälfte Les 17. Jahrhunderts von Christopher Wren, dem genialen Schöpfer der Paulskirche, errichtet find. Bauwerke, zu denen nicht nur eine Generation, sondern verschiedene, weit auseinander liegende ihr künstlerisches Scherslrin mit heiligem Eifer beigetragen haben, gewinnen an Reiz, denn mehrere Stildialekte redend, künden sie jedem verständlich die Wandlungen, die die Kunst im Laufe der Jahrhunderte erlebt hat. So erscheint auch die zwischen 1502 und 1520 dem Chor im Perpendikularstil angefüqte. innen mit phan tastischer, fast maurischer Pracht ausgestattete Kapelle Heinrichs VIT. als ein bedeutendes Glied, das man im Gesamtbilde von Westminster nicht missen möchte. Der beim Eintritt durch das Westportal sich erschließende Blick ist von höchster Schönheit. Eine weite, großartige Perspektive zwischen mächtigen Säulenbündeln, Spitzbogen, farbenglühcnden Glas fenstern, Nischen und Denkmälern führt fernhin zu der in den vorderen Teil des Chores gerückten Altar wand, von der die Gestalt des Erlösers aus einer musivisch ausgeführten Darstellung des Abendmahles verheißungsvoll leuchtet. Das Feierliche hemmt den Schritt — nur langsam wagt er dem Allerheiliqsten zu nahen. Deutlicher tritt der Altar hervor. Dort, zu Füßen des Mosaikbildes, schimmert er mit scinem roten und weißen Alabaster, seinen kostbaren Stand leuchtern unt seinem reichen Gerät in mildestem Glanze. Ihm zu Seiten wachen in Wandnischen unter mächtigen, zackigen Tabernakeln standfeste, große und ehrwürdige Gestalten des Alten und Neuen Testaments, Moses und David, Petrus und Paulus. Es ist eine berückende, gotische Pracht, in die die satte Farbe der brcitfaltigen Vorhänge, hinter denen sich die Zugänge zur rückwärts im Chor gelegenen Kapelle Eduards des Bekenners verbergen, harmonisch hineinspielt. Vor dem Altar vollzieht sich, wie es geboten ist, der Hauptakl der Krönung. Die vornehmsten Phasen sind das Ablegen und Unterschreiben des vierteiligen Eides, die Salbung und das Aufsetzen der funkelnden Krone. In Westminster tritt der König, angetan mit der purpurfarbenen Staatsrobe, unter den von vier Rittern des Hosenbandordens gehaltenen Baldachin. Das geweihte Oel wird aus einer meisterlich in Form eines Adlers getriebenen Ampulla in den Salblösfel, eine Arbeit romanischen Stils, gegossen. Die mit eingraviertem Pflanzenornament gezierte Höhlung des Löffels ist durch eine Rippe in zwei Hälften ge teilt. In jede Hälfte taucht der salbende Erzbischof einen Finger. Während der König leicht geneigten Hauptes die Salbung empfängt, durchbrausen die Krönungshalle weihevoll die Hymne „Komm, heiliger Geist" und der mächtige Choral „Zadok der Priester". Nach dem Ueberreichen der Reichsinsigien. dem Umlegen der Armilla, eines stolaähnlichcn Seiden streifens. um die Schultern, dem Bekleiden mit dem aus Goldbrokat und Hermelin gefertigten Reichs mantel uns einigen anderen feierlichen Wandlungen folgt ebenfalls durch den Erzbischof das Aufsetzen der Reick'skrone, wobei vom Tomer her der Donner der Kanonen dröhnt und das Volk das ..God save the King" singt. Und nun nimmt der Gekrönte, sich auf den Thron niederlassend, die begeisterten Hul digungen der Versammelten entgegen, in die von draußen her die der Volksmassen mit elementarer Wucht einzusetzen pflegen und der Geschützdonner noch immer hineinkracht. Mit der Salbung und der Krönung der Königin und der Spende des Abendmahles ist die Feier in der Kirche der Abtei von Westminster zu Ende. Die Kronen auf Len Häuptern, zieht das Königspaar mit seinem Gefolge in gemessenem Zuge zum Haupt portal Les Gotteshauses hinaus, empfangen und ge leitet vom tosenden Jubel Tausender, die der Ge krönten harren. Qooigx Dass (Berlin).
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