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Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und ^as .Wilsdruffer Tageblatt« erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2.— RM. irei Haus, bei Postdcftellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle, nehmen zu jederzeit Bestellungen ent- sUk U. uMAkAkll!) gegen. Im Falle höherer Gewalt, ' od. sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. 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Der Krieg ist bekanntlich mit großer Feierlichkeit — sogar ein deutscher Außenminister begab sich deswegen nach Paris — durch den Kellogg-Pakt geächtet worden. Anscheinend ist ihm diese Acht und Oberacht gar nicht schlecht bekommen, denn der Kriegsgott Mars bewies im Fernen Osten und in Südamerika ein ganz munteres Leben. Außerdem sieht er augenblicklich scharf nach Abessinien, ob er dort nichts zu tun bekommt. Und an Bolivien oder Paraguay wollen die englisch-amerikanisch- französischen usw. Rüstungsindustriellen auch verdienen! Für sie hat sich nun wieder an dem auch bei ihnen schon immer sehr beliebten Balkan ein gutes Geschäft aufgetan. Der Bürgerkrieg in Griechenland frißt nicht bloß Menschen, sondern die noch viel kostbarere Munition jeder Art. Dort haben ja seit Jahrzehnten die Gewehre oft und gern geknallt, und aus Erfahrung weiß man, daß aus einem Feuerchen im Balkan nicht gerade selten ein großer Brand geworden ist. Der griechische Bürgerkrieg ist aber schon kein kleines Feuer mehr. Wenn es dort bereits lichterloh brennt, dann können die Flammen sehr schnell weiterfressen. Denn am Balkan gibt es trotz oder vielmehr gerade wegen der Pariser „Vorortsverträge" von l9l9 ungelöste Fragen in Hülle und Fülle. Ebensowenig brauchte „der Balkan" in der Nachkriegszeit erst noch kompliziert zu werden; denn jetzt sind dort die „Interessen" der verschiedenen europäischen Großmächte durch jedes brenzliche Ereignis genau so be rührt, wie dies vor dem Weltkrieg der Fall war. Noch ist der griechische Bürgerkrieg eine Privatsache des Landes. Genf, die Hüterin des Friedens, überläßt die Bekämpfung dieses Feuers wohlweislich den bürger kriegsgewohnten Griechen selbst. Denn man hat beim Völkerbund ernstere Sorgen. Weil es nämlich schon auf den Dächern der Nachbarn Griechenlands zu rauchen be ginnt! Vorläufig geschieht das nach in aller „Freund schaft". Denn in Genf hat Bulgarien „freundschaft lichst" darauf aufmerksam gemacht, daß die Türkei in Ostthrazien, jenem Stück europäischen Besitzes also, das dem Osmancnreich noch verblieben ist, auffallend starke Truppenmassen zusammengezogen habe, so daß die Gefahr eines neuen Balkankrieges bestehe. Wenn man ein paar Jahrzehnte zurückgreift, dann kann man sich daran er innern, daß die im ersten Balkankrieg 1912/13 schwer ge schlagene Türkei einen siegreichen Vorstoß auf das ver- lorengegangcne Adrianopel unter der Führung Enver Paschas machte, als die Sieger sich über die Verteilung der Beute in die Haare geraten waren. Jetzt fürchtet das fast entwaffnete Bulgarien für sein Gebiet, für das ihm verbliebene Südbulgarien (Mazedonien), wo es zwar keine Türken mehr gibt, wohl aber sehr viele Unznfriedene, die der Regierung in Sofia wegen der Bekämpfung der maze donischen Terroristen durchaus abhold sind. Die Türkei verfügt wieder über ein schlagfertiges Heer und ist im Gegensatz zu Bulgarien auch am Balkanpakt beteiligt. Jn Belgrad wieder hätte man kaum etwas dagegen einzuwendcn, wenn die Türkei einen kleinen Handstreich auf Bulgarien versuchte. Denn die Serben (heute Jugoslawen) haben ihre schwere Niederlage im Weltkrieg den Bulgaren weder vergessen noch vergeben. Zunächst hat die Regierung in Sofia sich veranlaßt gesehen, gegenüber den türkischen Truppenaufmärschen die sogenannten „entsprechenden Schritte zu tun", zumal die Türkei in Genf erklären ließ, in Thrazien ihre mili tärischen Kräfte tatsächlich verstärkt zu haben, weil der Balkanpakt das verlange und der Bürgerkrieg in Griechen land besondere Vorsichtsmaßregeln notwendig mache. Das alles geschieht hüben wie drüben natürlich nur im Interesse der eigenen Sicherheit! Ans demselben Grunde haben auch England, Italien und Frankreich einige „bessere" Kriegsschiffe nach der Ägäis geschickt. Das ganze Durcheinander auf dem immer schon brenz ligen Balkan wird ja noch toller wenn man an die „Interessensphären" der Großmächte denkt. Frankreich sieht den von ihm so stark ge förderten Balkanbund wacklig werden, weil Griechenland militärisch zweifellos überaus geschwächt ist, wie der Bürgerkrieg auch enden mag. Und Mussolini, der jenen Balkanpakt fast als persönliche Beleidigung auf- gesaßt hat, hat bei den Balkanwirren auch einige „Inter essen" zu wahren. Venizelos ist ihm sicherlich sympathischer als die Athener Regierung. 1919 hat man den europäischen Südosten bis zu den Toren Wiens „balkanisiert". Allzu sorgfältig wollte man auf dem Balkan so etwas wie ein Gleichgewicht schaffen. Wie sehr das mißlungen ist und wie stark ungelöste Feind schaften dort am Leben blieben, hat erst im vergangenen Jahr wieder der jugoslawische Aufmarsch gegen Ungarn gezeigt. Jn Genf ist es damals unter französischem Ein fluß noch einmal gelungen, das Feuer schnell auszulrctcn Man war beim Völkerbund gewaltig stolz auf diesen Sieg seiner „Idee". Aber nun hat man neue Arbeit am Balkan bekommen. Vorläufig gehl es natürlich „in aller Freund schaft" zu, bis das Durcheinander so groß geworden ist oder das Spiel hinter den Kulissen so offensichtlich wird, daß der Kriegsgott doch die Speere schüttelt. Dr. Pr. Simon-Besuch in Berlin noch vor Ende des Monats Nach einem vierzehntägigen Erholungs urlaub Hitlers in Bayern. Reichsaußenminister Freiherr von Neurath hat am Wochenende den englischen Botschafter in Berlin, Phipps, empfangen. Dabei hat, wie das amtliche eng lische Reutcrbüro ergänzend mitteilt, der deutsche Außen minister mitgetcilt, daß Reichskanzler Hitler 14 Tage in Bayern verbringen werde, um sich von seiner Er kältung zu erholen. Man hoffe jedoch, daß der Besuch Simons in Berlin noch vor Ende des Monats stattfinden könne. Deutschland muß auf Gleichberechtigung bestehen! Nach der Abrüstung Deutschlands Er- süllung der Abrüstungsverpflichtungen der anderen Staaten unbedingt er forderlich. Mit dem englischen Journalisten Ward Price hatte der deutsche Beauftragte für Abrüstungsfragen, von Ribbentrop, eine interessante Unterredung, die sich mit der Wirkung der Veröffentlichung des britischen Weißbuches auf das dcuischc Bolk befaßte. Ribbentrop betonte, nachdem er die Frage, ob die Erkrankung des Führers ernster oder diplomatischer Natnr sei, verneint hatte, zu Beginn des Gesprächs, daß der Führer aus dem Saargcbiet eine starke Heiserkeit mitgcbracht habe und daß ärztliche Verordnungen ihn veranlaßt hätten, alle Ver abredungen abzusagcn. Ribbentrop erklärte: „Weißbücher scheinen das Pech zu haben, daß sie, wann immer sie auch erscheinen, Be unruhigung und alle möglichen Kombinationen Hervor rufen. Eines aber mutz ich Ihnen sagen: Niemand in Deutschland versteht den Teil des Schriftstückes, der sich mtt Deutschland beschäftigt, und erst recht versteht niemand den Termin der Veröffentlichung am Vorabend eines britischen Besuches in Berlin." Ribbentrop fuhr auf weitere Fragen fort, daß das Weißbuch in Deutschland eine bittere Enttäuschung hervorgerufen habe. Denn in dem letzten Notenwechsel zwischen den Mächten schien ein neuer Geist vertrauensvoller Beratung und freier Vereinbarung zwischen souveränen Staaten her vorgetreten zu sein. Ribbentrop sagte: „Nur ein solcher neuer Kurs versprach praktische Ergebnisse. Und ich bin der Meinung, daß England empfunden haben muß, wie herzlich die Begrüßung dieses neuen Kurses in Deutsch land war. Das englische Weißbuch hat dieselbe abkühlende Wirkung auf diese hoffnungsfrohe Stimmung ausgelöst wie die augenblickliche sibirische Kälte auf unseren Vor frühling." Dann beantwortete von Ribbentrop die Frage von Ward Price: ^Gegen welche Teile des Weißbuches erhebt die deutsche öffentliche Meinung Einspruchs u. a. folgendermaßen: „Es'steht uns nicht an, irgendwelche Meinung über die Bedürfnisse der britischen Verteidigung zu äußern. Es wird auch niemand in Deutschland England für die allgemeinen Rüstungen irgendwie verantwortlich machen. Allein um so weniger verstehen wir zwei Punkte des Weißbuches, die weder sachlich begründet noch politisch notwendig waren: 1. daß das Weißbuch versucht, Deutschland in den Augen des britischen Volkes für Englands Ausrüstung verantwortlich zu machen. Daß Deutschland s e l b st vollständig abgerüstet hatte, ist eine Tatsache, die von der interalliierten, also auch von England be schickten, Kontrollkommission ausdrücklich sestgestellt wurde. Da? heißt also: Deutschland hat seine im Friedensvertrag über- nommcne Abrttstungsvcrpflichtung — auch nach dem Urteil Englands — erfüllt. Das Ausmaß dieser Abrüstung war ungeheuerlich. Bis zur Zerstörung der Eiscnbahnrampcn ging die deutsche Erfüllung der Abrüstuugsverpflichtnng. And nun hat Iahr fur Iahr dieses abgerttsteie Deutsch- l a n d a nf die Einlösung der Abrüstungsverpflich tung der anderen Staaten gewartet. Als aber an Stelle der vertraglich versprochenen Abrüstung der anderen nicht nur keine Abrüstung kam, sondern nicht einmal der Stillstand der Rüstungen eintrat, sondern tm Gegenteil die Aufrüstung der übrigen Welt immer weitere Fortschritte machte, da war Deutschland trotzdem noch bereit, Vorschläge, die die Königlich Britische Re gierung selbst ausgearbeitet hatte, zu akzeptieren, ja, ver Führer ging so weit, zu erklären, daß Deutsch land bereit sei, auch das letzte M.-G. abzuschaffen, wenn die anderen Nationen dasselbe täten. Und erst als das alles vergeblich blieb, ergriff der Führer die notwendigen Matznahmen zur Wieder her st eil ung der notwendigen Vcrteidi- gungsmachtdes Reiches. 2. empfindet man es in ganz Deutschland als ein unmögliches Verfahren, zwischen dem Wollen und der Absicht des Führers und der Tendenz der öffent lichen Meinung und insbesondere der Erziehung dec Jugend einen Zwiespalt Herstellen zu wollen. Der Führer hat die britischen Minister gebeten, einen Besuch in Berlin zu machen. Dankenswerterweise wurde diese Einladung angenommen. Welcher Art aber sollen die Ergebnisse einer Besprechung sein, wenn man von vornherein den verhandelnden Staatsmann als in seinen Handlungen und Äuße- rungcn in Widerspruch stehend zur öffentlichen Mei- nung seines Voltes hinstellt? Entweder man glaubt dem Führer, oder man glaubt ihm nicht. Was würde man in England sagen, wenn die deutsche Negierung umgekehrt mit englischen Ministern in London Verhandlungen pflegen würde, aber die Über einstimmung zwischen ihnen und dem britischen Volk an- zweifeln wollte? Es ist nicht wahr, daß die deutsche Jugend kriegerisch erzogen wird, wohl aber ist es wahr, daß sie sportlich, ehrliebend, stolz und diszipliniert er zogen wird." Als jetzt Ward Price fragte: „Und die Reichs wehr? Ist der alte militaristisch-aggressive Geist, den die Welt früher der Junkerkaste zuschob, nicht in der deutschen Armee noch vorhanden?", antwortete Ribbentrop: „Dies ist immer das letzte Schreckgespenst, wenn alle anderen Argumente nicht mehr ziehen. Es gibt heute in Deutschland keine Kaste mehr, weder eine Junkerkaste noch irgendeine andere! Wir sind ein Volksstaat, und ich glaube, daß die Idee der Hitlerschcn Volksgemeinschaft auch in der Zu sammensetzung der Reichswehr einen eindeutigen Ausdruck gefunden hat. Unsere Armee ist ein ausgezeichnetes Instrument für die Landesverteidigung und besteht aus einer hervorragenden Gemeinschaft von Offizieren und Soldaten, die vom ersten General bis zum letzten Mann erfüllt sind von einem wahrhaft modernen Geist nicht irgendeines aggressiven Imperialismus, sondern der harten selbstaufopfernden Pflichterfüllung für ihr Land und von Liebe und Bewunderung für ihren Führer. Wenn alle anderen Armeen ähnlich denken, können wir tausend Jahre Frieden haben!" Zum Schluß erklärte Ribbentrop auf die Frage: „Welchen Lauf werden die Dinge in Zukunst nehmen?" das Folgende: „Deutschland hat in seiner Note vom lö. Februar seinen Wunsch nach einer freundschaftlichen Verständigung ausgesprochen. Deutschland, ist heute ein fest zusammengefügtes Land. Hinter dem Führer und Kanzler steht die gesamte Nation einmütig und geschlossen. Er ist der Garant der Beständigkeit in der inneren und äußeren Politik. Deutschland wird immer bereit sein, mit den anderen Nationen zusammcnzuarbcitcn, aber dann muß der Geist der Diskriminierung und Zerreißung der Völker, wie er im Versailler Vertrag seinen Ausdruck fand» endlich verschwinden. Nur ein völlig gleichberechtigter, freier Staat kann ein wirklicher Partner in vertrauensvollen Beratungen sein und zu freien Vereinbarungen mit anderen souveränen Staaten gelangen. Dies ist damit die Voraussetzung für jegliche Art von Verhandlung." * Englische Pressestimmen. London, 10. März. Die Unterredung zwischen Reichs außenminister von Neuroth und dem englischen Botschafter am Sonnabend hat nach Ansicht der englischen Sonntagsprcssc eine merkliche Verbesserung der internationalen Atmosphäre ge bracht. Die Blätter drücken ihre Zufriedenheit darüber aus.