Volltext Seite (XML)
D W Feierabend Airterhaltrrirgs-Beilage der Sächsischen Volkszeitnng Nr. 44 Sonntag den 2. November MS 25. Sonntag nach Pfingsten Evangeliums Ter Sturm auf dem Meere. Mctthäus 8, 23—27. Unsere Kranken. (Fortsetzung.) Stellen wir nun einige freundlichere Betrachtungen an! Befragen wir das gefühlvollste Herz, das hl. Herz Jesu, welche Vorstellungen wir uns von einem Kranken machen sollen und von der Pflicht, welche uns obliegt, ihn zu besuchen. Was hören wir da? Wie. nennt Jesus den Kranken? Erinnert er uns daran, daß der Kranke ein Christ ist, der Miterbe ewiger Seligkeit? Nennt er ihn seinen Freund, seinen Bruder? O nein, das alles ist seinem Her zen nicht genug: O freuet euch, mitleidige Seelen; zittert, ihr unerbittlichen Herzen! Er nennt ihn einen andern Jesus, einen andern wie sich selbst. An jenem großen Tage, an dem die Geschlechter versammelt sind zur Rechen schaft, da wird er zu den vor seiner Rechten Versammelten sagen: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, kommt und seid glücklich mit mir^ Denn ich war krank und ihr habt mich besucht." Wie, mein Erlöser, war es nicht eine ver lassene Witwe, ein armer Bedrängter, den wir heimgesucht haben? Nein, Ich, euer Erlöser und jetzt euer Richter, ich war es. Es war mein mattes Haupt, das ihr an eurem Herzen ausruhen ließet. Es war meine Stirn, von der ihr den kalten Todesschweiß abtrocknetet. So kommt denn und nehmt auch jetzt teil an meiner seligen Herrlichkeit. Ich war krank und ihr habt mich besucht. Wenn man uns sagte, Jesus sei abermals in der Schwäche der Menschheit auf der Erde erschienen; wenn man uns sagte, in diesem Augenblicke liege er in irgend einem entfernten Hause krank und hilflos; und wenn man uns sagte, er schicke jetzt zu uns, um zu sehen, ob er denn von allen seinen Kindern verlassen sei; wenn das geschähe, wür den wir wohl einen Augenblick zaudern? Aber, was ich hier sage, ist keine bloße Voraussetzung oder Annahme; die ewige Wahrheit, Jesus, der Sohn Gottes, selbst sagt cs: Ich war krank und ihr habt mich besucht. „Ich war krank." Hört ihr diesen Ruf, die ihr, hin gestreckt auf euer Schmerzenslager, seufzet? Ach, wenn ihr euch dieser Worte zuweilen erinnert, wenn ihr sie mit lebhafter Empfindung erwäget, mit welcher Geduld, mit welch unbegrenzter Ergebung werdet ihr die Mühselig keiten eurer Krankheit erdulden? „Ich stelle Jesum vor", würdet ihr sagen; ich bin für alle diejenigen, welche zu mir kommen, ein anderer Jesus; ich will also geduldig sein wie Jesus, gehorsam wie Jesus, gehorsam bis zum Tode. „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters!" Ach, wenn Jesus mit solchen Reichtümern diejenigen belohnt, welche in seinem Namen Kranke besucht haben, was wird er erst für die Kranken selbst tun, die aus Liebe zu ihm ihr Leiden mit Geduld tragen? „Ich war krank und ihr habt mich besucht." Was ist das für eine Ermunterung zu frommem Eifer für die Priester des Herrn, deren Beruf es ist, zu jeder Stunde an das Krankenlager zu eilen, wenn die Stimme eines Hilfs- und Heilbedürftigen an ihr Ohr tönt? „Ich war krank und ihr habt mich besucht." Muß es uns da nicht allen eine heilige Pflicht sein, uns auf jede Weise der Kranken anzunehmen? Wie tief verwundet es unser Herz, wenn wir Jesum betrachten, wie er, den ster- benden Blick zum Himmel gerichtet, unter dem Ausdruck des tiefsten Schmerzes ausruft: Mein Gott, mein Gott, auch du verlässest mich! Der himmlische Vater fand damals in seiner Gerechtigkeit Beweggründe, also zu handeln. Er tat es, damit er uns verschonen könnte. Aber wir, welchen Beweggrund, welche Entschuldigung können wir haben, Jesum zu verlassen, da er uns um seinen Beistand anfleht? Das Gesagte müßte Wohl imstande sein, uns allen Liebe gegen die Kranken einzuflößen. Doch ich kann noch Hinweisen auf die Hochschätzung und Verehrung, welche wir unwillkürlich denen entgegenbringen, die um Jesu Christi willen die Engel der Kranken geworden sind. Mt welcher Ehrfurcht, welcher Freude erfüllt es uns, wenn wir einen Barmherzigen Bruder, eine Barmherzige Schwester an daS Lager der Schmerzen treten und hier so himmlisch barm herzig ihr Leben hinopfern sehen. Aber noch mehr. In der Erklärung der Worte: Ich war krank usw. zeigt der HI. Augustinus geradezu. Sie die von uns besuchten Kranken ein Unterpfand unserer Seligkeit sind. Warum wohl? Gewiß deswegen, weil der Kranke, der außerdem dem Herzen Gottes so teuer ist, gern für seine Wohltäter betet. Niemand ist ja dankbarer als ein armer Kranker. Er ermüdet nicht, von der Gefällig keit zu reden, die man ihm erweist. Was wird er nun erst sagen und tun, wenn er einst bei Jesus sein wird, in dessen Namen wir ihm beigestanden haben? Er wird nicht auf hören zu beten, bis er auch seine Wohltäter wahrhaft glück lich, bis er sie im Himmel weiß und wiedersieht. Der Dienst und die Barmherzigkeit gegen die Kranken ist auch aus einem weiteren Grunde ein Unterpfand des eigenen Heiles. Siche, Krankenstube und Krankenbett, das sind gar beredte Kanzeln von der Hinfälligkeit jedes Erden gutes. Hier ist die blühende Jugend gleich einer hin welkenden Blume und die hochtrabendsten Pläne find wie ein im Nu zerstörtes Spinnengewebe. Hier vergeht der Uebermut wie ein zerfließender Dunst; hier gewinnt mau so recht die Ueberzeugung, wie notwendig es ist, sich vor der Zeit in den Abgrund der Ewigkeit zu vertiefen und in hei ligem Eifer für die unsterbliche Seele zu sorgen. Doch der letzte und höchste Grund, warum die Barm herzigkeit gegen die Kranken ein Unterpfand des ewigen Lebens ist, besteht darin, daß der liebe Gott für diese Teil nahme und Liebe die Gnade einer seligen Sterbestunde verleiht. „Ein hartes Herz," sagt die hl. Schrift, „wird in der Stunde des Todes sich übel befinden," und darum, er klärt der hl. Augustinus, wird ein Herz, das liebend für die Kranken schlägt, die besondere Gnade Gottes finden, und nach Anordnung der göttlichen Vorsehung mit Gott versöhnt und befreundet hienieden zu schlagen aufhören, um bei dem Vater der Seligkeit sein neues, herrliches Leben zu beginnen. Wir haben nun bettachtet, wie wir den Kranken unsere helfende Liebe und Teilnahme schenken sollen, weil sie viel leiden und in großer Gefahr schweben und weil sie uns