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WicknnUich »ich«»«; dl« Nlunmirn. Pr»»un>tt.il,on« Prki» 22j Silblrgr. <j Lbtr.) vicrik!Iädr>j<k, z Tdlr. s»r da» gxn;» gadr, o!>»<(! rdödtt » g, m allen Lkeilen der Preußischen Monarchie. M a gazi n für die Man pxänumeri« aus diese» Liieeaiur- Dlall in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. Staal»-Aeilung (Jriedeich». SiraSe S!r. 72); in der Provinz so wie im Auilande bei den Wohllobl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 1S4 Berlin, Dienstag den 27. Dezember 184S. Frankreich. Der Magnetismus in Paris. Nirgends in der Welt wird der thierische Magnetismus in einem solchen Umfang getrieben, als in Paris; er ist hier schon zu einer Industrie geworden, die ihre verschiedenen Zweige hat. Da diese Seite des Pariser Lebens dem AuSlande noch so gut wie verschlossen ist, so theilen wir hier unseren Lesern einen Artikel aus der Kovue äe Uuri» mit, welcher gegen den Mißbrauch, der mit dem Magnetismus dort getrieben wird, vornehmlich gerichtet ist. Der Verfasser, Alphonse ESquiros, behandelt die Sache mit großer Besonnenheit und Mäßigung; auch ist er keincsweges ein Gegner des Magnetismus, viel- mehr ist er selbst von der Realität und Bedeutung dieser geheimnißvollen Er scheinung innig überzeugt. Wir lassen ihn selbst sprechen. Der Magnetismus, von welchem, wie es scheint, die öffentliche Aufmerk samkeit seit den letzten Erperimentcn der Demoiselle Pigeaire und dem Tode des Doktor Frappart sich eine Weile abgcwendet hat, treibt doch nach wie vor in Paris sein finsteres Wesen fort. Es giebt eine magnetische Welt, so gut wie es eine literarische giebt. Diese Gesellschaft neuer Rosenkreuzer hat ihre lächerlichen Seiten und ihre Erzentrizitäten. Ein Gemälde dieser eigenthüm- lichcn Sitten zu zeichnen, die abwechselnd burleske und ernste Physiognomie des Somnambulismus in Paris zu skizziren, ist eine Aufgabe, die ihre Schmie- rigkeitcn darbietet, die wir aber, mit Erfahrungen ausgerüstet, welche mir seit längerer Zeit erworben haben, zu lösen versuchen wollen. Man muß für's Erste unterscheiden zwischen ehrlichen Magnetiseurs und CharlatanS. Diese Letzteren bilden ein ziemlich bedeutendes Corps. Es giebt ja überall Leute von so leichten Glauben, und der Magnetismus ist eine so bequeme Maske, daß die Jntrigue nicht mehr Intrigue märe, wenn sie dies nicht benutzte. Der Magnetismus ist in Paris in der PrariS nichts als eine ungeheure Taschenspielerei. Einige von ihren Kollegen mit Recht verleugnete Aerzte spekuliren auf die Neugier der Pariser, uni einen glänzenden Zirkel von Männern und Frauen bei sich zu versammeln. Diese Magnetiseurs von Pro fession wohnen in einem reichen Viertel, an der Chaussee d'Antin oder auf den Boulevards; sie haben einen Salon, Bedienten in Livree, bezahlte Somnam bulen und geben zweimal wöchentlich Soireen. Der Magnetiseur, in weißen Handschuhen und schwarzem Frack, hält einen Prolog, dessen geringster Fehler die Länge ist, über die verschiedenen Arten des Somnambulismus; dann trinkt er ein GlaS Zuckcrwasser, und man bringt eine Somnambule in einem Lehn stuhl in den Saal. Der Magnetiseur bringt sie in Schlaf, indem er graziös mit der Hand über sic hinfährt oder ihr auf die Stirn haucht, oder auch nur durch den bloßen Befehl: „Dormo?!" Die Anwesenden nähern sich der Som nambule, der Magnetiseur setzt sich in Communication mit ihr, und die Fragen beginnen. Bei jeder Antwort bewundert man, gcräih in Ertase, schreit Mira kel. Du ahnst gewiß Helfershelfer unter diesen erstaunten Zuschauer», und du hast nicht ganz Unrecht. Trittst du selbst heran, um die Somnambule ausz». fragen, so wird sie zuerst deinen Fragen durch unbedeutende Antworten aus weichen, durch doppelsinnige Worte und Sätze, wie die allen Sibyllen und Orakel; auf weiteres Dringen wird sie sich über Ermüdung, Nervenleiden be klagen und zu erwachen verlangen. Nun entfernst du dich, indem du deine Zeit und dein Geld bereuest; denn der Salon ist gut gebeizt, gut erleuchtet, und die Consultativn kostet fünfzig Francs. Ehe wir die niederen Stufen der Mesmerischcn Maurer« mustern, müssen wir etwas von den sogenannten Systemen sagen, in welche die Großmeister des Ordens die Lehre vom Magnetismus zu bringen suchen. Wir werden dabei eine Auswahl treffen, denn die Geduld GasnerS, des Verfassers des TaeErn» Oslllcu.-i. würde nicht hinreichen, sic alle zu nennen. Die Einen denken sich die von uns bewohnte Welt von einem ungeheueren Fluidum durch zogen und zugleich wärmen sie die alte Lehre des Pythagoras über die Welt seele wieder auf; Andere dagegen verwerfen die Theorie des Fluidums und führen die Wirkungen dcS magnetischen Schlafs auf die Phantasie zurück: daher die Fluidisten und die Nonfluidisten. Geben wir nicht weiter, denn wir wüßten uns nicht aus diesem Babylonischen Thurmbau hcrauszuziehen, wo die Verwirrung der Sprachen und der Ideen gleich groß ist. Eben so ver schieden sind die Mittel, den Schlaf hcrvorzurusen-, die Kette, das magnetische Baguct, die eisernen Konduktoren magnetifirter Bäume haben nach den ver schiedenen Adepten verschiedene Eigenschaften; aber über die wunderbaren Wirkungen der Kunst sind die CharlatanS alle einig. Alle Krankheiten können nach ihnen leicht auf eine einzige zurückgeführt werden, und diese einzige hat ihre Heilung im Magnetismus. Sie nennen diese neue und alte Entdeckung die Medizin der Natur. Sie ist es, die man nach ihnen in der Urzeit des Menschengeschlechts ausübte, als die Menschen tausend Jahre lebten. Man wird finden, daß dieses Beispiel aufmuntcrnd ist und befolgt zu werden ver- dient. Daher greifen auch die Magnetiseurs die moderne Medizin an, die sie geradezu für vergiftend halten: die pharmazeutische Wissenschaft mit ihren Medikamenten und Droguen ist nach ihnen nur eine ungeheuere Pandorabüchse, die dazu bestimmt ist, alle Uebel über die Erde zu verbreiten. Diese und ähnliche Ertravaganzeii werben einem in Büchern oder öffent- lichen Vorlesungen dargebotcn. Eiu magnetischer Kursus ist eine Reche von fünf bis sechs, mit dem mäßigen Preise von zwanzig Francs, im Voraus bezahlten Vorlesungen. Ein Saal in ver Saumonstraße dient dabei als Auditorium. An dreißig grauköpfige Schüler, die sich aus Langeweile der staubigen Wissen schaft der Athenäen widme» und die man vor jedem Katheder trifft, wenige Studenten der Medizin und einige veraltete Frauen, die ihr Glück suchen, bilden das ganze Publikum. Der erwartete Professor zeigt sich; es ist ein Mann von vierzig Jahren, mit unordentlichem Haar, nachdenklicher Figur und weißer Kravatte. Er entfallet eine Rolle beschriebenes Papier und liest mit monoto ner Stimme eine lange, schwerfällige, dunkle Geschichte des thierischen Magne tismus, von der Schöpfung der Welt an. Man bittet ihn in aller Sanft- muth, um der Langeweile des Publikums willen, endlich einmal zur Sündfluth überzugehen, aber dazu ist der Advokat des Magnetismus zu gewissenhaft und er liest sein voluminöses Manuskript von A. bis Z. ab, ohne einem auch nur eine Zeile zu schenken. Jetzt kommt die letzte Sitzung. Zur Entschädigung der Geduld, mit der man zugehört, hofft man endlich etwas zu sehen und man möchte gern mit den Sadduzäern deö Evangeliums sagen: Wirst Du uns nicht ein Zeichen gebe», baß wir an Dich glauben? Die alten rothsammetnen Sessel find an diesem Tage besetzter als gewöhnlich und alle Welt ist gespannt. Der Professor erscheint, diesmal ohne Manuskript, was eine gute Vorbedeutung ist. Er wendet sich nun an das Auditorium und erbietet sich, an Personen, die sich dazu hergeben wollen, eine Probe mit dem Magnetismus zu machen. Zwei oder drei von den Anwesend«, sind bereit, aber ihr guter Wille ist ver gebens, der magnetische Schlaf läßt sich nicht auf sie herab. Man geht aus dieser Vorlesung, genau bekannt mit dem, was Andere gesehen haben sollen, aber in Bezug auf sich selbst, muß man seine Geschichte wieder in der Antwort an die Sadduzäer lesen: „Dieses sündige, ehebrecherische Geschlecht verlangt ein Wunder und es soll ihm kcins gewährt werden." Aber auch diese andere Seite, der Handel mit magnetischen Wundern — denn diese Entdeckung ist ein wahres Gewerbe geworden — wird von isolirten Somnambulen getrieben, welche sich in ihrer Wohnung kousultircn lassen. Die meisten dieser Frauen beginnen dieses Gewerbe im Hospital, unter den Händen junger Mediziner, welche, ganz glücklich, ein Erperimcnt in «»im» vili machen zu können, sie in Abwesenheit der Chefs magnetisircn, um ihre Neugier zu be friedigen. Es giebt übrigens drei Arten, oder besser, drei Klaffen von häus- lichen Somnambulen: wir fange» mit denen des Volks an. Diese wohnen in arme», abergläubischen Stadtvierteln ; alt, unordentlich und schnmtzig, stellen sie in ihrer Person und ihrer Lebensweise die Heren des Magnetismus dar. Gabriel Nando spricht von alten, kränklichen und kindischen Frauen, welche zn seiner Zeit zur Entdeckung gestohlner Gegenstände verhalfen, den Mädchen das Bild ihres Zukünftigen schilderten und die Natur der Krankheiten beschrieben, womit die sie Konsultirenden behaftet waren. Die Somnambulen haben den Platz dieser Zigeunerinnen eingenommen. Ihre Wohnung, oder richtiger ihre Höhle, liegt im fünften Stock, auf einer holprigen, finstern Treppe, gegen welche die Leitern eine Erholung sind. Man konsultirt sie über kranke Kinder, indem man etwas von deren Haar, oder Wäsche mitbringt; die mütterliche Liebe, welche selbst eine süßc und erhabne Schwärmerei ist, grübelt in solchen Fällen nicht lange. Die Somnambulen bringen sich selbst in Schlaf, indem sie sich cmcn Ring an den Finger stecken oder mit den Händen über den Kör per fahren, wobei es dahin gestellt bleibt, ob sie wirklich schlafen. In diesem Zustand verordnen sie Jedem, welcher zu ihnen kommt, eine Flasche magneti- sirtes Wasser, welches, obwohl es alle Nebel heile» soll, doch keins mit Sicher heit heilt. Fast alle schlafen so, wirklich oder angeblich, sieben bis acht Stun den des Tags hindurch; das nennen sie „arbeiten". Allerdings ist dieser Schlaf ihr einziges Geschäft und Erwerbmittcl. So suchen diese armen Ge schöpfe ihr beschwerliches Tagewerk gerade in dem Akt, in welchen die Natur die Ruhe gelegt. Sie müßen während dieses wahren oder falschen Schlafes auf zudringliche Fragen antworten und mehrere Stunden hinter einander eine Rolle spielen, welche die menschlichen Kräfte zu übersteigen scheint. Dazu