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Die „Vttcndorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr." 50. Mittwoch, den 27. Npril 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, 26. April 1904. — Der von der Haltestelle Cunnersdorf nach Grünberg führende Kommunikationswcg wird in der Flur Hermsdorf wegen Massen schüttung bis mit 29. April für den öffent lichen Fährverkehr gesperrt. Letzterer wird über Hermsdorf verwiesen. — Ter Frühling treibt sein Wesen ver schieden. Uns beschert er bereits blühende Bäume, die am Sonntag, nachdem der Sonn abend ein kleines Spälabendgewilter gebracht, förmliche Wallfahrerzüge „in die Baumblut" z. B. nach Cossebaude veranlaßten, in den Alpen und anderen Hochgebirgen donnern die Schneelawinen, die einer großen Zahl von Menschen jähen Tod gebracht haben, das Ver derben angesichts der schönsten Jahreszeit. Wärme und Feuchtigkeit wirken in der Natur zusammen, und wir werden aller Voraussicht nach ein so herrliches Pfingsten haben, wie seit langem nicht. Die Schöpferkraft der Erde meint eö gut; sie entzückt nicht allein unser Auge, sie bedenkt auch schon die Küche. Die Spargelsrnte hat bereits begonnen, und wenn der Preis d-S allbclieblen Gemüses sich auch noch etwas hoch hält, von Tag zu Tag geht cs damit doch abwärts. Der Gärtner offeriert schon frischen Salat und Spargel, die Brunnen kresse ist vorhanden, und die Nachfrage wächst von Woche zu Woche. Es gibt nicht leicht eine gesundere Nahrung als grünen Salat, bei UNS wird er noch lange nicht so gewürdigt, wie er cS verdient. Unsere Veteranen, die 1871 in Frankreich waren, werden wissen, wieviel gerade die Franzosen darauf geben, in deren Küche er eine außerordentliche Nolle spielt. Das große Konzert in der Flur wird lauter und lauter. Wir sagen, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber sie läßt ihn ahnen. Und die Schwalben sind schon gleich den Störchen da. — Auswahl der Bmteier. Wer einen Hühucrhof mit Vorteil bewirtschaften will, muß darauf achten, daß unter den ausru- brütenden Eiern die richtige Auswahl getroffen werde. Das Ei darf nicht zu alt sein, und man muß Grund zu der Annahme haben, daß es befruchtet worden ist. Hat man dem kräftigen Hahn nicht mehr als sechs Hennen überlassen, so kann man schon mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die gelegten Eier befruchtet sind. Natürlich spielen Alter und Fähigkeit des Hahnes eine wichtige Rolle. Die Eier zweijähriger Hennen verdienen den Vorzug vor denen ganz junger Tiere, die klein sind und folglich auch schwächere Hennen liefern. Das Ei darf nicht beschmutzt sein, soll es nicht das Auslaufen erschweren oder beim Brüten an das Gefieder sich ankleben. Man tut deshalb gut, beschmutzte Eier zuvor sorgfältig mit lauem Wasser zu reinigen. Ein Ci mit einem Sprung zu benutzen, ist verkehrt. Da zwei Dotter in einer Schale nicht ausgebrütet werden ^können, ohne das Mißgeburten oder Erstickungen des Embryos die Folgen sind, so scheide man die ungewöhnlich großen Eier mit zwei Dotter aus. Das Tiere, deren Eier zu Brutzweckcu bcuützt werden sollen, völlig gesund und kräftig sein müssen, braucht eigentlich kaum erwähnt zu werden. Tiere, die völlige Freiheit genießen, liefern unbedingt die entwickelungsfähigsten Bruteier, solche, deren Freiheit mehr oder weniger beschränkt ist, liefern befruchtete, ent wicklungsfähige Eier nur dann, wenn eine sorgsame Pflege zu Teil wird, d. h. wenn man ihnen alles das bietet, was sie in der Freiheit finden. Namentlich darf es ihnen nicht an Grünem, tierischen Nährstoffen, Kalk und Bewegung fehlen. Klotzsche-Königswald. Sonnabend abend 6 Uhr fand hier die Grundsteinlegung des von Herrn Hofstukkatcur Carl Hämr hier für den hiesigen Waldpark gestifteten dekorativen Standbildes Sk. Majestät des hochseligen Königs Alb.wt statt. Radeberg. Unser? seit dem l. Januar d. I. bestehende Realschule entwickelt sich in recht befriedigender Weise. Ostern wurden 36 Schüler neu ausgenommen. Von auswärts wird die Schule aus Arnsdorf, Großharthau und Bischofswerda besucht. Pulsnitz. Als am vorigen Sonntag der Gutsbesitzer Friedrich Julius Schäfer aus Obersteina vom Heuhandel in Bretnig zurück kehrte, scheute plötzlich sein Pferd und ging mit dem Wagen durch. Bei einer scharfen Weg biegung wurde der Wagen umgeworfen, wodurch die Jnsasseu, der vorgenannte Gutsbesitzer und sein Kutscher, herausgeschleudert wurden. Herr Schäfer erlitt mehrfache starke Ver stauchungen und Muskeldehnungen, während der Kutscher ohne Verletzung davongekommen zu sein scheint. Radeburg. Die öffentliche Versammlung des konservativen Vereins am letzten Sonntag erfreute sich insbesondere von auswärts zahl reichen Besuchs. Herr tio. tüool.. Gymnasial- Ober lehr er Dr. Kurt Warmuth aus Dresden entwarf in außerordentlich fesselnder, dramatisch belebter und oratorisch mnstcrh.ster W ise eine eingehende Schilderung des TageSlauffö des Kaisc-s in seinem Heim, und zwar sowohl bei wüster, aufreibender und schwerwiegender, viel seitiger Arbeit, wie im trauten, echt deutschen Verkehr mit seiner Gemahlin und seinen Kindern. Meißen. Der Dresdner Bankverein hat hier ein Grundstück erworben, um in demselben nach erfolgten Umbau eine Zweigniederlassung zu eröffnen. Niesa. Der Arbeiter Fischer, der nach den hier erlittenen Schicksalsschlägen, über die wir kürzlich berichteten, in seine Heimat reisen wollte, versuchte sich aus der Station Corbetha zu erschießen und wurde schwer verletzt aufge hoben. Pirn a. Der Streik im Bmchandwnk der hiesigen Amtshauptmannschaft hat schnell eine weitere Ausdehnung genommen. Leipzig. Am Freitag hat sich in einem Retiradenabteil eines Wagens III. Klasse des 2 Uhr 26 Minuten von DreSdcn-Hauptdahnhos über Riesa nach hier verkehrenden Personen zuges auf der Fahrt zwischen Oschatz und Dahlen ein Schüler der Gewerbe-Akademie Chemnitz durch einen Schuss in den Kopf schwer verletzt. Ec wurde in das hiesige Krankenhaus übergeführt. Leipzig. Tie kgl. AmtShauptmannschast hat die Genehmigung zur Abhaltung von Ge- sangSvorträgen bei der sozialdemokratischen Maifeier versagt. Das Komitee hat deshalb bei der kgl. Kreishauptmannschaft Beschwerde erhoben. Leipzig. Das „Vaterland" hatte be kanntlich in seiner letzten Nummer den Aerzten, für deren Sache es eingetreten war, den Nat gegeben, den Bogen nicht zu straff zu spaunen und nicht auf ihren letzten Forderungen zu bestehen. Hierzu bemerkt das „Leipziger Tageblatt": Soweit wir unterrichtet sind, werden die Aerzte von ihren zwei Haupt forderungen: freie 'Arztwahl und Auflösung der Vertage mit den Distriktsärzten, keines falls abgehen, während vielleicht bezüglich der Honorarsrage eine Einigung uicht außer dem Bereiche der Möglichkeit liegt. Die der Kasse gesetzte Frist zur Anstellung von 27 neuen Aerzten lief Montag abend 6 Uhr ab. Wie verlautet, wird die Kasse uicht in der Lage sein, die Forderungen der hiesigen Kreishaupt mannschaft voll zu erfüllen. — Lebhafte Teilnahme wendet sich dem hiesigen Kaufmann B. zu, dessen Tochter, eine Sprachlehrerin, sich vor wenigen Wochen in einem Schwermutsanfalle vergiftete. Die Muller des Mädchens nahm sich dies Unglück so zu Herzen, daß sie heute zum Revolver griff und sich erschoß. Döbeln. Eine im nahen Orte Groß- bauchlitz wohnende Arbeitersfrau hat sich mit ihrem 6 Jahre alten Sohne in der Nähe der Technitzer Papierfabrik in die Mulde ge stürzt. Die Leiche der Frau ist am Rechen der Fabrik gefunden worden, während der Knabe noch vermißt wird. Es wird ange nommen, daß die Frau die Tat in einem Anfalle von Schwermut begangen hat. Markersbach. Hier wurde eine Wahr sagerin wegen Betrugs verhaftet. Dieselbe hatte ihre Opfer in abergläubischen Personen gesucht, deren cs leider immer noch eine Menge gibt. Wo irgend Unglück mit dem Vieh vor- gekommcn war, bez. Spukgeschichten auftauchten, bot sie ihre Hilfe an und redete den Leuten vor, daß sie imstande wäre, Geister zu ver treiben oder durch Versprechen das Unglück vom Vieh abzuwenden. Unter solchen Um ständen hat sie zwei Gutsbesitzern 30 und 60 Mark und einer anderen Person 5 Mark und Lebensmittel abgeschwindelt. Rhäsa Am Donnerstag früh entleibte sich in der elterlichen Wohnung durch einen Schuß in die Brust der 23 Jahre alte Max Baum. Derselbe war als Schreiber beim Königlichen Amtsgericht Nossen tätig. Liebes kummer scheint die Ursache zu der bedauer lichen Tat zu sein. Plauen i. V. Durch den nachmittag 4 Uhr von Leipzig nach Hof verkehrenden Personenzug ist Freitag abend gegen halb 8 Uhr auf dem hiesigen oberen Bahnhofe das 31/2 jährige Söhnchen des Starionsaufwärters Prager überfahren und getötet worden. Das Kind war in der Nähe des Reichenbacher Sperr- siguals die Böschung hinaufgeklettert, als ge rade der Zug herankam. Plaueu i. V. Hier fuhr ein Monteur mit seinem Fahrrad so übermäßig schnell die Reichenbacher Straße abwärts, daß er die Führung verlor und unterhalb des Eisenbahn- Uebergangs vom Rade geschleudert wurde, und zwar geschah dies mit solcher Wucht, daß er über das Geländer hinweg in die Elster stürtzte. Obgleich er 7 Meter tief fiel, hat er sich keinen Schaden getan. Waltersdorf. Die Witwe Johanna Ernestine Thiele, die kürzlich von einem wütend gewordenen Ochsen gräßlich zugerichtet wurde, ist im Zittauer Stadtkrankenhause ihrem Verletzungen erlegen. Die Frau war bekanntlich mit einem mit einer Kuh und einem Ochsen bespannten Wagen vom Felde heimgckommen. Der Ochse wurde beim Aus spannen wild, ging gegen die Frau los und verletzte sie mit den Hörnern so schwer, daß die Eingeweide heraustraten. Nus der Woche. Der große Eisenbahner-Ausstand in Ungarn hat bereits so weite Kreise gezogen, daß man ihm gegenwärtig mehr Aufmerksamkeit zuwen det, als den anderen weltbewegenden Dingen. Vor allem ist eine Parallele mit dem holländischen Eisenbahnarbeiterstreik vor zwei Jahren abzuweisen. Holland hat eine konser vative Regierung, Ungarn eine sogenannte liberale. Die ungarische Regierung war auch auf dem Wege, den Eisenbahnarbeitern in ihren Forderungen cntgegcnzukommen; haben letztere doch seit 30 Jahren so gut wie keine Lohn aufbesserungen erfahren. Die parlamentarische Erledigung dieser Angelegenheit ist durch die erst vor kurzen eingestellte Obstruktion verzögert worden. So wurde Tiszas Regierung vom Generalstreik überrascht im ganzen Lande blieben plötzlich die Züge da stehen, wo sie sich gerade befanden; die Reisenden sitzen teil weise in kleinen Orten und müssen für ihren Proviant sorgen, die Frachtgüter bleiben gleich falls liegen; die Nahrungszusuhr nach Buda pest ist unterbunden und die Preise der Lebens mittel daselbst waren schon 48 Stunden nach Beginn des Ausstandes um 25 Prozent in die Höhe gegangen. Auch in Wien fehlte be reits das ungarische Vieh. Die Orientexpreß züge durch Ungarn können nicht verkehren und ist es sogar zweifelhaft, ob Kaiser Franz Joseph, wie er es für die nächsten Tage be absichtigte, nach Budapest zu fahren. Hier ist natürlich nur das Bild gegeben, wie es sich in dm ersten beiden Tagen des Ausstandes entwickelte. Die ungarische Regierung zeigt sich schwankend. Wenn sie eine Menge der Rädelsführer verhaftete, so durfte sie dieselben nicht wieder freilassen, was die ausständigen Eisenbahner als Grundbedingung für die Unterhandlungen forderten; oder aber sie hätte die Verhaftungen gar nicht erst vornehmen lassen dürfen, die doch nur neuen Unwillen erzeugen mußten. Also wozu diese Halbheiten? — Aus Ostasien wurde am Anfang der Woche der Brand des Kaiserpalastes in Söul gemeldet. Die Meldungen darüber, ob Korea ein reiches oder ein armes Land sei, gehen weit aus einander; es wird da so sein, wie in den meisten despotischen halbwilden Staatengebilden des Ostens: die Reichen überreich die Armen bettelarm. Die Schätze des sogen. „Kaisers" sind samt und sonders verbrannt und er scheint nicht einmal bei einer Feuerversicherungs- gesellschaft eingeschrieben zu sein. Er ist also selber an den Bettelstab gekommen und die Japaner, des Nordens auch durch die Russen, erlaubt ihm nicht einmal, seine Untertanen gehörig zu brandschatzen, um sich wieder in den Besitz eines prachtvollen Palastes und sonstiger Schätze zu setzen; auch seine Ratgeber sind dagegen und empfehlen ihm, sich einst weilen mit einem einfacheren Palaste zu be gnügen. Das ist eine bemitleidenswerte Selbstherrlichkeit, aber auch bei seinem großen Nachbar Rußland scheint es in dieser Beziehung nicht viel besser bestellt zu sein. Auch der Zar ist „Selbstherrscher" aller Russen, oder seine Umgebung redet ihm das wenigstens ein; wenn er es märe, so hätte der unselige Krieg im Osten wahrscheinlich gar nicht begonnen oder er wäre in andrer Weise geführt worden. Es hieß vor einigen Tagen, der Statthalter Alexejew hätte um seinen Abschied gebeten, weil man ihm Skrydlow zum Oberbefehlshaber der Marine im Osten gegeben hät!e. Offiziell ist davon zwar in Petersburg nichts bekannt, aber es muß als festgestellt angesehen werden, daß sich Süydlow in sehr abfälliger Weise über die G-samtleitung Alexejews geäußert hat- Dcr außerordentlich ungnädige Befehl des Zwen, den Gründen über den Untergang des „Pelrapawlowk" genau nachzuforschen, mag auch Alexejews Stimmung nicht verbessert haben, so daß es wohl sein Wunsch sein mag, den arg verfahrenen Karren stehen zu lassen. Nun hat man auch erfahren, daß Wereschtschagin, der Schlachtenmaler, bei der Katastrophe des genannten Schiffes mit umS Leben gekommen ist. Wereschtschagin war beim Zaren in hoher Gunst, denn er malte KricgSbilder gegen den Krieg; er malte den Krieg wie er ist, mit allen seinen Schrecken, und Kaiser Wilhelm sagte ihm vor einigen Jahren, als Wereschtschagin Kne Reihe seiner Werke in Berlin ausgestellt hatte, die anerkennenden Worte: „Ihre Bilder sind die beste Versicherung gegen den Krieg." Me cs im Osten werden wird, kann niemand auch nur annähernd voraussagen. Gott macht nicht an jedem Wochenschluß die Zeche. — Vor einigen Tagen hieß eö, englische Truppen hätten einen Teil des Kongostaates im fernen Innern besetzt. Der „Soir" beruhigt aber seine belgischen Landsleute und meint, eS handele sich nicht um kongostaatliches, sondern um deutsches Gebiet in Ostasrika. Es könnte sich dabei doch höchstens um eine Gegend im Hinterlande handeln, „wo, wenn ein Malheur gescheh'n, nicht 'mal 'n Schutzmann ist zu seh'n", wie der Dichter sagt. Und dann dürfte es sich auch nur um ein gutzumachendes Ver sehen handeln, denn in jener Gegend fehlen einstweilen noch Grenzsteine und Wegweiser. Also pasostoil! ihr treuen englischen Vettern, und dann mags gut sein!