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ZliMlnuW Tageblast Erscheint täglich mit Ausnahme der Tag« nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnemsntspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 26. April 1881. Die Web- und Wirkschule in Waldenburg eröffnet Mittwoch, den 27. April d. I. einen neuen Lehrcurs in praktischer und theoretischer Handweberei, praktischer und theoretischer Wirkerei, Muster- und freiem Hand zeichnen, Deutsch, Rechnen und Schreiben. Confirmirte Knaben, welche theil zunehmen beabsichtigen, wollen sich den 26., 27. und 28. April und spätestens bis zum 15. Mai d. I. in der Wohnung des Herrn Würgerschnlleyrers Lesky unter Beibringung des Schulentlassungszeugnifses von '/r1 —2 Uhr Nachmittags melden. Für Zeichnen, Schreiben, Rechnen und Deutsch werden auch junge Leute ausgenommen, die der Weber- und Wirkerei fern stehen. Der regelmäßige Besuch unserer Schule befreit von der gesetzlichen Fortbildungsschule. August Mai, Vorsteher. "Waldenburg, 25. April 1881. Zur politischen Lage. Die weitaus wichtigste politische Neuigkeit ist heute aus Petersburg zu melden. Nach derselben scheint nämlich der Erlaß einer Constitution für das russi sche Reich in allernächster Zeit bevorzustehen. Alexander III. hat nach längerem Zaudern auf dringliche Vorstellung Loris-Melikoff's einen Ministsr- rath einberufen, welcher den von dem verstorbenen Kaiser bestätigten Vorschlag zur Zusammenberufung einer aus gewählten Vertretern der Territorial-Kör- perschaften der Städte und des Adels bestehenden Redactionscommission behufs Besprechung staatlicher Fragen erörtern solle. In diesem Ministerrathe wurden folgende Documente verlesen: 1) Ein Vor schlag des Grafen Loris-Melikoff's zur Einberufung einer Redactionscommission, auf welchem Aktenstücke der verstorbene Kaiser die Worte: „Ich gebe meine Zustimmung" niedergeschrieben hatte; 2) ein Ukas an den regierenden Senat, unterzeichnet vom ver blichenen Kaiser am 13. März, und 3) ein neuer für die Unterschrift des neuen Kaisers entworfener Ukas. Nach längeren Beralhungen, in welchen auch gegen die Presse verschiedentliche Beschuldigungen er hoben worden waren, replicirte Loris Melikoff in seiner Eigenschaft als Minister des Innern auf die gegen die Presse erhobenen Beschuldigungen. Er behaup tete, daß im Lause des vorigen Jahres die Presse eine Revision des Senats zuwege gebracht, die Unter schlagung von Staatsgeldern bekämpft, viele Uebel bloßgelegt und sich als einer der besten Hüter des Gesetzes, dessen Uebertreter sie brandmarkte und an den Pranger stellte, erwiesen hätte. Nachdem sich neun Minister zu Gunsten des Vorschlags aus gesprochen hatten, erhob sich der Kaiser, der dem Ministerrathebeiwohnte, und sagte: „MeineHerren! Die Mehrheit hat sich in dem Sinne ausgedrückt, daß der Vorschlag zur Einberufung einer von allen Klassen gewählten vorbereitenden Commission im Interesse des Staates ausgeführtwerde. Ich stimme mit der Mehrheit überein und wünsche, daß der Ukas diese neue Reform dem Andenken Unseres Va ters, von dem sie ausging, zuschreibe. Der Minister des Innern wird den Ukas in Uebereinstimmung mit den von uns gemachten Bemerkungen vorbereiten." Allo Anwesenden standen, als der Kaiser sprach. Der Kaiser drückte dem Grafen Loris Melikoff warm die Hand und dankte ihm herzlich; dann ersuchte er die Minister, seine Entscheidung in geringfügigen Dingen nicht anzurufen. Solche Angelegenheiten sollten von den Ministern selber erledigt werden. Durch dieses reformatorische Vorgehen Hal der neue Kaiser sicherlich den besten Weg betreten, die Sicher heit seiner Person zu befestigen. In Frankreich concentrirt sich das Interesse jetzt auf die am 25. d. stattfindende Eröffnung der französischen Generalräthe. Man ist auf den Ver lauf der Session sehr gespannt, da die Wahlreform frage, wenn auch nicht in öffentlicher Sitzung, was gesetzlich nicht gestattet ist, so doch in den privaten Versammlungen der Generalräthe zur Sprache ge bracht werden dürfte. An Agitationseifer werden es wohl beide Theile nicht fehlen lassen. "Waldenburg, 24. April 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Dem Bundesrathe ist jetzt der Bericht der Reichs- schulden-Commission zugegangen. Derselbe er streckt sich zunächst auf die Verwaltung des Schulden wesens des Norddeutschen Bundes bezw. des Deut schen Reichs, sodann die Thätigkeit der Commission in Ansehung der ihr übertragenen Aufsicht über die Verwaltung des Reichs-Jnvalidenfonds, des Festungs- daufonds und des Fonds zur Errichtung des Reichs tagsgebäudes, ferner auf den Reichs-Kriegsschatz und schließlich auf die An- und Ausfertigung, Einziehung der von der Reichsbank auszugebenden Banknoten. Der Bestand des Reichs-Jnvalidenfonds betrug am Schluffe des Rechnungsjahres 1879/80 543,223,428. 76 M., der Les Reichs-Festungsbau fonds 72,863,293.12 M. und der des Neichslags- gebäudefonds 29,606,747.59 Mark. Die „N. A. Z." veröffentlicht ein Circular, welches in Deutschland vertraulich an die Agenten der Versicherungsgesellschaften gesandt ist. Eine Verschleppung in der Commission sei eine Gefahr für das gesammte Versicherungswesen, heißt es da rin; es müsse vielmehr der gesunde Kern der Vor lage: Ausdehnung der Haftpflicht auf die gefähr lichen Betriebe, Entlastung des Arbeiters von der Pflicht, die Schuld des Arbeitgebers oder seiner Vertreter zu beweisen, Beschränkung der Haftpflicht auf einen Theil des Arbeitslohnes, Einführung einer Anzeigepflicht, wenigstens für die namhafteren Un fälle, und Sicherung einer schnelleren Regulirung unter Abkürzung der Klagefristen, benutzt werden, um das 1871er Haftpflichtgesetz sachgemäß abzu ändern. Die Agenten sollen nun die Mitglieder des Reichstages auch in der Heimath davon über zeugen, daß das Land das geplante socialistische Experiment ablehne. Die betreffende Frage sei nicht allein eine Jnteressen-Frage für das Ver sicherungs-Fach, sondern auch für jeden der Ver treter. Den Heißspornen unter den Anhängern der Regierung dürfte nicht die Möchlichkeit bleiben, den Reichstag vor dem Lande anzuklagen, daß er die Verwirklichung der humanen Absichten der Regierung im Interesse der Arbeiter verhindert oder gar ver eitelt habe. Deutschland will in der tunesischen Frage die strengste Neutraluät beobachten. Der deutsche Bot schafter in Nom Herr v. Keudell, ist von Berlin aus angewiesen worden, keinerlei Pässe nach Tunis zu visiren, da dies sonst zu Mißdeutungen Anlaß bieten könnte. So muß der Vorstand des deutschen archäologischen Instituts in Rom, Professor vr. Helbig (ein geborener Dresdner), auf die für Lie nächste Zeit von ihm beabsichtigt gewesene wirth- ichaftftche Forschungsreise nach Tunis verzichten; Herr v. Keudell darf ihm keinen Paß geben. Der Bundesrath hat in seiner gestrigen Plenar sitzung die Vorlage, betreffend die fernere Auspräg ung von 15 Millionen Einmarkstücken ange nommen. Eine besondere münzpolitische Bedeutung wird derselben nach keiner Richtung hin beigelegt, sie wird vielmehr lediglich mit dem schon im vorigen Jahre anerkannten Bedürfniß nach einer größere» Zahl von Scheidemünzen, welches durch das Ergebniß der Volkszählung nur noch evidenter geworden sei, motivirt. Frankreich. Eine von der internationalen Münzconferenz gewählte fünszehngliedrige Commission beschloß, keine Protokolle über ihre Sitzungen aufzunehmen und beauftragte die Delegirten Cerunschi und Dona Harlon (Amerika), einen Entwurf für die zu be handelnden Fragen aufzustellen. Der Bey von Tunis hat erklärt für die Sicher heit der Europäer nicht stehen zu können,falls die Franzosen die Grenze überschritten. Der fran zösische Consul erwiderte darauf, daß er für Sicher heit der Ausländer sorgen werde und auch bereits Besorgniß hegenden Personen eine Zufluchtsstätte auf dem französischen Stationsschiffe angeboten hätte. Die zur Hilfe der Ueberlebenden der Mission des Obersten Flatters in Algerien abgesandte Ablhei- lung fand nur noch 12 Personen vor, und zwar entkräftet. Im Ganzen sind von der Mission 20 Mann gere»et. Die Leiche des Lords Beaconsfield ist am 24. d. 2 Uhr 25 Minuten morgens per Bahn nach Hughenoen gebracht worden. Italien. In Bologna wurden eine socialistische Geheim druckerei und acht Bomben von der Polizei aufge hoben. Rußland. In den letzten Tagen sollen auf Aussagen von Jeffe Helfmann viele Verhaftungen vorgenommen worden sein. Als derselben am vorigen Freitag die an ihren sämmtlichen Prozeßgenossen vollzogene Exekution mitgetheilt wurde, glaubte sie nicht daran. Sie meinte, Sophie Perowskaja sei sicherlich nicht gehängt. Man gab ihr dann die Zeitungen mit genauen Berichten über die Hinrichtung. Der Ein druck war überwältigend. Sie fiel in Ohnmacht. Man erklärte ihr später, der einzige Weg für sie, ihrem sonst unwiderruflichen Schicksal zu entgehen, sei, daß sie ein umfassendes Geständniß ablegte. Schließlich legte sie ein solches ab. Sie soll darin wichtige Eröffnung gemacht haben. Man erzählt, Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch solle von Pawlowsk nach Festung Schlüsselburg überführt werden, weil er fortgesetzt den Eid der Treue für den Czaren verweigere. Ihm wird die Aeußerung in den Mund gelegt, „Man könne von einem Wahnsinnigen keinen Schwur verlangen!" Bekannt lich wurde er nach der Diamantengeschichte für wahnsinnig erklärt! Am Tage der Uebersiedelung des russischen Kai sers nach Gatschina (welches man auf verschie denen Bahnen erreichen kann), waren auf sämmt lichen Bahnhöfen bis auf den Warschauer, Züge für den Kaiser bestellt, auf letzterem ein solcher für den Minister der Wege und Kommunikationen. Zu gleich war nach der Station hinter Gatschina tele- graphirt worden, der Minister wolle daselbstpersön lich inspiziren. Diesen angeblichen Ministerzug be nutzte dann der Kaiser. Griechenland. In ihrer Antwort auf die letzte identische Note der Mächte motivirt die griechische Regierung ihre