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wöchentliches Mterhaltuugs-und Herausgegebev Sten Jahrgangs Jntelligknzhlatt. fürs Jahr r8i4- s i stes Stück, 1. ,o„ Sonnabends, den 2 §. Iuny. Sie sind reich und brauchen keinen Segen. Eine wahre Geschichte. An der Wetterau lebte vor ungefähr dreyßig Jahren eine reiche Bauerswittwe, welche nur riiien Sohn hatte, der ihr Liebling war, und dem sie alles, was er sich nur erlaubte, nach- sah, und weil sie selbst keine Erziehung hatte, ihm auch keine zu geben wußte. Außer der gewöhnlichen Dorfschule hatte er keine Gele genheit, sich fürs Bessere zu bilden, uyd cs entstand in ihm frühe der Gedanke, der auch Lurch seine Mutter sowohl, wie durch viele Schmeichler, die Genuß im Hause hatte«, ge nährt wurde: „Du bist reich, was brauchst du also viel zu lernen, statt daß du dich in die Welt und Menschen schicken mußt, müs sen sich diese vielmehr nach dir bequemen." Diese unglückliche Meinung von sich, seinem Vermögen, und der Entbehrlichkeit des Ar beitens und eines «mpfthlenden Betragens wuchs mit ihm auf, und er wurde im eigent lichen Sinn ein Tölpel und ein wahrer Tau genichts. Als er in di« männlichen Jahre kam, schien es seiner Mutter wohlgethan zn seyn, ihm ein eben so reiches Mädchen zur Frau anszusuchen, das, wie in der dortigen Gegend der Ausdruck häufig im Gange ist, seines Gleiche» Ware, das heißt, eben so viel oder wohl noch mehrere Güter, wie ihr Sohn habe. Daß sie gut erzogen, Sinn für Wirth- schaft und häusliche Beschäftigung habe, schien weder ihr, noch ihrem Sohne nöthig. Das werde sich am Ende alles von selbst ge ben , glaubte sie, und ihr Sohn hatte mit Trinkgelagen, unter stets bereitwilligen Zech brüdern so viel zu thnn, daß er an ernste Ue- berlegungen für die Zukunft gar nicht denken kounte. Mu» mußte sichs auch gerade fügen, daß im Dorfe ein Mädchen war, wie sichs die Mutter als schicklich dachte, einzige Er bin eines ansehnlichen Vermögens, aber eben so unwissend, eben so verzogen und verhüt-