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717 LMKilU zu AWa ÄmtMÜNg Nk. 157. SU Nr. 131 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhaudlungen. (Fortsetzung der V7. Sitzung von Donnerstag, den S. Juni.) Abg. Böttcher (Kom.) (Fortsetzung): Aber trotzalledem sind wir genau wie in den Fragen der Lohnpolitik der Arbeiterschaft anch bei der Beamten schaft für eine menschenwürdige Bezahlung, die die Existenz der Beamten sicherstellt. Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt; er entspricht den Forderungen, die draußen bei oen Beamten bestehen Die Reichsregierung hat nunmehr gegen die Be soldungsvorlagen der sächsischen Regierung Einspruch erhoben und erkört, daß sie nicht gestattet, daß in den Besoldungsgruppen IV und zum Teil VI über die Leit sätze hinauSgegangeu und die Angleichung auf 30 Proz. erzielt würde. Ich wünschte nur, die Reichsregierung würde in anderen Fragen so energisch und schnell vor- gehen, wie in dieser Frage. Wir bemerken aber, daß auch die Vorlage der sächsischen Regierung uns voll ständig nnzugänglich ist, und daß wir mit ihr durchaus nicht einverstanden sind, sondern daß wir die Regelung nach unserem Anträge Nr. 819 durchgefühlt wissen wollen. Nach dein Schlußwort deS Berichterstatters Abg. Schnirch (Mchrh. der Soz.) wird der Antrag der Kom munisten Nr. 849 gegen wenige Stimmen abgelehnt und der Antrag dc§ Ausschusses einstimmig angenommen. Die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung werden nrit einander verbunden. 3. Erste Beratung über die Vorlage Nr. 133, belr. Bürgschaftsübernahme für ein au die Landessiedlungsgesellschaft „Sächsisches Heim" zu gewährendes Darlehen. 4. Zweite Beratung über den Antrag der Abgg. Schreiber, Pagcnstecher u. Gen., Gewährung eines Darlehens an die Landessiedlungs gesellschaft „Sächsisches Heim". (Druck sache Nr. 774.) — Mündlicher Bericht des Haus- haltausschusses (Drucksache Nr. 822). (Vgl. Landtagsbeilagc Nr. 149 S. 671.) Die Vorlage Nr. 133 lautet: Die Landtagsabgeordneten Schreiber, Pagenftecher und die Mitglieder der Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei haben nach der Landtagsdrucksache Nr. 774 den Antrag gestellt, die Regierung zu ersuchen, der LaudeSsiedlungsgescllschaft „Sächsisches Heim" unver züglich zum Zwecke der landwirtschaftlichen Siedlung, insbesondere der Beschaffung von Bauern-, Hand werker- und Gärtnerstcllen ein Dahrlehn bis zu einer Millwn Goldmark zu bewilligen. Die Landessiedlungsgesellschast hat sich mit demselben Gesuche direkt an das Finanzministerium gewendet und zur Begründung des Antrages darauf hingewiesen, daß die Bestrebungen, die auf dein ReichssicdlungSgesetze beruhende landwirtschaftsiche Siedlung in Sachsen in größerem Ausmaße zu fördern und dnrchzuführen, bis- her in der Regel an dem Mangel des für diese Zwecke notwendigen Kapitals hätten scheitern müssen. Dies gilt bei den besonderen sächsischen Verhältnissen vor nehmlich bei jeder Neusiedlung, so daß sichdicse hier im wesentlichen auf die Wiederherstellung gelegter Bauern güter beschränken muß. Neuerdings ist jedoch eine selten günstige Gelegenheit gegeben, einen wesentlichen Schritt auf diesem Gebiete zu tun. In Rödern bei Radeburg ist die Möglichkeit vor handen, ein Gut käuflich zu erwerben, dessen bisheriger Besitzer es in einem Umfange von rund 300 b» durch Zukauf von 11 kleineren Wirtschaften erst gebildet hat. DaS Gut und seine Gebäude sind in einem sehr guten Kultur- und baulichen Zustande. Da eS an sich in dem jetzigen Zustande wegen der übermäßig großen Anzahl von Gebäuden, die auf ihm stehen und der sehr zer streut liegenden Pläne als Gesamtwir schäft nicht ren tierlich ist, hat sich der Eigentümer ent chlossen, es auf zugeben. Es ist hier möglich, ohne we entliche bauliche Aufwendungen etwa 7 selbständige Bauernwirtschaften und außerdem etwa 5 Wohnheimstätten zu bilden. Das WirtfchaftSministerium hat sich durch eine Besich tigung des Gutes unter Zuziehung von Sachverständigen davon überzeugt, daß der Erwerb des Gutes und seine Anfteilung zu Siedlungszwecken vorn volkswirtschaftlichen Standpunkte au- zu empfehlen ist. Die Durchführung eines derartigen Siedlungsvor- Habens erfordert gewisse Beträge, zunächst einmal zur Begleichung deS Kaufpreises Im vorliegenden Falle kann nicht mit einen: größeren Restkaufgeld auf hypo thekarischer Grundlage gerechnet werden, weil der Eigentümer sich in Holstein neu ankaufen will und dazu selbst erhebliche Mittel benötigt. Im übrigen ist durch eine möglichst umfangreiche Begleichung des Kaufpreises in bar eine erhebliche Herabminderung zu erwarten. Außerdem sind noch die notwendigen Betriebsmittel für die Fortführung der Wirtschaft bis zur tatsächlichen Aufteilung an die Siedler, die immer hin einige Monate dauern kann, und die Kosten für die Durchführung der Aufteilung selbst sowie etwaige bauliche Veränderungen erforderlich. Die LandeS- siedlung-gesellschaft hat hiernach gebeten, ihr die Mög lichkeit der Aufnahme eines Darlehns vom Staate bis zur Höhe von einer Million Rentenmarl zu gewähren. DaS Finanzministerium hat zwar wiederholt vom finanziellen Standpunkte aus betont, daß die Siedlungs- frage hinter anderen zurzeit dringlicheren Staatsauf gaben zurückzustellen sei, in diesem besonderen Falle aber, in dem sich die Möglichkeit bietet, durch den Ankauf eines Gutes mehrere Familien anzusiedeln, der Landessied lungsgesellschaft anheimgegcben, mit der Sächsischen Staatsbank über die Aufnahme eines Darlehns für diesen Zweck zu verhandeln. Letztere hat sich unter der Vor aussetzung der Bürgschaft deS sächsischen Staates grund sätzlich bereit erklärt, einen Kredit, allerdings nur in der Höhe bis zu ungefähr 500 000 M., zu gewähren, und zwar auch nur auf die Dauer etwa eines halben Jahres in der Erwartung, daß auch eher schon Ab deckungen dieses Kredits stattsinden können. Über die Höhe deS Zinssatzes können im Hinblick darauf, daß zurzeit noch nicht feststeht, wann der Kredit in An spruch genommen werden muß, bestimmte Zusagen noch nicht gemacht werden; doch wird der Zinssatz dem Reichsbankdiskontsatze augepaßt sein, mit einem gewissen Zuschlag, der sich aus der jeweiligen Goidmarktlage er gibt, deic besonderen Verhältnissen dieser Arbeit aber Rechnung tragen wird. Der von der Landessiedlttugsgcfettjchaft versolgtc Plan ist als zweckmäßig und dringlich anzuerkennen. Tas Gesamtministerium bittet, zu genehmigen, daß der sächsische Staat die erwähnte Bürgschaft über nimmt. Als Berichterstatterin zu Punkt 4 erhält das Wort Abg. Frau Büttner (Mehrh. d. Soz.): Ter Aus schuß hat sich gegen zwei kommunistische Stimmen aus folgenden Antrag geeinigt: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung wird ermächtigt, der Sächsischen Staatsbank gegenüber die Bürgschaft des sächsischen Staates für ein der Landesfievlungsgesellschaft zu gewährendes Darlehen in Höhe von oOOOOO M. zu übernehmen. Dieser Antrag des Haushaltausschusfes hat sich gekreuzt mit der Vorlage Nr. 133 der Regierung, die genau dasselbe vorschlägt. Ich glaube, wir können beantragen, auch Vorlage Nr. 133 in Schlußberatung zu genehmigen, und ebenso über den Haushaltausschußantrag abstrmmen. Abg. Böttcher (Kom.): Wir erachten diese Vorlage und den Antrag nicht als eine Sicdluugsangelcgenheit, wir haben schon im Ausschüsse unsere Stellung dargelegt. Wir betrachten diese ganze Siedlungssache als ein Ge schenk an die Agrarier. (Sehr richtig! bei den Kom.) Tie Regierung benutzt ihre Mittel, um einige Bauern anzusiedeln, die wohl in der Lage wären, aus eigenen Mitteln eine solche Sache zu macken. Insbesondere nehmen wir dagegen Stellung, weil Sie heute rind in den Tagen vorher verhindert haben, daß den Bergar beitern, diesen wirklich notleidenden Kreisen der Bevöl kerung Sachsens, auch nur ein Pfennig zukommt, während sie denjenigen, die schon haben, neue Mittel in den Rachen stopfen. Hierauf wird die Vorlage Nr. 133 iu sofortiger Schlußberatung und der Antrag Nr. 822 gegen 4 kom munistische Stimmen angenommen. Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite Beratung über die Notverordnung vom 29. März 1924 (Vorlage Nr 128 unter 3- über Abänderung des Gesetzes über die Wahlen zu den Bezirksversammlungen, Bezirksaus schüssen und innerhalb dieser Körperschaften vom 5. Juli 1919 (GBBl. SI45) — GBl. S.213 —. (Mündlicher Bericht des Rechlsausschusses, Drucksache Nr. 835.) (Vgl. Landtagsbeilagc Nr. 148 S. 667.) Berichterstatter Abg. vr Hübschmann (Tisch. Bp ): Ter Rechtsausschuß hat die formalen Voraussetzungen für Erlaß der Notverordnung Nr. 3 geprüft und hat ihr Vorhandensein bejaht. Ter materielle Inhalt der Not verordnung ist sehr einfach. In Punkt 1 ist gesagt: Ter Bezirksverband kann durch Satzung die Zahl der Vertreter bis auf 20 herabsetzett. Der Bezirksverband Grimma hatte die Anreguag zu dieser Änderung des Gesetzes gegeben, und der Verband der Bezirksverbändc hatte diese Anregung unterstützt. Dieser letztere Verband wollte ursprünglich eine Herab- setzung auf 30 Mitglieder haben, die Regierung hat aber 20 als Mindestgrenze angenommen, weil die Spannung von 20:40 dem Verhältnis der Einwohnerzahl der Bezirksverbändc des Landes entspricht. Es ist den Gemeinden freigestellt, die Zahl ihrer Gemeindever ordneten zu bestimmen, und die Regierung war der Meinung, daß man dasselbe Recht auch den Bezirks- Versammlungen zugestehen müsse. Ein kommunistischer Vertreter betonte, daß die Aufgaben der Bezirksverbünde sich erweitert hätten und deshalb eine Herabsetzung nicht angezeigt sei. Es wurde dagegen einaewandt, daß ja kein Zwang auSgeübt werden solle, sondern in das freie Ermessen der Bezirksverbände gestellt sein solle, ob sic eine Herabsetzung eintreten lassen wollten oder nicht, von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, daß, wenn eine Stadt, die einen eigenen Wahlkreis bildet, aus dem Bezirksverband ausschcidct und die Zahl der Abgeord neten auf 40 festgesetzt ist, jcdeSmal eine Neufestsetzung der Wahlkreise und eine Neuwahl eintreten müsse. Da- vermeidet die Notverordnung. Beim Ausscheiden der Stadt vermindert sich die Zahl der Abge ordneten automatisch; sinkt sie nicht unter 20, so ist eine Neuwahl unnötig. Von kommunistischer Seite wurde schließlich noch zur Erwägung gestellt, ob man nicht auch bei den Bezirkstagsabgeordneten zur direkten Wahl kommen sollte. Der RcchtSausschuß beantragt, die Notverordnung zu genehmigen. Abg. Siewert (Kom.): Wir haben gleich zu all den Notverordnungen, die hellte zur Beratung stehen, einiges zu sagen, und damit wird sich unsere Stellungnahme zu den Punkten 5, 6, 7 und 8 erledigen. Wir werden gegen diese Notverordnungen stimmen, weil erstens sestgestellt werden muß, daß unseres Erachtens die Regierung kein Recht dazu hatte, diese Notverordnungen herauszugeben. Bewußt, absichtlich, wir möchten fast sagen in genauester Überlegung hat man den Landtag nach Hause geschickt, um ohne den Landtag Notver ordnungen zu verfügen, die nicht im Interesse der Arbeiterklasse liegen. Wir müssen feststellen, daß beim Studium der Notverordnungen jedermann zu der Überzeugung kommt, daß fast alle diese Notverordnungen ausschließlich im Interesse der besitzenden Klasse erlassen worden sind. Vor allen Dingen handelt es sich da um die Notverordnung unter Punkt 7 der heutigen Tages ordnung, in welcher die Mietzinssteuer verfügt wird, die eine einseitige Belastung der Arbeiterschaft, der Wohnungsmieter darsteUt. Diese Notverordnungen im einzelnen heute einer Kritik zu unterziehen erübrigt sic'', weil das bereits mein Parteifreund in der letzten Sitzung getan hat. Wir werden gegen die Not verordnungen unter Punkte 5, 6 und 8 der Tages ordnung stimmen und uns bei Punkt 7 für den Min- dcrheitsantrag Arzt entscheiden. Ter Antrag des Ausschusses wird gegen 2 Simmen der Kommunisten angenommen. Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite Beratung über die Notverordnung vom 12. April 1924 (Nr. 9 der Vor lage Nr. 128), betr. die Aufbringung des Geldbedarfs der Handels- und Gewerbekammern — GBl. S. 263 —. «Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses, Drucksache Nr. 836.) Berichterstatter Abg. Verger (Ttschnat.): Tie Not- verordnungNr.S, Vorlage Nr. 128, betrifft die Aufbringung des Geldbedarfs der Handels- und Gewerbekammern. Sie ist aus der Rot der Zeit heraus geboren. Durch den Währungsverfall war es einfach nicht möglich, das; die Handels- und Gewerbckammern ihre Aufgaben er füllen konnten, insbesondere deshalb nicht, »veil diese Institutionen finanzielle Aufwendungen für Einrichtungen und Anstalten zu machen hatten, ganz oder teilweise, aber bis zum Erlaß eines Gesetzes nicht hätte gewertet werden können. Ter Rechtsausschuß hat einstimmig der Notverordnung zugestimmt, auch die Kommunisten. Ich bitte den Land tag, diese Notverordnung zu genehmigen. Tie Notverordnung wird gegen 3 Stimmen genehmigt. Puntt7der Tagesordnung: Zweite Beratung über die erste Notverordnung vom 28.März 1924 zum Voll züge der dritten Steuernotvcrordnung und des Finanzausgleichsgesetzes (GBl. 2.209) — Vorlage Rr. 128 Anlage 1 —, sowie über den hierzu vorliegende»» Antrag Rr. 767 des Abg. Arzt u. Gen. nebst Eingaben. (Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses, Drucksache Nr. 843.) Tie Mehrheit des Ausschusses beantragt: Ter Landtag wolle beschließen: 1. die erste Notverordnung vom 28. März 1924 zum Vollzüge der dritten Steuernotvcrordnung und des Finanzousglcichsgesetzes zu genehmigen; 2. die vorliegenden Eingaben Rr 877, 880, 883, 889, 890, 894, 899, 914, 918, 976 (Prüfungsausschuß) für erledigt zu erklären; 3. den Antrag Rr. 767 als durch die Notverordnung für erledigt zu erklären; 4. die Regierung zu ersuchen, unverzüglich dem Landtag ein die Materie der ersten Notverord nung zum Vollzüge der dritten Steuernotverord nung und deS Finanzausgleichsgesetzes vom 28. März 1924 ordnendes Gesetz vorzulegen. Ferner liegen folgende Minderheitsanträge vor: 1. des Abg. Arzt (Minderh. d. Soz ): Die Regierung zu ersuchen, ihm umgehcird eine Vorlage zu unterbreiten, die die Ausbringung der Mittel für Wohnungsneubau und soziale Fürsorge neu regelt, ferner nach den Grundsätzen de» anhaltinischen GrundsteuergesetzeS vom 4. Aprrl 1924 eine Steuer nach dem geineinen Wert für die im Gebiete de» Freistaates Sachfen gelegenen bebauten und unbe bauten Grundstücke Vorsicht. L. deS Abg. Fellisch (Mehrh. d. Soz): Die StaatSregierung zu ersuchen, den« Landtag un verzüglich einen Gesetzentwurf vorzuleaen, der die kür den Wohnungsbau aus der MietzinSsteuer stiebenden Mittel nicht mehr den einzelnen Gemeinden, (andern dem Staate oder staatlichen Behörden überweist, damit eine den Wohnungsbau hemmende zweifellose örtliche