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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110506016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911050601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911050601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-06
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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»ez«g».Pr<i» Dich dt« U»K: innrrhald D«»ychta»d» »»« d«r dr»ych«» K-loni«» vi«rl«lsihkt. 2.» Mk„ »o»«tl. l.A Mt. «»»jchl. V,ftbr»«ll»«ld. Frr»er in Bkl«i«n, D«n«»«,r. d«, D—«lHat««, ItaUei, L»r«»d»k». Nt»d«Ltt»d«, 1k««» weg»«. O^i«rr<lch. U»««n», Sl»Hl«i»L, Schw«bo^Sch»«t4 ». S„»i«n. 2» »ll«, übrig«» Eiaal«« >mi dtr«tt d»rch dt« E«Ichist»jtell« d«» Blatt«» ««HLttttch. Da» L«l»»t>« I«»«dlatt «ttch«t»1 2««» tä-llch. S»»» ». S«t«ttag» m»i »«rge»». Sb»»»«»«»t».>»»»-»»«: L»d«»»i»»«2« 8, b«i»«!«««» r»S««n>, Stlial««.S»«dtt««k«« »nd Lll»al>i»«ft«l1««, I«»t« B»fta»t«r« »»d vrirsttL,««. St»»«l»«rta»I»»r»t» «Pf. TiLa«r »»» So«dtt«»« 2»»l tLZltch in, Ha», „tracht: W Pt. »—atl^ 2.7V oi«n«Uätkl. B«t »»Irr» Ml tat«, «. Ln» nahm«>trllr» abarh»lt: 7» Bl. «aaatl^ 2L in. »Z«ttrltLtzrU Morgen-Ausgabe rWMrTllgMaü Handelszeitung. Ämtskkatt des Nates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. All^iqlN-PrciS für Inirrai« au, U«ip»ia unv Umgrbon« di« ispaUig« P«titi«tle 25 Ptt die Sieklame- t«il« l Mk., von aurwärt, 30 Ptt Reklamen 1^0 Mk.. Inleraie von Behörden im amt lichen Teil dt« Petilz«tl« 50 P«. Lelchäslianjeilien mit Platzoorlchriste» ». tn d«r Ldrndaurzad« im Preist «rhöhl. Xadatt nach Tarif, Betlazegeduhr Eelaml. ausla,« 5 Mk. o Taulend erkl. B,st,«bühr. Teitdeilagr höher. Festerteilt» «aiiraae können nt», «urü». «erogen werden Für da» Erlchetnen a» oesltmmlen lasen und Platzen wird kein« Garantie iidernommr». Anreize» - Lnnahme I«d»»»l»«»st» b«t lamtltchen Filialen ». allen «nnanren. Ervedittonen de» 2n» und Ausland«». Druck ,»» Verla, »«» «ei»,,,,« 1««» tzlatte» S. Patt. Inhaber Paul NReUe». Nedakttan und v«lchöft»ltel«r Iohannisgallr 8. Fernsprecher >4602. >«693. I4SS4 Haupt »Filiale Dr«,d«a: Eeeltrasi« 4. l lleleohon 4621^ Nr. 125. Saimsdrna. üen ö. Msi lSlk. 105. Ishrgsng. Die »orliegeede Ausgabe umfaßt 1k Seite». Vas Wichtigste. * Am heutigen Tage wird in Dresden die Internationale Hygiene-Ausstellung eröffnet. fE. Lettart.) * Die sächsischen Regierungsblätter veröffentlichen eine halbamtliche Erklärung gegen die in jüngster Zeit erfolgten Angriffe auf die säch sische Regierung. (S. d. bes. Art.) * Der Reichskanzler hielt dem Kaiser am Freitag in Karlsruhe Vortrag. sS. Dtschs. R.) * Am heutigen Tage vollendet der deutsche Kronprinz sein 29. Lebensjahr. * Der Reichstag begann am Freitag die zweite Lesung der Reichsversicherungs ordnung und erledigte sie dis 8 90. (S. Neichs- tagsbericht.) * Zn Bückeburg fand am Freitag die Bei setzung des Fürsten Georg statt. (S. Dtschs. R.s voiksgelunüheit ist Volksreichtum. lZur Eröffnung der Internationalen Hygiene- Ausstellung in Dresden.) Im Deutschen Reiche steht man dem Ge danken an Weltausstellungen, an Ver anstaltungen umfassender Völkermessen, auf denen „alles Köstliche zu sehen" ist, verhältnis mässig kühl gegenüber. Das Ergebnis einer unverbindlichen Umfrage, die zur Vorbereitung eines derartigen Unternehmens für Berlin vor nicht gar langer Zeit ergangen war, hat viel fach sogar zu dem Schluß auf eine gewiße Ausstellungsmüdigkeit gerade in den Kreisen des deutschen Volkes geführt, auf deren rege Beteiligung ganz besonders gerechnet worden war. Mögen für die beobachtete Zurück haltung bei den als Aussteller in Frage ge kommenen Personen, Firmen und Gesellschaften vornehmlich wirtschaftliche Gründe ausschlag gebend gewesen sein: mag die Befürchtung nicht allenthalben von der Hand zu weisen sein, daß in solchen Fällen nicht selten der geschäftliche Erfolg in umgekehrtem Verhältnis zu den finanziellen Aufwendungen steht: für die ver hältnismäßig passive Haltung der Allgemein heit würden diese Gründe nicht besonders ins Gewicht fallen. Hier muß vielmehr ein psycho logisches Moment zur Erklärung dienen. Das Volk der Denker liebt eine beschauliche, durchdringende Betrachtungsweise, die eine Ver tiefung in die angeschauten Gegenstände ge stattet. Diese gute Neigung wird aber durch die sinnenzerstreuende, nervenerschlaffende Viel gestaltigkeit, durch die erdrückende Massenhaftig keit der Ausstellungsgüter und nicht zuletzt durch die infolgedessen in Erscheinung tretende un geheure Steigerung der Ansprüche an die Auf nahmefähigkeit der Ausstellungsbesucher nicht un wesentlich beeinträchtigt, wenn nicht gar zerstört. Seit Jahren mühen sich deshalb auch Aus stellungstechniker im weitesten Sinne dieses Wortes um eine Verbesserung des Aus stellungstypus, die natürlich nur in der Richtung einer Vereinfachung und einer Ver einheitlichung der Ausstellungen liegen kann. Man nimmt immer mehr Abstand von einem verwirrenden Zusammenfassen, von einem erstickenden Zusammenpferchen aller nur denkbaren Produkte menschlicher Betätigung. Man nähert sich dagegen mehr und mehr einem klärenden Spezialisieren und ebnet damit dem neuen Typ die Wege, von dessen Vervoll kommnung sich die Gegenwart dauernde Wir kungen und damit auch die besten Erfolge ver spricht. Statt wahlloser Häufung greift sorgsame Sichtung Platz: das äußerliche Nebeneinander in der Gruppierung der Ausstellungsgegenstände ist einem innerlich begründeten, systematischen Aufbau der gesamten Ausstellungsmaterie ge wichen. Bei der Austeilung und Einordnung des Ausstellungsstoffes wird bewußt auf die Auffassungsgabe des Durchschnittsbetrachters Rücksicht genommen: mit dem Gedanken des Spezialisierens wird also zugleich eine fein durchdachte Organisation zur Erleichterung der Uebersichtlichkeit des Ganzen verwirklicht. Aber das weite Arbeitsfeld bleibt nicht dem abwägend regelnden und gliedernden Verstände zu unbeschränkter Herrschaft überlassen: auch Gemüt und Phantasie haben auf den neuen Ausstellungstypus stark eingewirkt. Die äußerenFormen, in denen sich solche Ausstellungen darbieten, sollen in reger Wechselbeziehung zu dem Dargebotenen stehen. Der Charakter einer Ausstellung soll schon äußerlicherkannt werden; man hofft damit eine besonders empfängliche Stimmung des schauenden Publikums zu er zeugen. Künstlerisch-ästhetische und päda gogische Prinzipien werden also geltend ge macht, damit die Nachhaltigkeit der Wirkung des Geschauten und wirklich Erfaßten noch eine Erhöhung erfährt. Der neue Typ will durch Herstellung einer Harmonie des Zweckmäßigen und Schönen, des Inhalts und der Formen eine angenehme Befriedigung des menschlichen Geistes wachrufen; er will die Gefühle der Ueber- sätrigung und des Ueberdrusses bannen; er will vielmehr das Verlangen nach intensiverer Durchdringung einzelner sich aufdrängender Probleme wecken. Auf Fach- und Verufsausstellungen ist die vollkommene Durchbildung dieses Typs schon wiederholt angestrebt worden. Die internatio nalen Ausstellungen der letzten Jahre für Sport, Jagd, Kochkunst, Reise und Verkehr liefern dafür recht anerkennenswerte Beispiele. Am folgerichtigsten hat bisher wohl die Deutsche Landwirtschaftsgesellschast auf ihren jährlich wiederkehrenden Wanderausstellungen die organisierte Spezialisierung durch gebildet, und die Zugkraft ihrer Veranstaltung hat sich bereits in allen Teilen des deutschen Vaterlandes erprobt. Alle diese Unterneh mungen stützten sich indes auf ganz konkrete Er scheinungen; sie waren in erster Linie auch für die enger interessierten Staatsbürger, für die Nächstbeieiligten bestimmt, wenngleich sie auch die lebhafte Aufmerksamkeit ferner stehender Kreise erregten und noch erregen. Jetzt erleben wir aber einen kühnen Fortschritt grundsätz licher Art im ganzen Ausstellungswesen. In der Internationalen Hygiene- Ausstellung zu Dresden, die am heutigen Tage feierlich in Gegenwart des Königs von Sachsen eröffnet wird, ist ein an sich ab strakter Begriff der leitende, grundlegende Gedanke. Nicht konkrete Dinge als solche, son dern der Begriff derHygiene, der Volks gesundheit, wie er seinen Niederschlag in allerdings ganz bestimmten konkreten Erschei nungen und Einrichtungen findet, ist zum Gegen stand dieser weltumspannenden Ausstellung ge wählt worden. Seitdem auf dem Gebiete der Ee- gejundheitspflege so überraschende Fortschritte gemacht worden sind, seitdem die Wissen schaft den bösartigen Krankheitserregern bis zu ihren Keimstätten nachzuspüren vermag, seitdem man infolge erweiterter wissenschaft licher Erkenntnis nicht nur für das Wohl befinden des einzelnen Menschen, sondern ganzer Volksschichten, oder besser: des gesamten Volkes wirksam zu sorgen gelernt hat, seitdem also die Jndividualhygiene, deren Pflege mehr oder weniger Cache des einzelnen ist, von der Sozialhygiene, deren Erfüllung eine der schönsten Obliegenheiten des Staates, der Ge meinde und fürsorgender Vereine bildet, über holt worden ist: darf es nicht mehr wunder nehmen, daß man eine allumfassende Zusammen stellung aller Errungenschaften auf diesem Ge biete Wirklichkeit werden läßt? Eine kultu relle, eine soziale Tat von hervorragender Bedeutung ist mit dieser eigenartigen Welt ausstellung nach neuen Prinzipien vollbracht worden. Ihre segensreiche, nutzbringende Aus strahlungen wird unser Volk und Vaterland noch spüren, wenn sich schon längst die heute geöffneten Pforten zum Ausstellungsplatze in Dresden wieder geschlossen haben werden. Wir leben in einem Zeitalter der Hygiene, wir be mühen uns deshalb, an der Fürsorge für Festigung und Förderung der Volksgesundheit alle Kreise des Volkes zu interessieren, wir wünschen daher schnlichst, daß dem volkstümlichen Zweck dieser Ausstellung die schönste Erfüllung blüht, daß die alte, ernste Wahrheit auf dem ganzen Erdenball erfaßt werde: Die Wurzeln der Volkskraft liegen in der Volks gesundheit. Ihre unaufhörliche Pflege mit allen Mitteln der Wissenschaft und Technik sei oberstes soziales Gesetz! „Der neue Kurs in Sachten." SeitetwaachtTagen fühlen sich die„Deutsche Tages zeitung" und reichsverbändlerischc Blätter bemüßigt, der sächsischen Regierung gründlichden Tert zu leien, weil sie angeblich durch die Berufung sozialdemokratischer Abgeordneter zu der bekannten Besprechung über die Gemeindesteuerreform und durch die Unterlassung eines Verbots der Maifeierumzüge der Svzialdemo kraten einen „neuen Kurs" steuere und ernste Be unruhigung unter die Bevölkerung trage. Die schulmeisterlichen Zurechtweisungen des Berliner Bündlerorgans, das sich fortgesetzt noch beschwerden reiche Zuschriften aus Sachsen verschrieb, verfangen bei politisch unterrichteten Leuten in Sachsen durchaus nicht mehr. Als bereits vor einigen Wochen Angriffe auf einzelne hohe sächsische Beamte in der „Dtsch. Tgsztg." erfolgten, ward ein kalter Wasserstrahl nach Berlin gesandt, der indes noch nicht die wünschenswerte Wirkung hervorgerufen zu haben scheint. Die An griffe erneuerten sich infolge der oben aufgefllhrten „Verstöße" der sächsischen Regierung, sie nahmen an Heftigkeit zu, und nun erleben die Scharfmacher eine neue, recht gründliche Abfuhr. Zn den sächsischen Regierungsblättern wird folgende offiziöse Kundgebung verbreitet, die wir ihrer Bedeutsamkeit wegen im Wortlaut wiedergeben: „Die Sächsische Regierung hat das Unglück, es einem Teile derjenigen Presse, die als berufene Ver treterin konservativer Anschauungen und nationaler Interessen angesehen zu werden wünscht, neuerdings nicht mehr recht machen zu rönnen. Bei jeder Gelegenheit ertönt der Vorwurf einer gefährlichen Neigung nach links, sogar der Schwäche und Nachgiebigkeit gegenüber svzialdemokratychen Be strebungen. Die Regierung weiß sich von solchen Anwandlungen frei, sie kann sich z. B. daraus berufen, daß sie den Standpunkt der Nichtbestätigung sozialdemokratisch gesinnter Ge meindevorstände und Eemeindeältester bis in die letzten Tage klar und entschieden festgehalten, daß sie durch ihren Einfluß die von den freien Gewerk schaften geplante Heimarbeiter-Ausstellung, die im Nahmen der Hygiene-Ausstellung sozialdemokratische Werbearbeit verrichten sollte, verhindert hat. Dies alles ist bekannt, scheint aber für die Würdigung der Regierung bei den erwähnten Kritikern nicht in Betracht zu kommen. Wohl aber sind es jetzt wieder die Gemeindesteuer-Konferenz und die Mai feier gewesen, bei denen sich die Regierung ver gangen haben soll. Aus diesem Anlaß hat sogar eine Zeitung, die politisch auf einem liberalen Standpunkte steht, ihre tadelnde Stimme wegen der allzugroßen Nachgiebigkeit der Regierung erhoben. Allen dreien wohlgemeinten Warnungen gegenüber sei folgendes sestgestellt: Die Gemeindesteuer . Konferenz verfolgte die Absicht, das Ministerium des Innern durch mündliche Aussprache über die in den verschiedenen Kreisen des Landes hinsichtlich der geplanten Gc- metndesteuerreform herrschenden Wünsche und Be schwerden zu unterrichten. Für die Berufung zu dieser Konferenz konnten daher nicht persönliche Sympathie oder politische Wahlverwandtschaft, sondern nur die zu vermutende Sachkenntnis entscheiden. Hätte man im wesentlichen nur Parlamentarier gehört, so hätte man vielleicht auf die Zuziehung von Sozialdemokraten verzichten können, da das sozialdemokratiiche Gemeindesteuer programm als solches ohnehin bekannt ist Aber es waren überwiegend Männer des praktischen Lebens. Vorstände der Groß- und Mittelstädte sowie der Landgemeinden, Vertreter der Landwirtschaft, der Großindustrie, des Handwerks, der Hausbesitzer- und Mietervereine. Hier durften die Arbeiter nicht fehlen. Deshalb wurden neben den Leitern der auf vaterländischem Boden stehenden Hirsch - Dunkerschen und evangelischen Arbeiter vereine auch solche von freien Gewerk schaften, Konsumvereinen und Krankenkassen, also von Vereinigungen berufen, die sich in erster Linie mit den wirtschaftlichen Angelegenheiten des Ar beiterstandes befassen. Auf diese Vertreter zu ver zichten, bloß weil sie gleichzeitig Sozialdemo kraten sind, wäre nicht nur engherzig, sondern sehr zweckwidrig und dilettantisch gewesen. Sie selbst haben übrigens den Grund ihrer Berufung vollkommen richtig erfaßt, sich bei der Besprechung aus die Vertretung ihrer besonderen Interessen beschränkt und, wie die Teilnehmer der Konferenz bezeugen können, politische Ausführungen durchaus vermieden. Die Umzüge zur Maifeier sind in Sachsen eben sowenig verboten worden, wie z. B. in Hamburg. München, Stuttgart, Mannheim usw. Nach 8 7 des Reichsvcreinsgesetzes ist die Genehmigung öffentlicher Umzüge keine behördliche Gunstbezeugung mehr, sondern kann nur dann verweigert werden, wenn eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit droht. Das war nach den sächsischen Ver hältnissen und nach den Erfahrungen mit der Mai feier in den letzten Jahren nicht der Fall. Ander wärts mag es anders gelegen haben; in Preußen insbesondere hält die noch nicht zum Abschluß ge kommene Wahlrechtsreform die Gemüter in Spannung, zittert die Erregung von den Moabiter Tumulten noch immer nach. Daß in Sachsen keine Gefahr bestand, hat der Erfolg gelehrt. Nirgends ist eine Störung der öffentlichen Ordnung vor gekommen. Die Verweigerung der Geneh migung wäre daher ungesetzlich gewesen. Auch die Genehmigung von Musik, bei welcher revolutio näre Lieder ausdrücklich ausgeschlossen worden sind, ist keine Neuerung. Sie ist schon in anderen Jahren erteilt worden: die Veranstalter hatten nur in früheren Jahren von der Erlaubnis keinen Ge brauch gemacht. Von dem gesetzlichen Wege kann und wird sich die Regierung unter keinen Umständen abdrängen lassen, auch nicht wenn dies unter der Sorge um eine Gefährdung staatserhaltender Interessen versucht würde. Denn die Achtung vor dem Gesetz ist und bleibt das vornehmste Gebot aller staats erhaltenden Politik." Die also apostrophierten Staatsschützer, die sich päpstlicher als der Papst gebärdeten, werden sich ver mutlich diese in allen ihren Teilen ausgezeichnete Erklärung der Regierung nicht hinter den Spiegel stecken. Es ist im Grunde höchst beschämend für diese Herren, daß sie sich von der sächsischen Regierung darauf Hinweisen lassen müssen, daß sie mit ihren Mahnungen und Wünschen die Regierung vom Boden des Rechts haben abdrängen wollen. „Achtung vor dem Gesetz ist und bleibt das vor nehmste Gebot aller staatserhaltenden Politik." Wenn man bedenkt, gegen wen dieser für jeden konstitutionell gesinnten Staatsbürger selbstverständ liche Satz gerichtet ist, so kann man sich im Interesse des Staates dieser wuchtigen Zurückweisung unbe rechtigter und ungesetzlicher Forderungen nur lebhaft freuen. Das Echo, das die Regierung von der anderen Seite vernehmen wird, dürfte freilich nicht allzu zart klingen. Den Msnen Nüitlph Doermsnns widmet Generaldirekior Ball in von der Hamburg- Amerika-Linie in den „Hamb. Nachr." einen warm empfundenen herzlichen Nachruf, in dem er den kolo nisatorischen Verdiensten des Verstorbenen lebhafte Anerkennung zollt und bedauert, daß der von Woer- mann betriebene „praktische Patriotismus" letzten Endes doch keine Anerkennung gefunden habe. Ballin rechtfertigt in diesem Zusammenhangs vor allen Dingen die Haltung Woermanns während des süd westafrikanischen Aufstandes und sagt darüber u. a.: „Es ist bekannt, daß man Woermann nach Ab schluß der kriegerischen Wirren in den Kolonien den Vorwurf machte, er habe das Reich übervor teilt. Diesen Vorwurf hat er nie verwunden, und wenn die Leute, die damals gegen ihn zu Felde zogen, auch darauf Hinweisen können, daß das Schieds gericht, das die Ansprüche des Reiches prüfen sollte, einen Teil dieser Forderungen als richtig anerkannt habe, so ist das eine unzureichende Verteidigung. Denn klar ist nur geworden, daß Woermann, der allem Bureaukratismus abhold war u>rd auch juristischen Rat bei Abschluß seiner Verträge nie in Anspruch ge nommen hat, bei Abschluß dieser Verträge mit dem Reich nicht diejenige Sorgfalt hatte walten lasten, die in seinem Znteresse notwendig gewesen wäre. Daß er das Reich übervorteilt und Rieiengewinnc sozusagen aus der Rot des Reiches gezogen habe, wird durch die Tatsachen auf das schärfste widerlegt. Er hatte sich der Aufgabe, die Kriegstransporte zu be sorgen, mit der ihm eigenen Großzügigkeit gewidmet und hat dies« Aufgabe glänzend gelöst. Um diese unübertreffliche Leistung durchführen zu können, hatte er seine Flotte um eine große Zahl von Schiffen ver stärkt, und die Folge davon war, daß nach Erledigung der Aufgabe Woermann selbst einsehen mußte, daß er seine Kräfte überschätzt hatte. Die Tarife, die Woermann mit dem Reiche vereinbart hatte, sind da mals von meinem verstorbenen Kollegen, dem Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd Dr. Wie gand und von mir seid st als durchaus angemessen begutachtet worden. Zm Gegenteil, wir beide haben erklärt, daß unsere Ge sellschaften zu diesen Sätzen die Leistungen, die Woermann übernommen hatte, nur mit einer ge ringen Anzahl von Expeditionen übernehmen würden. Woermann hat alles andere bewältigt und sah nach Abschluß dieser gewaltigen Leistung sich genötigt, einen Teil der übergroßen Last, die er dadurch auf seine Schultern geladen hatte, auf die Hamburg- Ämerika-Linie überzuleiten. Sein eiserner Wille wäre auch ohne dies« Mit wirkung mit der Sache fertig geworden. Inzwischen hatte man aber angefangcn, ihn mit Kot zu be werfen, und als die Negierung offiziell Stellung gegen ihn genommen hatte, trat bei ihm jene Ver bitterung eia, von der ich vorhin gesprochen habe. Alle, die ihm während der letzten Zahr« haben nahe sein dürfen, werden es nicht ohne aufrichtige Trauer bemerkt haben, wie dieser große Vaterlands freund zum bitteren Kritiker geworden war. Diese große Enttäuschung hat auch seine Ge sundheit gebrochen, und in den letzten Zähren haben wir ihn nur noch als kranken Mann gesehen. Es ist das Tragische im Leben Adolph Woer manns, daß diese eigenrichtige, starke und nur auf sich vertrauende Persönlichkeit das große Werk, das sie auf sich genommen hatte, schließlich doch nicht allein hat tragen können, und daß ihrem im tiefsten Sinne des Wortes patriotischen Wirken mit Undank gelohnt ytSrden fit. Das soll uns nicht hindern, dem großen Daterlandsfreund und tatkräftigen Politiker, dem hamburgischen Pairioten. dem wahrhaft königlichen Kaufmann und dem größten. wage- mutigsten und opferfreudigsten Pri vatreeder, den die Hansestädte jemals gesehen haben, den Zoll unserer Anerkennung darzu bringen und ihm ein« herzliche Dankbarkeit für alle Zeiten zu bewahren." Dss Wespennest Marokko. sPariser Brief.) D. Paris, 4. Mai. Die Marokkofrage, die, wie man jetzt auch in Paris einiieht, wieder durchaus eine« internatio nalen Charakter annimmt, gibt dem Quai d'Orsay viel zu schaffen, veranlaßt einen immer größeren Teil der Presse, zur Vorsicht zu mahnen, und erhitzt von Tag zu Tag mehr di« Deutschenfeindschast der Organe der Kolonialpattei. Der französische Ge- » jchäftsträger in Tanger, Regnault, der als die Seele der Eroberungsintrigen gilt und so viele Kunststücke fertig brachte, hatte sich aus begreilichen Gründen keine Mühe gegeben, in den letzten vierzehn Tagen Nachrichten aus Fez zu erhalten — und wenn e« solch' erhielt, hat er sie mit Fleiß der Oeffenllick. keil verborgen. Es ist erstaunlich, daß sowoyl der deutsche, wie der englische Geschäftsträger in Tanger Boten aus dem Znnern empfingen, und daß der französische, der über unvergleichlich bedeutendere Mittel verfügt, von seinem Konsul in Fe^ ohne jede Meldung geblieben sein soll. Die Ungewißheit über das Schicksal des Obersten Mangin und des Kom- Mandanten Bremond mußte künstlich verlängert wer. den, damit die „fliegend« Kolonne" möglichst
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