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Tharandt, Nossen, Siebenlehn nnd die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags — und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 56. Dienstag, den 14. Juli 1885. Die Abwesenheitsvormundschaft über den Schänkwirth Eduard Hermann Hänsel in Huhndorf hat sich erledigt, was hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. König!. Amtsgericht Wilsdruff, den 9. Juli 1885. vr. Gangloff. Bekanntmachung Die Lieferung der Ausstattungsgegenstände sür das hiesige neue Stadtkrankenhaus, als: eiserne Bettstellen, Matratzen, kleine Tischchen, Waschtischgestelle, Lampen, Leinwand, wollene Decken, verschiedene Gegenstände von emaillirten Blech, Nachtstühle mit Zubehör, Hemden, Schürzen, Jacken, rc. soll demnächst vergeben werden. Geschäftsleute und Gewerbetreibende des hiesigen Amtsgerichtsbezirks, welche sich an dieser Lieferung zu betheiligen beabsichtigen, wollen sich wegen Mittheilung der Bedingungen an den Unterzeichneten wenden. Wilsdruff, am 11. Juli 1885. Der Krankenkassenverband für den Amtsgerichtsbezirk Wilsdruff. Ficker, Brgmstr., Bors. TageSgeschichte. Es heißt, der Kaiser werde schon am 21. d. M. von Ems nach Wildbad Gastein übersiedeln. Die Kaiserin weilt in Koblenz und wird daselbst auch noch länger bleiben; sie kommt häufig nach Ems, um ihren Gemahl zu besuchen. Ans Potsdam wird berichtet, daß der Reichskanzler am Dienstag vom Kronprinzen und der Kron prinzessin empfangen worden sei und bei den Herrschaften zu Mittag gespeist habe. Die Kur in Kissingen soll dem Fürsten sehr gut be kommen sein. Der Herzog von Cumberland hat seine Ansprüche auf Han nover nicht aufgegeben. Das Protokoll über die geheime Sitzung, die der braunschweigische Landtag kürzlich abgehalten hat, ist nunmehr be kannt und in demselben finden sich zwei Schreiben des Herzogs abge druckt, in denen er hervorhebt, daß ihm „ein Verzicht auf Hannover nicht zugemuthet werden könne" und daß er der Ansicht sei, „die Er füllung der Pflichten als Herzog von Braunschweig werde nicht beein trächtigt durch den Vorbehalt der Rechte auf Hannover". Schlecht ist bei der Cumberland-Affaire der Reserve-Offizier Graf Grote ge fahren. Er hat die bekannte welfische Erklärung für den Herzog unter schrieben und deshalb ist die Militärbehörde kriegsgerichtlich gegen ihn vorgegangen. Wie es scheint, soll der vielfach in der Presse ausgesprochene Wunsch, daß ein Reichsgesetz erlassen werden möge, durch welches Ausländer von der Ausübung deutscher Fürstenrechte ausge schlossen werden, sich erfüllen. Die „Nat.-lib. Korresp." schreibt: „Wie der„H. C." erfährt, wird demnächst dem Prinzen Heinrich VII. von Reuß, dem gegenwärtigen Botschafter in Wien, seitens der braun schweigischen Regierung die Regentenwürde angetragen und von demselben ohne Zweifel angenommen werden. Es wäre damit die braunschweigische Frage für abfehbare Zeit definitiv geregelt und zwar in einer Weise, die man nur als eine sehr glückliche wirb bezeichnen können. Die Persönlichkeit des Prinzen Reuß, der sich lange Jahre im Reichsdienst als Botschafter in Petersburg und Wien bewährt hat, giebt alle Bürgschaften, daß die Regierung in Braunschweig in einem den Interessen des Reiches sowohl, als des Landes entsprechenden Sinne geführt werden wird. Anläßlich des braunschweigischen Falles tritt von verschiedenen Seiten die Nachricht auf und hat bisher Wider spruch nicht gefunden, daß dem Reichstag demnächst eine Ergänzung der Reichsverfassung vorgeschlagen werden soll, welche ausländische Fürsten von der Ausübung landesherrlicher Rechte auf deutschem Boden ausschließt. Eine iolche Bestimmung wäre gewiß sehr angebracht, um von vornherein Ansprüche auszuschließen, die auch anderen Bun desstaaten als Braunschweig gegenüber bestehen und seiner Zeit wer den geltend gemacht werden, von deren Anerkennung aber im neuen deutschen Reiche niemals mehr die Rede sein kann. Unter dem heiligen römischen Reich oder dem deutschen Bund mochte das angehen, in unserem nationalen Reich aber ist für englische oder russische Prinzen kein Boden mehr. Das ist so selbstverständlich, daß es im Grunde gar nicht verfassungsrechtlich ausgesprochen zu werden brauchte. In dessen haben wir in der braunschweigischen Frage doch wieder Prä tentionen und Prätendenten austreten sehen, die eine Ergänzung der deutschen Grundakte in der angegebenen Richtung als recht wünschens- werth erscheinen lassen." Man munkelt wieder von einer Zusammenkunft des Reichskanz lers mit dem österreichifchen Minister Grafen Kalnocky, die im August stattfinden soll. Und zwar, heißt es, werde auf dieser Konferenz ein österreichisch-deutsches Zollbündniß besprochen werden. In der Lust liegt dieses Projekt schon lang, ob wir aber schon bis zum Verhandeln gelangt sind, erscheint doch noch fraglich. Prag, 11. Juli. In Tachau sind vergangene Nacht 28 Häuser, worunter das Rathhaus, die Domänendirektion, das Rentamt und die Finanzwachkaserne, abgebrannt. Auf dem bei Tachau gelegenen Dorfe Ulliersreitz sind gestern ebenfalls 13 Bauernhöfe abgebrannt, wobei eine Bäuerin mit verbrannt und ein Bauer schwer verletzt worden ist. Am 1. April 1886 will der Lloyd in Bremen die neuen Dampferlinien nach Australien und Ostasien eröffnen. Je 9 alte und 6 neu in Deutschland erbaute Dampfer des Lloyd sollen auf den Linien verkehren. Die Schwyzer sind merkwürdige Leute. Die Wiedereinführung der Todesstrafe halten sie für einen Rückschritt, die Einführung der obligatorischen Fortbildungsschulen aber wollen sie auch nicht, wahrscheinlich weil sie dies sür einen zu großen Fortschritt halten. In Zürich wurden über beide Vorlagen Volksabstimmungen gehalten und beide Vorlagen wurden verworfen. Die Züricher scheinen also weder vorwärts noch rückwärts zu wollen, es ergeht ihnen demnach wie dem bekannten grauen Thierlein, dem man sowohl auf die rechte wie auf die linke Seite ein Bündel Heu gehängt hatte und das in der Mitte verhungern mußte, weil es nicht zum Entschluß kommen konnte entweder hier oder dort anzufangen. Hat der Kaiser von Rußland seinem getreuen General Komaroff, der in Afghanistan so tapfer operirt und intriguirt hat, einen Ehren säbel und 100,000 Rubel geschenkt, so hat die Königin von England ihren weniger glücklichen militärischen Sachwalter in Afghanistan doch auch nicht leer ausgehen lassen wollen. Sie hat Sir Peter Lums- den das Großkreuz des Bathordens angeheftet, ein Vermögen aber hat der Brite nicht bekommen, doch foll er auch nicht halb fo viel Schulden haben, wie fein russischer Gegner. Die neuen englischen Minister haben am Montag im Par lament zum ersten Mal Erklärungen über ihre Politik abgegeben, Lord Salisbury über die äußere, Lord Carnarvon über die innere, be sonders die irische Politik. Die Erklärungen waren ruhig, aber fest gehalten und machten auf das Parlament einen guten Eindruck. Mit Rußland soll Friede gehalten, aber der Ehre Englands nichts vergeben werden. In Egypten will Lord Solisbury energisch vorgehen; in Jr- land gedenkt das Tory-Ministerium ohne Ausnahmegesetze durchzu kommen. Besonders letzteres wäre für England sowohl wie für Irland zu wünschen, denn sonst wird die Spannung zwischen Irländern und Engländern immer größer. In England gehen die Geschäfte schlecht und deshalb hat das Ministerium beschlossen, eine Untersuchungs-Kommission einzusetzen, die den Grund für die Geschäftsflauheit entdecken soll. Die Kommission wird schnell gebildet sein, ob sie aber ihre Aufgabe ebenso schnell er füllen wird, bezweifeln wir. Die englischen Geschäftsleute behaupten, die deutsche Konkurrenz sei an allem Schuld, deutsche und andere Volkswirthe sagen: wir leiden alle unter der Ueberproduktion. — Auch in Amerika gehen die Geschäfte sehr flau und der große Arbeiterstrik ist noch nicht beendet. In Cleveland haben 1200Eisenbahnarbeiter mehrere Fabriken zerstört. Wo die nun wohl arbeiten wollen. Die Türkei ist und bleibt nun einmal „der kranke Mann" in Europa, daran läßt sich nichts mehr ändern. Da dem so ist, kann sie natürlich keinen Anspruch erheben, wie ein gesunder Staat behandelt zu werden, und deshalb wird sie sich die fremden Postanstalten, deren sie sich schon vor Jahresfrist zu entledigen suchte, auch ferner gefallen lassen müssen. In Frankreich, England, Deutschland, Oester reich und Italien traut man den türkischen Postbeamten halt nicht und darum unterhalten die großen europäischen Staaten ihre eigenen Post bureaus in der Türkei, der Sultan mag dagegen noch so oft protestiren, wie dies soeben wieder geschehen ist. In Spanien beträgt die Zahl der täglichen Choleratodten gegen 800. Vaterländisches. Wilsdruff. Wie wir schon in unsrer vorigen Nummer kurz andeuteten, sollte am Donnerstag, d. 9. Juli, die festliche Grundstein legung für das Stationsgebäude unsres zukünftigen Bahnhofes statt finden. — Was wir feit Langem ersehnt und erhofft, was seit zwan zig und mehr Jahren die Häupter unsrer Stadt und mit ihnen so mancher Bürger, dem das Aufblühen und Gedeihen seines Heimaths- orles am Herzen lag, durch unermüdliches Schaffen und Wirken erstrebte — am vergangenen Donnerstag sollte es zur Wirklichkeit, sollte mit dem Bau der Potschappel-WilsdrufferStaatseisenbahn in unsrer Flur begonnen werden. Trotzdem daß die Feier nur den Stempel des schnell Jmprovisirten trug, gestaltete sie sich doch zu einer Kundgebung der herzlichsten und freudevollsten Art! Der gesammte Stadtgemeinderath und mit ihm die Spitzen der