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Ergtbnlslvse Verhandlungen mit der Linken Sindenburg knikiint Brünings Bollmaibtm vrodtmolcknng nuaor« Vorllo« SvdrUUoUnng Berlin. 1«. Juli. Die Abgeordneten Breit scheid »nt Müller-Franke« haben an de« Zentrnmsabgcord- «ete« Esser solgende« Brief gerichtet: »Sehr geehrter Herr Kollege! Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion ist bereit, in künftigen Verhandlungen die Bedingungen bekauutzugebc«, unter den«» sie eine Bcr- abschiednng der Deckungsvorlage mit ihrer Unterstützung für möglich hält. Sie hat jedoch schon gestern durch die Rede ihres Vertreters im Plenum des Reichstages erkennen lasse«, daß die in der Decknngsvorlage enthaltene Kopf steuer, die sogenannte Bürgerabgabe, für sie voll kommen ««annehmbar ist. Voraussetzung für fruchtbare Verhandlungen wäre daher die Bereitwilligkeit der anderen in Betracht kommenden Parteien, aus die Bürgerabgabe z« verzichten. In diesem Falle wäre auch Gelegenheit gegeben, über notwendige Acndernn- gen der Vorlage« zur Arbeitslosen- «nd Krankenversicherung in Verhandlungen einzntreten." Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, wird der Zentrnmsabgeordnete Esser namens der hinter der Regie rung stehende« Parteien der sozialdemokratische« ReichStags- sraktio« antworte«, baß man in ihrem Schreiben keine ge eignete Verhandlnngsgrundlage erblicken könne. Das Schreiben an Esser wird in politischen Kreisen dahin beurteilt, dast nun wohl doch keine Möglichkeit mehr für eine parlamentarische Verabschiedung der Deckungsvorlage besteht. Sowohl für die Volkspartei als auch für die Wirt schaftspaktes ist ein Ausschalten der Bürgerabgabe ans der Dcckungsvorlage vollkommen indiskutabel. Es wird nun wohl doch dahin kommen, daß im Laufe des heutige« Nachmittags der Reichskanzler die Decknngsvorlage ans dem Wege der Notverordnung in «rast setzt. In der heutige« Vollsitzung des Reichstages wird zunächst «och einmal eine kurze Aussprache ftattsindcn und dann die entscheidende Abstimmung über de« 8 2 erfolgen, der den von der Reichshilfe erfaßten Personeukreis festlcgt. Nach der wahrscheinlichen Ablehnung dieser Bestimmungen wird die Reichsregicrnng wohl aus die weitere Beratung verzichte«. Bor der Weiterberatung der Decknngsvorlage wird der Reichstag über de« Einspruch deS ReichsrateS gegen die Amnestieoorlage entscheiden. Der Reichskanzler bei Hindenburg Reichspräsident v. Hindenburg empfing am Mittwoch mittag den Reichskanzler Dr. Brüning, der vom Reichs minister Treviranns begleitet war. Der Reichspräsident erneuerte die Vollmachten für de« Reichskanzler, im Falle der parlamentarischen Ablehnung der Decknngsvorlage diese Gesetze ans Grund des Artikels 48 durch Notverordnung zu erlassen. Ferner bevollmächtigte der Reichspräsident den Reichskanzler, die sofortige Auslösung des Reichs tags ausznsprcchen, falls 1. der Reichstag die durch die Not verordnung erlassenen Deckungsgesetzc wieder aufheben sollte» S. ein Mißtrauensvotum angenommen werden sollte, S. falls bedeutsame politische Ereignisse eintreten sollten. Was mit dem dritten Punkt gemeint ist, darüber herrscht in parlamentarischen Kreisen keine vollkommene Klarheit. Es wird jedoch angenommen, daß mit de« „besonderen politi schen Vorkommnissen- die demokratische Inter pellation gemeint ist, die gegen den Reichspräsidenten wegen seines Schreibens an den preußischen Minister präsidenten geplant war. Die Demokraten sind aber wohl in zwischen von dieser Absicht abgekommen. » Eine Abordnung der Stenbcn-Gesellschaft beim Reichs präsidenten. Reichspräsident v. Hindenburg empfing heute eine Abordnung der amerikanischen Stenbcn-Gesellschast. die ihm ein Gemälde des Generals von Stcuben überreichte und die Grüße ihrer Landsleute überbrachte. Das neue Weftprogramm Berlin, 16. Juli. Die bürgerlichen Parteien haben in Form eines Jnitiativgesetzes im Reichstage ein West programm beantragt, das unter Einrcchnung der im Kriegs- lastenctat für 1936 bereits vorgesehenen 22'^- Millionen die Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel bis 1934 vorsieht und die Regierung ermächtigt, Bürgschaften bis zu 100 Millionen zu übernehmen. Ar ziisammenkeüimg der sächsischen MMagsiuiMiiist Der Vorstand des Landtags hat sich über folgende Ver» tetlung der Sitze in den einzelnen Ausschüssen geeinigt: Im Nechtsausschuß und in den beiden Haushaltaus schüssen, die bekanntlich aus »je 21 Mitgliedern bestehen» haben die SPD. 7. die Nationalsozialisten, die Kommunisten und die vereinigten VolkSpartetler, Demokraten und Volks- nationalen je 8, die Wirtschaftspartei und die vereinigten Deutschnationalen und Landvolk je 2 Sitze, die vereinigten Bolksrechtpartetler und Christlich-sozialen einen Sitz. Im Prüfungsausschuß, der nur 17 Mitglieder umfaßt, haben die SPD. 6. die Nationalsozialisten, Kommunisten» Wirtschaftsparteiler, die vereinigten Volksparteiler, Demo kraten und Volksnationalen und die vereinigten Deutsch, nationalen und Landvolkpartetler je 2. die Bolksrechtpartetler und Christlich-sozialen einen Sitz. Wie wir erfahren, rechnet man in Landtagskreisen damit, daß der Landtag binnen kurzem, vielleicht schon am 24. Juli, in Ferien geht, nachdem er die Arbeitsbcschafsungsvor- läge verabschiedet haben wird. Der Haushaltplan, der eine mehrwöchige eingehende Ausschußberatung erfordert, kann jetzt wohl kaum in Angriff genommen werden. Vielleicht wird man noch einen zweiten Versuch machen, einen Minister präsidenten zu wählen. Ende September oder Anfang Oktober dürfte der Landtag wieder zusammentreten, um dann seine eigentliche Arbeit zu beginnen. Endgültige Ent scheidungen sind in der nächsten Woche zu erwarten. Weber als Präst-entschattSkan-l-at Wie wir erfahren, wirb der frühere Finanzminister Weber einen Versuch zur Kabinettsbildung erst dann unter nehmen, wenn die Deutschnationalen auf die Kandidatur Krug v. Nidda verzichtet haben werden. Weber dürfte sich dann mit den Demokraten und den Volks nationalen in Verbindung setzen, wird aber, da auch er ein Kabinett mit den Nationalsozialisten zusammen bilden will, keinen Erfolg haben. Die Nationalsozialisten deuten an, daß sie im Falle des Scheiterns eines Ncchtskabinetts den Landtag abermals auflöscn wollen. Diesmal werden sie allerdings kaum eine Mehrheit dafür erlangen, denn die Sozialdemokratie wird sich einer zweiten Auflösung wahrscheinlich «übersetzen. Offenbar im Zusammenhang mit dieser Auflösungsdrohung steht die volksparteiliche Anfrage an die Negierung, welche Kosten die letzte Landtagswahl Staat und Gemeinden verursacht habe. Baiirische Staatsanleihe von IM Milt, gevtant München, 16. Juli. Der bayrische Finanzminister hat aus Grund eines Beschlusses des Staatsministeriums dem Land tage einen Antrag auf Ermächtigung zur Annahme einer Staatsanleihe bis zum Betrage von 126 Millionen Reichs mark zugehen lassen, die dazu dienen soll, kurzfristige Schuld verpflichtungen des Staates in Höhe von 84 Millionen Reichs mark (20 Millionen Dollar) in eine langfristige Schuld umzuwandeln. „Sros zrvmltn" aat der zweiten Nordtandtahrt Friedrichshafen, 16. Juli. „Graf Zeppelin" ist heute vor- mittag 7,14 Uhr unter Führung von Kapitän Lehmann zu seiner zweiten Nordlandfahrt aufgestiegen. Die Fahrt wird SO bis 60 Stunden dauern. Das L»rstschtfs wirb tm Laufe deS Freitags zurückerwartet. An Bord befinden sich 22 Passagiere, darunter General Nobile und der spanische General H e r r e r o. Das Luftschiff passierte 9.20 Uhr in schneller Fahrt nord- nordöstlich Nürnberg. Es hat somit eine nordöstliche Rich tung gewählt, während es bet der ersten Nordlandfahrt direkt Nordwest gesteuert mar. Das Wetter ist kühl, der Himmel bewölkt. „Graf Zeppelin" überflog um 11,46 Uhr mit nördlichem Kurs Eisleben. Dauerflug Reuyork-Viienos Aires Reuqork, 16. Juli. Der amerikanische Flieger Stlnson stieg um 1 Uhr MEZ. zu einem Dauerslug Neuyork—Buenos Aires auf. Der Flug ist insofern bemerkenswert, als der Flieger unterwegs mehrere Male in der Luft Brenn st o s s von anderen Flugzeugen übernehmen will. Das L8. Kin- in Lübeck gestorben Lübeck, 16. Juli. Bon den mit dem Tuberkulosepräparat gefütterten und erkrankten Säuglingen ist in der vergangenen Nacht wieder einer gestorben, so daß die Zahl der Toten auf 68 gestiegen ist. Krank sind noch 61, gebessert 78, gesund bzw. in ärztlicher Beobachtung sind 69 Kinder. Der Fall Dassanefi Italien beschuldigt die Schweiz Basel, 16. Juli. Nach einer Meldung der „National- zcitung" hat die italienische Regierung bet dem schweizerischen Gesandten in Rom wegen der Tatsache, daß der Flieger Bassanesi i„ Tessin aufgestiegcn ist, in sehr scharfen Worten Protest erhoben. Der Mangel an Aufmerksam- keit der schweizerischen Polizei habe den saschistenfetnbltche» Propagandaslug ermöglicht Verlesung -es Stahlhelmkonflikts? Die Vun-essuhrer beim preußischen Snnenminifter vraklrnalcknng nnooror SorUoor Svbrlltlallnng Berlin, 16. Juli. Der preußische Innenminister, Dr. Waenttg, hat die Bundesfllhrung des Stahlhelms ein- gelaüen, sich zu Besprechungen über die Möglichkeit der Aus hebung des StahlhelmvcrbotS tm Rheinland und Westfalen bei ihm einzufinden. Die vnndesführer des Stahlhelms weilen, dieser Ein, ladung entsprechend, znr Zeit im preußische« Innen ministerium. Es ist damit zu rechnen, daß das Stahlhelm verbot noch im Lanse des heutigen Abends aufgehoben wird. Damit würbe, wenn auch reichlich spät, der Wunsch des Reichs präsidenten erfüllt sein. Den Briefwechsel und die damit verknüpfte Niederlage hätte sich der preußische Minister präsident sparen können, wenn er es für richtiger erachtet hätte, den seit langem geäußerten Wünschen des Reichs präsidenten zu entsprechen. Außerdem legt der Reichspräsident Wert aus folgende Feststellungen: ES ist falsch, wenn in der Oeffentlichkeit der Eindruck ent standen ist, daß Hindenburg erst jetzt Preußen habe wissen lassen, er würde nicht ins Rheinland reisen, falls das Stahl helmverbot nicht aufgehoben würde. Ueber diese Anschauung -es Reichspräsidenten sind vielmehr sämtliche zuständigen Stellen seit laügent unterrichtet gewesen. Zweitens dementiert der Reichspräsident die vielfach in der Presse erschienenen Nachrichten» daß bei seinem Briefe auch politische Motive mitgespielt hätten. Der preußische Minister präsident Braun, der bekanntlich gestern noch behauptet hat, es wäre ihm nicht bekannt gewesen, daß für Hindenburg die Aufhebung des Stahlhelmvcrbotcs eine Voraussetzung für seine Reise ins Rheinland gewesen wäre, zieht sich jetzt auf die Feststellung zurück, daß ihm amtlich davon nichts bekannt geworben sei. Im übrigen stellt sich jetzt auch heraus, daß sowohl der Reichskanzler als auch der Retchstnnenminister von der Angelegenheit «enntnts gehabt habe« »nt, auch von dem Briese wußten. Schließlich wird festgestellt, daß der von demokratischer Seite erhobene Vorwurf, der Reichspräsident habe gegen die Verfassung verstoßen, weil er sein Schreiben an Braun nicht habe vom Reichskanzler gegenzeichnen lassen, hinfällig ist. Artikel 60 der Reichsver- sassung sieht eine Gegenzeichnung durch den Reichskanzler nur dann vor, wenn es sich um Verfügungen und An ordnungen handelt. Der Brief an den preußischen Ministerpräsidenten Braun enthielt weder das eine, noch das andere. — Die Führung der aufgelösten Stahlhclmgruppe« richtete an den Reichspräsidenten das folgende Telegramm: „Euer Exzellenz bitte ich im Namen der nationalen Front soldatenbewegung vom Industriegebiet und Rheinland auf richtigen und ehrerbietigsten Dank für das Ein- treten für unsere gerechte Sache und für die den Frontsoldaten bewiesene Treue aussprechen zu dürfen. Ungezählte deutsche Männer weit Uber unsere Reihen hinaus stehen hinter Euer Exzellenz in dem Kampf um eine von Parteihcrrschaft un abhängige Staatsführung. Dank und Gelöbnis hoffen wir Euer Exzellenz in Mainz aussprechen zu können. Gez. Mahnken." SIMaSurgS MsaMlesnmm an «eblenz Koblenz, 16. Juli. Reichspräsident von Hindenburg hat an den Oberbürgermeister der Stadt Koblenz folgendes Tele gramm gerichtet: „Zu meinem lebhaften Bedauern muß ich aus den Gründen, die in meinem heute veröffentlichten Schreiben an den preußischen Ministerpräsidenten dargclcgt sind, auf meinen geplanten Besuch Ihrer Stadt einstweilen verzichten. Ich hoffe aber, daß die Gründe, die mich zu dicker Maßnahme zwingen, bald behoben werden und ich später den Besuch bei Ihnen nachholen kann." — Gleichzeitig ist ein Telegramm des Reichspräsidenten ähnlichen Inhalts beim Vberpräsidtnm eiugegange».