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ZchönbllM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Ubr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5» Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 5. December 1882. Bekanntmachung. Das für das Jahr 188S aufgestellte Commun-Aulagen-Abschä- tzungs-Catafter liegt 14 Tage lang zur Einsichtnahme der Steuerpflich tigen an hiesiger Ralhsexpedilionsstelle aus. Etwaige Reclamationen gegen die erfolgte Einschätzung sind schriftlich und mit Gründen unterstützt, bez. unter Angabe etwaiger Bescheinigungsmittel, bin nen obiger Frist und längstens bis zum 1S. December 1882 hier anzubringen. Spätere Einsprüche bleiben unbeachtet. Waldenburg, den 2. December 1882. Der Stadtrath. Cunrady. Nchtr. II. "Waldenburg, 4. December 1882. Politische RrmÄschan. Deutsches Reich. Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist am Sonn abend noch nicht in Berlin eingelroffen. Viel besprochen wird das auf dem Wege von Schlawe bis Varzin abhanden gekommene, an den Reichskanzler adressirte Briefpacket mit amt lichen Schriftstücken. Schon seit Jahren besteht eine Eisenbahnverbindung zwischen dem Tusculum des Fürsten Bismarck und der Station Schlawe, von wo der Reichskanzler in früheren Jahren den 3^/2 Meilen langen Weg bis Varzin mit Courirpferden zurückzulegen gewohnt war. Soweit nun die von Schlawe in der Richtung nach Neustettin abgehen den Züge der Secundärbahn Anschluß an die von Berlin resp. Danzig dort eintrcffenden haben, wer den mit diesen auch alle Postsachen befördert. Dies ist aber nicht der Fall bei dem Zuge, der mittags 1 Uhr Berlin verläßt und um 11 Uhr abends in Schlawe eintrifft. Im Laufe eines jeden Vormittags werden die im Auswärtigen Amte nach Varzin zu expedirenden Sachen durch einen besonderen reiten den Boten in einer verschlossenen Ledermappe nach dem Stettiner Bahnhofe befördert, die dort manch- mal erst in der letzten Minute, kurz vor I Uhr f anlangen, und unterwegs in besondere Obhut ge- nommen werden. In Schlawe steht nun eine z eigens für die Dauer des Aufenthaltes des Fürsten f Bismarck errichtete Kariolpost bereit, welche ungefähr um 3 Uhr absährt und gegen 6 Uhr morgens in Varzin eintrifft, und ausschließlich nur Sachen für den Reichskanzler oder dessen Familie befördert. Da der Fürst gewohnheitsgemäß des Nachts lange ar beitet, so nimmt diese Kariolpost auch gleich die vom Fürsten erledigten Sachen wieder nach Schlawe mit, die dort um 10'/« Uhr vormittags abgehen und hier um 6 Uhr abends eintreffen. Merkwürdig bleibt es, daß trotz aller Nachforschungen bisher keine Spur von den verloren gegangenen Briefen entdeckt ist. Ob die Schuld nur der Leichtfertigkeit des Postillons zuzuschreiben ist, bleibt abzuwarten. In der Regel pflegt der Verschluß und das Oeffnen der Kariolpost bezüglich ihres Inhaltes einem Postsecretär oder dessen Stellvertreter obzuliegen. — In den Kreisen von Abgeordneten ist die Ansicht verbreitet, daß es sich um ein wohl vorbereitetes Complot handle, dem eine Großmacht, welche in letzter Zeit als in beson der« intimen Beziehungen zu Preußen stehend, öfter erwähnt wurde, nicht ganz fern sein soll. Die 8. Commission des Reichstages hat ihre Ar beiten wieder ausgenommen und die Berathungen über das Gesetz, betr. die Krankenversicherungen der Arbeiter, fortgesetzt. Den Gegenstand der Verhandlung bildeten die Einrichtungen der Orts krankenkassen: ß 28—39 der Vorlage. Geh. Reg.- Rath Lohmann machte die Mittheilung, daß auf Anregung des Abgeordneten vr. Hirsch statistische Erhebungen seitens der Reichsregierung veranstaltet seien über die Wirkungen des Hilfskassengesetzes von 1876 und daß die Bearbeitung des Materials soweit gediehen sei, daß er in den nächsten Sitzun gen der Commission dasselbe mittheilen könne. Zu 8 29 hatte der Abgeordnete v. Maltzahn-Gültz be antragt, das Eingreifen der höheren Verwaltungs behörde zu beschränken, ein Gedanke, der von dem Regierungsvertreter acceptirt, von den liberalen Mitgliedern ausgenommen und durch Unteranträge des Abg. Or. Hirsch erweitert wurde. Abgelehnt wurde ein Antrag des Abg. Lohren, nach welchem nur männlichen Kaffenmitgliedern ein Wahlrecht eingeräuml werden sollte. Längere Zeit wurde über 8 39 verhandelt, nach welchem die höheren Verwal tungsbehörden unter den von den Centralbehörden festzusetzenden Voraussetzungen anordnen können, daß die Ortskrankenkassen, statt für die einzelne Gemeinde, für mehrere Gemeinden gemeinsam oder für einen größeren Communalverband errichtet werden. Von liberaler Seite wurde die Regierungsvorlage einmal in der Richtung bekämpft, daß die Beseitigung der den Centralbehörden (Landesverwaltungen) zugewie senen Befugnisse verlangt wurde. Sodann wurde eine größere Selbstständigkeit der einzelnen Orts krankenkassen bezw. Communalverbände beansprucht. Alsdann wurde die Debatte abgebrochen. Die Fortschrittspartei des Reichstags hat in der am 1. d. stattgefundenen Fractionssitzung mit 33 gegen 13 Stimmen folgende von Eugen Richter beantragte Resolution angenommen: „Die Fort schrittspartei hat stets und in allen Fällen die vor handene grundsätzliche Uebereinstimmung mit den anderen liberalen Parteien und die Verständigung über ein gemeinsames Vorgehen sich angelegen sein lassen und wird auch in Zukunft hierbei behar ren, dagegen erscheint eine allgemeine, die Selb ständigkeit des Handelns beschränkende Verpflichtung zu Verhandlungen mit allen übrigen liberalen Par teien weder nothwendig noch zweckmäßig." Der Oberpräsident v. Westphalen, v. Kühlwetter, rst am 2. d. vormittags 9 Uhr gestorben. Der Westphälische Draht-Industrie-Verein in Hamm sagt in seinem Geschäftsbericht pro 1881/82 über die Lage der Eisenindustrie in Deutsch land: „Im Geschäftsjahr 1881/82 läßt sich in der ganzen Eisenindustrie zum ersten Male deutlich erkennen, von welchen segensreichen Folgen die vom Hrn. Reichskanzler ins Leben gerufene Zollpolitik zu werden verspricht und wie allmälig das verloren gegangene Vertrauen überall hier zurückgekehrt. Un sere bei Jnslebentreten der neuen Zollpolitik gehegten Befürchtungen wegen unnatürlicher Vertheuerung des Roheisens bei Ausschluß der englischen Concur- renz haben sich bis jetzt nicht verwirklicht und dürfen wir heute wohl rückhaltlos für die neue Zollpolitik Partei ergreifen. Welch' gewaltige Bedeutung die Frage der Holz zölle und beziehungsweise der Holzpreise für Baden hat, läßt sich aus der dem „Schw. Merk." aus Karlsruhe constatirten Thatsache erkennen, daß das Großherzogthum 516,716 Hektare, d. h. 34 pCt. der Landesfläche an Wald besitzt (Ende 1879), wo von 91,313 Hektare Staatseigenthum, 225,116 Hektare im Besitz von Gemeinden, 166,260 Hektare im Privatbesitz sind. Das Sinken der Holzpreise seit einer Reihe von Jahren war geradezu eine Kalamität des Budgets und noch für das Budget 1882/83 mußte nach dem Mittelstand der Holzpreise für 1881 der ursprüngliche Budgetsatz nachträglich um 180,000 Mk. gemindert werden. Italien. Wie der „Moniteur de Rome" meldet, hat der russische Minister Giers bald nach seiner Ankunft in Rom eine Audienz bei dem Papst nachgesucht. England. Das englische Parlament hat sich bis zum 15. Februar vertagt. Die bei dieser Gelegenheit verlesene Thronrede der Königin bezeichnet die aus wärtigen Beziehungen Englands als herzliche, con- statirt den Erfolg der maritimen und militärischen Operationen in Egypten und sagt: „Die neuesten Ereignisse in Egypten vermehrten meine Verpflich tungen bezüglich der Angelegenheiten Egyptens. Ich werde versuchen, meine Pflichten zu erfüllen derge stalt, daß ich die internationalen Verbindlichkeiten aufrecht Halle, die nach und nach erworbenen Pri vilegien erhalte und befestige, das Wohlergehen des Volkes Egyptens, die weise Entwickelung seiner In stitutionen fördere und jeden Schritt vermeide, wel cher geeignet sein würde, die Ruhe des Orients zu stören. Ich hege das Vertrauen, oaß sowohl die Ziele, welche ich im Auge habe, als auch die Er gebnisse meiner Erwägungen die Billigung der Mächte meiner Verbündeten in ihren respectiven Beziehungen gegenüber Egypten finden werden." Es heißt dann weiter: „In Folge der von der Regierung und den gesetzgebenden Körperschaften Frankreichs befolg ten aufgeklärten Politik fand im Allgemeinen keine Verminderung des Handels zwischen England und Frankreich statt, welcher die materielle Wohl fahrt beider Länder fördert und die Freundschafts bande enger knüpft, weiche sie glücklicherweise ver bindet." Die Thronrede glaubt, in einigen Theilen Irlands werde sich im nächsten Winter Mangel ein stellen, sie erwähnt ferner mit Abscheu die jüngsten Mordanfälle in Dublin und sagt, die Behörden wür den ihre Vollmachten mit Festigkeit anwenden, um Verbrechen zu unterdrücken. Uebrigens sei eine merk liche Besserung der allgemeinen socialen Verhältnisse Irlands eingetreten. Der Erzbischof von Canterbury ist am 3. d. früh 7'/« Uhr gestorben. Rußland. Aus mehreren Grenzgouvernements, namentlich aus Kamieniec-Podolski ist die Meloung eingetroffen, daß die Behörden Anstalt treffen, die in Vergessen heit gerathene, aber formell noch nicht aufgehobene Verordnung, wonach Juden nur in einer Entfer nung von 50 Werst von der Grenze die Nieder lassung gestattet ist, wieder in Anwendung zu brin gen. Nur in Kamieniece geborene, oder unter die dort ansässige Bevölkerung bereits eingetragenen Juden sollen von dieser Maßregel ausgenom men sein. Dem „Regierungsboten" zufolge wurden am 24. November auf der Universität Kiew und am 27., 28. und 29. November auf der Universität Charkow von Studenten Versuche zu Zusammenrottun gen gemacht. In allen Fällen gingen die Studen ten jedoch bei dem Erscheinen von Polizei und Militär auseinander. Die Vorlesungen wurden nirgends unterbrochen. Türkei. Ein Jrade des Sultans genehmigte den Be richt der Specialcommission für die öffentlichen