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von großer Bedeutung könne die Wahl für die Stellung des Jesuitenordens in Deutschland sein. Das behauptet z. B. der Mailänder liberale „Corriere della Teva", der schreibt: „Von den Katholiken Deutschlands wird die Wahl des P. Wernz mit ernstümmger Genugtuung ausgenommen wenden. Diese Wahl könnte eine Rückwirkung auf die deutsche politische und parlamentari-che 'Welt haben» -und dazu beitragen, datz die Gesetze gegen die Jesuiten, die letzten Reste des Kultur kampfes, abgeschabt werden. Die Anschuldigung, daß die Jesuiten vaterlandsseindlich sehen, 'kann heute leicht zerstreut werden, da ein deutscher Jesuit an ihrer spitze steht. Und daher ist der Tag nicht mehr weit, cm dem die Jesuiten, welche jetzt nur individuell nach Deutschland 'kommen dürfen, ihre blühenden Gameinden wieder Herstellen können." Das italienische Matt steht mit dieser Meinung nichk vereinzelt da. Auch in deutschen ültramontanen Zeitungen «klingt, wenn auch noch leise, divse Hoffnung an. Es ist recht bezeichnend für die Zentrumsckluhchöit, daß es nicht etwa die in Berlin wohl bekannten und gelesenen Matter »des Zen trums, wie ,,'Köln'ische Volkszeitung" und .^Germania" sind, die dieser Hoffnung Worte leihen. Sie sind zu klug, um jetzt schon danrrt hervorzutreten. Ein katholisches Matt in Mryern, das dortige Hauptorgan des römischen Kterus, das haupt- sächlich für klerikale Kreise schreibt, die „Augsburger Post zeitung", ruft aus: hoffentlich ist der deutsche 'Ordensgene ral von der VorfcHung auserwählt, seinem Orden den Zugang nach Deutschlaüd zu öffnen". Mögen alle diese Vermutun gen, namentlich was ein Eingreifen des Kaisers in die Wahl betrifft, falsch sein — uns zeigen sie doch, daß man in der ganzen Welt Deutschland, das stamm Hand des Protestantis mus, als die beste stütze des Romanismus betrachtet. Hier wäre auch zu bemerken, daß außer dem neuen Jesuitengene ral bereits die Ordensgenerale »der Franziskaner, Mvnoriiten, Kapuziner, Kkrmäliten, Barmherzigen Brüder Deutsche, wenn auch nicht alle Reichsdeutsche sind. Jedenfalls besorgt auch auf diesem Gebiet der römischen Kirche heutzutage vor wiegend das deutsche Element die Geschäfte Roms. IWschk Sdk. Uv, Morutt. Dienstag, den 18. September 1906 68. Jahrg RedaktiouSschluß: L Uhr Mittags. Fomsprech«: Drrt-eu Nr. »09. »vmdß,. i, LSch-s'ld' Der ueue Jesuitesgeneral. ?. Franz Xaver Wernz, geboren am 4. Dezember 1842 zu Rottweil in Württemberg, 1867 in die Gaselkschast Je'su eüngrtreten, nach Absolvierung der Studien Professor Les kanoniMn Rechts erst in England (Dilton Hall), dann an der römischen Jesuitenunrvcrsität (Gregorianische Uni versität) zugleich Konfultor verschiedener Kongregationen an Ler Kurie, ist seit dein 10. Generäl »des Ordens Goswin Mckel (1652—1664) der erste Deutsche, also seit Gründung des Or- Lens der zweite deutsche General überhaupt, seine Natio nalität wird angesichts der internationalen »kirchenpolitischen Lage Gegenstand von mancherlei Erörterungen, und in der Akt, Wie italienische, französische und auch deutsche Mätter re Wahl dev „Deutschen" Wernz beurteilen, wie sio^Hosf- ungen oder Befürchtungen an diefeW ahl knüpfen, offen- ^^^übnte Stimmung. . . allmählich gewohnt, in der Welt zu hören, n überwiegend protestantische Deutschland das »sicherste . werk lür den »Klerikalismus und Kaiser Wilhelm II. selbst ein treuer Freund der katholischen Kirche und des Papsttums ^-omentiprechend schrieb der Madrider „Jmparcial" vor Kus Rom: „Der Kaiser hat durch die deut- Ichen Bischöfe nach Rvm deil Wunsch übermitteln lassen, daß em deutscher Ordensgeneräl gewählt werde." 'Jetzt, da ein Deutscher gewählt ist, wird das natürlich allgemein dem Ein- twencn des Kaisers zugeschrieben, wie es z. B. der Pariser Gü Mas" ganz direkt tut. Dieser Moment tritt besonders in der französischen Presse zu Tage. Die „Lknterne" bringt ölnen Leitartikel „Güillaunre und Wernz", in dem es heißt: „Dien beiden Männer sind gegenwärtig die Beherrscher 'des Vatikans und folglich die wirklichen Leiter der französischen Katholiken. Die Lage ist seltsam häßlich und Abscheulich, aber unleugbar. Kein Widerspruch 'ist möglich. Der Papst steht ganz unter deutschem Einfluß." salbst eine so hervor ragende Zeitung, wie der „Tamps", sagt: „Man muß sich darüber Rechenschaft geben, daß Kaiser Wilhelm Sank seinen beiden „deutschen" Päpsten einen tatsächlichen Einfluß nicht nur auf die Kathöliken seines Reiches, sondern auch auf die der ganzen Welt erlangt hat." Das sind Vermutungen, die um so berechtigter von der deutschen Presse zurückgewiesen werden, weil sie einen hetzer ischen, antideutschen Elsa ratter annehmen. Aber alls slim- mungsäußevun'g sind sie ebenso beachtenswert, wie die Er örterungen über die Wirkung, die die Wähl eines Deutschen zum Jesuitengeneval auf die innere Politik Deutschlands aus üben könnte. Mehr von allgemeinen Vorteilen dipfer Wahl spricht das ,/siecle", wenn es sagt, die Wahl des ?. Wernz habe für den deutschen Kaiser höchstens den Vorteil, daß sie ihm die Ausgabe erleichtern werde, das katholische Zentrum zur iBermährung der Flottenausgäbe zu gewinnen, speziell öle ömelnöen LiMdei "^'"rnöenluk vreröen II, öle Kgl. ronttentämler vreröen, Morltrdurg p>dllNtle»e »b-drll», WecvWttr, vleöerp-nll», Vorlenvttr. ?M»ltr unö Lorsedoöe. Loirsl O lük SlLrevltr, corchvltt. Kocdwitr, (velrrei IZirrch unö Südlau. lüi öle c-rr»ltr-e»el>öe>, Ureröe» - Zttlere» unö Neugkuna. Neueste Erelguisse. Der Kaiser sandte an König Friedrich August ein schreiben, in dem er seiner hohen Befriedigung über die v^' tr-effliche Haltung -und den ausgezeichneten Zustand der bl; den Kaisermanövern 'beteiligten sächsischen Truppenteile druck 'gibt. '' Die bram>Mweig^iche Landesversammluna wi» am 21. L. Mts. üL«r t>i« »hroniolgcirayc Schluß fassen. Der «schätzt« Genera, Trepaw ist Sonnabend abend in Peterhof gestorben. In Riga ist der Fabrikbesitzer Busch (deutscher Reichs angehöriger) in seiner Fabrik von Revolutionären beraubt und erschossen worden. Aus Chile werden neue Erdbeben gemeldet. Präsident Roosevelt 'hat den Kubanern in einem Schrei ben mit der 'Intervention Amerikas gedroht. Ew-auprefs« vtahwttz. Druck mrd v«rl«g: ^«1»- m»d »*rt«tt»trtschaft" ^Fremde»- " und . l " - Herman» Beyer Blasewitz; veraulwortl. Nedaveur: Wilhelm v. Buttlar, Blasewttz Heinrich Leite Zum hundertjährigen Geburtstage (18. September). Bon Dr. Heinrich Ferber. >r (Nachdruck verboten.) Wenn wir die Autoren des „Jungen Deutschland" -be trachten, unter denen Carl Gutzkow und Heinrich Laube als die ragenden Gipfel hervorleuchten, ihren Lebenslauf prüf- end überblicken, ihr Lebenswcrk mit der kritischen Sonde durchleuchten, so ist allen diesen Männern ein Gleiches ge meinsam: von unstätem Hin- und Henvandern ermüdet, ver folgt von den kleingeistigen Machthabern einer kleinen Zeit, können sie zur vollkommenen Ausreife einer großen dichte rischen Persönlichkeit nicht kommen, vermögen sie sich nicht durchzuringen zu einem poetischen Schaffen, das, losgelöst von der Zeit und von den Fragen, die diese Zeit erfüllen, groß und gewaltig erschiene. Alle ihre Werke sind <^in kräf tiger Niederschlag ihrer ringenden Zeit und als solche unge mein bedeutungsvoll für den, der das Leben des vorigen Jahrhunderts zwischen den deutschen Befreiungskriegen und dem Entstehen des neuen Deutschen Reiches kennen lernen will. Alle die mannigfachen geistigen Beziehungen des deut- schen Volkes während dieser Periode spiegeln sich in diesen Werken wieder, wie kaum je sonst in den dichterischen Wer ken einer Aeitepoche. Man könnte nach den Wercken des „Jun gen Deutschland" die Geschichte des deutschen Volkes jener Zeit schreiben: freilich müßte man auch zwischen den Zeilen zu lesen verstehen. Und es ist charakteristisch für diese Zeit und das Deutschland jener «Tage, daß aus dem Dichter ein Theater mann werden mußte und daß Laube als solcher seine größte Bedeutung erreichte. Ein Mann von so impulsivem Wesen, wie dieser kleine steifnackige Schlesier mit der festen stirn, — Heinrich Laube erblickte am 18. September 1806 zu Sprot- tau das Licht der Welt, — Ser in allen «Sätteln gerecht schien, der sich aus den einfachsten Lebensverhältnissen, — sein Va ter war einfacher Maurermeister in dem kleinen schlesischen Neste, der wahrlich nicht auf Rosen gebettet war, — durch seine vielseitige Begabung schnell Ansehen und Bedeutung in der großen Welt gewann, der hätte in anderer Zeit oder in einem anderen Lande sicherlich von» Ministerstuhle 'herab oder als Führer einer gewaltigen VoUsbewegung, als Be- gründer einer neuer Staatsform zu wirken versucht. Im da maligen Deutschland Über, wo die politischen Interessen Les Volkes darniederge'halten wurden, wo sich die große Welt mehr für einen Tanz der Fanny Elstler interessierte, als für ein neues Gesetz, und einer Sängerin Fackelzüge gebracht wurden, nicht einem Volksmanne, konnte und mußte ein Heinrich Laube seine RegierungWunst als Leiter von Thea- tern erproben, und in dieser Tätigkeit seine höchste künstleri sche Kraft bewähren. Uebersehen wir Laubes produktives Schaffen, so ist von dem unendlich Vielen, Las er hervorge bracht, verhältnismäßig wenig, das ihn überlebte und noch längere Zeit vielleicht dauern wird. Als Theatermann aber war er ein dauernder Gewinn für die deutsche Bühne: die Schriften, die er über seine Theaterleitungen veröffentlichte, enthalten wertvolles Material, «das dem deutschen Theater eine reiche Ausbeute gibt und keiner mißachten und ungelesen lassen sollte, der irgendwie mit dem deutschen Theaterleben in Zusammenhang steht. Als Theaterleiter allein war Laube auch wirklich nur ein Eigener, als schaffender Dichter war er ein Aneigner, der sowohl in der Form der Darstellung wie in Ler Gestattung Les Stoffes nicht frei von Ler Anlehnung an «grvhe Vorbilder war Heine, Heinse, Goethe, Barnhagen, Schiller haken ans ihn in den verschiedenen Perioden eingewirkt, — und vor allem nicht frei von den mannigfachen Einwirkungen der Zeit. Er hatte es nicht leicht, sich aus den engen Verhältnis sen der kleinen schlesischen Provinzialstadt emporzuringen. Ein rastloses Streben zeichnete ihn früh aus. Was er nur zum Lesen unter die Finger bekam, wird Lurchstudiert: dazu kam frühzeitig eine Theatersucht, die genährt wurde durch seinen Eintritt in ein Theater, Len er sich zu verschaffen wußte durch Liebesdienste, die er Lem Leiter des Musentem pels leistete. Im Jahre 1820 kam er nach Glogau aufs Gymnasium, wo er sich unter Len ärmlichsten Verhältnissen selbst Lurö^u- schlagen versuchen mußte, denn der Vater konnte ihm nun einen geringen Zuschuß schicken. Erst in späteren Jahren, als sich seiner die Eltern seiner wohlhabenderen Schulfreunde liebevoll annahmen, warL es ihm leichter gemacht. Ja, ein mal hatte er sogar das Glück, Weihnachten 1882, Mit -em Vater eine Reife nach Berlin machen zu können, wo er Lie Vorstellungen des Königlichen Theaters auf sich ernwipken lassen konnte. Indessen -war Ler enge Geist des Glvgauer Gymnasiums keineswegs aufrichtend, und noch in der Prima kam es zu einem Bruch zwischen den freieren Regungen -es Gymnasiasten und der strengen Schulzucht. Laube war glück- lich, daß er die letzten neun Monate feiner Gymnasialzeit noch auf dem freieren Schweidnitzer Gymnasium verbringen konnte. Las er Ostern 1836 verließ. ,Menn er im Verhält nis seiner Kräfte fleißig sein wird, so hoffe ich sogar Rühm liches von ihm", konnte der Direktor des Gymnasiums . in seinem Abgangszeugnis weissagen. So bezog er, um Theologie zu studieren, — es wvr dlaS einzige, was bei der Mittellosigkeit der Ettern in Frage kam, — die Universität Halle. Freilich nahm ihn hier nur allzu söhr das Bun'chenschoftswesen gefangen, weit mehr, als die