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Erscheinen: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend «rit Ausschluß der Feiertage. Monnement: Vierteljährlich t Mark. Großenhainer Unterhaltungs und AnMgMatt. Inseratenannahme: Bis Tags vorher spätesten» früh 9 Uhr. Inserlionköelräge von auswärts werden durch Postvorschuß erhoben. Amtsblatt der Königl. Amtshauptmannschaft, sowie der Königl. Gerichtsämter und Stadträthe zu Großenhain und Radeburg. Redaction, Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. 84. Dienstag, den 25. Juli L8S« Politische Weltschau. Kaiser Wilhelm, welcher gegenwärtig in Gastein weilt, nachdem er vorher in Salzburg vom Kaiser Franz Äoseph auf österreichischem Boden willkommen geheißen worden, hat bekanntlich am 4. Juli, dem hundertjährigen Gedenktage der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, ein eigenhändiges Schreiben an den Präsidenten Grant überreichen lassen, welches um -so freudigeres Aufsehen erregte, als der deutsche Kaiser der -einzige europäische Monarch gewesen, der in so sinniger Weise feinen Antheil an dem Feste bezeugte. Erst jetzt bringt der „Deutsche Reichs-Anzeiger" den authentischen Originaltext dieses Handschreibens, das unter Weglassung der Eingangs formel wie folgt lautet: „Großer und guter Freund! Es -ist Ihnen beschieden, die hundertjährige Feier des Tages zu begehen, an welchem das große Gemeinwesen, an dessen Spitze Sie stehen, in die Reihe der unabhängigen Staaten «ingetreten ist. Was die Begründer desselben in weiser Benutzung der Lehren der Geschichte der Staatenbildungen mnd mit weitem Blick in die Zukunft geordnet, hat sich in riner Entwickelung ohne Gleichen bewährt. Sie und das amerikanische Volk darüber zu beglückwünschen, ist Mir eine mm so größere Freude, als seit dem Freundschaftsvertrage, welchen Mein in Gott ruhender Ahnherr, König Friedrich II., glorreichen Andenkens, mit den Vereinigten Staaten ge schlossen hat, jederzeit eine ungetrübte Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika bestanden und sich durch die immer zunehmenden Beziehungen beiderseitiger Angehörigen und in einem immer fruchtbareren Austausch auf allen Gebieten des Verkehrs und der Wissenschaften entwickelt und befestigt Hat. Daß die Wohlfahrt der Vereinigten Staaten und die Freundschaft beider Völker auch ferner mit einander wachsen mögen, ist Mein aufrichtiger Wunsch und Meine zuversicht liche Hoffnung. Empfangen Sie die erneuerte Versicherung Meiner vorzüglichen Achtung. Wilhelm, v. Bismarck." Dieses Schreiben unseres Kaisers, welches auch auf die anderen europäischen Cabinette seine Einwirkung nicht ver fehlen wird, zeigt, daß die Furcht vor der republikanischen Staatsform, die noch vor wenig Jahrzehnten alle Höfe Europas ängstigte, bei uns völlig verschwunden ist. Der erweiterte Umblick in die Verhältnisse der Staaten hat die Hehre verbreitet, daß nicht die Staatsform, sondern der Meist der Treue und Gesetzmäßigkeit in der Regierung und Her Geist des Freimuths und der Bildung im Volke die .alleinigen Bürgschaften des Gedeihens der Staaten sind. Zn Frankreich haben die verbündeten Clericalen und Monarchisten im Senat einen Sieg über das Cabinet er rungen, dessen Folgen sich augenblicklich noch nicht ermessen lassen. Der vielbesprochene Waddington'sche Gesetzentwurf, betreffend die Verleihung der akademischen Grade, wurde nämlich in der Senatssitzung vom 2l. Juli nach heißen Debatten mit 144 gegen 139 Stimmen verworfen; so knapp die Mehrheit, so bedeutsam ist sie, denn sie zeigt, daß die Lurch den Präsidenten begünstigte Reaction am Senat ein stets dienstfertiges Werkzeug hat. Daß der Unterrichts minister in Folge dieser Abstimmung zurücktreten wird, kann wohl als gewiß betrachtet werden; als sein Nachfolger wurde bereits der in allen Farben schillernde Deputirte Laboulaye genannt. Die diplomatische Correspondenz über die orientalischen Angelegenheiten wurde unter die englischen Parlaments mitglieder vertheilt. Dieselbe umfaßt auf 373 Seiten 544 Actenstücke aus der Zeit vom 30. Januar bis zum 17. Juli e. inclusive der Correspondenz, betreffend die seitens der türkischen Truppen in Bulgarien begangenen Grausam keiten. Die Schriftstücke schließen mit einer Depesche des englischen Botschafters in Petersburg, Lord Loftus, vom 11. Juli, in welcher derselbe das befriedigende Resultat der Zusammenkunft der Kaiser von Oesterreich und von Rußland in Reichstädt anzeigt. — Unterm 29. Juli hat Graf Derby dem russischen Bot schafter am Londoner Hofe, Grafen Schuwalow, eine De pesche in Antwort einer Mittheilung des Fürsten Gortschakow zugehen lassen. Graf Derby erklärt in derselben, England theile durchaus den Wunsch Rußlands bezüglich des voll kommenen Einvernehmens der Mächte in der Behandlung der orientalischen Angelegenheiten. England erkenne ebenso sehr wie Rußland die Wichtigkeit an, die Freiheiten der christlichen Bevölkerungen in der Türkei sichev zu stellen. Aber die englische Regierung könne die Jnsurrecüon in Bosnien und der Herzegowina nicht lediglich als einen Kampf anfehen, der gegen eine locale Unterdrückung gerichtet fei. Vielmehr ginge aus den stattgehabten Ermittelungen hervor, daß der Aufstand für Zwecke genährt würde, welche einen allgemeinen politischen Charakter hätten. So lange dieser Zustand fortdauere, würden die Bestrebungen der Mächte, Projecte einer besseren Verwaltung zu empfehlen, vergeblich sein. Man müsse die Jnsurrecüon unterdrücken And die Ordnung wieder Herstellen, bevor man mit Nutzen über solche Projekte verhandeln könne. Die englische Re gierung theile die Ansicht, daß die besten Heilmittel diejenigen sein würden, welche eine praktische Lösung der Schwierig keiten ermöglichten, ohne daß dabei der territoriale Status quo verändert würde. Derby erklärt ferner, es liege kein Grund vor, eine Ausrottung der Christen befürchten zu müssen, wenn die Jnsurrecüon besiegt sei. Man müsse die serbische Negierung darauf Hinweisen, daß sie, falls sie eine Gebietsvergrößerung unter dem Vorwande slavischer Sym pathien erlangen wolle, nicht erwarten dürfe, gegen die Folgen eines Mißlingens dieses Versuches und einer Nieder lage geschützt zu sein. Der Inhalt dieser Depesche Lord Derby's an den russischen Botschafter ist offenbar weit ent fernt, die politische Lage zu vereinfachen. Aus den entstellten Nachrichten vom Kriegsschauplätze ein Urtheil über die Lage zu gewinnen, ist schwierig. Jndeß scheint doch das Eine gewiß, daß entscheidende Ereignisse nahe bevorstehen. Serbien und Montenegro freilich wären nicht abgeneigt, den Krieg in die Länge zu ziehen. Die Machthaber in Belgrad haben von vornherein mehr auf eine den slavisch - christlichen Völkern entgegenkommende Intervention, als auf die eigene Kraft vertraut. Gelingt es ihnen, den Krieg zu verlängern, bis die christlichen Mächte, um dem Blutvergießen ein Ende zu machen, einschreiten, so haben sie einen nicht zu unterschätzenden Erfolg errungen. Andererseits liegt es im eminenten Interesse der Pforte, möglichst bald ein Präjudiz auf dem Kriegsschauplätze zu schaffen. Wir kennen die strategischen Gründe nicht, welche sie bewogen, sich bisher auf die Defensive zu beschränken; politisch verschlimmert sich die Situation der Pforte mit jedem Tage, der verstreicht, ohne daß ein entscheidender Schlag geführt wird. Nicht nur daß durch die Verzögerung der Aufstand Zeit gewinnt, sich auf türkischem Boden zu organisiren — die drohende Haltung Rumäniens zeigt, welche Gefahren im Hintergründe schlummern, wenn der Krieg sich in die Lange zieht. Was Rumänien verlangt, ist weit mehr, als die Pforte bewilligen kann. Ein ähn liches Streben macht sich in Griechenland geltend, wo man sich bisher noch nicht in Positur gesetzt hat. Auf der Balkanhalbinsel hält man offenbar den ersehnten Tag der Abrechnung für nache. Man bereitet sich vor, bei Lebzeiten des Erblassers das Erbe in Besitz zu nehmen. Nur ein durchgreifender militärischer Erfolg der Pforte vermöchte noch diese Regungen niederzuhalten. Mehrere hervorragende Vertreter der unter türkischer Herrschaft befindlichen griechischen Provinzen haben sich mit einigen Politikern Athens unter dem Präsidium des wegen seiner unparteiischen Politik anerkannten Deputirten MessinesiS, welcher schon mehrmals Minister war, zu einem politischen Comite vereinigt, dessen Aufgabe es sein wird, die auch von Europa angestrebte Durchführung der Gleich berechtigung der christlichen Völkerschaften in der Türkei anzubahnen und dieselben nöthigenfalls durch Herbeischaffung der Mittel in ihren diesbezüglichen Bemühungen zu unter stützen. In einer zu diesem Zwecke abgehaltenen Versamm lung betonte aber der Präsident ausdrücklich, daß damit keinesfalls abenteuerliche Aufstandöversuche gemeint seien, sondern nur im äußersten Falle nach vollendeter Ver brüderung der christlichen Stämme gegen den die Gleich stellung verhindernden Stammfeind vorgegangen werden solle. Geldmittel im großen Maßstabe sollen Lotterieanlehen und Subscriptionen liefern. Der Comitä hat sich die „ Brüderlichkeit" genannt. Tagesnachrichten. Sachsen. Se königl. Hoheit der Prinz Georg, der hohe Curator der Akademie der bildenden Künste, hatte sich, wie das „Dr. I." mittheilt, am 2l. Juli Mittags 12Uhr, unter Begleitung des Geh. Raths Körner, als Stellvertreter des abwesenden Staatsministers des Innern, an der Spitze des akademischen Nathes in der Augustuöstraße zu Dresden eingefunden, um das nun vollendete Werk des Fürstenzuges von dem Autor desselben, dem Maler Walther, zu übernehmen. Se. königl. Hoheit besichtigte unter Leitung des Künstlers die vortreffliche Sgrasfittoarbeit, welche nun als eine wahrhaft imposante monumentale Leistung auftritt, eingehend in allen ihren Einzelheiten und richtete huldvolle Worte höchster Anerkennung an den Schöpfer derselben, zu deren Schluß «e. königl. Hoheit, im Allerhöchsten Auftrage Sr. Maj. des Königs, dem bescheidenen Künstler das Ritterkreuz erster Klasse des AlbrechtordenS eigenhändig überreichte. Ueber den Stand der Arbeiten an der Riesaer Elbbrücke berichtet das „Elbeblatt" unterm 21. Juli: Das rechts seitige Ende des am 19. Februar d. I. eingestürzten großen Straßenträgers wurde Tags darauf vom Eis und Strom so nach unterhalb gedrückt, daß es bis gegen Abend in den Fluthen gänzlich verschwunden war. Hierdurch war der Träger ganz fest gegen den rechtsseitigen alten Pfeiler ge drückt worden und hatte der letztere deshalb einen ungeheuren Stützpunkt erhalten. Vorgestern Mittag, bis zu welcher Zeit verschiedene Eisentheile au dieser Stelle schon abgenietelk waren, wurden die Haupttheile durchgesprengt. Infolge dessen lösten sich aber sofort nicht nur sämmtliche Quaderschichten de- Oberstrompfeilerkopfes, sondern auch alle einzelnen Steine, so daß man sich genöthigt sah, das Sprengen sofort einzu- stellen und dem unvermeidlichen Einsturz des PfeilerkopfeS durch Abtragen zuvorzukommen. Jetzt werden blos schon abgesprengte Eisentheile aus dem Wasser gezogen. Für die Dampffähre ist die immer größer werdende Sandbank unter halb der Brücke sehr hinderlich; in einem großen Bogen muß die Fähre um dieselbe herumfahren. In Zwickau hat am Donnerstag Abend der Zimmer geselle Berthel den Versuch gemacht, seine Ehefrau zu er schießen, doch wurde diese Absicht durch die schleunige Flucht der Letzteren vereitelt. Berthel hatte, wie man dem „CH. T." berichtet, auf einem Zimmerplatze gearbeitet, am Donnerstag Mittag jedoch plötzlich die Arbeit aufgegeben, sich seinen rückständigen Lohn auszahlen lassen und diesen theilö zum Ankauf eines Terzerols und einiger Munition verwendet, theils vertrunken. Gegen Abend ist er in an getrunkenem Zustande in die Kästner'sche Ziegelei, woselbst seine Frau arbeitete, gekommen, hat mit dieser Streit an gefangen, mit Erschießen gedroht und auf dieselbe das ge ladene Terzerol angelegt, worauf diese die Flucht ergriff. Ehelicher Unfrieden scheint die Veranlassung zu der That gewesen zu sein und ist der Thater verhaftet. Von den am 7. Juli durch eine Schlagwetterexplosion in einem Steinkohlenschachte zu NiederölSnitz verunglückten zehn Bergarbeitern sind nunmehr acht ihren Leiden erlegen; für die anderen zwei ist Hoffnung vorhanden, daß sie ihre volle Arbeitsfähigkeit wieder erlangen. Italien. Der russische Gesandte in Rom, Baron Uxkull-Gyllenbandt, sowie der französische Gesandte daselbst, Marquis de Noailles, sind zu Botschaftern ernannt worden. Ebenso wurde der italienische Vertreter bei der französischen Regierung, Cialvini, zum Botschafter ernannt. Vom Kriegsschauplätze. Von der türkischen Regie rung wurde folgende Bekanntmachung erlassen: Die Jour nale beschuldigen mit Unrecht die in Bulgarien stehenden, nicht zur regulären Armee gehörigen Freiwilligen der Räu berei, der Grausamkeit, selbst des Mordes. Diese Freiwilligen sind selbst Einwohner der Provinz Bulgarien und sind be waffnet und auf den Schauplatz der Jnsurrecüon geführt worden, um ihre Familien und ihr Besitzthum, welches durch die Aufständischen bedroht ist, zu vertheidigen, mit der Aussicht, daß die türkische Regierung sie durch hin reichend zahlreiche Truppenmacht unterstützen werde, um den Ausstand zu ersticken. Es ist richtig, daß diese Freiwilligen zu mißbilligende Handlungen begangen haben; dennoch aber ist eö klar, daß die Berichte darüber stark übertrieben sind. Nichtsdestoweniger waren die Muhamedaner zu in Ver zweiflung begangenen Handlungen dadurch getrieben worden, daß sie bei den Hauptsührern der Aufständischen schriftliche Aufforderungen der verschiedenen Comitss des Aufstandes zur allgemeinen Massacrirung der Muhamedaner und zur Zerstörung von Adrianopel, von Philippopel und von Tatar- Bazardjik auffanden. Diese Schriftstücke, sowie alle son stigen Documente über diesen unglücklichen Aufstand sollen demnächst veröffentlicht werden. Der Minister Kiany Pascha, ein strenger und energischer Mann, ist nach Bulgarien ab gesandt und mit Vollmacht versehen worden, die dortigen Zustände zu untersuchen. Nach einer Meldung der „Polit. Corresp." aus der Herzegowina ist infolge der Zusammenziehung starker tür kischer Streitkräfte oberhalb von Mostar und des Wider standes, welchen die Montenegriner bei den Blockhäusern vor Nevesinje und Metochia finden, die Gefahr eines An griffes der Montenegriner auf Mostar vorläufig beseitigt. Die Garnison von Trebinje ist durch zwei Bataillone ver stärkt und Attes für einen feindlichen Angriff vorbereitet worden. Belgrad hat jetzt vollauf mit den Verwundeten zu thun, die in der Regel während der Nacht eingebracht werden. Alles eilt in die Spitäler, um die Verwundeten zu besuchen und unter ihnen Liebesgaben zu vertheilen. Der Andrang des Publikums mit allerlei Geschenken ist so groß, daß der Obercommissar des Sanitätswesens, Matja Matic, die Verordnung ergehen lassen mußte, daß von nun an der Zutritt zu den Verwundeten nur während zwei Stunden im Tage gestattet werden könne und die Liebesgaben an die Verwaltung des Spitals abzugeben seien. Unter den Verwundeten befinden sich auch viele Türken aus Bosnien, die vollkommen rein serbisch sprechen und die sich durch gar nichts als die glatt rasirten Köpfe von den Serben unterscheiden. Dieselben sind erstaunt und erfreut, eine so gute Behandlung und Pflege zu finden. Unter den bosnischen > Muhamedanern ist allgemein verbreitet worden, daß die Serben keinen Muhamedaner am Leben lassen. Nun überzeugen sie sich, I daß die Serben in der Behandlung der Verwundeten keine«