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Dienstag. Nr. 55. 19. Juli 1870. K Weißerih-Zeitung-M lostanstalten. b Pfg. Amts- Ulld Mtigt-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter vnd Stndträthe z« Dippoldiswalde und /rauenflei». Verantwortlicher Vedarteur: Larl Äehne in Vippoldirwalde. Der Krieg. Viel schneller, als man glauben konnte, hat die Situation ein kriegerisches Aussehen angenommen; es sind vielleicht nur noch wenige Tage, welche uns von der Eröffnung der Feindseligkeiten trennen. Nie mand in Deutschland, ja in Europa, zweifelt mehr daran, daß die französische Regierung auf jeden Fall einen Krieg mit Preußen suchte, und da durch die Ver zichtleistung des Prinzen von Hohenzollern auf die spanische Krone der Grund zu einem solchen wegfiel, wird durch den französischen Botschafter Benedetti die Forderung gestellt: Der König von Preußen solle sich für alle Zeiten verpflichten, niemals wieder seine Zu stimmung zu geben, wenn die Hohenzollern wieder auf ihre Candidatur zurückkommen sollten! Der König hat die einzige Antwort ertheilt, welche der Lage ent sprechend war: er Hal Benedetti nicht weiter empfangen, sondern ihm durch den Adjutanten sagen lassen, „daß er dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe." Als am 14. Juli diese Tags vorher gegebene Antwort bekannt wurde, war die Genugthuung eine allgemeine, die man über diese Abfertigung französischer Anmaßungen empfand. Es ist nun darauf (wie wir unfern Lesern durch ein am Sonnabend Vormittag ausgegebenes Extrablatt bereits mitgetheilt haben) die Kriegserklärung von Frankreich aus erfolgt. Wir stehen also vor einem Befreiungskriege, zwar nicht von schon vollzogener, aber von drohender Unterdrückung und Erniedrigung durch Frankreich, vor einem Kriege, der endlich dem ganzen Europa Ruhe schaffen soll vor dem nie ruhenden Uebermuthe Frankreichs. Der Erfolg dieses Krieges steht allerdings in Gottes Hand; Deutschland kann in demselben geschlagen, nicht aber besiegt werden, und es wird nur einen siegreichen Frieden schließen, durch den reelle Garantieen geschaffen werden, daß Frank reich nicht länger die Ruhe Europa's störe. Man wird einst von diesem Kriege sagen, daß nie eine gerechtere -Bache von einem Volke vertheidigt worden sei! Man wird aber auch hinzuzufügen haben: nie hat ein Volk tapferer gekämpft. Daß bei einem abzuschließenden Frieden nicht wieder „die Federn verderben, waS die Schwerter gut gemacht," wie leider 1815, dafür bürgen die Persönlichkeiten Derer, die ihn abschließen werden, sowie der Umstand, daß diesmal Deutschland als Eine Macht und als Ein Wille in die Verhandlungen ein treten wird. Und unsere Lage ist in vieler Beziehung günstig. Das kriegStüchtige und starke Heer hat ausgezeichnete Feldherren; an großen Staatsmännern fehlt es durch aus nicht; aber die nationale Gesinnung, die z. B. 1813 erst aus dem tiefen Druck und aus den Anfeuerungen einzelner Geister hervoraehen mußte, ist jetzt seit lange in weiten Kreisen des Volkes entwickelt. Wohlthuend für das deutsche BaterlandSgefühl ist die Einmüthigkeit, mit welcher dem entschiedenen Auftreten des BundeS-OberhaupteS, der französische« Anmaßung gegenüber, Anerkennung gezollt wird; — selbst sämmtliche englische Blätter aller Parteien nehmen auf das Allerentschiedenste die Partei Preußens; sie verdammen das herausfordernde und insultirende Be nehmen der französischen Regierung und messen dieser allein die Schuld an dem Kriege bei. Ta gesgefchichte. Dippoldiswalde, 18. Juli. Selbstverständlich hat auch bei uns die plötzliche Verfinsterung des politischen Himmels keine geringe Aufregung hervor gerufen; die Nachricht von der Unvermeidlichkeit des Krieges und die damit nothwendig auch für Jedermann verbundenen Nachtheile: die Einberufung theurer Familien glieder, die Entziehung der namentlich in der Ernte so nothwendigen Arbeitskräfte, die Stockung im Handel und Wandel, ohne alle die unmittelbaren Schrecknisse und Leiden des Krieges, ergreift natürlich Alle und ruft eine nur zu gerechte Entrüstung wach gegen Die jenigen, durch deren frech herausfordernde Haltung Deutschland entweder schmählich wieder in den Zustand verachtungswürdiger Unterwürfigkeit gegen den über- müthigen Nachbar gebracht, oder eben in einen Krieg um jeden Preis verwickelt werden soll. Giebt es auch bei uns, wie überall, noch Gleichgültige, so hoffen wir doch, daß auch bei ihnen noch so viel patriotischer, deutscher Sinn zum Durchbruch kommen werde, daß sie die würdige, gemäßigte, aber auch nun entschiedene Haltung anerkennen, welche der norddeutsche Bund unter Preußens Führung den frivolen Gelüsten der Franzosen gegenüber behauptet, eines Nachbars, dessen nie unterdrückten Gelüsten nach der ersten Violine im europäischen Concert, dessen Eifersucht auf das allmäh liche Erheben und Erstarken Deutschlands wir es allein zu verdanken haben, daß Handel und Wandel immer noch, wie unter einem Alpdrücke, nicht zu recht fröh lichem Aufschwünge gelangen und an Abrüstungen immer noch nicht gedacht werden konnte. Diesem Zustande soll ein herzhafter Krieg denn nun ein Ende machen und in diesem Sinne halten wir denselben für ein leider noth wendiges Uebel zur endlichen Ge winnung einer klar ausgesprochenen Lage und Stellung, wie sie unserm theuern deutschen Vaterlande in Europa gebührt.