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Dresdner Journal : 06.06.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189606068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960606
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-06
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 06.06.1896
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v,zn,«1>rtt«: Für Drc-ben vierteljährlich 2 Mark SO Pf, bei de» Kaifer- lich deutschen Postanstaltrn vierteljährlich 3 Mark, außer halb de- Deutschen Reiche- Post- und Stempelzuschlog. einzelne Nummern: 1» Pf. Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends Fernspr Anschluß: Nr 1295 VresNer ZlHllllNl. Ankündtgungsgebühre«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 2t) Pf Unter „Eingesandt" die Zeile üO Pf. Bei Tabellen- und Zifscrnlay eulsprechender Ausschlag Herausgeber: Königliche Expedition des Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr. 20. Fernspr Anschluß: Nr 1295. 18W Sonnabend, den 6. Juni, abends. Amtlicher Teil. Se. Majestät der Köllig haben Alllrgnädigst zu genehmigen geruht, daß der Gartendirekwr Bvucho in Dresden den ihm ron Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen verliehenen Kronen orden 3. Klasse annchme und trage. WekcrnnLrnachung. Zn Deckung des Bedarfs für die römisch-katho lischen Kirchen der Erblande ist für das lausende Jahr eine Parochialanlage nach Maßgabe der Ver ordnung vom 4. April 1879, die Aufbringung des Bedarfs für die katholischen Kirchen und Schulen der Erblande mit Ausnahme der katholischen Kirche und Schule zu Schirgiswalde betreffend (Gesetz- und Verordn -Blatt vom Jahre 1870 Seite 100) in Höhe von 20 Pfent igen von jeder Mark des Einkommen steuersatzes für Anlagenpslichtige, welche inner halb einer Entfernung von 7,5 Kilometern und von 10 Pfennigen von jeder Mark des Einkommen steuersatzes für Aulagenpslichtige, welche weiter als 7,5 Kilometer vom Kirchorte oder einem erb- ländischen Orte, in welchem regelmäßig mehrere Male im Jahre GotteLdienst gehalten wird, wohnen oder ansässig sind, zu erheben. Die hiernach sich ergebenden Anlagenbeträge sind von den verpflichteten Parochianen am 15. Juli dieses Jahres an die Orts Steuereinnahmen uuerinnert abzuführen. Die Anlagenkataster werden seiner Zeit durch die Rechnnngsexpeditiou des unterzeichneten Ministeriums den betreffenden Steuerbehörden zugefertigt werden. Gleichzeitig werden die letzteren hiermit ermächtigt, katholische Kirchenanlagen bis zu dem Höchstbetrage von 3 M. insoweit ohne weiteres zur Abschreibung zu bringen, als dies hinsichtlich der Einkommensteuer auf Grund vou Punkt 5 der Generalverordnung des Königlichen Finanz-Ministeriums vom I'.». Januar 18-0 — Nr. 59 Reg. l) — geschieht, es sind aber in solchen Fällen die Abschreibungen in der Rechnung über die Einhebung der katholischen Kirchenanlagen in Kürze zu begründen. Dresden, am 1. Juni 1896. Ministerin in des Kultus und öffentlichen Unterrichts. v. Sehdewitz. v Welck. nichtamtlicher Le». Die (üucrtreibercikn giwissrr Lrrile iu Oesterreich beschäftigen die öffentliche Meinung in Deutschland wohlverdientermaßen in hohem Grade, und es wird zweifellos allgemein mit Befriedigung empfunden, daß den Exkursionen auf das Gebiet dir auswärtige» Politik, zu denen neuerdings Wiener Blätter, wie die „Neue Freie Presse", mehrfach sich veranlaßt gefunden haben, sogleich von deutscher Seite mit Energie cut- gcgengetreten wird. So deutlich das Bestrebe» dieser Wiener Kreise wird, die Politik des Dreibundes in eine Rußland feindliche Richtung hineinzulenken, so bestimmt ist ihnen auch bedeutet worden, daß Deutsch land für solche Pläne nicht zn haben sein wird. Wir hatten gestern schon einen Auszug aus der j-nigcn Betrachtung mitgcteilt, durch welche sich die „Kölnische Zeitung" der Ausgabe unterzogen hatte, die Phantastereien der „Neven Freien Presse" über ein neues Orientprogramm des Dreibundes zurückzuwcisen. Da ein Zweifel darüber kaum obwalten kann, daß der betreffende Aufsatz des rheinischen Blattes mit den Anschauungen der Reichsregierung sich deckt und daß er zum Ausgangspunkt für mancherlei Betrachtungen in der europäischen Presse werden wird, so sei heute im Nachstehenden sein Wortlaut mitgeteilt. Tas Blatt drückt sich folgendermaßen aus: „Die Rede des Kaisers Franz Joseph beim Empsange der öäerreichter» und ungarischen Delegationen hat in der ganzen deutschen Presse lebhafte Zustimmung gesunden; sie wild allseitig als eine wiederholte, sehr erfreuliche Bestätigung ausgrsaßt, wie sehr sich der Dreibund in der Überzeugung aller Beteiligten als eine Notwendigkeit und als ein sicheres Fliedensbollwcrk fest- gcsetzt hat. Sic ist nm so weitvoller, weil sie ganz aus freien Stücken kommt, da ein vorheriges Einvernehmen mit der deut schen und italienischen Regierung über den Inhalt der Erklärung stibstvcrstänNich als ausgeschlossen g-lten muß. Um so ausfälliger ist es, daß die .Neue Fr,ie Presse" in Wien es versucht, diesen kaiserlichen Worten eine Deutung unterzuschieben, die ihnen nicht imewohnt und die einer entschiedenen Zurückweisung bedarf Dieses österreichische Blatt macht nämlich die Ent deckung, daß in den Worten des Kaisers, wonach das feste und zielbewußle Auftreten des Dreibundes in allen wichtigen Fragen viel dazu beige-ragen habe, daß der europäische Friede trotz der beumuhigcndcn Syn'Ptcme im Orient nicht gestört wurde, ein orieniaiifchcs Programm, ein politisches Orient programm d S Dreibundes aufgerollt nnrde und daß die es neue Programm im Gegensatz , stehe zn der früheren Haltung des Fürsten Bismarck, dess n Äußerungen im Deutfchcn Reichs tage dem Dreibund den Charakter einer Versicherung für den Fall eines Unglücks gegeben hätten. Uns lind die Anssühr- ungen des Wiener Blattes ein vollständiges Rätsel Nicht das Geringste ist von deutscher Seite geschehen, was auch nur die Möglichkeit eines System oder eines Programm- Wechsels and uten könnte. Rach Ivie ror hat die deutsche Regierung dis zur jüngsten Zeit daran scstgehalten und betont, daß sie kein direktes Interesse an den politischen Ereignissen im Orient hat, und daß sie dort nur im engen Anschluß an alle kontinentalen Mächte das Ziel verfolgt, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten und damit die Bcwahrung des europäischen Friedens geschützt zu sehen. Es ist nicht zu leugmn, daß der Dreibund durch sein gemeinsames cinträchnges Vorgehen viel dazu beigctragen hat, daß nach den jüngsten armenischen Wirren der Friede im Orient nicht gestört woiden ist. Aber man muß gerecht sein und anerkennen, daß das gleiche Ziel gemeinsam nit dem Dreibund auch von allen übrigen kontinentalen Staaten thatkrästig versolgt worden ist, und daß namentlich Rußland vollen Anspruch aus An erkennung dafür hat. daß es mit in erster Linie jede Friedensstörung durchkreuzt hat. Wir wissen nicht, welches Ziel das Wiener Blatt damit versolgt, daß es jetzt plötzlich und grundlos der deutschen Regierung einen Programmwechsel an- dichlet Ter Dreibund hat sich innerhalb der Grenzen, in denen er seit nun bald fünszehn Jahren abgeschlossen worden ist, nach allseitiger Überzeugung für alle verbündeten Reiche wie für den euroväijchen Frieden so gut bewährt, daß kein Grund vorlicgt, ihn über diese Grenzen hinaus ans zudehnen und ihn dadurch aus eine verhältnismäßig schwankende und unsichere Grundlage zu stellen." Auch die „Hamburger Nachrichten", die diese ihre Auslassung zweifellos ans der ihnen zur Ver fügung stehenden vortrefflichen Ouellc in der Nachbar schaft geschöpft habe», begrüßen die Auslassung der „Kölnischen Zeitung" mit vollstem Beifall und be merken : „ ... Tie „Neue Freie Presse" halte sich veranlaßt gesehen, zu behaupten, daß der Treibund gegenwärtig ein poli tisches Orientprogramm verfolge, das im Gegensatz zu dem Begründer des Dreibundes, dem Fürsten Bismarck, stehe, welcher letzterer das Bündnis immer nur als eine „Versicherung für den Fall eines Unglücks" hingestellt habe, eine Auffassung, die in Oster,eich Ungarn immer aus Wider spruch gestoßen sei. Letzteres können wir nur bestätigen, und cs sollte uns freuen, wenn der vom offiziösen Telegraphen heute früh weiter verbreitete Artikel der Köln. Zrg.der gegen die Deutung der Worte des Kaisers von Österreich durch die „Reue Freie Presse" Verwahrung cinlegt, sich mit der amtlichen deut schen Auffassung deckte. Wir halten mit dem Kölnischen Blatte au der Ansicht fest, daß Deutschland lein direktcs Interesse an den politischen Ereignissen im Orient hat, und daß d:c deutsche Politik dort nur im Anschluß an die zunächst b.teiligten Mächte das Ziel versolgt, Ruhe und Ordnung aufrechtzucrhalten und damit den europäischen Frieden zu schützen Wir sind jahre lang den sortwährcnden Wiener Versuchen entgegengeiretcn, Deutschland und den Dreibund als aus die östcrreichische Balkanpolitil verpflichtet hinzustellen, und haben es uiiS Kunst und Wissenschaft. * Über die Sprache des menschlichen Antlitzes hielt der bekannte Zoologe Prof. Selcnka in der Mün chener Anthropologischen Gesellschaft einen Vor trag, fußend auf Untersuchungen von Darwin, Duchenne u a und auf eigene Beobachtungen, sowie unterstützt durch eine Reihe trefflicher typischer Abbildungen. Es giebt eigentlich, wie der Vortragende nach der „M Allgm Ztg" aussührte, vier Verständigungsmittel zwischen den Menschen: I) die Tastsprache, welche hauptsächlich nur bei Abivehr und beim Kosen Anwendung findet; 2) die Geberdcnsprache, deren Formen rein konventionell sind, was auch 3) von der Lautsprache gilt, während 4) der mimi schen Sprache feste, für alle Völker gleiche Gesetze zu Grunde liegen, da gleiche Empfindungen stets gleiche Ge sichtsausdrücke Hervorrufen Letztere iverden wesentlich be stimmt durch Falten der Haut, die durch Kontraktionen der darunter liegenden Muskeln entstehen. Trifft z B. ein unerwartetes Bild plötzlich unsere Augen, so öffnen wir diese weit durch Zusammenziehung der Stirnmuskeln, wobei horizontale Stirnfalten entstehen; letztere sind der mimische Zug der Ueberrafchung, Verwunderung und auf merksamen Beobachtung Dieser wird verstärkt durch den offen stehenden Mund; wir vergessen eben, durch An spannung unserer Kaumuskeln das Eigengewicht der Unter- kinnlade auszuheben Bei weiterer Steigerung wird auch noch die Unterlippe herabgezogen Bei Kindern und Wilden ist dieser mimische Zug sehr deutlich, bei blasierten Kulturmenschen schwächer; durch Gewohnheit wird er physiognomisch; er tritt auch aus bei angenehmen seelischen Erregungen Treten wir au« dem Dunkel in« Helle Licht, so verkleinern wir den Augenspalt, dergleichen bk traurigen Gedanken In Wut zerbeißt man gleichsam einen harten Gegenstand, kurz — immer ist seelische Mimik identisch mit der sinnlichen. Unsre Gefühle und Gedanken drücken sich aber auf dem Antlitz aus, weil wir in Worten denken, d h alle Vor stellungen vergegenständlichen und sie durch sinnliche Mimik unterstützen, vertiefen. Letztere ist also wie die Lautsprache eine Bildersprache, nur eine plastische. Aber aus dem Gesichtszug allein kann man noch nicht erkennen, ob er sich auf sinnliche oder seelische Eindrücke bezieht Tie Mimik dient auch als Verständigungsmittel besonders nervöser Personen, zumal Frauen; sie unterstützt die Laut sprache, von der sie allerdings gewaltig unterschieden ist: die, Worte der letzteren sind freie Erfindung, die Worte der mimischen Sprache aber von der Natur gegeben Daher muß die Mimik bei allen Völkcrrassen die gleiche sein Gewöhnlich wird sie unbewußt angewendet; man kann sie ja selbst nicht direkt kontrollieren. Darum ist sie auch meist aufrichtig; nur der Schauspieler kann eine natürliche Mimik künstlich zu Wege bringen Ter mimische Zug des Abhaltens des Lichtes vom Auge — senkrechte Stirn falten — ist zugleich der der Unlust Eine süße Geschmacks empfindung deckt sich in der Mimik des Mundes mit an genehmen Gedanken, eine bittere mit unangenehmen Ge fühlen Die Augen- bez Ctirnmimik kann noch ver stärkend wirken durch den Ausdruck des Behagens oder der Unlust. Der prüfende Mundzug findet sich physiognomisch bei Feinschmeckern und hochmütigen Wichtigthuern Der verbißene Zug bedeutet große Kraftanstrengung oder be sondere Vorsicht Lachen und Weinen sind komplizierte Erscheinungen Neben den Zügen von Lust und Unlust beruht ihre Mimik hauptsächlich darauf, daß beim Lachen die Lust bei gehobenen Mundwinkeln ruckiveise ausgestoßen, beim Weinen bei gesenkten Mundwinkeln ruckweise ein- gezogen wird Alle mimischen Züge werden mit der Zeit physiognomisch, wozu wesentlich da» Temperament beiträgt. Nach Helmholtz' Beobachtungen kann ein regsamer Geist in einer Sekunde 8 bis 10 Beobachtungen anstelle», ein phlegmatischer nur 2 bi« 3. Der siebzigjährige Phleg matiker hat also etwa die gleiche Summe von Leben«- slcls angelegen fein lassen, nachzuwcifcn, daß diese Auffassung mit dem Bündnisverträge, wcnn er nicht geändert fei, u>ver einbar wäre. Es gereicht uns zur Befriedigung, den Aus führungen ter „Köln. Ztg ", wcnn sie offiziös sind, cntnehmen zu können, „daß der Vertrag in seiner ursprüngliche» B grenz- nug sortbesteht, kaß cr sich nach sünfzehnjäviigem Bestände nach all eiliger Überzeugung sür alle rerbündelen Reiche wie für den europäischen Frieden so gut bewährt hat, daß kein Grund vor- li gt, ihn über diese Grenzen hinaus auszudehnen und ihn da durch auf eine fchwankcnde und unsichere Grundlage zu stellen." Uber dru freisinniqkn Wahlsirq iu Rnppiu- Templin schreibt die „Eonservative Eorrespoudenz": An der „Strippe" dcr Sozialdemokratie wird der frei sinnige Gutsbesitzer Lessing als ueugewähltcr Abgeordneter sur Ruppin-Trmplin in den Reichstag e,»ziehen Unterwürfig hat er unter das Joch, das die „Genossen" ihm durch allerlei Be dingungen auferlegt haben, sich gebeugt; nicht als Triumphaior kann er seinen Einzug halten, sonder» als Vasall dcr Sozial demokratie. Hat jemand Ursache, bei diesem Wahlaussall sich als Sieger zu füh-en, so ist es nicht Hr Lessing, auch nicht die freisinnige Partei, sondern einzig und allein die Sozialdemo kratie, die sich den Luxus eines freisinnigen Vasallentums leisten kann Man sollte eS unter dies>n Umstände» nicht sür möglich hallen, daß dcr Freisinn auf den Ruppin-Templiner Sieg sich „stolz" zeigt In der That ist cr aber mit Stolz erfüllt, weil es einem Schacher ohne gleichen gelungen ist, ein gefährdetes Rcichslagsmandat zu retten. Tie „Freisinnige Zeiiung", die Meisterin >m Verdunkeln offenkundiger Thatfachcn, schreibt: „Der erste Wahlgnig hatte einen kleinen Rückgang der sreisinnigen Stimmen gegenüber der Wahl von I8S3 gebracht . Dieser Fehler wnrde in der Stichwahl ausgeglichen." Ter „kleine Rückgang" aber betrug rund 2300 von 7000 Stimmen, also fast ein Drittel derselben! Und wie beschämend, wie vernichtend für den Freisinn nimmt sich dieser „kleine Rückgang" aus, wenn man in Erwägung zieht, mit welcher Intensität und mit welch gewaltiger Anstrengung der seeisinuige Wahlkamps in Ruppin-Templin betrieben worden ist Als Redner waren nicht weniger als b Reichs beziehungs weise Landlagsabgeordnete, nämlich Fischbeck, Or. O Hermes, v Reibnitz, Or. Schneider und Schulz; ferner noch die frei- sinnigeii Koryphäen Goldschmidt, Krieger, Kopsch, Or Wieimr und Schumacher — also zehn auswärtige Herren — thätig; außerdem wirkten bei der Agitation mehrere Herren aus dem Verein „Walkeck" in Berlin und dcm freisinnigen Arbeiter verein zu Charlottenburg. Mehr konn:e also wiikjich nicht ge leistet werd«!! Trotzdem aber hat der Freisinn die „Kleinig keit" von einem Drittel seiner srühcren Stimmen verloren! Ohne die thalkrästigc Hilie der Sozialdemokratie und ohne das unbegreiflich kurzsichtige Eingreifen der Deutsch-Sozialen wäre dcm Freisinn nicht bejchiedeu gcweicn, den Wahlkreis zu kapern. Wie kann da das Richt.rsche Organ schrciben: „So ist es durch das Zusammenwirken der Partcikräste (nämlich dcr freisinnigen) innerhalb und außerhalb des Wahlkreises ge lungen, trotz des heftigen Ansturmes von drei Gegenparteien, einen Wahlkreis zu behaupten .Wem will de „Frei sinnige Zeitung" wohl weismachen, daß dcr Freisinn aus eigener Kraft gesiegt habe" Ta ist die demokratische Berliner „Vo.kSzeitung" wahrlich ehrlicher; kenn sie schreibt resigniert: „Wenn das liberale Bürgertum, das bei der letzten all gemeinen ReichSlagswahl, soweit es sich um die srcisinnige Volksparici handelt, bekanntlich aus eigener Krast leider keinen eiiizigen Kandidaten durchzubringen ver mochte, mit der Sozialdemokratie Schulter an Schulter lämpst, wird die Reaktion rcrdientcrmaßcn an die Wand gedrückt Möge der srcisinnig - sozialdemokratische Wahlsieg diesem seinem Werte nach von denen, die es an- geht, begriffen und gewürdigt weiden!" Die „Volkszeitung" hat nicht unrecht. Wir Konseivativen stehen infolge deS Sondcrvorgchens neuer Parleibildungen vor der Gefahr, eine Anzahl von Wahlkreisen, die setzt durch die staatserhaltcndeu Parteien vertreten sind, an das freisinnig- sozialdcmokratische Kartell zu verlieren, wcnn nicht in dcn Wahlkreisen selbst alles aujgeboien wird, um Einbrüche neuer Parteien von vornherein zu verhindern Ties kann nicht etwa bloß kurz vor einer Wahl oder durch die größte Sorgfalt bei der Auswahl dcr Kandidaten gefchche», sondern das muß un ausgesetzt und beharrlich durch Kräftigung unserer Partei- agitativn und durch beständiges Sammeln dcr konservativen Elemente in dcn Wahlkreisen vermittels .kleiner Arbeit" ge schehen Wir Konservativen brauchen den sozialdemokratisch-frei sinnigen Wahlsieg nicht tragisch zu nehmen; cs ist vielmchr zu hoffen, daß der in manchen Kreisen noch umgehende Gedanke, daß den Deutsch'ozialen eine besondere Werbekraft inncwohnr, mrt der namentlich dcr Bund dec Landwirte zu rechnen habe, angesichts der klägliche» antisemitischen Ersolge nunmehr ver schwindet. Ohne das Eingreifen der Dcutfchsozialen würde der Wahlklkis vermutlich dcm Freisinn entrisse» morde» sein; neben dcr Sozialdcmokratie hat al^o der Freisinn auch dcn Antisemiten - die sogar zum Teil in der Stichwahl gegen die Konfcr- vativcn für die Schützlinge der Börse gestimmt haben sollen — die Erhaltung des Ruppiner Mandats zu verdanken. Das ist ein neues Ruhmesblatt sür die Tcutschsozialen; aber auch eine beherzigenswerte Lehre sür die konseivaiivcn Parteimitglieder. Die Schlacht ist verloren, nun gilt es sür künftige Siege zu r ü st e n! Tages geschuhte. Trcsötu, 6. Juni. Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde ist heute vormittag 8 Uhr 20 Minute» i» Begleitung der Hofdame Freiin v. Gärtner und des Hofmarschalls Kammerherrn v. Haugk von einer dreiwöchentlichen Reise in Frank reich hierher zurückgekehrt und hat Höchftsich nach der Prinzlichen Villa in Hostcrwitz begeben. Die Mitteilung verschiedener Zeitungen, nach der Ihre Königl. Hoheit »ach Spanien verreist fei, mar unzutreffend. Deutsches Reich. Berlin Se. Majestät der Kaiser begaben Sich heute früh v Uhr von der Wildparkstation nach dem Lchrler Bahnhos hierselbst, statteten der Jubiläumstunstausstellung einen längeren Be'nch ab nnd kehrten mit dem fahrplan mäßigen Zuge uni 12 Uhr 25 Minuten vom Potsdamer Bahnhos nach dem Neuen Palais zurück. — Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung einem Ausschußantrage betr die Abänderung des Zoll- und Salzsteuerverwaltungskostenetats sür das Großherzog- tum Baden die Zustimmung erteilt. Ten zuständigen Aus schüssen wurden überwiesen ein Antrag Preußens belr. Zulassung von Ausnahmen von dem Verbote der Sonn- tagsarbcit, die Entwürfe eines Gesetzes wegen Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Elatsjahr 1896 97 und einer Verordnung über die Kaution des Rendanten dcr Bureaukasse beim Reichsversichcrungs- amt, eine Vorlage betr. die Ausprägung von Kronen, sowie die Beschlüsse des Landesausschusses von Elsaß- Lothringen zu dcm Gesetzentwurf über die Wahlen der Mitglieder der Bezirksvertretungen und der Kreisvertretungen, zu der allgemeinen Rechnung über den elsaß-lothringischen Landeshaushalt sür 189192 und zu der Übersicht der Ausgaben und Einnahmen der elsaß-lothringischen Landes verwaltung für 1894 95. Von der vom Reichstags präsidenten mitgeteilten Wahl eines Mitgliedes des Reichs tags zur Reichsschuldcnkommiffion wurde Kenntnis ge nommen, ferner über den wegen Besetzung einer Ralsstelle beim Reichsgericht Sr Majestät dem Kaiser zu machenden Vorschlag und eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt — In den „Berl Neuesten Nachrichten" ist zu lesen: In einigen Zeitungen sind wir Ausdrücken des Bedauerns darüber begegnet, daß Deutschland angesichts der Un ruhen aus Kreta nicht gleichfalls Schiffe dorthin ent sandt habe. Wir würden unserseits eine solche Entsendung nicht nur sür durchaus ungerechtfertigt, sondern direkt für leichtfertig angesehen haben und vermögen in dicfem Falle das Bedauern dcr Blätter übcr die Inferiorität unserer Flotte, die dergleichen nicht gestatte, nur insofern zu teilen, als es sich uni diese Jnseriorität im allgemeinen handelt. Im übrigen ist die Haltung Deutschlands um so mehr zu bil ligen, als Griechenland bisher noch nicht den geringsten guten Willen bethätigt hat, selbst den gemäßigsten Forder ungen seiner deutschen Gläubiger gerecht zu werden. Deutschland hat somit nm so weniger Grund, den Griechen oder dcn Engländern die krctensischcn Kastanien aus dem von griechisch-englischen Agitatoren immer wieder von neuem angezündeten Feuer holen zu helfen, als Griechen land allem Anschein nach für seinen Rüstungsbcdars eine Anleihe in Frankreich gesucht und gefunden hat und die verfügbaren Einkünfte des Landes nun naturgemäß durch diese neue Transaktion stark, wenn nicht ausschließlich in Anspruch genommen werden. Unter diesen Umständen ist es nur zu billigen, wenn seitens des deutschen Gläubiger komitees der griechischen Regierung ein Ultimatum für die Befriedigung der deutschen Ansprüche zugestellt wor den ist. — Die Reichstagskommission zur Vorberatung des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat gestern die zweite Momenten hinter sich wie ein dreißigjähriger Regsamer, und des letzteren Mimik wird naturgemäß viel lebendiger sein, aber auch leichter physiognomisch werden Bei nicht- curopäischcn Rassen sind durch besondere Formen von Pfund, Augenbrauen, Backenknochen gewisse mimische Züge typisch vertreten, aber nur scheinbar; in besonderem Affekt mimen auch diese, wie die Europäer Und da die Mimik die plastische Sprache des Gemütes ist, bedarf cs, um den Eharaktcr einer Person zu erkennen, einer verständnis vollen Auslese dcr wesentlichcn Züge des menschlichen Gesichts, wie dies der denkende Künstler thut * Tas Gutachten, das die gerichtlichen Physiker Straßmann und Sanitätsrat Or Mittenzweig über dcn nach cincr Scrumcinspritzung cingctrctcncn Tod dcs Knaben Ernst LangcrhanS der Staatsanwaltschaft er stattet haben, wird in dcr ncucstm Nummer dcr „Bcrl. klin Wochenschr." vcröffcntlicht Tas Endurtcil lautct: „Wic man auch dcn Fall ausfasscn mögt, strasrcchtlich crschcint der Tod dcs KindcS jedcnfalls als cin unglück- lichcr Zufall, dcr nicht vorauszuschcn war und für den deshalb niemand verantwortlich gemacht werden kann Wir geben deshalb unfer Gutachten dahin ab, daß sür die Annahme eines vertretbaren Versehens, das dcn Tod dcs KindcS LangcrhanS verursacht hat, sich irgend ein Anhalt nicht ergeben hat " Die beiden Gut achter wurden bei ihrer Deutung des Falles von einer Reihe von Momenten geleitet, die bisher, weil nicht be kannt, bei dcr Beurteilung des Falles nicht in Betracht gezogen werden konnten Der kleine LangcrhanS hatte drei Stunden vor der Einspritzung des Heilserums eine reichliche Mahlzeit und eine Stunde zuvor Milch und Kuchen zu sich genommen. Der Tod des KindcS trat (wic der Pater berichtete) nach zwei heftigen Hustenanfällen ein. Bei der Leichenöffnung sanden sich im Kehlkopfe, in der Luftröhre und in den größeren und mittleren Zweigen dieser sehr reichlich«, graue schleimig käsige Massen, di«, mikroskopisch untersucht, sich als Speiseteile, Fett und Muskelfasern auswiesen Ausgeschlossen ist nach der Prüf ung des Or. Straßmann, Pros Ehrlich und Or. Bischoff (Or Straßmann und Prof. Ehrlich prüften dcn Rest des Serums, das Prof. Langerhans angewendet hatte, an einer Maus), daß das Serum giftige Zcrsehungsstoffe oder Karbol im Übermaße enthielt Nicht anzunehmen ist nach dcm Urteile der Gutachter weiterhin, daß der Tod durch die Einführung von Lust in eine Blutader bei der Ein spritzung oder durch eine Herzlähmung infolge von Angst und Erregung eingetreten ist. Im Hinblick darauf, daß sich in den Luftwegen reichlich Speisedrei vorsand, erachten die Genanntcn cs vielmehr für das Wahrscheinlichste, „daß der Tod des Kindes erfolgt ist durch Erstickung, und zwar durch Erstickung infolge von Aspiration erbrochenen Mageninhaltes in die Luftwege" Dafür spreche nicht bloß der Lungcnbesund, sondern »och eine andere Wahrnehm nng. Man fand bei der Sektion wässerige Schwellung des Zäpfchens Schwellung der Halsorgane ist aber bei Tod durch Erstickung (Ertrinken, Aspiration von Speise- maffcn) öfter beobachtet worden Tie Gutachter stellen sich vor, daß der Tod des Ernst Langerhans unter den folgenden Umständen vor sich ging: „Der Magen des Kindes war voll, wir sanden ihn, trotz der teilweisen Entleerung nach oben, bei der Sektion noch stark gefüllt, er muß außer der letzten Mahlzeit auch noch Teile de« Mittagsmahles enthalten haben, da wir in den Luftwegen Fleischteile (Muskelfasern) gesunden haben E« ist wohl begreiflich, daß unter diesen Umständen im An schluß an die Injektion Übelkeit, Erbrechen eintrat, und es ist nicht undenkbar, daß das Kind sich infolge des Schmerzes in einem halbohnmächtigen Zustand befand, daher die in den Rachen hochgcbrachten Massen nicht aus- warf, sondern in die Luftwege einatmete." Die Anschau ungen, die sie insgesamt über den Fall gewonnen haben, kennzeichnen die Gutachter schließlich im Folgenden: „Über die Frage,' ob «in strafbaikS Verschulden an dem
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