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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. PränumerationS-Preis 22z Silbers, (j A>r.) vierteliöhrlich, Z Lölr. für dns ganze Jade, ohne Crdöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »ranumerirl aus diese- Literalur- Klatt in Berlin in der Ervctition der AUg. Pr. Staat- Aeilung sFriedrjch-- Straßc Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllödl. Post - Aeintern. Literatur des Auslandes. 6S Berlin, Mittwoch den 3l. Mai 1843. Afghanistan. Lady Salc's Tagebuch aus Afghanistan.") Obgleich die Schmach, welche ihr selbst verschuldetes Schicksal in Afgha- nistan (Spätjahr 1841 und Anfang 1842) über die Briten gebracht, durch ihren späteren so glänzenden Rachezug thcilS wieder getilgt ist, thcils einem anderen Makel Platz gemacht hat, so wird cs doch nicht ohne Interesse seyn, an der Hand einer edel» und hochherzigen Frau den Schauplatz teuer Kata strophe noch einmal zu betreten und aus ihrem, b s jetzt noch nicht ins Deutsche übertragenen Tagebuch einige Auszüge mitzuthcilen. „Ich habe", sagt Lady Sale, „meine Erlebnisse nicht bloß täglich, sondern oft sogar stündlich ausgeschrieben. Eben so habe ich die Gerüchte des Tages, die einzige Belehrung, welche zu uns gelangte, notirt; desgleichen tele graphische Nachrichten, die von Bala Hissar kamen oder durch den König oder Capitain Conollp an den Abgeordneten gelangten, endlich viele Berichte Afghanischer Herren von Capitain Sturt's Bekanntschaft, die beim Ingenieur- Wesen und den öffentlichen Arbeiten mit ihin zu thun gehabt und, da er sie freundlich behandelte, ihm so viel Kundschaft und Warnung gaben, als in ihrer Macht stand. Er theilte alle diese Warnungen seinen Ober-Offizieren zu verschiedenen Zeiten mit, allein fie blieben unbeachtet. Da mau seinem Nathe selten Folge leistete, ward er überdrüssig, ihn noch ferner zu geben, und begnügte sich mit eifriger Erfüllung seiner Pflichten, indem er eben so wohl das Amt eines Artillerie-Offiziers wie das eines Ingenieurs verwaltete. Wäre cs dem armen Sturt beschieden gewesen, am Leben zu bleiben, so hätte er, wie dies seine Absicht war, meine rohen Notizen verarbeitet und viel Werthvollcs hinzugcfügt; denn seine überhäuften Beschäftigungen ließen ihm damals keine Zeit, mir an die Hand zu gehe». Seine Pläne, Zeichnungen u. s. w. gingen mit allen seinen übrigen Papieren verloren, einige wenige Noten ausgenommen, die er ein paar Tage vor unserem Ausbruch aus Kabul in mein Tagebuch legte. Ich glaube, daß damals noch Mehrere unsere Er lebnisse zu Papier brachten; aber Alle, mich allein ausgenommen, verloren Alles, was sie geschrieben hatten, und waren nun bloß auf ihr Gedächtniß angewiesen. Ich für meinen Theil behielt von meiner ganzen Habe fast nur die Kleider, die ich auf dem Leibe trug ; und cs könnte daher sonderbar er scheinen, daß ich diese Papiere gerettet. Das Räthscl ist jedoch leicht zu lösen. Als am Abend vor »nscrem Aufbruche jegliches Ding cingcpackt war, fügte ich den Notizen des Tages noch Einiges hinzu; und am folgenden Mor gen steckte ich sämmtlichc Papiere in ein kleines Säckchen und band mir dieses um den Leib.... Vielleicht wäre ich selber im Stande gewesen, die Ereig nisse dieser Zeit viel besser zu erzählen; allein ich habe cS vorgczogen, mein Tagebuch so zu lassen, wie es ursprüglich abgefaßt war, als die Ereignisse noch frisch waren und die täglichen, ja stündlichen Nachrichten alle Gcmüther aufgeregt hielten." Ladp Sale bestätigt Alles, was Lieutenant Eyre von der Bethörung, Un entschlossenheit und Verzagtheit der dortigen Britischen Behörden meldet, die sich in allen ihren Maßregeln aus eine beklagenswerthe Weise kundgcgebcn. „Es ist ein leichtes Geschäft", sagt die Verfasserin, „über Weisheit oder Thorhett der ergriffenen Maßregeln zu raisonniren, nachdem die Katastrophe vorüber ist. Ich werde daher mit Beziehung auf unsere Chefs nur sagen, daß der General Botschafter seinen Versuch, die Afghanen diplomatisch zu über listen, thcuer bezahlt hat. Wohl fühlend, daß seine Geisteskräfte mit seinen Körperkräften sich geschwächt hatten, und einsehcnd, daß mau nicht hoffen durfte, General Rott werde kommen und das Kommando übernehmen, ricf General Elphinstone einen anderen Offizier zu Hülfe, dem nur ein Ziel vor schwebte, das Ziel nämlich, wieder nach Hindostan zu kommen. Er be- hauptetc, ein Rückzug nach Bala Hissar scp unmöglich, indem wir uns als dann durchschlagen müßten j^>U. auf einem Wege von anderthalb En gl. Miles!). Wenn aber daS schon unmöglich war, wie sollten wir denn die sieben Tagereisen bis Dschelalabad zurücklcgent Einmal in Bala- Hissar, welchen Ort ei» tausend Mann bequem Vertheidigen konnten, angc- langt, würden wir Truppen genug zum Fouragiren gehabt haben: und das Dorf Bcr-i-schehr gerade unter Bala Hissar hätte uns mit Proviant für ein Zahr versorgt. Dazu bedurfte cs nur einer Demonstration, als wollten wir das Verlangte mit Gewalt nehmen. Von hier aus konnte man auch Ausfälle *) ^oiiru»! ot dtie Vissst-es^ iu , 1841—42, in die Stadt machen, wo immer eine Partei war, die uns heimlich Beistand geleistet hätte, ehe unser wicdcrkchrendcS Waffenglück ihnen erlaubte, ihn öffentlich zu leisten. Aber noch abgesehen von ....'s Entschluß, nach Indien zurückzukchrcn, so weigerte dieser Herr sich oft, jede Meinung zu äußern, wenn der General ihn befragte — eine Maßregel der Vorsicht, wodurch er wahrscheinlich für seine Person den Vorwürfen auswcichcn wollte, die man, wie er erwartete, auf den Kriegsrath häufen würde. Diesen bildeten angeb lich nur: General Elphinstone, Brigadier Shelton, Brigadier Anquetil und Oberst Chambers; allein er war numerisch weit zahlreicher. Capt. Grant widersetzte sich mit kalter Behutsamkeit jeder Unternehmung und ersann alle erdenkliche Schwierigkeiten ; Capt. Vellen war voll Zweifeln und Suggestionen, und eine Anzahl junger Leute gab viel freiwillige Rathschläge — kurz, den größeren Theil der Nacht hindurch verwirrte man die Gedanken des Generals, statt einem kranken Manne so viel Ruhe zu gönnen, als seine Erschöpfung erheischte. Brigadier Shelton pflegte sein Risai mitzubringcn und, während der Berathungcn am Boden auSgestrcckt, zu schlafen oder sich schlafend zu stellen, um keine unangenehme Frage beantworten zu müssen. Major Thain, ein aufrichtiger Freund und guter Rathgeber des Generals, zog sich mit Ab scheu zurück, und Sturt machte es eben so." DaS Tagebuch beginnt im September 1841 und schließt in demselben Monat 1842. Wir können natürlich nur solche Stellen ausheben, welche den Fortgang der Ereignisse am besten bezeichnen. Die Erzählung beginnt mit allerlei Berichten von Aufständen, Kämpfen, erschreckenden Botschaften und mit dem Abmarsch der Brigade Sale'S. Unterm 26. September heißt es: „Da man uns berichtete, in Tezccn (Tisihn) sey Alles beigelcgt, so sah ich näherer Kunde mit Sehnsucht entgegen- Zwei Briefe wurden mir zngestellt, aber ach! keiner von beiden war an mich adressirt: den einen schrieb Capt. Havelock an General Elphinstone, den anderen Capt. Paton an Major Thain. Ich ließ ihnen einige Zeit, um über die empfangenen Nachrichten zu mcdi- tiren, und schrieb dann Herrn Thain, daß er mir Alles mittheilcn möge, was er mitthcilen dürfe. Er kam in Folge meines Briefs und sagte mir, die Vor gänge scyen ihm allerdings überraschend, doch hoffe er, Alles werde Whig bleiben, b s wir das Land verlassen hätten.... Capt. Havelock sagt, es sey Alles beigelcgt, auch scyen Geiseln gestellt worden; gleichwohl habe man seitdem auf die Kamecle und auch auf unsere Vorposten gefeuert; doch, setzte er hinzu, das Erstere könne der Ankunft eines Häuptlings bcigcmcsscn werden, welcher von dem Vertrage nichts wisse, das Andere aber dem Umstande, daß dieses Volk nicht mehr recht Herr seiner selbst sey — meinte er vielleicht, unsere Leute seycn in solchem Grade Herren ihrer selbst, daß sic sich dergleichen wohl gefallen lassen würden? Capt. Paton schreibt etwas mystisch, er habe viel mitzuthcilcn, das sich besser sagen als schreiben ließe! Uebrigcns dürfe in diesem Lande ein Truppen-Corps, das etwas auSrichten wolle, nicht mit Kameelen, Zelten oder Gepäck belästigt seyn; die Munition dürfe nur auf Manlthiercn transportirt werden u. s. w .... Im vorigen Jahre, als Sir Willoughby Cotton den Oberbefehl hatte, und während der Unruhen in Kohistan wurde jede Depesche Sale's, der die dortigen Truppen kommandirte, öffent lich bekannt gemacht, und das jetzige System des Geheimhaltens ekelt Einen an. Es scheint Jedem, als wolle der Gesandte mit der Versicherung, daß Alles ruhig sey, nur sich selber täuschen. Seine Rolle ist sehr schwierig, da cs ihm an hinreichendem Muthc fehlt, um sich dem Strom allein entgegcn- zustemmcn. Vor ungefähr zwei Monaten setzte Sir William dem Lord Auckland die gegenwärtige Lage Afghanistans schriftlich aus einander und bat ihn um eine Verstärkung von fünf Regimentern, worunter zwei Europäische seyn sollten. Diese Mitthcilungen veranlaßten einen Federkrieg zwischen dem General Botschafter und der obersten Behörde Bengalens.... In einer un glücklichen Stunde fügte er sich dem Zureden des Sir Alexander Burnes fder in dieser Sache ganz verblendet gewesen zu scyn scheint) und schrieb an Lord Auckland, er möge sein früheres Gesuch um Verstärkung aunullircn, auch könne ein Theil der im Lande stehcnvcn Truppen zurückgezogen werden." Jetzt erfuhr man, daß Salc's Brigade, seitdem sie Churd Kabul ver lassen, niemals ein Zelt aufgcschlagen — daß der Nachtrab täglich angegriffen, auf das Bivouac in jeder Nacht gefeuert worden sey — daß die Kameele vor Hunger und Kälte alle Nacht zu Vierzigen hinstarben — und daß an Fuhr werken wie an Proviant großer Mangel war. Am Wstcn schreibt die Lady in ihr Tagebuch: „Als Capt. Sturt erfuhr, daß Capt. Johnson'S (des Zahlmeisters bei den Truppen des Schach's) und Sir Aler. BurneS' Haus angegriffen waren, ging er zu General Elphinstone, der ihn mit einer wichtigen Botschaft zuerst an