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wchM Mkdrff WM, Wo, Meckh M die K»Widei. AmLsbtclLt für die Kgl- Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Kal. Amtsgericht und den Stadtratb zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag« und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 38. Dienstag, de«13Mai 18»». Bekanntmachung. Im Gastbause zur Tanne in Tharandt tollen Freitag, den §6. Mai -ss. Is., Vormittag von 10 Uhr an, die auf dem Tharandter Forstreviere auf den Schlägen der Abteilungen 17 und 24 sowie NN Enzelnen aufbereiteten Nutz- und Brennhölzer meist bietend versteigert werden. Speziellere Angaben enthalten die in den Schankstätten und bei den Ortsbehörden der umliegenden Orte aushängenden Plakate. Königl. Iorstrevierverwaüung und Königs. Iorjlrentamt Marandt, am 9. Mai 1890. Bekanntmachung. Von Montag, den 1y. bis Sonnabend, den 2H. Mai, wird der Weg Sachsdsrs-Wilsdruff wegen Masfmschutt mit Genehmigung der Kgl. Amtshauptmannschaft gesperrt; das Fuhrwerk wirs üoer Klipphausen resp. Kaufbach gewies-n. Sachsdorf, den 9. Mai 1890. wsldem. Herrnsdsrf, Gem.-Vorst. DageSgefchiLte. Beim Anblick des neuen Reichstags schreibt die „Straßb. Post": Beinahe könnte man mit dem seligen Heinrich v. Mühler singen: „Rechter Hand, linker Hand alles vertauscht." Und nun die Regierungs bank oder wie es heißt „der Tisch des Bundesrathes", welche Veränderung! Es ist ja richtig, der Reichskanzler Fürst Bismarck war immer eine „stern schnuppenartige" Erscheinung im Reichstage, und man kann eine hohe Wette darauf eingehen, daß sein Nachfolger fast in jeder Sitzung anwesend sein und sicher in keiner wichtigen fehlen wird. Aber wenn Fürst Bismarck einmal erschien, dann „zitterte ein Königreich" oder vielleicht mehrere. Donnernd fuhr der Wagen in den Hof, der den Kanzler brachte, alles merkte hoch aus, die Mitglieder im Saale, die Zuhörer auf den Tribünen und erst die Journalisten. Ihrer bemächtigte sich eine förmliche Angst, denn der Fürst war sehr schwer verständlich, und es kam auf jedes Wort und jede Silbe an; lauschte doch ganz Europa daraus. Geschäftig trat der Hauswart an den Präsidenten heran und meldete die Ankunft des Gewaltigen, sein Sitz am Bundesrathstisch wurde zurecht gerückt, ein Glas Wüster mit Cognac davor aufgestellt, der Vortrab: Geheimrath v. Rotten burg, der fürstliche Schwiegersohn Graf Rantzau und der Sohn Graf Herbert Bismarck erschienen und gleich darauf trat die gewaltige Gestalt des Fürsten in den Saal. Eine leichte Verneigung gegen den Präsidenten hin, eine freundlichere zu den Konservativen, die von ihren Plätzen empor geschnellt waren, dann ließ der Fürst sich nieder und hinter ihm tauchten in harmonischem Halbkreise wie eine Nobelgarde die Gesandten von Bayern, Sachsen, Württemberg und ebenfalls von Baden auf. Der Fürst nahm die Schildplatt-Lorgnette vor die Augen, musterte die Versammlung und warf zomige Blicke auf die Linke. Kundige wußten, daß es zu einer Abrechnung Mit derselben kommen würde, und im Grunde genommen war ja eine solche immer der Ausgang aller Bismarck'schen Reden. Das Alles ist vergangen. Neue Menschen erscheinen an der Stelle des Heros, ob auch neue Größen? Wer weiß! Kurz, alle Welt steht mit gespannter Erwartung vor den neuen Dingen, mancher möchte den Vorhang zurück- schi-ben und hinter die Coulissen schauen, doch der scheint unbeweglich. Gemeinhin kommen die Dinge nicht so schlimm, wie man sie sich vorstellt, und vielleicht behält das alte Lied recht: „Und wer das neue Lied nicht kann, der fängt das alte von vorne an." Die Wahl seines Vorstandes hat der Reichstag am Mittwoch vorgenommen. Mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit ist als Präsident wiederum der Abg. v. Levetzow gewählt. Die Wahl des ersten Vizepräsidenten fiel auf den Grafen Ballestrem (Centr.), die des zweiten Vizepräsidenten asif den Abg. Baumbach (freis.) Auch die diesmal in Stärke von 72 Mitgliedern auftretende deutschkonservative Fraktion hat sich bereits konstituirt und zu ihrem Vorsitzenden den Abg. Frhrn. v. Man teuffel gewählt. Die in der Thronrede angekünvtgten Vorlagen sind dem Reichstage sämmtltch schon zugegangen, so daß derselbe das ihm bevorstehende Arbeitspensum voll zu übersehen vermag. Anfangs hieß es, der Reichstag würde seine Aufgaben bis Ende Juni zu bewältigen im Stande sein; jetzt wird dies von manchen Seiten bezweifelt, da insbesondere die Vorlage, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, sehr umfassende Erörterungen nothwendig machen würde. Was die Arbeitseintheilung für die nächste Zeit betrifft, so ist im Seniorenkonvent beschlossen, daß am Montag die erste Berathung der Kolonialvorlage stattfinden und nach deren Beendigung, vermuthlich am Dienstag, die Vorlage, betreffend Erhöhung der Friedens- Präsenzstärke, auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Als nächster Ver- handlungsgegenstard ist die Berathung der Gcwerbeordnungsnvvelle in Aus sicht genommen. Man glaubt, in der nächsten Woche die erste Lesung dieser drei Vorlagen beenden zu können. Während dieselben dann in Kom missionen vorberathen werden, wird der Reichstag die Initiativanträge der verschiedenen Parteien in Berathung nehmen und vom 21. d. Mts. bis 2. Juni in die Pfingstferien gehen. Die Initiativanträge, von denen be reits eine Fülle vorliegt, stammen meist von den demokratischen Parteien des Hauses und bezwecken, den „totalen Umschwung" auf zoll- und sozial politischem wie auf militärischem Gebiete, im Reiche einzuleiten. Man ist konservativerseits überzeugt, daß diesen gemeinsamen Vorstößen gegenüber seitens des neuen Reichskanzlers und der Bundesregierungen sofort in scharfer Welse Stellung wird genommen werden. Es zeigt sich schon jetzt, daß der Prüfstein für den neuen Reichstag die Militärvorlage bilden wird. Alle Parteien werden eine Kommissionsbcrathung verlangen, in der eine eingehendere Begründung der Vorlage seitens der Regierung gegeben werden kann, als dies vor der Oeffentlichkeit möglich ist. Man ist aber bei unserer Militärverwaltung schon lange daran gewöhnt, daß sie im All gemeinen das Maß des absolut Nothwenoigen nicht überschreitet, und so darf mit den „Hamb. Nachr." angenommen werden, daß diejenigen Par teien, welche es bisher gegenüber dem Bedürfnisse unserer Wehrkraft an der entsprechenden Opferfreudigkeit niemals haben fehlen lassen, auch jetzt zur Bewilligung alles Wesentlichen in der Regierungsvorlage bereit sein werden. Eine nicht geringe Verlegenheit ist die letztere allerdings für die Freisinnigen und das Centrum. Die freisinnige Presse hat mit der schärfsten Bemängelung von vornherein nicht gekargt, während die leitenden Organe des Centrums, wie gewöhnlich, mit ihrem Urthcile noch zurückhalten. Man kann aber sicher sein, daß man in beiden Parteien schließlich vor keinem Opfer zurückscheuen wird, um einen Konflikt aus Anlaß der Militärvor- lage zu verhüten. Nicht ausgeschlossen ist natürlich, daß sowohl im Centrum wie bei den Freisinnigen eine Anzahl Stimmen in verneinender Richtung abgegeben werden, aber gewiß wird man es vermeiden, die Opposition zur Fraktionssache zu machen, bezw. eine ausreichende Mehrheit für die Vor lage zu gefährden. Dem kaum zusammengetretenm Reichstage präsentiren die Fraktionen der Freisinnigen und der Sozialdemokraten bereits ein artiges Bouquet von Anträgen und Interpellationen. Die Sozialdemokraten be antragen die Aufhebung sämmtlicher Getreidezölle und zahlreicher anderer Zölle vom 1. Oktober d. I. ab und auch die Freisinnigen haben Anträge auf eine wesentliche Herabsetzung der Getreidezölle eingebracht, sowie noch verschiedene andere Anträge angekündigt. Außerdem liegen von freisinniger Seite Interpellationen über den Paßzwang in Elsaß-Lothringen, über den Schweizer Niederlassungsvertrag, über die Strafvollstreckung bei po litischen Gefangenen und über die Entscheidung in Zollstreitigkeiten vor. Die volksparteilichen und freisinnigen Demokraten des Reichstages geben sich alle erdenklche Mühe, von vornherein zu beweisen, daß es ihnen weniger um eine sachliche Erledigung der Geschäfte als um Popularitäts- hascherei zu thun ist. Dies geht daraus hervor, daß, während dem Reichs tag wiederum mit gewichtigen Gründen eine erhebliche Verstärkung unserer Wehrkraft vorgeschlagen werden mußte, die süddeutschen Demokraten die Gelegenheit für passend halten, die Einführung der zweijährigen Dienst zeit bei der Infanterie zu beantragen. Der Antrag ist auch von einem Theil der deutschfreisinnigen Partei unter Rickter's Führung unterstützt; die Namen der gemäßigteren Mitglieder der deutschfreisinnigen Partei fehlen allerdings. Mit diesem Antrag soll wohl die Compensatio» vorgeschlagen sein, für welche die demokratische und deutschfreisinnige Partei einer Ver stärkung der Präsenzzahl zustimmen würde. Da gegenwärtig an die Ge währung eines solchen Zugeständnisses nickt zu denken ist, wird man nach diesem Vorstoß auf die Mitwirkung der äußersten Linken bei dem Be streben, unsere Wehrkraft mit den fortschreitenden Bedürfnissen in Einklang zu halten, nicht wehr rechnen dürfen. Zeigt sich das Centrum nicht ent gegenkommender, so könnte über den Reichstag schon bald eine Krists hereinbrecken. Die Gä hrung unter den Arbeite rn Vers chiedener Industrie staaten, soweit sie sich durck größere Aussckreitungen bemerklich machte, hat jetzt erheblich nackgelassen und einer ruhigeren Stimmung Platz ge macht. Am ersten vollzog sich dieser erfreuliche Wechsel in Oesterreich, woselbst schon seit einer Reihe von Tagen in den Jndustriebezirken der nordöstlichen Provinzen wieder vollkommene Ruhe herrscht. Nunmehr sind auch im Streikgebicte des nördlichen Frankreichs wieder normale Zustände eingetreten und wird speziell aus Tourcoing die fast allgemeine Wieder aufnahme der Arbeit gemeldet. Endlick hat sich auch die Erregung unter der Arbeiterschaft Spaniens, die in Catalonien sogar zur Verkündigung des Standrechts führte, allmählich gelegt und einige noch gemeldete Zwischen fälle erscheinen belanglos. Die Arbeiterbewegung ist, obschon sie durch die, Dank der Festig keit der Arbeitgeber verunglückte „Maifeier" einen argen Stoß erlitten hat, trotzdem noch in vollem Gange. Insbesondere laufen fortgesetzt Meldungen von sozialdemokratischen Aktionen, oft verbunden mit Ruhestörungen, aus dem Auslande ein. In Oesterreich glaubt man den Nachweis in Händen zu haben, daß diese Bewegungen durch eme sozialdemokratische internatio nale Vereinigung, deren Spitze sich in Deutschland befinde, hervorgerufen sind. Wenngleich diese Behauptung von Seiten der deutschen Sozialdemo kraten auf das Entschiedenste bestrilten wird, muß doch das Bestehen einer sozialdemokratischen Internationale trotzdem als wahrscheinlich angenommen