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Nr. L»L — LO. Jahrgang Sonntag den L8. Mai 1V11 Erscheint täglich nachm, mit NuSnahme der Sonn- und Festtage. Aufgabe t mit ,Die Zeit tn Wort und Bild" vierteljährlich 2,10 In Dresden durch Roten 2 40 I» ganz Deutschland frei Haus 2,82 in Oesterreich 4 41 H. vuSgab« 0 ohne illustrierte Beilage vierteljährlich l.dttt X, In Dresden durch Bolen 2,10 I» ganz Deutschland frei Han» 2,22 in Oesterreich 4,07 X. - einzel'Rr. 10 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die ggespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 P Reklamen mit 80 q die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechende» Rabatt, Buchdrncherel, Nedaktion nnd NcschäftSstell«: Dresden, Plllnitzer Ltrahe 48. — Fernsprecher 1800 Für Rückgabe unverlangt. Schriftstücke keine Prrbindlichketl Redaktion»,Sprechstunde: I I bis 12 Uhr, VEl-16 ON88O8t1-/( :: 87^888 30 l^vsttjottt- u»ct Vsi-xi-öttsl-uingsn . Xjnclsi-dilctsi- 8poet ° so k^eois« müvtg D st-zznnnotrtun^lOg? Tcotr noch »io ttaxorvosenop Kakkee - seuerunx kostet unser be liebter, voriiüßlielier k^arn!lien-I<afkee nun >50 Pf. c>Ä8 pkuntl. kerlilix 8 koLkstcoii, vrestleii. kReclerlagen in allen Ltacilleiten, Rests Rs7.UA8F»slts! VorLÜxllvk« vvuv unä ^vkronekl.«, alls ttolL- nnil »ovvis nnok^ZLoivkoun^, Iß I I/AI ü von 60 Uark LN kississsv ^us^ttkl, Lakl^vise, kok». X»»»vvrttd»lL l Hivl-PIallo»! 8VOR LG - IVir«8»«rT ^okano-<ivorgsn-4II«s 18 Für den Monat Juni Ittlt abonniert man auf die „Sächsische BolkS- zeitnng" mit der tätlichen Romanoc-ilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" znm Preise von 00 Pfg. toline Bestellgeld), durch den Bolen ins Haus 7V Pfg. Der Bezugspreis auf die Ausgabe mit der illustrierte» U»te>- hnltungSbetlage „Die Zeit »n Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Vseunig. Die Lasten der Reichsversicherungs ordnung. Bon M, Erjbergcr, M, d R. Die sozialdemokratische Presse hat zur Beratung der Reichsversicheruugsorduuiig sich ein langes Schema bcigelegt, dos nach jedem sozialdemokratischen Antrag das Stichwort enthält: „Abgelehnt von den bürgerlichen Koinpromiß- varteien" oder „Abgclehut von allen bürgerlichen Parteien". Tie stete Wiederkehr dieses Satzes soll bei den Arbeitern den Eindruck erwecken, als bringe das gros;e Werk so gut wie keine Fortschritte, sondern mir „Entrechtungen". Wenn die Mehrheitspnrteien aber eine Reihe von Anträgen abge lebtst haben, dann wollte» sie damit nicht zum Ausdruck bringen, das; diese sachlich und inhaltlich unbegründet seien, dos; sie nicht ausführbar seien, sondern es sollte damit nur bekundet werde», das; im jetzigen Zeitpunkte es ausge schlossen ist, dem deutschen Gewerbe höhere Lasten aufzu- erlegen, als die Koiiiiuissioiisbeschliisse sie bringen. Manche bürgerlichen Parteien mus;ten diesen und jenen Liebliiigs- wunsch zurückstellen, weil die bange Frage: wer bezahlt die Lache? entscheidend war. Auch in der Sozialpolitik gibt es eine Deckuiigsfragc, wenn Sozialpolitik kein Geld kosten würde, würde alle Welt Sozialpolitik treiben. Wenn man nun heute fragt: mas kostet die neue Neichs- versicl^rnngsordnuiig? so kann man hieraus nicht eine Antwort geben, die auf Heller und Pfennig stimmt. Aamcntlich in der Krankenversicherung ist eine glatte Rechnung unmöglich, da die Kassen neben den Regel leistungen eine ganze Menge erhöhter Satzungsleistimgen geben nnd geben werden. Aber man greift nicht viel fehl wenn man die Kosten der NcichSversicherungsordnung auf rund 250 Millionen Mark im Jahre berechnet. Tic Vor lage enthält schon Mehrausgaben, die für Arbeitgeber und Versicherte rund 120 Millionen Mark betragen und für daS Reich 27 Millionen Mark, Zn diesen 150 Millionen Mark berechneter .Kosten treten nun die Ausgaben für die Ver sicherungsämter, die mit 7 bis 10 Millionen Mark auch in der beschlossenen Form nicht zu hoch angegeben worden sind. Bei der Invalidenrente tritt die höhere Mehrausgabe bon 0 Millionen Mark für die Kinderrente hinzu; bei der llnsallrente wird das Einkommen bis zu 1800 Mark statt l'>00 Mark voll angerechnet. Jedoch weit wehr als all dies schlägt die neue Berechnung des Grundlohnes zu Buch, da sie für Kranken- und Invalidenversicherung gleichzeitig er- böhcnd wirkt. Es wird eine Menge von Fällen geben, wo für die Arbeitervcrsichcrung das Doppelte der bisherigen Beiträge zu zahlen ist. So ist die Sumnie von 100 Millionen Mark für alle diese Ausgaben nicht zu hoch berechnet. Eine Biertelmilliarde Mark pro Jahr mehr für die Arbeiter- Versicherung ist keine Kleinigkeit und stellt vielen wohlbe- gründcten Wünschen eine unüberwindliche Schranke ent gegen. Die sozialdemokratischen Anträge haben sich frei lich daran nicht gekehrt. Wenn man ihre gesamte finanzielle Wirkung zusammenstellt, dann kommt man nach zuver lässigen Berechnungen auf über 2 Milliarden Mark im aahr; eine Summe, die nur genannt zu werden braucht, um abgetan zu sein. Selbst wenn einige Mathematiker nur auf 1500 Millionen Mark kommen,Uso ist eine solche Mehrbelastung einfach unannehmbar. Diese finanziellen Gründe sind auch entscheidend ge wesen für die Ablehnung der Herabsetzung der Altersgrenze e.uf das 65. Lebensjahr. Es war auf dem sozialdemo kratischen Parteitage zu Jena der Sozialdemokrat Molken- luhr, der diesen Antrag scharf bekämpfte, woraus der Partei- lag ihn ablehnte. Im Reichstage ging man andere Wege. 2b Millionen Mark Mehrausgaben kümmerten die Antrag steller nicht, auch nicht der Umstand, daß das Reich hiervon 0 Millionen Mark zu trage» gehabt hätte, ohne das; eine Deckung da war. Tie freisinnigen Antragsteller hatten es in ihrem Eifer sogar übersehen, eine Erhöhung der Beiträg - zu beantragen und sagten nicht, woher die Versicherungs anstalten die 20 Millionen Mark nehmen sollten. Die Jagd nach Wahlstimmen war zu offensichtlich geworden. Was dir Neichsversicheruug bietet, sind bedeutsame Vorteile aller Art. Wenn das (besetz verabschiedet ist, muß man nnserem Gewerbe auch gewisse Zeit Ruhe lassen, da mit es sich einleben kann, denn die Erhöbnng der Leistungen tritt durch die Lohiisteigernngen zudem ganz a»to malisch ei». Die russische Demarche in Konstantinopel. Die diplomatische Rote Rußlands, in welcher der Tür kei nahegelegt wird, in Albanien Ordnung zu machen und die montenegrinischen Grenzen nicht zu gefährden, hat überall Befremde» und Erstaunen hervorgerufen. Die scharfe Sprache an die Adresse der Türkei und das schlecht verhüllte Wohlmollen für Montenegro lassen noch einmal die Gelüste des Zaren, am Balkan das „alte traditionelle Prestige »ei, zu beleben", klar zutage treten. Jedoch um sonst. Tie Aera Abdul Hgmid, die Zeiten Menschikofss und Jgnatiews sind längst vorüber. Unter dem abso lutistischen Regime genügte eine barsche Sprache, oder die Entsendung einiger Kriegsschiffe, um die Türkei zum Nachgeben zu zwing?». Die junge Türkei jedoch kan» und darf sich so etwas nicht mehr bieten lassen. Würde sie den „Ratschlägen" Rußlands folgen, so wäre der Friede am Balkan stark gefährdet, Ei» bedingungsloses Nachgehen der Türkei würde als Schwäche ausgclegt und cnisgenützt werden. Daß dies einen allgemeinen Brand ans dein Balkan bedeuten und das; hierdurch angesichts der politischen Träume gewisser Nachbarn, der Türkei, auch der europäische Friede stark gefährdet würde, liegt auf der Hand. Tie Pforte hat jedoch geantwortet, wie ein unabhängiger Staat aiitwortcm muß. Niffaal Pascha hat dem russischen Bot schafter am goldenen Horn bedeutet, daß man fest gesonnen sei, seine eigenen Angelea-uheiteu selbst z» ordne», Tie Pforte habe keine kriegerischen Absichten gegen Montenegro, verlange jedoch, daß sich das jüngste Königreich korrekt ver halte, die Ansständischen lischt unterstütze, »nd mit dem Völkerrechte rechne. Rußland würde für seine Ratschläge in Cetinje eine bessere Verwendung finden. Neben der Türke!-haben auch die anderen Großmächte den Schritt Rußlands mw.-chohlen verurteilt und für unan gemessen erklärt, Ter ösi rreichisch-niigarischen Diplomatie wnrde vor kurzem der Vorwurf gemacht, daß die Monarchie für die katholischen Albanesen, deren Protektor die Mon archie ist, nichts unternommen habe. Dieser Vorwurf ist nicht stichhaltig genug, Tie Monarchie hat des öfteren in treimdschaftlicher Weise der slingtürkischen Regierung zu j verstehen gegeben, das; es zweckiuäßiger und klüger wäre, ! den Albanesen gegenüber eine mildere, mehr zum Ziel s führende Politik zu inaugurieren, Tie türkische Negierung ! hat auch diesbezüglich eine beruhigende Versicherung abge- ! geben, indem sie versprach, nach Niederringimg des Auf standes dem Vergvolke möglichst entgcgenznkoinmen, Tie Monarchie kann und darf keine solche Sprache führen wie die russische Note nnd das aus verschiedenen Gründen. Oesterreich-Ungarn muß mit dem unmittelbaren Nach bar möglichst intime Beziehungen unterhalten. Tie Boykott- bewegiing während der Annepionskrise hat gezeigt, das; auch Oesterreichs Erport nach dem Orient von den Beziehungen zur Türkei abhängt. Das wäre allein Grund genug, um der jungen Türkei gegenüber stets eine wohlwollende Hal tung einzilnehmen. Wenn es wahr ist, daß man mit Sentimentalität nnd schönen Phrasen keine Politik macht, so ist es noch mehr wahr, daß man mit unzeitgemäßen und unüberlegten Schritten, wie die gegenwärtige russische Demarche, alles gefährden und das mühsam errichtete Ge bäude zerstören kann. VolMsche Rundschau. Dresden, den 27. Mal 191 l. — Dem Reichstage ist mit Ermächtigung des Kaisers der Antrag zuqegangen, zur Vertagung des Reichstages bis znm 10, Oktober 1911 die verfassuuginäßige Zustim mung zu erteilen. — Der Reichstag nahm am Freitag zuerst das Heine Diätengesetz sür die Herbstsession an; die Abgeordneten sollen hiernach 500 Mark mehr erhalten dafür, daß sie schon Anfang Oktober zusammentreten müssen. Dann folgte die Novelle zum Zündholzsteuergesetz, welche daS Kontingent aus zehn Jahre erhöht und dem Bundesrate die Möglichkeit gibt, auch Teilkontingeute zu gewähren. Tie Zündholzindustrie ist für diese Regelung sehr dankbar, da sie wenigstens den schlimmsten Zuständen entgegenwirkt und den Ruin mancher Fabriken verhindert. Dann kam die dritte Lesung der elsaß-lothringischen Verfassung. Das Interesse an den Reden war ein kleines; man wartete nur ans die Abstimmung. Abg. Dr, Zehnter brachte die Zu stimmung des Zentrums zum Ausdruck, da es das Gesetz als einen Fortschritt ausieht. Dr. Frank-Mannheim sprach iür die Sozialdemokraten die Zustimmung aus; das all gemeine und gleiche Wahlrecht, werde imstande sein, alle« wegzntragen, was ihm hindernd in, Wege stehe, auch die Rechte des Kaisers. Die lange Debatte schloß mit dem Reigen der Elsässer, die in bunter Reihe sich pro und kontr-c ablösten; etwas Neues konnte freilich nicht mehr gesagt werden. Der elsässische Zeutrumsabgeordnete Vonderscheer betonte mit aller Entschiedenheit, daß er am Zentrum fest- halte und zwar jetzt erst recht, nachdem er gesehen habe, wie das Zentrum gerade hier die reichsländischen Interessen vertreten habe; er werde stets am Zentrum festhalten. Lebhaftes Bravo! aus dem Zentrum lohnte diese angesichts der Gesamtverhältnisse doppelt mannhafte Erklärung. In der Gesamtabstimmung wurde die Verfassung und das Wahlrecht mit 211 gegen 03 Stimmen und sieben Ent haltungen angenommen. Lebhaftes Bravo begleitete die Verkündigung des Abstimmungsresultates. Unmittelbar daran schloß sich die Generaldebatte zur dritten Lesung der Reichsverstchernngsordnung. Abg. Trimborn (Zt.) leitete diese mit einer großzügigen Rede ein. indem er die Vor- züge deS neuen Gesetzes beleuchtete und eine dankenswerte Zusammenstellung der Fortschritte gab. — Da- preußische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Freitag mit einer ganzen Anzahl von kleineren Vor lagen. Unter diesen war von besonderer Wichtigkeit der Entwurf über den Unterricht tauber und blinder Kinder. Die Debatte hierüber geht am Sonnabend weiter. - DerAuStritt der reich-ländischenZrutrnmSabgeordueteu auS der Zentrumsfraktion des Reichstages ist noch nicht erfolgt und wird nicht von allen Abgeordneten vollzogen werden. Vier Reichsländer gehören dem Zentrum an; die Abg. Vonderscheer und Hoen werden nicht austreten, während die Abg. Dr. Will und Hauß ihren Austritt von der Stellungnahme des am Sonntag stattsindenden Dele giertentages abhängig machen wollen. Die andere Gruppe der Elsässer ist entschlossen, sich nicht mehr dem Zentrum für Kommissionswahlen zuzählen zu lassen; sie will viel mehr mit den Polen in ein engeres Verhältnis treten, was die schwerste politische Schädigung der Reichslande be deuten würde. — Die Seusation-meltznng des „Excelsior", daß zwischen Deutschland und Frankreich ein Uebereinkommen betreffend Marokko zustande gekommen sei. worauf Präsident Fallisres dem Staatssekretär von Kiderlen-Wächter ein Service auS Ssvreporzellan habe überreichen lassen, ist völlig erlogen. — Konservative und Reichskanzler. Die Verärgerung der Konservativen über den Reichskanzler hat einen hoben Grad erreicht. Man nimmt es in konservativen Reihen dem Reichskanzler besonders krumm, daß er mit den Sozialdemokraten verhandelte, um diese zur Annahme des Gesetzes zu bewegen. Als man in oen Reihen der tonser- vativen Abgeordneten gar erfuhr, daß Herr v. Bethmann Hollweg mit dem badischen Großblock-Direktor Dr. Frank- Mannheim geraume Zeit allein beraten hatte, da wurde jene scharfe Rede geboren, die Herr o. Oldenburg mit Zu stimmung seiner Fraktion hielt und der ein Sohn des Kaisers in der Hofloge zuhörte. Der Redner wies auch deutlich auf diese Unterredung hin. Der Parlamentsscherz hat angesichts dieses Vorfalles das Wort angewendet. daß Bethmann Hollweg mit zu großer Mehrheit gesiegt habe. Welche Konsequenzen die Unterredung niit dem Sozialisten- sührcr nach sich ziehen wird, ist der Gegenstand lebhaften Gespräches in politischen Kreisen, zumal der Kaiser nur sehr ungern bei den BundeSratsstiinmen nochgegcben bat. Eine große von mehr als 3000 Katholiken besuchte Versammlung fand am HimmelfcchrtStage j„ Magdeburg statt. Einberufer des Katholikentages war der Volks verein. Die erste Rede hielt der Landtagsabgcorduete Dr, Bell über: „Die politischen Pflichten des Diasporakatho liken." Die öffentliche Stellungnahme der Diaspora* katholiken zu den Fragen des öffentlichen Lebens sei um sp verdienstvoller, je geringer bei dem verschwindenden Pro» zentsatz der katholischen Bevölkerung der äußere Erfolg ber kommunalen und politischen Wahlen sich gestalte. Redner! erörterte das Verhältnis des Volksvereins zu den politisches Zentrumsorganisationen und sprach hierauf über biß