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Wilsdruffer Tageblatt Nr. 130 — 89. Jahrgang Freitag, den 6. Juni 1930 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt* Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Matt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20Rpsg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40R«Lck«„ Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachrveisungsgebühr 20 Reichrpsennige. geschriedeneErscheinung«- — - . _ tage »nd Platz»orschrifte« werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berü-kfichtigu Anzei^. anuahmebis vorm.lOUHr. ——— Mr die Richtigkeit der durch Fernruf übermittrltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanspru ch erlischt, wenn der Betrag dnrch Klage eingezogen »erdenmutz oderderAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen ci lle DermittluugsstellenentgeUen. Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt" erscheint allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Anstellung durch die Boten 2,30 RM., bei Poftbeftellung jtlzüglich Abtrag- . gebühr. Einzelnummern Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Lungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Astspruch auf Lieferung ^Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefaudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Arbeitsgemeinschaft. Nur ein paar spärliche Nachrichten sind bisher über ^stimmte Verhandlungen durchgesickert, die sich zwischen Ehrern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer pitzenorganisationen angesponnen haben. Und gut so, daß eine an sich verständliche, in diesem Falle wohl recht unzweckmäßige Neugier nicht gleich die chien zarten Fäden des Gespinstes gefährdet. Einst schwerste Kriegsnot eine Arbeitsgemeinschaft der deut- Acu Arbeitgeber und -nehmer geschaffen und am gleichen ^kch saßen Stinnes und Legien, der Führer der Freien Mwerkschasten. Und diese Arbeitsgemeinschaft hat in der ihres Bestehens von 1918—1923, in den Jahren der Überleitung der deutschen Wirtschaft von der Kriegsnot die Friedensnot viel zum Ausgleich sozialer Gegensätze und Schwierigkeiten schwerster Art bei- Setragen. Auch jetzt ist diese Not krisenhaft hoch ge legen, müssen andere, bessere Gedanken und Absichten die Stelle abgebrauchter, nutzlos gewordener Mittel ^ten, mit denen der Krise und der Rot nicht mehr bei- 'Aontnien ist. Wirtschaftskrise und deren Folge, die urbeilslosigkeit, die auch so stark mit beiträgt zur Gefähr- °ung der Reichsfinanzen — das sind die beiden Punkte, Umwegen sich die Vertreter der beiden bisher vielfach in Goßler Schroffheit gegenüberstehenden sozialen Schichten Verhandlungstisch zusammengefunden haben. Por- "ufig hat man sich gegenseitig nur „abgetastet" —, aber ^soll hier ja keinen Boxkampf geben, sondern der Versuch üner Verständigung gemacht werden. Das Ziel: Her- ^drückung der Arbeitslosigkeit durch Her- Mhrung einer stärkeren Beschäftigung in Industrie, Md el und Gewerbe. Die Voraussetzung hierfür: Senken ^Preise an einem Punkt, der soeben im Schiedsspruch ^ie Streitigkeiten in der nordwestdeutschen Eisen- Aivie ins Auge gefaßt ist: beim Lohn. Wird es auf ' Weise erreicht, daß man sich über eine gleichzeitige gleichmäßige Lohn- und Preisherabsetzung einigt — Eisenindustrie will die Preise zuerst ermäßigen und nach einem Monat, die Löhne entsprechend herab- wissen —, dann glaubt man eine Verminderung "K Kaufkraft des Lohnes, also ein Sinken des Ballohnes vermeiden zu können. Das gerade " der springende Punkt; denn die deutschen Arbeit- .chtNervertreter dürften sich nie oder doch nur als Be- im Arbeitskampf einverstanden erklären mit einer ^Minderung des Reallohnes, einer Senkung des ^benshaltungsniveaus. Es erübrigt sich, darüber zu debattieren, ob die Lohn- Morien der Arbeitnehmer oder die der Arbeitgeber — von denen diese Dinge anders betrachtet oder beurteilt werden richtiger sind, sondern es handelt sich hier nicht Wunschpolitik, vielmehr um ein Wollen, das °°n gegebenen Tatsachen — und dazu gehören "»ch Massenanschauungen — ausgehen muß, um ^gendwie zum Ziel zu gelangen. Daß schon lange die Preisentwicklung für alle Erzeugnisse aus dem Weltmarkt eine teils schneller, teils langsamer nach unten sich be rgende Linie zeigt, zwingt auch die deutsche Wirtschaft, l'ch davon nicht auszuschließen und damit die Arbeits- ftigkeil noch größer werden zu lassen. Mittels behörd- "Her Maßnahmen, durch „Befehl von oben" geht es nun ^er nicht, eine Preissenkung durchzuführen, am wenig- l?en dann, wenn dabei Lohnherabsetzungen mitwirken ^llen. Das ist nur möglich durch Einsicht in die Not wendigkeit, durch frei williges Zusammen- "kbeiten beider in Frage kommenden Seiten. Man 1926 auch mal versucht, eine solche Preissenkungs- ^tion vom grünen Tisch aus sozusagen zu komman- weren, — mit absolutem Mißerfolg. Was allein Pier Erfolg haben könnte, ist eben eine „Ar bei 1s- Gemeinschaft", die sich nüchtern fernhält von rem wirtschaftspolitischen Dogmatismus und alle Schlagworte vor der Tür ihres Beratungszimmers stehen M. Eigentlich ist ja das ganze so breit verästelte Tarif wesen schon das Werk eines solchen „arbeitsgemeinschaft- Hen" Gedankens, weil hier der Grundsatz des Arbeits- »vemages" durchgeführt, der absolute Kampfstandpunkt fischen Arbeitgeber und -nehmer wenigstens für be- ibmmte zeitliche Tauer ausgeschaltet ist. In England ist Wan darin schon weiter: hier besteht auch für das Schlich- aingswesen eine ganze Reihe „arbeitsgemeinschaftlicher" ünstiiutionen von Arbeitgebern und -nehmern und den "aatlichen Zwangsschiedsspruch deutschen Rechts kennt wn dort nicht. Tie bitteren Erfahrungen des Riesen- ampfes in Englands Bergbau 1926 und seiner verhäng- wsvollen Folgen haben als eine ernste Lehre gewirkt, ^ben auch heute noch den verständigungsbereiten Ele- wtteri in den Trade-Nnions der englischen Arbeiterschaft m starkes Übergewicht über die auf unbedingten sozialen saulpf eingestellten Kreise. Daß die unzweifelhaft viel arkcre Not der Gegenwart bei uns zur Auftriebskraft .anlicher Entwicklung werden kann, wäre nur zu wün- E"wr der größten deutschen Wirtschaftsführcr hat n bekanntes Wort dahin geändert, daß nicht Politik, son- sick" — Wirtschaft das Schicksal ist. Heute zeigt , y grausamer Deutlichkeit, wie richtig dieses Wort "W zutreffend aus uns alle ist. MWSWWM des UWMM 4'. Prozent Arbeitslosenversicherung — Notopfer aller Festbesoldsten Berlin, 5. Juni. Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett trat unter dem Vorsitz des Reichskanz lers Dr. Brüning heute zu seiner letzten Sitzung vor Pfingsten zusammen. Die mehrwöchigen Beratungen der Reichsregi'ierung über die Arbeitslosenversicherung und die übrigen mit der schwie rigen Wirtschasts- und finanzpolitischen Lage zusammenhängen den Fragen wurden in der heutigen Kabinettssitzung zu Ende ge führt. Das Reichskabinett beschloß, die Reform der Arbeitslosenversicherung in weit gehender Anlehnung an die Beschlüsse des Vor standes der Reichsanstalt für Arbeitslosenversiche rung, jedoch mit der Maßgabe, daß der Beitrag von 3^ auf 4 X> erhöht wird. Die wesentlichen Aenderungrn im Gesetz, darunter die Beitrags festsetzung, sind bis 31. März 1931 begrenzt. Eine Entlastung der Wirtschaft soll durch gleichzeitige Vorlage eines Gesetzes über die Reform der Krankenversicherung angestrebt werden. Sodann verabschiedete das Kabinett die weiteren Gesetz entwürfe, die den Ausgleich der Ausgaben auf sozialem Gebiete und der Mindereinnahmen des Haushalts zu decken bestimmt sind, nämlich ein Gesetz über die vorübergehende Reichshilfe durch die Festbrsoldeten im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft. Das Gesetz sieht auch einen Bei trag aus den Tantiemen der Aussichtsräte vor, ferner einen Sonderbeitrag in Höhe von 10 Proz. Einkommensteuer für Ledige. Dazu tritt ein durch Kürzung der Steuerfristen in der Zigaret tenindustrie für das lausende Jahr zu beschaffender Beitrag, der mit einer Verlängerung der Kontingentierung für die Zeit bis bis zum 1. April 1932 verbunden ist. Hierdurch wird zusammen mit den durch nochmalige Durchprüfung des Haushalts herbeizu- führenden Ersparnissen ohne neue, die Wirtschaft belastende Steuern eine volle Deckung des Haushalts gefunden werden. Das Kabinett beschäftigte sich sehr eingehend mit dem Kern problem der gegenwärtigen Wirtschasts- und Finanzlage und dem nicht in ausreichendem Tempo stattfindenden Absinkrn der Ar beitslosigkeit. Es legt entscheidendes Gewicht auf die Wisder- einbeziehung von Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozß durch Einleitung größerer, den wirtschaftlichen Nvtwen- * digkeiten entsprechenden Arbeiten. Die Reichspvst wird in der nächsten Zeit eine umfangreiche Auf tragserteilung über das bisher vorgesehene Maß hinaus vor nehmen. Mit der Reichsbahn werden morgen die emgeleiteten Verhandlungen mit dem Ziele fortgesetzt, sie gleichfalls in die Lage zur Vergebung dringender Aufträge zu versetzen. Verschie ¬ dene Wege hierzu erscheinen gegeben. Der Kleinwohnungsbau an denjenigen Orten, an denen unter wirtschaftlichen Gesichts punkten ein dringendes Bedürfnis bejaht werden kann, und an denen gleichzeitig besonders große Arbeitslosigkeit vorliegt, wirk« durch Zurverfügungstellung zusätzlicher Mittel gefördert werden. Es ist im laufenden Jahre der weitere Bau von 35 000- 40 000 Wohnungen vorgesehen, welcher bis 150 000 Bauarbeitern Arbeitsgelegenheit verschafft. Das Kabinett hat die Vorlegung eines Gesetzes beschlossen, das den Neichsarbeitsmimster zu allgemeinen Anordnungen ermäch tigt, durch welche die zweckmäßige Verwendung der zur Verfü gung gestellten öffentlichen Mittel und tragbarer Mieten für die minderbemittelte Bevölkerung sichergestellt werden. Diese Grundsätze sollen bereits bei der Vergebung des zu sätzlichen Bauprogramms Anwendung finden. Dabei wird der vom Kabinett für die Wirtfchast im ganzen als notwendig an gesehene Gesichtspunkt einer Herabsetzung von Kosten und Prei sen sör das Gebiet der Bauwirtschaft mit Nachdruck verwirk licht werden. Ein allgemeines Straßenbauprogramm, das den notwendigen Ausbau des vorhandenen Netzes Vorsicht, ist in Aussicht genommen. Die Beschaffung der Mittel wird vor bereitet. Das Kabinett trat alsdann in eine Beratung über die Möglichkeit einer allgemeinen Senkung Ler Produktionskosten und Preise ein. Diese Beratungen werden nach Pfingsten fortgesetzt. — Die Sitzung des Kabinetts schloß mit der Prüfung der vom Reichs- finanzminister vorgelegten Busgabensenkungs- und Spargesetze. Es erklärte sich mit ihren Grundzügen einverstanden. Eine zweite Lesung und Beschlußfassung über die Einzelheiten wird in einer Sitzung unmittelbar nach Pfingsten stattfinden. JieMMlWen DWnMemWm md GmelMMen t!i NS WMn NMW Berlin, 5. Ium. «Zu dem Stand der Verhandlungen zwischen den großen wirtschaftlichen Spitzrnverbänden und den Arbeitnehmervertretern erfährt die Telegraphen-Union, daß Lie Arbeiten des Unterausschußes, der vom Reichsverband der Deut schen Industrie zur Prüfung der Preisabbaufrage eingesetzt werden war, am Donnerstag abgeschlossen worden sind. Die ab schließenden Verhandlungen mit den Gewerkschaften sollen nun mehr — entgegen den ursprünglichen Erwartungen, wonach man noch aus eine Einigung vor Pfingsten hoffte — nach Pfingsten fortgesetzt werden. Friis Wels" Ws der Ml nach MdrichsW« Großer Empfang in Spanien. Schwere Unwetter. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" hat den Ozean in schneller Fahrt glücklich überquert und ist am Donnerstag wieder über europäischem Festland eiugctrvsfcn. Nm l0.50 Uhr erreichte das Luftschiff die portugiesische Küste bei Cascaes bei der Mündung des Tejo und überflog dar auf die im Hafen von Lissabon ankernden deutschen Kriegsschiffe mit dem Ziel nach Sevilla. Die Ankunft in Sevilla war schon für 2 Uhr nachmittags vorgesehen, ver zögerte sich indessen etwas, da das Luftschiff in schwere Unwetter geriet. Zwischen den Azoren und Sevilla herrschten starke Gewitter, und über ganz Spanien gingen gewaltige Regengüsse nieder, die großen Sachschaden an- richteteu. In Sevilla waren alle Vorbereitungen für den Empfang und die Verankerung des Luftschiffes getroffen. Eine besondere Funkstation war eingerichtet, die dem Luft schiff die notwendigen Wetternachrichten übermitteln sollte. Eine Luftschifferkompagnie war auf den Flugplatz be ordert, um die notwendige Hilfe bei den Landungs- manövcrn leisten zu könne». * Landung und Start in Sevilla. Ei n k u r z e r A » f e n t h a l t. -dem das Luftschiff um 16.25 Uhr Mitteleuropa! jchcc Zeit Sevilla zum ersten Male überflogen hatte, kam es um 17.35 Uhr wieder nach Sevilla zurück. Auf dem Flugplatz waren 10 000 Kubikmeter Gas, außerdem reich licke Mcnaon Benzin und Llvorrötc zur Verfirnung ge stellt. Das Luftschiff teilte jedoch mit, daß cs davon keinen Gebrauch machen werde. Punkt 18 Uhr ließ es die Halte- tauc fallen, die von den Haltemannschaften ergriffen wur den. Um 18.10 Uhr war das Landungsmanöver beendet. Nach Aufnahme der neuen Fahrgäste und Übernahme von Lebensmitteln stieg das Luftschiff bereits um 18.30 Uhr bei trübem Wetter zur Weiterfahrt nach Friedrichshafen auf. Eine begeisterte Menge begrüßte den Luftriesen und winkte ihn« zu. * Zeppelin nimmt Kurs «vf die Balearen Friedrichshafen, 6. Juni. Nach einem beim Luft schiffbau Zeppelin eingegangenen Funkspruch von Bord des Lust schiffes befand sich Graf Zeppelin um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit auf 4 Grad 38 Minuten West, 35 Grad 57 Minuten Nord. Das Luftschiff nimmt östlichen Kurs. Bei der Ueberfliegung der Straße von Gibraltar herrschte sehr starker Südwind und Regen. Um 22 Uhr hatte sich das Wetter aufgeklärt bei leichten: Süd wind. * Oer neue Zeppelin im Herbst fahrtbereit. Knud Eckener, der auf dem Hapagdampfer „New Jork" nach Deutschland zurückkehrt, erklärte, ein Zeppelin von größerem Durchmesser werde in: August fertig werden und für den tranSattantifchen Dienst zur Verfügung stehen. Wahrscheinlich werde dus neue Luftschiff seine Probefahrt nach Südamerika machen. Eine besondere Neuer mg de seppclins bilde die automatische Steuerung,