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Wb»<n»>» . erschnncn »«I Numm«rn. PrSnumxrailons. Drei« 22, Sgr. sj Thlr.) oicNtljährlich, Z Thlr. lür tat ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »rjniimrrirt auf diese« Lilerotur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staatt-Zeitung (Zriedrichaftr. Nr. 72); in der Propin, so wie im Autlanh, dri de» WodlISbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. M 52 Berlin, Mittwoch den 29. April 1840. Italien. Die Itaiiänische Volkslitcratur. llk. Bologna, Genua, Rom, Florenz. Der Bolksdialekt von Bologna ist der drolligste von ganz Italien; er besteht In einer seltsamen Abkürzung der Mailändischen Mundart, der er-eme gewisse komische Kraft dadurch verleiht, daß er von einem Worte fast nur die Konsonanten bcibehält, wie zum Beispiel xxnor für «signore, ennuxii für ennoüeiulo, üipnrer für jünger«-. Dante lobt ganz besonders diesen Dialekl und sagt von demselben: „Er mischt sich mit den Mundarten von Imola und Ferrara, er besitzt die Leichtigkeit der einen und die Beredsamkeit der anderen; auch mit de» Lombardischen Dialekten hat er einige Aehnlichkcit, wie er sich denn überhaupt das Beste von allen Nachbar- Landern anzueignen weiß." In der Thal hat der Dialekt von Bologna immer sehr geschickt alle Werke der Lombardischen Dichter z» benutzen verstanden, ohne deshalb etwas von seiner Originalität einzudüßen; auch machten die Bolognesischen Philologen stets gemein same Sache mit den Lombarden und vertheibitzkn auss zähste ihre Unabhängigkeit gegen die Itaiiänische Sprache. Im Mittelalter nahm Bologna den Beinamen „das Gelehrte" an, doch wurde gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts diese Benennung fast ein Schimpf, indem sie sich in der KarikaMr des Doktor Gratiano personifizirte, der ein Schwätzer ist und seine Gelehrsamkeit immer verkehrt an dringt, ohne daß cs ihm darum an einem gewissen Advokatenwitze fehlt; auch verhindern ihn die Sentenzen, welche er in seine Ge spräche entflicht, keinesweges an einer richtigen Einsicht in seine Angelegenheiten. Auf diesem einen Charakter des Doktor Grattano berühr fast die ganze Originalität der Bolognesischen Poesie; er war der Mencghino von Bologna. - Der erste Bolvgncsische Dichter, welcher Beachtung verdient, ist I. Cesare della Croce, geboren >330, gestorben IVOS, ein armer Schlosser, der vierzehn Kinder hatte und vierhundert Broschüren schrieb. Alle Scherze, alle komische Ueberlicserungcn seiner Heimat, all' die kleinen Anekdoten des Tages, all' die Mährchcn von ge fräßigen Menschen, kur; Alles, was nur Lächerliches und Sonder bares in Bologna vorfiel, ist von ihm bearbeitet worden, und noch immer ist er der Homer der Kinder und ihrer Wärterinnen. Sein Meisterwerk ist die Geschichte des „Bcrtoldo", die sich über ganz Italien verbreitet hat und mebrmalS ins Italiänischc und in die anderen Dialekte übersetzt wurde. Bcrtoldo war ein weiser Mann, er war der Doktor Grariano am Hofe König Albuin's. Als er vom Lombardischen Gebiete verbannt wird, kehrt er sogleich auf einer Karre voll fremder Erde rahin zurück; als man ihn: verbietet, bei Hofe zu erscheinen, bcgicbt er sich, m einem Siebe versteckt, dahin; in solchen Witzen besteht seine Weisheit. Er hat zwei Söhne, Brr- toldino und Caeasenno. Der Erstere will die Schlauheit seines Vaters noch überbieten, er stürzt sich ins Wasser, um sich vor dem Regen zu schützen; der Zweite übertreibt mit gelehrter Pedanterie die Weisheit seines Batcrs; kur; beide Brüder sind nur eine Steige rung der Karikaturen Gratiano und Bertolds. Wahrscheinlich ist diese komische Trilogie nichts weiter als die Geschichte des Hof narren eines Lombardischen Königs, die nach Art des Geistes und der Ucbcrlicfernngcn des Bologncstschcn Volkes entstellt wnrde. Nicht immer schrieb Croce in Bolvgncsischer Mundart; seine Geschichte des Bcrtoldo gab er in Italiänischcr Sprache heranS, zu seinen Mähr chcn aber begeisterte ihn scinc Vaterstadt; sein Stil trug immer die Spuren vom Einflüsse des Dialekts, und als er sich vom Jtaliänischen lvosagtc, folgte er nur der Richtung der Volks-Ideen, die sich mit der Itallannchen Sprache nicht befreunden konnten. Der Nachfolger Croce's, Scaligero della Fratta, setzte die Fehde des Bolognesischen Dialekts gegen die Italiänischc Sprache fort; er schrick cine gute Konwvic, eine Menge von Späßen und eine lange Abhandlung zu Gunsten seiner vaterländischen Mundar'. Diese Apologie ist gewiß das sonderbarste Werk, das uns die Volks- " dichter hinterlassen haben; der Verfasser preist darin die Geschicklich- keil, den Kunstflciß, das Alterthum und den Edelmuth der Bologneser; ^überliefert eine Menge von Versen, Sonncttcn und Briefen und laßt alle italiänischc Karikaturen die Musterung pasfiren. „Pan talon", sagt er, „ist ein Kaufmann, der Neapolitaner ist Capitain, der Romer Edelmann; nur Gratiano ist Gelehrter, folglich gebührt ihm der Vortritt vor allen Italianern." Fast immer kleidet Scali- gcr scinc Gedanken in cine beschrcibcnde oder Gesprächs-Form; auf einen pedantischen Vorschlag solgt eine Erzählung, ein Madrigal schließt mit einem Ariom, und eine Masse von Sprüch- und Wrtz- wörtern macht, daß man sein Werk von Anfang bis zu Ende durch liest, kotz der wirklichen oder scheinbaren Abgeschmacktheit desselben. Er behauptet, der Bolognesischc Dialekt sey der Jtaliänischen Sprache weit überlegen, und schon der Titel seines Werkes spricht diese Meinung aus: „klixcnrsn üi Camilla 8o»Iigsrn «teils kiltts gnal prova ene la kavella <li lt<>I<>a»u nreoeüe er eeceüe la Pnncim» in prux» eü m rima." Nach Scaliger entwickelte sich dieser Dialekt noch mit mehr Energie, und die Angriffe gegen die Itaiiänische Sprache wurden »ui immer größerer Unverschämtheit fortgesetzt. Monialbanni und Bumaldi wollten diese Sprache unter das Joch der Mundarten von Bologna und Mailand bringen, aber sie versetzten sich selbst auf den Jtaliänischen Standpunkt; sie wollten nämlich die Bologncfischcn Ausdrücke in das Wörterbuch der National- Sprache übertragen, indem sic Scaliger's Scherze für Ernst nahmen; sie waren selbst so unverschämt, sich auf Dante zu berufen, und ihre mit albernen Citaten vollgepfropfte Itaiiänische Prosa hat zwar das Lächerliche, aber nicht den satirischen Witz dcs Doktor Gratiano. Bologna's dritter Dichter ist Lotto Lotti; er blühte um das Jahr U>8b, gerade zu der Zeit, als man die Italiänischc Litcratur wicderhcrzustellcn anfing; er besaß aber nicht Croce's schöpferische «rast; statt Charaktere zu schildern, wendete Lotti seine ganze Auf- merksamkcit auf das Beiwerk, und statt die Lombardischen Uebcr- lieferungen auszubeulen, ahmte er den Mailänder Maggi nach. Nur in scineü gelehrten Karikaturen zeigt er ein Weniges von der Bo- logncsischcn Originalität; seine beste Dichtung ist ein Gespräch, „der Advokat" betitelt; in einem anderen klcmcn bestellten Gedichte über die Belagerung Wiens hat sich der Dichter nur begeistert, um un» Muhamed mit Zopf und Brille vorzuführen. Lotti hatte sich zuletzt gan; ansgeschricbcn, und er hinterließ dcm Jtaliänischen Theater cine Sammlung von erbärmlichen Dramen und Lustspielen. Bon >W0 bis 1730 lieferte die Bolognesischc Poesie einige Pa rodier» der Aencidc und dcs befreiten Jerusalems, sehr viel Erzäh lungen und eine Menge von Novellen in Prosa und Versen, die oft in einem sehr schlechten Jtaliänisch geschrieben waren: lautcr unbe deutende Produkte, in welchen all' die hübschen von Croce erfundenen Karikaturen völlig ausgebleicht wieder auftraten. Gegen Ende de» achtzehnten Jahrhunderts findet sich noch ein letztes Gedicht vor, das in der Absicht geschrieben ist, die alte Bolognesischc Rcpublik lächer lich zu machen, um den Römischen Stuhl dafür zu erheben. Casali, geboren >721, gestorben !W2, ist der Verfasser dieser Dichtung; er ruft in derselben die Lambertazzi, die Gercmei, die Mythologie, die Zauberkünste, die Religion auf und liefert einen Mischmasch in ko mischen Phantasicgebildcn und Uebcrlicferuugen aus den Ritterzeitcn; aber trotz aller Mühe, die er sich gegeben hat, ist cs ihm nur gelun gen, dcn gänzlichen Verfall dcr Bologncfischcn Dichtkunst darzuthun. Um unsere Musterung aller Jtaliänischen VolkSliteratnrcn zu vervollständigen, fügen wir noch einige Worte über Genua, Nom und Florenz hinzu.' Die nur in geringer Anzahl vorhandenen Dichter Ankona's, Fcrrara's, Friaul's und anderer Länder bieten durchaus nichts Merkwürdiges dar und gehen alle nur Hand in Hand mit dcm Vcrfall Italiens. Obgleich Genua von Turin, Mailand und Toskana gar nicht weit entfernt liegt, so unterscheidet sich doch scinc Mundart sehr von allen Dialekten ringsherum; man versteht sie nur mit Mühe, denn sie ist voller Ellipsen und sprüchwörtlichen Redensarten; dazu denke man sich cine Flerion, die alle Endungen in ego verwandelt, und Conjugationcn, durch welche alle Itaiiänische Zeitwörter verstüm melt werden. In Italien heißt es, Gott habe vergessen, dcn Ge- nncsern cine Sprache zu geben, und deshalb hätten sie sich cine nach ihrem Gutdünken erfunden. Dante sagte, die Genueser würden ver stummen, wenn manIhncn das x raubte, und 1330 sprach ihnen Varchi die Fähigkeit, ein Sonnet zn schreiben, ganz ab. Sie hatten aber doch cine Literatur, die freilich nur eine versteckte Nachbildung der Petrarchischcn Poesie war. Nach IWO indeß findet sich kein Ge nuesischer Dichter mehr vor, der einer Erwähnung würdig wäre. Män kann die kurze Dlüthczeit dcr Gcnuefischcn Dichtkunst in zwei Epochen theilen; Foglictta, Zabatta, Dortona, Villa, Spinola und Casero gehören dcr crstcn an, und Cavalli füllt allein die zweite aus. Die Dichter dcs ersten Abschnitts sind feurig und voll kühner Bilder; sie vergleichen ihre Schöne mit dcm Mar mor, mit dem Schnee, mit dem Zwitschern dcs Zeisigs, mit den