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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen «nb Umgegend. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers Friedrich May. 3A. Sonnabend, den LV. Juni. 1848. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal und zwar Mittwochs und Sonnabends, in halben und »esp. ganzen Bogen. — Bestellungen nehmen alle Postämter Sachsens an. — Pränumerations-Preis vierteljährlich lO Ngr. — Annoncen werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 6 Pf. berechnet und für jede nächste Num mer bis Tags vorher Vormittags 9 Uhr angenommen. — Eine Annonce unter 4 Zeilen kostet 2 Ngr. 5 Pf. Zeitgeschichtliches. Sachsen. Bischofswerda, 9. Juni. Morgen wird die Löbau-Zittauer Eisenbahn dem all gemeinen Verkehr übergeben. Probefahrten haben bereits stattgefunden und sind dieselben sehr befrie digend ausgefallen. Es hat somit auch hier das alte Sprichwort sich bewährt: „Was lange währt, wird endlich gut." Wenn nun auch für den Au genblick, wo Handel und Gewerbe fast gänzlich da nieder liegen, an eine Rentabilität dieser Bahn nicht zu denken ist, so ist ihr doch für die Zukunft bei günstigerer Gestaltung der Dinge nicht jede Hoffnung abzusprechen. Insbesondere ist dieser neue Schienenweg bei jetziger schöner Jahreszeit den Naturfreunden zu empfehlen, welche Ausflüge in die reizenden Umgebungen Zittau s, aus den Oybin, die Lausche, den Johnsdorfer Felsen rc., zu machen gedenken. Ulbersdorf bei Sebnitz, 6. Juni. Der heutige Tag war für unser Dorf, sowie für die Gemeinden Schönbach, Rugiswalde, Langburkersdorf und für mehrere angrenzende böhmischeOrtschaftcn ein Tag des Schreckens. Ein furchtbares Gewitter mit heftigem Sturm und Hagel verwüstete in weniger als Io Minuten einen großen Theil der zu den reichsten Erntehoffnungcn berechtigenden Fluren. Die Felder, Wiesen unv Gärten von sieben Guts besitzern unserer Gemeinde sind für dieses Jahr to tal vernichtet. Schloßen von der Größe der wel schen Nüsse lagen theilweise6Zoll hoch aufgehäuft. Der Schaden an zerschmetterten Fenstern, an auf gerissenen Dächern und an entwurzelten Bäumen Dritter Jahrgang. ist sehr groß und um so fühlbarer, als keines dieser Grundstücke in irgend einer Assecuranz versichert ist. Preußen. Berlin, 5. Juni. Am Nachmit tage des gestrigen Tages (Sonntag) fand, einem Aufruf der hiesigen Studirenden zufolge, ein groß artiger Zug nach dem Friedrichshayn statt, wo die Märzhclven begraben liegen, um, wie der Aufruf lautet, „durch eine feierliche Kundgebung den Ver leumdungen und Verketzerungen der Revolution und ihrer Kämpfer cntgegenzutrcten und heilig zu sprechen, was die Undankbarkeit schmäht." Auf diese Veranlassung hatten sich denn, trotz mancher lei Versuchen, dir Theilnahme zu verringern, auf dem Gensdarmenmarkte und in den nächstgelegenen Straßen Abgeordnete aller Gewerke und politischen Vereine, 50,000 Personen ohne Waffen ver sammelt. Gleich nach 4 Uhr setzte sich der unge heuere Zug von derselben Kirche aus in Bewegung, von der aus am 22. März der große Leichenzug be gann , eröffnet von der berittenen Nationalgarde. Unzählige schwarz-roth-goldene Fahnen, untermischt mit den Standarten der Gewerke, flatterten im Winde, und das schönste Wetkr begünstigte den Zug. Viel Aufsehen erregte die Fahne des demo kratischen Clubs (ganzroth, mit goldner Einfassung und einem Trauerflor am Flaggcnstock). VierPer- sonen trugen eine kolossale drcifarbigeFahne mit der silbernen Inschrift: „Freie Presse." Auf einem be scheidenen Fähnchen stand: „Die brodlosen Arbei ter." Allgemein war die Rührung, als diese Ar men vorbei defilirten; umsonst versuchte man ihnen Geld in die Hände zu drücken; „wir wollen Arbeit, nicht Almosen!" riefen sie. Mehr als ein Dutzend