Volltext Seite (XML)
' - ,. r. !^. Donnerstag, 24. September IVL8. Lrti SS» 380Y rttlMÄ AmeMI Sir. 223. Dritter Jahrgang. l^luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge veramtwortlicher Redakteur: pn» ttritdsla jü, dt« Inserat« verantwortlich: Walter fir„, beide in Aue i. Lrzgeb. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—r Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. vr«»."u.üv-!il^.8«l.>iia>sn m. b. H. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so Pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 Psg. und wöchentlich 10 Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t.so INk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich >.qr Mk. — Einzelne Nummer to pfg. — Deutscher postzeitungs» kataiog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, nut Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens 4'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann geborgt werden, wenn sie am Tage vorher ber uns eingehen. Insertionspreis: Vie fiebengespaltene Aorpuszeile oder deren Raum zo Pfg., Reklamen 2» pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Vies« rruininev «I»»s4»kt b Das Wichtigste vow Lcg?. Der Reichstag tritt nach amtlicher Bekanntmachung am 4. November wieder zusammen. (S. pol. Tgsch.) O Der Präsident der sächsischen Oberrechnungs kammer Louis Müller wird am I. Januar 1909 in den Ruhestand treten. Die bakteriologische Untersuchung hat ergeben, daß in Berlin keine Cholcraerkrankung oorze- kommen ist. (S. Art. i. Hptbl.) Die d e uks che A n t w 0 rt aus die fr a n z ö s i s ch -s p a n i s ch e Marokko-Note wurde den Botschaftern Frankreichs und Spaniens gestern vom Staatssekretär v. Schoen über geben. Der JnternationalcPrcisc-Kongreß in Berlin sprach sich gestern in einer Resolut'» 1 gegen den Zeugnis zwang aus. * x)ie Meldung von einer a n t i d y n a st i s ch e n Verschwö rung in Lissabon wird von privater Seite bestä- tigt. sS. pol. Tgssch.) Französische Wühlereien gegen Deutschland? Vor einigen Tagen meldete die Voss. Ztg. aus Budapest: Wieder ist ein Anschlag gegen den Dreibund zur Kennt nis der österreichischen Regierung gelangt, von ihr jedoch sofort vereitelt worden. Der französische Generalkonsul in Budapest, Marquis von Fontenay, setzte sich vor eini ger Zeit mit der Kossuthpartei in Verbindung und erbot sich, französischss Kapital für die Gründung einer selb ständigen ungar. Zettelbank mobil zu machen, wogegen von ungarischer Seite di« Lockerung des Bündnissesder Monarchie mit Deutschland betrieben werden sollte. Diese Treibereien blieben nicht geheim und erregten das Miß fallen des ungarischen Ministerpräsidenten Dr. Wekerle, der die Spaltung der gemeinsamen österreichisch-ungarischen Nationalbank für schädlich hält. Noch unwilliger war man in Wien, wo man sich bald überzeugte, daß der französische Botschafter Lrozier der Sache fernstand; er fühlte sich durch die von Fontenay ohne sein Wissen betrieben« politische Ak tton unangenehm berührt. Dagegen war der Kabinetts chef Tleinene raus, der sich, nachdem Clemenceau von Karlsbad abgereist war, von dort nach Wien und Budapest begeben hatte, in die Jntrigue eingeweiht. Durch die Vor gänge wurde die Stellung Fontenays erschüttert, und man nimmt an, daß er nicht mehr lange Generalkonsul bleiben werde. Der Generalkonsul von Fontenay bestritt in einer Er klärung, die er mehreren großen Blättern übersandte, die Rich tigkeit dieser Behauptungen mit aller Entschiedenheit: er stellte sich als einen Mann hin, der völlig in seinen Geschäften aufgehe und sich für Politik nicht einmal interessiere. Auch in ungari schen Regierungskreisen äußerte man sich sehr überrascht Mer die Rolle, die dem französischen Generalkonsul zugeschrieben wurde. Man bemerkte, daß Herr von Fontenay stets eine durch aus korrekte Haltung bekundet und sich stets jene Reser« auf erlegt habe, welche ihm sein Charakter als ausländischer Kon sulatsvertreter gebiete. Der Gewährsmann der Voss. Ztg. hielt dagegen seine Anschuldigung völlig aufrecht. Wenn auch die Voss. Ztg. ein durchaus ernst zu nehmendes Blatt ist, das nicht leichtfertig Behauptungen von solcher Tragweite verbreitet, so erschien es doch angemessen, erst abzuwarten, ob es auch die Wahrheit seiner Meldung zu beweisen vermöge, bevor man sich mit Lieser beschäftigte. Es ist aber ein neues Moment einge treten, das die Sache aus der Sphäre der privaten Zeitungs aktion heraushebt. Die deutsche Reichsregierung hat nämlich das Wort zu dieser Angelegenheit ergriffen und läßt durch ein offiziöses Berliner Telegramm der Köln. Ztg. erklären: Es se» möglich, daß man in Paris, einer alten Gewohn heit folgovd, versuchen werde, die Angelegenheit durch Tot schweigen aus der Welt zu schaffen, was allerdings schon des halb nicht leicht sei, als in der veröffentlichten Darstellung nicht nur der Generalkonsul, sondern auch der Kabinettschef Clemenceau mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht werde. Angesichts der Deutschland gegenüber stets loyalen Erklärungen Pichons, so heißt es weiter, möchten wir nicht glauben, daß dieser mit dem Verhalten des Generalkonsuls einverstanden ist. Daß französischerseits früher sowohl in Un garn als auch in Prag gegen Deutschland gewühlt worden ist, ist keine neue Tatsache. Ob die heutigen Versuche einen eimsten Hintergrund haben, wird sich wohl Herausstellen müssen, da man an mehr als einer Stelle alle Veranlassung hat, hierüber Klarheit zu schaffen. Die französische Regierung wird nun nicht umhin können, sich zu dieser Anschuldigung zu äußern. Da es sich bei der Mobi lisierung französischen Kapitals für eine selbständige ungarische Staatsbank um viele Millionen handeln würde, so leuchtet ein, daß der französische Generalkonsul nicht Zusicherungen machen könnte, ohne von der französischen Regierung gedeckt zu sein, und man erinnert sich jetzt daran, daß der französische Finanz minister Cailloux auf einer Rückreise von Konstantinopel nach Paris in Budapest Halt gemacht hat. Was die in Ungarn herrschenden Magyaren anbelangt, so weiß man einerseits, daß sie durch ihre Magyarifierungsmaßnahmen gegenüber den in Un garn wohnhaften Bestandteilen anderer Nationien auch den Siebenbürger Deutschen Anlaß zu Klagen gegeben haben, ob wohl die deutschen Abgeordneten sich als politische Freunde der Magyaren betätigten, andererseits aber waren die Magyaren stets treue Freunde des Dreibundes. Sollte sich das ändern, so wäre der Dreibund gefährdet, da die Tschechen be kanntlich Feinde der Deutschen sind und die preußische Polen politik auf die Polen in Oesterreich sehr verstimmend gewirkt hat. Das Cholera-Gespenst. «ein Lholerafall 1» Berlin. Zu dem Berliner Cholera-Alarm wird jetzt folgendes au» der Reichshauptstadt mitgeteilt: Di« bakteriologische Unter suchung Wer den Krankheitsfall des russischen Ehepaare« Erigolewsky wurde gestern abgeschlossen und hat mit Sicherheit ergeben, daß es sich hier nicht um Cholera afiatica, sondern um einen Typhusfall mit besonderen Erscheinungen handelt. Frau Erigolewsky wurde darauf hin sofort aus der Cholcrabaracke herausgeschafft und fand in einer anderen Baracke Aufnahme. Das Allgemeinbefinden der Patientin ist vorläufig zufriedenstellend, Prof. Dr. Klemperer, der Fra» Erigolewsky bekanntlich vor der Ueberfiihrung nach dm» Virchow-Krankenhause in Behandlung hatte, begab sich, al« ihm das Resultat der bakteriologischen Untersuchung mitgeteilt wurde, gestern selbst an das Krankenlager seiner Patientin. Auch Staatsrat Waldemar Erigolewsky befindet sich auf dem Wege der Besserung. Die Meldung, daß auch «in Kellner und ein Hausdiener des Hotels, in dem Staatsrat Grigo- lewsky abgestiegen war, in das Virchow-Krankenhaus zur Beob achtung eingeliefert seien, bestätigt sich nicht. Auch der in das Virchow-Krankenhaus unter Choleraverdacht eingelieferte Kohlenarbeiter Adalbert Koszypleida und seine beiden Kinder sind wohl und munter. Die amtliche Oeffnung der Leiche der unter choleraverdächtigen Erscheinungen verstorbenen Kohlenarbeiterfrau Maria Koszypleida ist gestern vorgenommen worden. Das Ergebnis steht bis zur Beendigung der bakteriologischen Untersuchung im Institut für Infektions krankheiten aus. Die Schlafburschen der verstorbenen Frau Kos zypleida, deren Wohnung versiegelt ist, wurden vorsichtshalber nach dem Virchow-Krankenhaus gebracht. Dem B. T. wird hierzu noch berichtet: Was den Fall der verstorbenen Frau des Kohlenarbeiters Koszypleida am Schlesischen Bahnhof 5 anlangt, so liegt auch hier Gründ zu einer Beunruhigung nicht vor. Das Ehepaar wohnte seit zwei Jahren dort und hatte, da «« in ärmlichen Verhältnissen lebte, einen Raum an zwei Schlaf burschen vermietet. Die Frau kränkelte seit drei Wochen, zog aber keinen Arzt zu Rate, da die Mittel hierzu fehlten. In den letzten Tagen hatte sie an Durchfall zu leiden, und da ihr plötzlicher Lod Ein Kapitel vom Komfort. Von A. Oskar Klaußmann. Nachdruck verboten. Wenn man die Prunkgemächer alter Königsschlösser und Paläste aufsucht, bekommt man wohl einen gewaltigen Respekt vor dem Glanz der Repräsentation, mit dem sich schon in früheren Zeiten die Beherrscher der Völker und Länder zu umgeben wuß ten. Grundfalsch aber wäre es, aus dieser äußern Repräsenta tion etwa darauf zu schließen, daß die Machthaber jener ver gangenen Jahrhunderte etwas von dem Komfort gekannt haben, der heute in jeder soliden Bürgersamilie zu finden ist, und ohne den der gebildete Mensch nicht mehr leben möchte. Hat man Gelegenheit, in diesen Schlössern und Palästen einmal hinter die Kulissen zu sehen und sich die Räume zeigen zu lassen, wo jene Mächtigen schliefen, sich wuschen und ankleideten, so er gibt sich ein erstaunlicher Gegensatz. Am stnnenfälligsten tritt die vollständige Abwesenheit eines jeglichen Komforts für die intime Seite des Lebens in kleineren Schlössern und Landhäusern von Fürsten zutage. Auf der Pfaueninsel bei Potsdam steht zum Beispiel das be kannte Schloß, in dem Friedrich Wilhelm III. so viel Aufenthalt genommen hat, wo auch noch König Wilhelm I., der spätere erste Kaiser von Deutschland, zeitweilig wohnte. Wenn man hier im ersten Stockwerk die Schlafzimmer sieht, die dem König Friedrich Wilhelm III., seiner Gemahlin les war die zweite Gemahlin, die Fürstin Liegnitz) und, vorher, der alten Ober- hofmeisterin Gräfin von Voß zur Verfügung standen, so muß man sich sagen, daß heutzutage polizeilich eine derartige Schlaf gelegenheit in kekner Arbeiterwohnung geduldet werden würde. Die Schlafräume sind Kabusen, etwas länger als ein Bett und anderthalbmal so breit. Ein Fenster ins Freie ist nicht vorhanden, lieber der Türe, die vom Korridor in die Kabuse htneinführt, befindet sich nur ein Nein«» Oberlichtfenster, da» indes nicht geöffnet werden konnte. Und in diesen stickigen, im Sommer wahrscheinlich unerträglich heißen und dunstigen Räumen schliefen der König und seine Gattin. Bekommt man dann aber vollend« di« Waschtisch« zu sehen, di« ganz primi tiv und »hne all« Einrichtungen für Toilettebedürfnisse sind, einen Durchmesser von ungefähr zwanzig Zentimetern haben und in denen man sich nach heutigen Begriffen kaum ordentlich die Hände waschen kann, so verwandelt sich das Staunen schon fast in ein gelindes Grausen. Als Friedrich der Große starb, war unter seinen Wäschevorräten nicht ein einziges ganzes Hemde, mit dem man den Toten hätte bekleiden können, und mag man diesen Umstand damals auch als ein Zeichen der Anspruchslosigkeit und Spar samkeit des großen Königs gedeutet und gepriesen haben, so ist er doch zum mindesten auch ein Beweis dafür, daß dem König der allereinfachste Komfort etwas ganz unbekanntes war. Hun dert Jahre später: Klingt es nicht geradezu ungeheuerlich, daß Kaiser Wilhelm I. in seinem weltberühmten Palais Unter den Linden kein Badezimmer hatte und daß, so oft er oder die Kaiserin Augusta ein Bad nehmen wollte, eine Badewanne aus dem gegenüberliegenden Hotel de Rome in das Palais ge schafft und in einem Zimmer aufgestellt werden mußte, — um dann nach genommenem Bade wieder nach dem Gasthofe zurück zuwandern? Heute kann sich wenigstens der Großstädter kaum noch eine Wohnung ohne Badezimmer denken, und in -en neuesten Straßen haben selbst Wohnungen von drei Lis vier Zimmern bereits ihr Badezimmer mit kaltem und warmem Wasser. Wie mit dem Komfort, so stand es mit der Hygiene, — und di« Reinlichkeit ließ selbst in Königspalästen oft sehr viel zu wünschen übrig. Wird doch der Gebrauch von Parfüms vor allem darauf zurückgeführt, daß sie vornehmen Damen und Herren des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts infolge mangelnder Körperpflege so unangenehm rochen, daß sie eben gezwungen waren, sich hinter künstlichen Gerüchen gewissermaßen zu verbergen. Und kam es doch vor, daß einer der alten Hau degen au» der Umgebung de» Großen Kurfürsten ein Mitglied de» Hofe» von der Tafel, bevor noch der Landesherr erschien, mit den groben Worten fortwtes: Du sollst dich fortpackenI Unser erlauchter Kurfürst will dich nicht mehr Lei der Tafel sehen, denn du stinkst wie «in Vocks Wenn wir die Brief« Mer di« Zustände am Hof« Lud wig» XIV. von Frankreich l«sen, di« Liselotte, di« Her-ogtn Elisabeth Charlotte von Orleans, geborene Pfalzgräftn von Bayern, geschrieben hat, dann wissen wir, daß auch am fran zösischen Hofe, trotz aller Ueberfeinerung, vom Komfort und von Hygiene, im heutigen Sinne, keine Rede war. Irriger noch wäre der Glaub«, auf Len alten Ritterburgen und Schlössern, selbst bei den reichsten Grafengeschlechtern habe man einst ein komfortables Leben geführt. Die gewaltigen, steinernen, ge wölbten Hallen waren im Winter so kalt, daß man trotz alles Heizens unmäßig fror. Die ganze Familie hockt« in einer Stube zusammen, die Möbel waren dürftig, und die Schlafzimmer, mit gütigere Erlaubnis gesagt, in einem Zustand wie bei uns nicht einmal mehr die Schweineställe, seitdem man weiß, daß auch das Borstenvieh nur gedeiht, wenn man ihm große Reinlichkeit zuteil werden läßt. In Küche und Keller war der Komfort des täglichen Lebens bei den Großen auch nicht in dem Maße zu finden wie heute. Selbst an Fürstenhöfen war man zur Winterszeit ledig lich auf frisches Wildbret angewiesen; sonst lebte man von ge räucherten Fischen und geräuchertem Fleisch, sowie von Pökel fleisch, das sich manchmal durch einen abscheulichen Geruch aus zeichnete. Es gab wenig Auswahl an Nahrungsmitteln, denn man verstand die Kunst des Konservierens noch nicht, und bei dem Mangel an Verkehrsmitteln war es unmöglich, selbst für eine fürstliche Tafel aus allen Herren Länder Leckerbissen und absonderliche, wohlschmeckend« Speisen herbeizuschaffen. Wer also heutzutage in eines der modernen Restaurant» geht, wo man für wirklich billiges Geld von den ausgesuchtesten Deli katessen naschen und hundert verschiedene Weine trinken kann, und wer dann sein stilles, behagliches Heim aufsucht, darf sich bewußt sein, daß er mit seiner Lebensführung turmhoch Mer all den Kaisern und Königen früherer Jahrhunderte steht und sie nie imstande gewesen find, sich die Genüsse zu verschaffen, die unsereinem so mühelos zu Gebot« find. Zu beklagen brau- chen wir sie deshalb freilich nicht. Denn fie kannten eben nicht di« mannigfaltigen Segnungen des Komfort» und der Hygiene, die un» allmählich zu unentbehrlichen Das«tn«bedürf- ntssen geworden find.