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WMiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 3 Uhr des vorhergehenden Tages. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SS Pf. Einzelne Nummern 5 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 8. Oktober 1M4. "Waldenburg, 7. October 1884. Man sagt im Volke, daß manche Menschen, sie mögen anfangen, was sie wollen, und sie mögen es noch so verkehrt anfangen, zum Ende doch in staunenerregendem Maße vom Glücke begünstigt wer den. Das sind die Glückspilze. Zu ihnen gehört zweifelsohne auch England's Premierminister, Herr Gladstone; er kann in der That sagen, daß ihm die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Mr. Gladstone hat während der Zeit, daß er zum letzten Male die Leitung des Staatsruders Großbritannien's übernommen, schon so viele bunte Streiche in der auswärtigen Politik, und nicht weniger in der inneren, gemacht, daß er längst hätte fallen müssen, wenn ihm zuletzt nicht immer noch ein besonderer Glücks umstand zu Hilfe gekommen wäre. Außerdem ist Mr. Gladstone freilich, und das sei ebenfalls aner kannt, immer noch und besonders in Finanzangelegen heiten ein so bedeutender Staatsmann, wie chn die gegnerische Partei in England nicht besitzt. Auch das hat ihn auf seinem Ministersessel gehalten. Trotzdem hat er aber, wie gesagt, bunte Streiche genug gemacht, recht bunte sogar. Unseren Lesern ist es noch in Erinnerung, wie zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahres die aufständischen Araber im Sudan die egyptischen Truppen wieder und wieder schlugen und blutige Gräuelthaten vollführten. Ein blutiger Ausgang stand allen den in den weiten Flächen des Landes zerstreuten Europäern und Egyplern bevor, und die englische Regierung unterhandelte deshalb, um wenig stens einigermaßen ihre Schuldigkeit zu thun, mit dem General Gordon. Dieser wurde nach Khartum geschickt, um wieder geordnete Verhältnisse herzu stellen und die englische Regierung versprach, ihm Truppen nachzusenden. Gordon gelangte glücklich nach Khartum. Der Aufstand der Araber wuchs aber immer mehr, und während bei Suakin zwischen Engländern und Aufständischen gekämpft wurde, wurde auch Khartum selbst eingeschlosien. General Gordon saß in einer Mausefalle und mit ihm die zahlreiche nicht arabische Einwohnerschaft der Stadt. Wochen verstrichen. Man hörte nur wenige, aber schlimme Botschaften aus Khartum, die Araber be mächtigten sich einer Stadt nach der anderen im Sudan und zuletzt auch des wichtigen Berber am Nil, wo sie wie die Teufel hausten. Es war ein gerechtfertigter Schrei der Entrüstung, der sich selbst in England erhob, als die Regierung ihr General Gordon gegebenes Wort nicht einlöste und sich weigerte, englische Truppen nach Khartum zu senden. Gordon selbst klagte in bitteren Worten über diese Treulosigkeit. Selbst ein Gladstone kann aber der Volksstimme auf die Dauer nicht widerstehen. Die Forderung Khartum zu entsetzen, wurde so stürmisch, daß end lich das Cabinet sich nothgedrungen zur Absendung einer Expedition im Princip entschloß. General Wolseley ging nach Kairo. Allein es stellte sich bald heraus, daß der günstige Augenblick, auf dem Nil Truppen nach Khartum zu senden, verpaßt sei, und nun war guter Nath theuer. Diesmal Halle sich der schlaue Herr in London selbst gefangen. Jetzt plötzlich nun, gerade zur rechten Zeit, um der Ver legenheit ein Ende zu machen, kommt die über raschende Nachricht, daß General Gordon, der mit unerschütterlichem Muth in Khartum ausgehalten und selbst in der größten Noth den Kopf nicht ver loren hat, seine Belagerer nicht nur zurückgeschlagen, sondern auch die Stadt Berber den Arabern wie der abgenommen. Es ist zweifellos dem General gelungen, durch geschickte Unterhandlungen die Macht der Araber zu trennen, und durch seine Siege ist sein Ansehen noch mehr gefördert worden. Es fehlen zwar noch detaillirte Nachrichten, aber in der Hauptsache läßt sich annehmen, daß der Ausstand der Araber, der Egypten so schwer bedrohte, ab- niwmt, ja dem Erlöschen näher und näher kommt. Es ist ein Glücksfall, wie er nur äußerst selten vor kommt, der die englische Regierung davor bewahrt, die Frucht einer ganz verkehrten Politik zu ernten und einen Aufstand auch in Egypten niederzuschlagen. Es ist freilich noch die Frage, ob Gladstone jetzl sich zu ei,,er weiseren Politik, als früher entschließt. "Waldenburg, 7. October 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Baden-Baden meldet der Telegraph vom Sonntag: Der Kaiser nahm heute mehrere Vor träge entgegen. Der Besuch des Armeejagdrennens bei Iffezheim wurde der sehr ungünstigen Witterung wegen aufgegeben. Der Großherzog, die Groß herzogin und der Erbgroßherzog von Baden, sowie andere hohe Persönlichkeiten wohnten jedoch dem Rennen bet. Am Sonntag Abend fand zu Ehren des Kaisers einMonstre-Militärconzert statt. Ueber die Rückkehr des Kaisers von Baden-Baden nach Berlin sind bis zur Stunde endgiltige Beschlüsse nicht getroffen worden. Soweit bekannt, gedenkt der Kaiser der goldenen Hochzeitsfeier des Fürsten und der Fürstin von Hohenzollern beizuwohnen und dann nach Berlin zurückzukehren. Gerüchtweise verlautet, Schloß Augustenburg solle mit allen, auf Alsen belegenen, in Händen des Fiskus befindlichen Forsten und Grundstücken, welche früher Eigenlhum der herzoglichen Familie von Schleswig - Holstein - Sonderburg - Augustenburg ge wesen, an den kürzlich.großjährig gewordenen Her zog Ernst Günther, den Bruder der Prinzessin Wil helm von Preußen, zurückgegeben werden. Die „Nordd. Allg. Zlg." bringt den Bericht eines Pester Blattes über die Dreikaiserzusammenkunft an hervorragender Stelle. Wir entnehmen daraus folgende Worte, deren Richtigkeit das Kanzleiblatt also anzuerkennen scheint: „Es sind keine Vereinba rungen bestimmter Art getroffen, es ist keine neue Ordnung der Dinge eingeleitet. Es ist nichs ge schehen, was die nichtbetheiligten Mächte beunruhigen, oder den Unterlhanen der drei Kaiserreiche irgend welche Besorgniß einflößen dürfte. Die Begegnung der Kaiser schließt ebenso wenig eine Bedrohung des Auslandes in sich, wie sie reactionäre Gewaltmaß- regeln nach innen in Aussicht stellt. Sie ist lediglich eine feierliche Bekräftigung des guten Einvernehmens zwischen den drei Mächten, die weder von sich, noch von anderen etwas zu fordern haben, die völlig einmüthig sind in dem aufrichtigen Verlangen, den Frieden zu erhalten und durch das geweckte und gestärkte Vertrauen auf die Erhaltung des Welt friedens den Handel zu beleben, den Gewerbefleiß anzuspornen und die Wohlfahrt der Völker zu be festigen. Das ist die einzige, die große Bedeutung dieser Zusammenkunft, die sich in ihren weitgreifen den, segensreichen Folgen immer mehr fühlbar ma chen wird." — Im weiteren Verlaus des Artikels wird dann ausdrücklich hervorgehoben, daß auch gegen die Anarchisten keine besonderen Maßregeln getroffen seien, da in jedem der drei Reiche die Landesgesetze schon ein besonderes Vorgehen ge statteten. Die „Nordd. Allg. Ztg." theilt an leitender Stelle mit, daß es den Darlegungen des Reichskanzlers im Reichstage entspräche, wenn gegenwärtig im Reichsaml des Innern an Gesetzentwürfen betr. Ausdehnung des Unfallversicherungsgesetzes auf die Transportgewerbe und einige andere Be triebszweige, sowie auf die Land- und Forstwirth- schaft gearbeitet wird. Die betreffenden Gesetzent würfe sind bereits aufgestellt und befinden sich gegenwärtig im Stadium der vorbereitenden Durch- berathung. Graf Herbert Bismarck ist im Haag einge troffen. Die „Moskauer Zeitung" bespricht die Sendung der deutschen Gesandtschaft nach Teheran. Sie sieht in dem Erscheinen der Gesandtschaft Deulsch- land's, das Rußland eng befreundet sei, in Teheran einen nicht zu verkennenden Vortheil für Rußland. Deutschland sei in Persien nicht direct interessirt, durch diese neue Gesandtschaft vermehre sich das Gegengewicht gegen allzu großen englischen Einfluß. Das für Westafrika bestimmte deutsche G - schwader wird jetzt ausgerüstet und es herrscht in Kiel und Wilhelmshaven lebhafte Thäligkeit. Am 15. October sticht das Geschwader von Wilhelms haven in See. Aus Kapstadt meldet Reuters Bureau: Herr Lüderitz, der Gründer der deutschen Colonie in Angra Pequenya, hat den Capitän Spence, der seit vielen Jahren Pächter der Guanoinsel in der Nachbarschaft von Angra Pequenya, welche der britischen und Kapregierung gehören, auffordern lassen, die Colonie zu räumen!" Die Nachricht bedarf wohl sehr der Bestätigung, resp. der Auf klärung. Die Socialdemokraten in Berlin hatten für den letzten Sonntag nicht weniger als vier große Volksversammlungen anberaumt. Sämmtliche Ver sammlungen wurden aber auf Grund des Sociali- stengesetzes polizeilich verboten. Der Andrang der Arbeiter zu den Versammlungslokalen war ein ge waltiger. Der zahlreich aufgebotenen Schutzmann- schafl gelang es jedoch leicht, die Massen zu zer streuen. In Bromberg ist die erste Nummer der dort von der Freisinnigen Partei herausgegebenen Libe ralen Wahlzeitung auf Verfügung der Staatsan waltschaft, angeblich wegen Beamtenbeleidigung con- fiscirt worden. In der Druckerei wurde die Ver nichtung des Satzes angeordnet. Oesterreich. Kaiser Franz Joseph kehrt mit dem Könige von Sachsen, den Prinzen Wilhelm von Preußen und Leopold von Bayern am 9. d. M. von den Hochwildjagden in Steiermark nach Wien zurück. Am nächsten Tage wird zu Ehren der fürstlichen Gäste ein Galadiner in Schloß Schönbrunn statt finden und der König von Sachsen darauf die Rück kehr nach Dresden antreten. Prinz Wilhelm von Prcw, - bleibt noch in Wien und wird am 11. d. M. mit dem Kronprinzen Rudolf und dessen Ge mahlin Zusammentreffen, und dann zusammen mit den letzteren am 14. d. M. nach Berlin reisen. Dänemark. Der dänische Reichstag ist Montag im Fest saale der Universität in Kopenhagen eröffnet worden. Der König wies auf den Brand des Schlosses hin und mahnte zur Eintracht und gemeinsamer Arbeit für das Wohl des Vate-landes. Die bisherigen Präsidenten wurden wiedergewählt und dann der Reichstag auf vier Wochen vertagt. Der König wurde enthusiastisch begrüßt. Frankreich. Während in China und Tonking die Kugeln schon wieder lustig pfeifen, bringen die Londoner Blätter immer noch ihre Friedensnachrichten, die ohne Werth sind. Son meldet die Times, es verlaute von zuverlässiger Seile, China sei geneigt, seinen Streit mit Frankreich einem Schiedsgericht zu unter breiten und sich dessen Spruch zu fügen. China