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O SS TieiSt«« tze« 1. Febroir 1910 Zrankenberger Tageblatt -MU fir Kit ZimzW -M«q>tmmW MH«, -15 ZmigUe MzttW und -m KtMit z« ImIrMz i. Z« Verantwortlich«! Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Da. — Druck und Verlag von L V. Roßberg in Frankenberg i. Sa. -- - Erscheint «» jede» Wochentag »Send* für den folgende« Lag. Bezug«, preis vierteljährlich 1 SO z, monatlich bO z. Drägerlohn extra — Einzelnummern lautenden Monats b <Z, früherer Monate 10 z. *>«?««»»,«» werdrn in unserer «eschästsstelle, von den Boten und Ausgabe, stellen fowie von allen Postanstallen Deutschland« und Oesterreich« angenommen. Rach dem Ausland« Versand wöchentlich unter Kreuzband. »»«indtgunge« sind rechtzeitig auszugeben, und zwar größere Inserate bi« 9 Uhr vormittag«, kleiner« bi« spätesten« II Uhr mittag« de« jeweiligen Autgabetage«. Für Aufnahme von Anzeigen an bestimmter Stelle kann eine Barantie nicht übernommen werden. tzach- S1. Dele,ramme r Dageblatt Frankenbergsachsea. Anzeigenpreis: Die n -gesp. Petitzeil« oder deren Raum IS bet Lokal« Anzeigen 19 4: im amtlichen Teil pro Zeile 40 »; .Eingesandt" im Redaktion-teil« <k> <s. Für schwierigen und tabellarischen Satz Aullchlag, für Wiedecholung«abdruck Ermäßigung nach seststehendem Laris. F« Rachwei« und Offerten-Annahme werden Lb <1 Extragebähr berechnet. Fuserateu-Anuahmr auch durch alle deutschen Annoncen-Expeditione». ES sind zu zahlen: 1 der I. «rmacknt«ii»r I. LVLV, 8 da« i 3 . da« j allmonatlich. 4 die Frankenberg, am 31. Januar 1S1V. Der Stadtrat. Die Lparkafse zu Mrankenberg verzinst alle Einlage« mit S»/z */« vom Lage «ach der Et«zahl««g -t» zum Lage vor der Rückzahlung. ^a/'tlaLLo «^«sr-ewa/cko gewährleistet von der Gemeinde) verzinst alle Ei«lage« mit 8V»Vo und ist geöffnet DteuStagS und KreitagS «ach«. 2—k Uhr. Telephon: Amt Oberlichtenau Nr. 18. Fairer unä FLnrler. * Kaiser Wilhelm II. ist als ein sehr genauer ZeitungS- lrser bekannt und kann auch darin vielen Leuten zum Muster dienen, die ihre Zeitungslektüre mit den Worten zu schließen pflegen: „Es ist heute nichts los!" Solche Bemerkungen zeugen nur von Flüchtigkeit. Unser Kaiser gibt hingegen auf die Arußerungen der Tagrspresse große Stücke und zieht daraus seine Folgerungen. Mitte voriger Woche war die Meldung aufgetaucht, Herr v. Bethmann-Hollweg sei amts müde, empfinde wohl gar, daß seine Stellung erschüttert sei, und 24 Stunden später hatte der Reichskanzler den höchsten vreußtschen Orden, den vom Schwarzen Adler, in seinen Hän den. Damit haben dir militärischen Wachen vor dem leiten den Staatsmann Honneur zu machen. Der Reichskanzler hat wohl selbst diese Ordensauszeich nung, die ihm der Kaiser am Morgen des 27. Januar über reichte, kaum erwartet, und er wird sich auch nicht darüber beschwert haben, daß sie ihm bisher sehlte. Man muß ja i sagen, daß der Besitz dieser höchsten Dekoration viele Etikette- fragen spielend lüste So war es früher schon einmal, als Fürst Hohenlohe Statthalter der Nichslande in Straßburg war. Damals war auch rin Zwist,wer den Vortritt haben sollte, der Statthalter oder drr kommandierende General. Der ! Fall wurde dadurch entschieden, daß Fürst Hohenlohe den Schwarzen Adlerordrn bekam. Bei Hofe müßte, von fürst lichen Personen abgesehen, der Reichskanzler nach der Br- Lieselotte. W«»E W, -«ttz G«»tz«L Wiegandt winfte mit der Hand- Ens sah >0 wcgw.rsenü und großartig, so gegen die Wut der Mamsell erhaben aus, daß dit-e die Arme in die Seite stemmte „Was scheren mich Ihre Klöße, Mamsell," sagte er, als hätte er bei einem Prinzen diniert. „Heute pfeife ich darauf. Ich habe etwas anderes zu tun, als an Ihr Mittagbrot zu denken." Die Mamsell hatte gern weiter gefragt, aber sie er innerte sich der wiederholten Nachfrage Lieselottens und setzte ihn von deren Warten in Kenntnis. Mit der Ruhe eines Stoikers benutzte Wiegandt di« fünf Minuten, die er noch schweigend in der Küche saß, dazu, sich das wirre Haar glatt zu streichen und die Schmutz spritzer notdürftig von den Beinkleidern zu entfernen. Letzteres trug ihm stumme aber um so beredtere Bl'cke der Wut von der Mamsell ein, die eine derartige Verun glimpfung ihre- Heiligtums im stlllrn als eine „Schikane' be zeichnete. Kaum war er gegangen, als sie nach der Stelle stürzte, wo er gesessen hatte, um mit Besen und Schaufel „die halbe Landstraße" bis auf das letzt« Tüpfelchen zu entfernen. Der so schmählich um sein Mittagessen gekommene Ge treue Driebuicks — da- ihm in Lindeneck von Mamsell Dörte angrbotene Mahl, dicke Erbsen und Sauerkraut nebst gebackenen Schweinssüßen, hatte er trotz seiner Vorliebe sür diese» Gericht mit der Begründung ausgeschlagen, er würde lieber verhungern, als das essen, waS eine Dörte Wolff gekocht hab« — stapfte mit müden, schweren Schritten die eichenen Stufen der nach d«m oberen Stockwerk führenden Treppe hinan. Lieselotte empfing ihn mit einem Scherz, der auf sein langes Ausbleiben Bezug uahm, wunderte sich aber im stillen, daß der in seiner Kleidung sonst so akkurate und peinliche Mann so derangiert ausjah und daß auf seinem stets jovialen Gesicht der Ausdruck banger Sorge und die Spuren hoher Er regung lagen. Sie ging aber trotzdem gleich zu der mit ihm zu besprechende» Wirtschaftsangelegeuheit über und erwähnte sein Aussehen mit keiner Silbe. Während sie sprach, erwog Wiegandt, ob er das Unglück in Lindrneck mit Stillschweigen übergehen oder davon reden solle. Kurzerhand entschied seine Ehrlichkeit sür das letzt.re. Er gab auf die Fragen Lieselottens in der zur Besprechung stehenden Sach« Auskunft und ging nicht, al» die Angelegenheit er ledigt war. „Noch etwa», Wiegandt?" fragte Lieselotte. „Ja, gnädige» Fräulein." Dann schwieg er und drehte stine Mütze in den Händen. ES wurde ihm furchtbar sauer, tleberbringer einer Unglückspost zu sein. Hoffentlich nicht» Unangenehmes," meinte Lieselotte, ihn er« wartliii Svvü, beinahe erschrocken «nsehend. „Nein, nichts Unangenehmes, gnädige» Fräulein, mehr,... etwa« recht Traurig «, . . . Der Lindenerler Herr ist beim deutung seines Amtes der Erste sein; der strengen Etikette nach gingen ihm aber die Inhaber des Schwarzen Adler ordens vor. Die erfolgte Verleihung beseitigt nun auch diese höfische Frage. Daß der Kaiser aber vor allem auf jene Zeitungsnotiz hat eine Antwort geben wollen, steht außer Frage. Er liebt keine Zweideutigkeiten, am allerwenigsten in seinen Beziehungen zum Reichskanzler, der zu erfolgreicher Arbeit den Boden unter sich nicht wanken fühlen darf. Das Kapitel von der Kanzler-Amtsmüdigkeit wird also nun wohl ebenso schnell, wie es auftauchte, von neuem beseitigt sein. Und wenn man unbefangen die Dinge im Reichstag betrachtet, so hat man auch nicht merken können, daß jemand ernstlich beabsichtigte, Fürst Bülows Nachfolger Steine in den Weg zu legen. Vie amerilianlrcden vertzMt Wge. * Das amerikanische Volk nennt sich das freieste der Welt, aber selbst die Zeitungen drüben haben unumwunden ein- gestandrn, daß die Bürger drr nordamrrikanischen Union gegen- ! über den großen Spekulanten-Bereinigungen, die alle Bedürf- nisse verteuern, von einer geradezu „schafsmäßigen Gutmütig keit" gewesen sind. Erst das wahnsinnige Emporschrauben der Fleischpreise, welches die Frauen mobil machte, hat den Bann zu brechen begonnen, und man wendet sich nun gegen i alle derartigen Machinationen. War eS in den großen I Städten ja sogar soweit gekommen, daß die Milch von einem ! Verkaufs-Ringe zu ungeheuren Preisen geliefert wurde. Di« Vereinigte Staaten-Regierung hat seit dem Präsidenten Roose velt manchen Schritt gegen diese Trusts gewagt, aber wenig erreicht. Wenn die Amerikaner sich immer eine Nation be sonders befähigter Kaufleute genannt haben, so mutet diese» Srlbstlob gerade nicht angenehm an, denn die ganze kauf- i männische Tüchtigkeit besteht ja nur in einem organisierten ! Raubzug auf den Geldbeutel. Warum wir hierauf nochmal» ! besonder» zurückkommen? Weil wir auf die Gefahren htn- ! weisen möchten, die drohen, wenn dies lockende Beispiel etwa ! in voller nordamerikanischer Ungeniertheit bei unS nachgeahmt ! werden sollte. Gegen gesunde Preis-Vereinbarungen wird niemand etwa» sagen wollen, aber den Konsumenten die Kehle zuzuschnüren, ist weder menschlich, noch zeitgemäß. Im deutschen National-Eharakter liegen solche Tendenzen ja nicht, aber die Versuchung kann eintreten. Bom Reichstag. 26. Sitzung am 29. Januar 12 llhr mittag». Vizepräsident Spahn teilt den Eingang eine» Schreibe»« de» Staatssekretär» de» AuSwärttaen mit, in dem dem Hause vou einem DankeSschreiben de» türkischen Botschafter» für die Lell- nahmSkundaebung de» Reich»taq» au» Anlaß de» Brande» de« türkischen Parlament»gebäudes Kenntnis gegeben wird. Die Be ratung deS Militäretat», Titel KrtegSmtnistrr, wird fortgesetzt. Abg. Dr. Müller-Meiningen lfreis. Bp): Alle Sparsam- keitSbestrebunaen werden erfolglos bleiben, wenn, wie sich au« den Erklärungen deS SriegSministerS ergibt, in bezug aus die Frage Reite» gestürzt und" ... Lieiewin iprang entsetzt auf und griff nach ihrem Herzen. Eine fahle Blässe t>at in ihr Gesicht. Wiegandt unterbietend, ries sie: „Und tot? Um E-olles willen, sagen Sie, daß er »och bbll Er darf nicht tvt sein!" „Auch das noch!" schoß es Wiegandt durch den Kopf, als er die entfetzl ehe Angst sah, die i» ihre» Augen stand, „eine unglückliche Liebe noch obendrein. Denn dag sie ihn liebt, sehe ich jetzt so sicher wie das Reifen unseres Roggens im Juli!' Lant fügte er dann hinzu: „Tot nicht. Noch nicht! . .. Der Doktor hat mit den Schullern gezuckl, wie das die klugen, gelehrten Heeren immer machen, wen» sie selbst nichis wisse». Wenigstens hat er soviel heee.usgesunden, daß es eine E)e- hirnersaaitterung, zwei Nippenbruchl! »nd eine» Armbruch gesetzt hat. „Nutze, Ruhe und sorgfältige Pflege," meinte er, als er gn g." Lieselotte krampfte es das Herz zusammen und in ihre Augen traten Tränen. „Armer, armer Heinz l" sagte sie traurig-leise. Sollte dieser unerwartete UnglückSfall nun wirklich das letzte unter sei» schicksalörcicigs Leben voller Enttäuschungen und Widerwärtigkeiten fetzen? O, das wäre grau,am gewesen! Und sie erzitterte bis in ihre innerste Seele, wenn sie der naheliegenden Möglichkeit gedachte... Konnte sie denn gar nichts tun, um ihm zu Helsen ? Sollte sie, fern von ihm, entsetzlich bange Tage der Ungewißheit und Sorge, die sie ver zehren würden, verleben? Nein, tausendmal nein! Hier gab'» für sie kein lieber- legen. Ganz klar stand ein Wort vor ihr, und das forderte: „Eile zu thm l" Ja, zu ihm! Gleich! Sofort in dieser Stunde an sein Schmerzenslager als treueste, ausopfcrudste Pflegerin. Zweimal schon rief man sie an Krankenbetten »ach Lindeiieck. Heute rief sie niemand! Aber stärker als jede Bitte uin ihr Kommen erwiesen sich die treibende, drängende Kraft ihrer großen Liebe und das wilde Heizpochen einer namenlosen, ent setzlichen Angst. Sie raffte sich entschlossen auf, warf alles Bedauern und Klagen weit von sich und forderte ganz kurz: „Wiegandt, in einer Viertelstunde den Wagen!" Der Atte hatte bange beobachtet. Nu» atmet« «r er leichtert aus. „Gott sei Dank, gnädiges Fräulein, daß Sie hinüber- wollen! Ich hätte rS Jhuen längst gesagt, daß tue Jungfer Dörte drüben ganz kopilos geworben pt, heult und lamentiert und wahrscheinlich alles falsch in chcn wird, wenn ich nicht gleich bedacht hätte, dag Sie so wie >o gehen würden. Morgen oder heute noch wäre ja ans alle Fälle doch ein« Extrapost gekommen, um Sie zu holen; denn es geht nun kinmal ohn« unS nicht in Lindeiieck. Aber besser ist gleich aus dem Fleck." „Den Wagen, de» Wagen!' drängte Liesrlott«: »Schnell doch, nur keine lange Unterhaltung wehr!" „Gewiß nicht, gnädige« Fräulein!' Wie ein Sturmwind segte er die Treppen hinab. Früher schon, ol» es gewünscht war, stand der Wagen bereit. Liese lotte ließ ihn nicht warten. Polternd rasfett« «r gleich »ach dem Vorfahren über d«, Hof. Wiegandt sah ihm sinnend nach. „Wir wollen'« hoffen, daß sie ihn gesund macht," sprach er für sich. „Und mit unserm Herrgott zusammen kann sie'»; denn st« ist klüger al« zehn Doktors. — Schade, schade! Wenn ste ein Pflästerchen auf- legen könvt'l Da» machte ihn gleich gesund . . . Ader schließ lich will er das nicht, und wenn er'» wollt', könnt' «r'« Nicht; den» er hat ja noch die durchgebrannte Frau «ms dem Halse . . . Ach, diese böse, böse Sache!' Murrend ging er über den Hos nach seiner Wohnung und entschädigte sich für den Ausfall seiner Mittagsmahlzeit und sür alle Strapazen und Sorgen, Aergereicn und Auf regungen durch eine ausgiebige Benutzung seiner vielgeliebte» langen Pfeife. Mit den blauen Wolken verflog manch« bang« Frage. Und ehe einer an die Gesundung deS Lindenecker Herr» auch nur dachte, hatte sich sein Hoffen bereit« zu der be stimmten Zuversicht entwickelt: „Er wird schon Wieda werd«»!* Danach sah eS allerdings ^aum au». Lieselotte fand bei ihrer Ankunft in Lindenrck da» ganz« Haus in Heller Verwirrung. Mamsell Dörte lief mit einem verhörten Gesicht umher und hatte verweinte Augen. Da» Erscheinen Lieselotten« begrüßte sie mit erlösendem Stoßseufzer. Nun musste alles gut werden! Sie sah schon in da bloße» Auwesenheil der Gekommenen die rettende Tat. Lieselotte saß bereits eine Viertelstunde in dem nach de» Park hinausliegenden Schlafzimmer Heinzen- neben seine« Bett, ohne von ihm erkannt worden zu fein. Bor seine» Auge» lag es wie eine verdunkelnde Binde. Er hob di« Lide» nur sekundenlang. Fragend und irrend ging dann ein ver ständnisloses, mattes Ausschauen durch daS still« Gemach, dessen totenähnliche Ruhe nicht- unterbrach, al« da- kurze Atmen des Verunglückten und das nagende Bohren eine« WuruieS in der Wandtäselung. Auch draußen schien alle« er- storbe». Hin und wieder trug em Wiudhauch da« verschwommene Kreischen des Pumpenschwengels oder das matttönende Klappern rims Eimers vom Hofe her in die Stille des Zimmers. In der Abenddämmerung machte sich der hohl klingende Mittag«- wmd wieder stärker auf, sprang gegen die Scheiben und heult« im Kamin. Lic eiotte kam sich vor wie di« einzig Lebende in d«m ganzen, iveite» Hause. Kein Schritt hallt« auf d«n Fluren, leine Tür ging. Es log wie ausgestorbem Und sie selbst saß regungslos und aiigsierfttllt. Die Hände ruhten krampfhaft verschlungen im Schoße, und die Blicke wanderten von dem immer dunkler werdenden Grau des VorsrühlingsabenvSdraußen ab und zn scheu in Heinzcns bleiche- Gesicht, in dem nur da« zeitweise Oeffnrn der Augen bewic«, daß r» noch nicht da« eines Toten war. Ihre Gedanken schweifien rückwärl« zu dr» anderen beiden Krankenbetten, an oene» st» in diesem Haus« gesessen, und die zu Sterbebetten geworden waren..... Wurde auch diesmal der Unerbittliche über das Leben trium phieren? Sie vermochte e» nicht, diese Möglichkeit anSzo- denlen, und empfand nur die Grausamkeit des Schicksals, da« sie dazu auSzuer ehe» schien, alles Sterben in dies«« Houj« mitrrleben zu müssen.