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WMMhMW Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich AtMts-AMtzer fir HohuLsrf, KNiitz, Kenisdorf, Kisdorf, ASM», Heimihssrt, Mirititt i. Mßlfk«. Amtsblatt für' de« Stadtrat W Lichtenstein. ». AB - IsHrgLNA. .»E, > Rr. 55. Mittwoch, oeN 6, März -M95. MtstS Blatt erscheint täglich (außer Sonn« AR- KestiagS) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer IS Pfennige. « lÄchellungkn nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaisers. Postimstalten, Postboten, fowie oic Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalt« Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. LÄgeSgeschich«L. * — Lichtenstein, 5. Mürz. Das gestrige erste Gesamtgastspiel der Freiberger Theater-Gesell schaft (Dir. E. Hannemann) im Goldenen Helm brachte uns den komischen Schwank „Charleys Tante". Dieses überall günst-g beurteilte und viele Wieder holungen erlebte Stück erntete natürlich auch hier den größten Beifall der zahlreichen Theaterbesucher, waren doch die sämtlichen Rollen in den besten Händen und jeder Mitspielende trug an seinem Teile zum Gelingen des Ganzen wesentlich bei. Nächsten Frei tag wird Herr Dir. Hannemann das zweite Gast spiel veranstalten und dabei wird „Lolos Vater", Volksstück in 4 Akten von L'Arronge zur Auffüh rungen kommen. Ta die L'Arrcmgen Stücke bei den Theaterfreunden zu den besten Bühnenwerken zählen, jo darf man wohl einen zahlreichen Besuch erwarten. * — Nächsten Sonntag findet, wie aus dem In seratenteil ersichtlich, im Goldenen Helm hier großes Concert und Kunstradfahren von den besten Kunst fahrern statt. Ueber das Auftreten dieser Kunst fahrer wird aus dem Zwönitzthal geschrieben: „Es war ein Solo-Kunstfahren in der Thut, die schwie rigsten Wendungen und Drehungen wurden aus dem Stahlrosse mit einer Eleganz und Sicherheit ausge führt. Hieran schloß sich Terzett-Kunstfahren, welches Wohl eine der schönsten Nummern des Programms war. Dann folgte „das fahrende Reck". Hier hatte besonders der gewandte Turner Gelegenheit seine Künste zu zeigen. Ins Auge fallend waren beson ders die schönen, fast bei jeder Vorführung wech selnden verschiedenen Kostüme der Kunstfahrer. * -— L- Callnberg , 5. März. Heute früh gegen i/s4 Uhr wurden die Bewohner hiesiger Stadt durch Feuersignals aus dem Schlafe geweckt. In einem Hause der Marktstraße war auf bis jetzt noch unaufgeklärte Weife ein Schadenfeuer ausgebrochen. Dasselbe verbreitete sich rasch auf sämtliche angren zenden Gebäude und binnen kurzer Zeit waren fünf Häuser von dem entfesselten Element erfaßt. Von 2 Häusern hatte man, um dem Umsichgreifen des Feuers Einhalt zu thun, die Dächer abgerissen, aber auch sie fielen später dec Macht des Feuers zum Opfer. Ungefähr 23 Familien mit insgesamt einigen achtzig Personen sind durch dieses Brandunglück obdachslos geworden. Ein großer Teil von den be troffenen Familien hat nicht versichert. Welcher Kummer und welches Herzeleid über die Heimge suchten hereingebrocheu, läßt sich wohl von selbst ermessen. Manch' mühsam gegründete Existenz ist vernichtet und thränenden Auges stehen die Schwer geprüften an der Schwelle ihrer einstigen Habe. Mit anerkennenswerterAufopferung nahmen dieFeuer- wehren von Callnberg, Lichtenstein und Rödlitz den Kampf mit dem Feuer auf, aber leider war es nicht möglich, dasselbe auf seinen Entstehungsherd zu be schränken, denn dis herrschende Kälte hemmte die Löscharb-iten ganz bedeutend. Immerhin haben die Wehrleute gethan, was Menschenhände überhaupt zu thun im Stande sind. Hoffentlich beherzigen edle Menschenfreunde den Kalamitosen gegenüber die schönen Worte: „Wohlzuthun und mitzu - teilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl!" — Die Besitzer von Gärten und Fruchtbäumen haben die letzteren und die denselben zunächst befind lichen Gebäude und Mauern von Raupen-Nestern und Schmetterlingseiern und Puppen zu reinigen. Bei diesem Abraupen sind jedoch diejenigen gelblichen und weißen Gespinnste, welche einzeln etwa die halbe Größe eines Roggenkorns haben und sich in läng lichen Häufchen an Bäumen und Mauern befinden, zu schonen, da diese nicht Schmetterlingseier, sondern die Puppen der kleinen Schlupfwespen enthalten, welche letzteren ein natürliches Vertilgungsmittel der Raupen sind. — Ueber keine Frage wird in den mit Kindern geseg neten Familien jetzt mehr debattiert, als über die: Was soll der Junge werden? Und was wird nun mit unserer Konfirmandin? Denn Ostern, der Wendepunkt im Leben vieler, ist nahe. Für Lebensglück und Sicherung, für sittliche Vervollkommnung nicht minder ist die richtige Berufs wahl entscheidend. Manche Stimmung der Jugendzeit bleibt gewiß bestehen, manche aber nicht; namentlich die äußerlichen, auf Essen, Trinken, Tracht und Pracht begründeten, sind sehr oft gewichen, nachdem die Vernunft in den jungen Köpfen zur Herrschaft gelangt ist. Köche, Konditoren, Bäcker, Fleischer, Soldaten, Bereiter ec. wollen dann viele nicht mehr werden. In keinem Falle ist der betr. Jugend die Berufs wahl allein zu überlassen; es würde — auch bei den Mäd chen, wo die Lust zur Unabhängigkeit bald auftritt — när risches Zeug herauskommen. Das Richtigste ist, die Eltern prüfen mit den Erziehern die Kräfte des Heranwachsenden Menschen, erwägen die sich darbietenden günstigen Möglich keiten, Ort und Kosten der Lehrzeit, Rentabilität des Berufs und suchen darauf fußend in den jungen Leuten zu wirken. Die zahlreichen Lockungen und Winke oft ganz einsichtsloser Leute sind abzuweiseu, umsomehr, als der Dumme stets äußerst freigebig mit gutem Rate ist. Der große Haufe und thörichte Camaraderie wirkten da oft schon sehr nachteilig. Das Beste ist, wenn eigene Neigung, Elternwunsch und Censuren auf ein bestimmtes, gemeinsames Ziel lo-steuern. Der Erzieher belehre vorkehrend über künftige Lebensverhält nisse, und der Vater lasse sich nie das Recht schmälern, über die Zukunft seiner Kinder zu bestimmen. — Totale Mondfinsternis. In der Nacht vom 10 auf den 11. März findet eine totale Mond finsternis statt, die fast während ihrer ganzen Dauer sichtbar sein wird. Der Verlauf ist folgender: Um 2 Uhr 53,5 Minuten berührt der Mond den Erd schatten, um 3 Uhr 51.4 Minuten ist er total ver finstert, um 4 Uhr 39,3 Minuten ist die Mitte der Finsternis, um 5 Uhr 27,1 Minuten das Ende der Totalität. — Ein großer Bauschwindel, bei dem Zwickauer Handwerker, ein Glaser u. s. w. über 30000 M. verlieren, ist jetzt daselbst Tagesgespräch. Ein dor tiger Grundstücksbesitzer verkaufte zu hohem Preise Grundstücke an einen Dresdner Baumeister und sicherte sich seine Kaufgelder durch erste Hypothek auf den Grundstücken. Der Dresdner wurde insolvent und die dortigen Lieferanten u. s. w-, außer dem Grundstücks Verkäufer, haben das Nachsehen. — Waldenburg, 4. März. Ihre Durch laucht Frau Prinzessin Georg von Schönburg-Wal denburg ist am Sonnabend von Gera kommend auf dem hiesigen Fürstlichen Schlosse eingetroffen. Gestern Sonntag reiste Se. Durchlaucht Prinz Georg mit Gemahlin von hier zum Besuch Ihrer Durchlaucht der Frau Fürstin Pamela von Schönburg-Walden burg nach Schloß Pomßen ab. — Oelsn ! tzi. E., 3. März. Vergangenen Sonnabend, kurz nach 8 Uhr morgens, verunglückte auf einem hiesigen Steinkohlenwerke der 58jährige Tagarbeiter Reißmann dadurch, daß er beim Oeffuen eines Huntes über die 5fls Meter hohe Brücke auf der Halde herabstürzte. Der herbeigerufene Arzt konnte nur den bereits eingetrctenen Tod fcststellen. — Eine 65jährige Witwe, die in Plauen i. V. ein ganz einträgliches Geschäft als „Eiersetzerin" (Wahrsagerin) betrieb, hat die Dummheit einer Reihe von Mädchen auch noch in der Weise auszubeuten verstanden, daß sie dm Mädchen glauben machte, sie könne die ihnen untreu gewordenen Liebsten wieder fesseln. Die Mädchen haben der Betrügerin dafür ganz namhafte Beträge gezahlt. Eine Fabrikarbeiterin ist dadurch allein um 105 Mk. (!) von der Schwind lerin gebracht worden. Z Hamburg, 4. März. Heute vormittag fand eine Kollision zwischen dem Hamburger Dampfer „Berlin", von Goole, und der Dampferbrücke in Sankt Pauli statt. Die Dampferbrücke wurde zer trümmert. Der Schaden ist ein bedeutender. Das Publikum blieb unverletzt. Z Hamburg, 1. März. In Sachen des hier io Haft genommenen Raubmörders Eduard E-pel ist heute mitzuteilen, daß auch der in Spitalerstraße hierselbst wohnende Küper Fränkel, die Händler Steif und Stockmann unter der Beschuldigung der Hehlerei in Haft genommen worden sind. — Heute vormittag kurz nach 7 Uhr wurde das in der Hansaftraße be dienstete Mädchen Anna Sandström, als es einen Ascheimer vor die Thür stellte, von einem Unbe kannten überfallen. Er versuchte ihr das Porte monnaie zu entreißen und versetzte ihr dabei mit einem stampfen Instrument mehrere wuchtige Schläge über den Kopf. Die Sandström brach blutend und be- wußlos zusammen, das Portemonnaie hatte sie krampf haft festgehalten. Als mehrere Personen herbeieilten, entfloh der Wegelagerer und entkam. Das unglück liche Mädchen, dem die Schädsldecke zertrümmert ist, wurde ins Hospital geschafft. Die Schläge scheinen mit einem sogenannten Hackmesser ausgeführt zu sein. Von dem Thäter fehlt jede Spur. Z Lübeck, 4. März. Vom Hamburger Nacht- schnellzuge entgleisten kurz vor der Einfahrt in den hiesigen Bahnhof drei Wagen, einer davon siel um. 40 Insassen erhielten zum Teil sehr schwere Verletz ungen ein Passagier wurde tätlich verwundet. K Posen, 4. März. Bei einer Uebung der 6. Kompanie des 47. Infanterie-Regiments entlud sich das Gewehr eines im zweiten Miede stehenden Mannes. Die Ladung der Platzpatrone traf einen im ersten Gliebe stehenden Gefährten, sodaß das Holzgeschoß ihm in das Genick drang. Der Schwer verletzte wurde sofort in das Garnison«Lazaret über geführt, wo er bald darauf verstarb. Z Ueber die Zunahme der Sozialdemokratie im Wahlkreise Eschwege-Schmalkalden schreibt der in Schmalkalden erscheinende „Thüring. Haus freund" : „Daß die sozialdemokratische Stimmenzahl riesig gewachsen ist, kann nicht wunder nehmen. Hier zeigt sich klar und deutlich, daß unsere gegenwärtigen Zustände keineswegs erfreulicher Natur sind, und daß die ungünstige Geschäftslage immer weitere Kreise in das Lager der Unzufriedenheit treibt. Nicht weniger als 1562 Stimmen hat die Sozialdemokratie neu erobert, und zwar ausschließlich in den Kreisen Esch- wege und Witzenhausen. Daß es sich hier am we nigsten um überzeugte Sozialdemokraten handelt, ist sonnenklar. Wir leben in einer Zeit der allgemeinen Unzufriedenheit, und zahlreiche Wähler geben bei der Wahl ihrem Unmut dadurch Ausdruck, daß sie ihre Stimmen demjenigen Kandidaten geben, welcher der Regierung am wenigsten genehm ist. Die Regierung könnte aus dieser Wahl viel lernen, wenn sie es wollte." Z Folgender Briefwechsel wird jetzt in Braun schweig veröffentlicht: „An die Direktion des Her zoglichen Museums. In der gestern stattgehabten Sitzung des unterzeichneten Vereins wurde vorgetragen, daß unerwachsene Kinder beim Anblick der im Her zoglichen Museum in den Sälen der Antike aufge stellten Kunstwerke die unzüchtigsten Reden führen. Wir bitten deshalb ganz ergebenst, jungen Leuten unter 16 Jahren den Eintritt in das Museum ent weder, wie in der Münchener Glyptothek, überhaupt nicht oder nur in Begleitung Erwachsener zu gestatten. Braunschweig, den 20. Oktober 1894. Der Verein zur Bekämpfung der öffentlichen Sittenlosigkeit, gez. Kraus, Schriftführer." — „An den Verein zur Bekämpfung der öffentlichen Sittenlosigkeit, zu Hän den des Schriftführers Herrn Pastor Kraus hier selbst. Die unterzeichnete Direktion erwidert auf die Eingabe vom 20. d. M., daß die Behauptung, wo nach „unerwachsene Kinder beim Anblick der im Herzoglichen Museum in den Sälen der Antike auf gestellten Kunstwerke die unzüchtigsten Reden führten", ohne Beweis gelassen ist und bestritten werden muß, da hier memals irgend eine auch nur im Geringsten unzüchtige Rede von Besuchern der Gypssammlung vernommen worden ist. Sollte aber dennoch Der artiges wirklich vereinzelt vorgekommen sein, so könnte es nur von sittlich verwahrlosten Kindern ge schehen sein, denn die fraglichen Kunstwerke in ihrer hohen natürlichen Keuschheit und strengen Schönheit können nun und nimmermehr unverdorbenen Gemütern Anreiz zu unMhtigen Reden bieten. Es liegt sonach keinerlei Anlaß vor, der gestellten Bitte zu entsprechen.