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7L guhrga«,. -V 248 Freitag, 28. Mal 1>2» Gegründet 1858 »rahtanlchrtlt; ««chrlchle» Ure»»-« Arrnlprecher-Sammelnummee: SV Schl N« für ««chtgelprtche: SO 011 k-r,.-...- vom r«. »i« »1. «»1 t«»» vet lLgttch »weim-ltger ZustellMla Iiet Hau« 1.1« Marl. ÄkAUA5-lNLl)Uhr Poitbe»ug««>reU für Mona«^»»^«.«« Mark^ o^ne tvostjustellung-acbühr. Lte »naetgen werde» nach votdmarl berechnet: dt« einlpalttge >« mm breite Lette »» Bta-, tur aulwtrt« «o P>^ gamtltenan,eigen und Stettenaetnche ohne Rabatt AllALlZLll-Pktzlstz. PI«, außerhalb »» Psg., die so mm breite Rellame»eUe «oo Psg-, außerhalb «b« PI,, vliertengebühr »o Pi,. «u»«Lrii,e «nstritge gegen Borausberahlun,. «chriitieiinng und Haudtgei»rst»steN« «artenstrahe 2S/chL Druck und «erlag von kiepich ck Retchar», >n Drekden Posticheck-ltont» 10SS »re»»e« Nachdruck nur mtt deutlicher Quellenangabe «.»reldner «a«r.'i rulSiiig — Unverlangte Pchrtitstücke werden nicht auibewahrt. bin Racheurieil Frankreichs im Uatz. Gefängnisstrafen und Aufenthattsverbot für Riülin, Schall. Faßhauer und Roste ausgesprochen. Wegen Komplotts gegen Frankreichs Sicherheit. Kol mar. 24. Mai. Nach Zuständiger Vrralung kehrten die Geschworenen im Kalmarer Aviv- nomistenprozeh ln den Gerichlssaal zurück und verkündeten das Ergebnis ihrer Beratung. Die Frage, ob ein Komplott gegen die Sicherheit des französischen Staates vortiege. wurde bejaht. Die übrigen Schutdfragen wurden lediglich belRlcklin. Schall. Faßhauer und Rosse bejaht. Diese vier Angeklagten wurden zu je einem Jahr Gefängnis unter Anrechnung der fünf Monate Untersuchungshaft verurteilt. Ferner wird ihnen auf die Dauer von fünf Jahren der Aufenthalt im Elsaß verboten. Auf welche Weise sich das Verbot des Aufenthaltes bezieht, wird noch bekanntgegeben werden. Der Präsident gibt darauf den Angeklagten be kannt. daß sie innerhalb dreier Tage den Antrag wegen Kassation des Urteil» beim Pariser Kassation-Hof ein reichen können. Hautz. Schlegel. Vaumann, Köhler, Würh. Heit, Beisacher. Eggemann, Solveen und Schweitzer wurden frelgesprochen. Sie werden sofort in Freiheit gesetzt, falls sie nicht wegen anderer Vergehen in Hast bleiben müssen. ' . . ::'. : ^ Des Volkes Anlworl: O Slragburg! Nachdem die Geschworenen wieder im Saale erschienen waren, erklärte der Gcneralstaatöanwalt. die sranzösische Ge richtsbarkeit sei streng. aber auch großherzig. Als er für die vier Verurteilt««' mildeste Antvenbuug de» Gesetze» be antragte. ereignet« sich etwa» Unerwartete». Der junge Rechtsanwalt Feillct sprang von der Bertciütaerbank auf und schrie dem Präsidenten zu: Sine Verurtcilnng von Männern wie Nicklin. Rost», Fasshauer nnd Schall ist unmöglichl Er konnte jedoch nicht weiterredcn, da er. von einem Wein« kramps erstickt, aus der Verteidiacrbank buchstäblich zu» sanruienbrach. Im Saale erhob sich ZnstimmungSgeschrci. Bravo nnd Händeklatschen, wie es in dieser stürmischen Horm wäh rend der ganzen Prozebverhandluna noch «ich« vor, gekommen war. Bon der Straste drangen unausgesetzt stürmische Demonstrationen der nach Tausenden zählende« Menge zum Gerichtssaal empor. Die Aufregung wnchS von Minute zu Minute. Daraus wurde das obe« mitgeteilte Urteil verlese«. Der Nerichtsprästdent beglückwünschte die Geschworenen nach Ver kündung des Urteils zu ihrem Spruche. Die Verteidigung ver suchte mehrfach das Wort zu ergreifen, wnrde jedoch vom Präsi denten daran gehindert. Die Schlnstansprache des Präsidenten an die Geschworenen ging im allgemeinen Lärm unter. Die vier Angeklagten verabschiedeten sich von ihre» Ver teidigern und umarmten sie. Unter grober Erregung leeric sich der Gerichtssaal, während man dransten sortgcsetzt noch das Schreien und Pfeifen der Menge hörte. Während der Gerichtshof über die Festsetzung des Straf maßes für die vier Verurteilte» beriet, sammelten sich die srci- «esprochcnen Elsässer um die Verurteilten und erhoben die Hände wie zum Treuschwur. Ihre Worte gingen im all gemeinen Lärm unter. Während das Gericht sich zurückgezogen hatte, um über die Strafbemessung zu beraten, hatte die Gendarmerie den SchwurgerichtSsaal wegen der Sundgebunge« des Publikums räume« lasse«. Lediglich die Journalisten wäre« ,»gelassen. Mau hörte im Saale, wie die ausserhalb des Ge bäudes befindliche ungeheure Volksmenge das Lied „O Strass, turg, o Strassbnrg" anstimmle. Nach Abschluss des AutonomiftenprozeffcS sauden in der Stad» stürmische Demo« st rat ionen statt. Der Gc- richtSkaal sowie die anschlicsscndc« Strassen sind mit Mili tär nnd einem grösseren Aufgebot von Feuerwehr und Kendarmerie besetzt. Den Verteidigern wurdeu bei ihrem Erscheinen an de« Fenster« dcö Gerichtssaalcs fort gesetzt stürmische Ovationen von der Menge bereitet. Der Iranzösische Journalist Hesse«, der in dem bekannten Pro zeß gegen Haegq eine grosse Nolle gespielt hat, wnrde bei sei nem Erscheinen auf der Strasse von der Menge bedroht nnd kounte nur dnrch den Schutz mehrerer Polizisten tätlichen An griffen entgehe«. * Das Urteil hat bewiesen, das, der Kolmarer Antonomisten- brozeß ein ausschliesslich politisch zu bewertender Prozess war. der von Beginn an daraus hinaus ging, eine politische Be- wcgung !m Elsass zu vernichten und vor allen Dingen die Ent sendung der Führer der Bewegung in die Kammer unmöglich zu machen. Welches das weitere Schicksal der Autonomte- bewcgung tm Elsaß sein wird, muss abgewartet werden. ES erscheint jedoch zweifelhaft, ob die angewandten Methoden das von der Negierung gewünschte Ziel erreichen und die auto- trvmistiscl-e Bewegung zum Versiegen bringen werden. Protettkun-qebunaen in Kolmar. Kalmar. 26. Mai. Rach Verkündung deS NrteilS fand gestern abend im hiesigen Katharinensaal eine durch Umher, tragen von Plakaten einberusene Proteftversammlung gegen das Urteil im Kolmarer Autonomistenprozess statt. In der sämtliche Verteidiger der Angeklagten und die beiten Abgeordneten Beron aus Diedenhosen «nd Dahlct a«S Zaber» das Wort ergrissen. Die inzwischen aus dem Gefäng, nis entlassenen Schlägel, Hautz, Schweitzer «nd AgncS Vgge- «ann erschienen, von der Menge jubelnd begrüßt, ebenfalls i« Saal. Nach Schluss der Protestvcrsammlnug, in der aus drücklich davor gewarnt wurde, Unvorsichtigkeiten zu begehen zogen, wie der «Elsässer Kurier" meldet, die me'steu Versamm luugsteilnehmer vor die Wohnung des General» ftaatSanwalts Fnchvt«. die bereits von einer starken Genbarmeri«Patro«ille bewacht wnrde. Die Meng« brachte an verschiedene «eise thiö^r Unchikle» über da» ««»gesprochene Urteil zu« «»sdruck. Nach Mitternacht war d«S Strassenbild wieder ruhig. / , Was geschieh! mik Rlcklin und Rossö? Pari», 28. Mai. „Journal" behandelt die Frage, ob die gestern abgeurteMen und zu Abgeordneten Gewählten: Dr Nicklin und Holle. Wer Mandate für verlustig erklärt werden können. Das Blatt sagt: Da ihnen die bürgerlichen und dte politische«'Recht« Nicht abgesprochen wurden, muss die Kammer selbst sich äußern. Wenn sie ihre Wahl genehmigt bann müssen die. Abgeordneten ihr parlamentarisches Mandat auch ausitbe» können. Wenn aber unter dem Vorwand, dass die Wähler von den Erklärungen der Kandidaten getäuscht worden scifn, die Kammer die Gültigkeit threr Wahl ver neinen würde, würde eine Neuwahl ausgeschrieben werden, «nd für diese Neuwahl könnte natürlich sowohl Nicklin wie Rosse, da ihnen dte bürgerlichen Rechte nicht ab gesprochen morden sind, wiederum kandtdtercn. Man nimmt in unterrichteten Kreisen an. dass sie in diesem Falle auch wieder kandidieren werden. Die Stimme -es Elsah. Kalmar, 28. Mai. Die Lokalpresse sowie Strassburger Zeitungen nehmen zu dem Urteil im Autonomistenprozess eingehend Stellung. Unter den deutschgcschrtebenen Zeitungen erklärt der „Elsässer Kurier" u. a.: Das Unglaubliche ist Tatsache geworden: Elsässtsche Geschworene haben eS tn un begreiflicher Verblendung ferttggebracht, dte vier führenden Persönlichkeiten unter den Angeklagten schuldig zu sprechen. Der französischen Sache tm Elsaß ist durch dieses schnöde Urteil unberechenbarer Schaden zugefügt worden. Die Ber» leidiger habe« beschlösse«, gegen da» Urteil Berufung eiuz«, legen. Der KassationShof wird schwerlich um die Kassierung des Urteils hernmkommen. Bon der tn französischer Sprache erscheinenden Presse nimmt u. a. Stellung das Journal d'Alsace et de Lorraine lStrassburg). das sie Verurteilung der vier Hauptangcklagten und dte Freisprechung ber anderen Ange klagten billigt. Das Blatt erklärt: Zwei Verurteilte sind Abgeordnete. Es wirb Sache ber Kammer sein, zu erklären, was mtt diesen beiden Abgeordneten zu geschehen hat. — „Journal de l' Est lStrassburgs schreibt: Zwei Erwägungen scheinen den Urtetlsspruch beherrscht zu habe», nämlich die Sorge um ein Werk der Gerechtigkeit und die Erfüllung einer französischen Pflicht. — Der „N a t i o n al i st e d'Alsace" lStrassburgs schreibt: Wir zögern nicht, zu erklären, dass wir ein Urteil der Entspannung gewünscht hätten. Wir befürchten jetzt eine Verschlimmerung der Missstimmung «nd ei« An, wachsen der Bolksagitation. Gekeilte Meinungen in Paris. Paris» 28. Mat. Das Urteil von Kolmar wird von den meisten Blättern gebilligt. Sie sprechen, wie „M attn", von einer grosszügtgen Milde der Geschworenen" auf Veranlassung des Gericht», und hoffen, dass diese Mäßigung der Vorbote einer Aera der Entspannung und der Einigkeit sein werde. Einige Blätter dagegen werden nachdenklich und stellen dte Frage: War es geschickt, diesen Prozess ,« führe«? So schreibt „Oeuvre": Man muss sich vor den Beschlüssen der Bolksjustiz beugen. Wir beugen uns, ohnezubegretfen. Wir begreifen um so weniger, als das Kolmarer Urteil nicht gesprochen, sondern von dem GeneralstaatSanwalt selbst suggeriert worben ist. — Diese Ansicht vertritt auch „Bolontü". Sie erklärt: Die Geschworenen habe« sich in Widersprach ,« de« Volke gesetzt, von dem sie auSgehen. Dte rechtsstehenden Blätter suchen das Urteil dadurch schmack haft zu machen, dass sie den Verurteilten separatistische Ten denzen unterschieben, was der Prozess bekanntlich nicht be weisen konnte. Wahl und Bevölkerungsbewegung. Bon H. van den Berg h. Die Wahlschlacht ist geschlagen. Die Menge der Geistigen, der Vaterländischen und der Deutschdenkenden steht staunend davor und mtt Grauen vor der deutschen Zukunft — nnd ihrer eigenen. Dann wird geseufzt und geschrieben über dte traurige Wahlmüdigkeit und die Splitterparteien, die an allem schuld! Der Grund liegt aber wo anders! Wäret ihr mal in einer Wahlversammlung eurer rechts, stehenden Partei? Da kann man es ja mit Händen greifen. Ich mit meinen 8S Jahren mar sicherlich einer der Jüngsten in diesem Kreise. Die Führer, ehrwürdige, welterfahrene und -abgeklärte, aber gerade deshalb nicht mehr zum politt. schen Kampf voll geeignete Männer und Frauen,' selten ein etwas Jüngerer. Aber damit tst es nicht getan, dass man ruft: Dann fort mit dem bedächtig abwügenden Alter, mögen sie in Zukunft nur der voranstürmcnden Jugend mtt Rat, Erfahrung und Zielgebung zur Seite stehen. Denn seht doch diese stille Ver sammlung von einigen Hunderten älterer Herrschaften, be- sonders Matronen. Wo ist die Jugend? Auf den Stühlen die gedruckten Propaganbazettel rufen unter anderem: Wählersugend heran, ihr 4)? Millionen Neu wähler! — Die erste Rede beginnt. Man sieht sich um: wo sind sie? Man muss schon die behagliche Hörerschaft durch Um- brehen und Suchen stören, um ein paar Jüngere zu finden Man entdeckt einige wenige, ganz verloren im Hintergrund Ein junges Mädchen von dreißig Jahren sitzt vor uns, nickt freudig zustimmend und begeistert bei den Wendungen des Redners — die einzige Bewegung im Saal. Ja, wo sind sie denn, die Jüngeren und Jüngsten der Wähler? die Millionen? Gewiß gibt es auch aus bet Rechten Jngendgruppen, aber man vergleiche sie einmal mit denen auf der Linken! . , Unsere Jugendlichen sind ebe» z«m grösste« Teil — «icht geboren! Wie können sie da zur Versammlung, zur Wahl kommen? Ist es denn Zufall, ist es politische Ueberzeugung, welcher Partei zunächst ein herangewachsener, wahlfähiger Un- mündiger beitritt? Gehören sie nicht ganz selbstverständlich und fast ohne Ausnahme zunächst der politischen Richtung des Elternhauses oder Berufskreises an, genau wie sie deren Konfession oder Religionslosigkeit erben? Sie werben tn eine Partcirichtung htnetngcboren. Uebertritte zu entgegen gesetzter Richtung sind ebenso selten wie Bekehrungen »n einer anderen Konfession. Wo sind denn aber eure Kinder, ihr Intellektuelle«, ihr Kopfarbeiter, ihr «m den Staat Verdienten, die ihr allein vermöge eurer höheren Begabung und eures durchgebtldeten Wissens einen festen Damm gegen den blendenden, täuschenden, volksvcrnichtenden Marxismus bildet? Wo sind diese Fortsetzer intelligenter Familien, die vermöge ihrer Zahl die Familien vermehren — ober wenig stens überhaupt aufrechterhalten? Da drüben sind sie vor. Händen. Je ungelernter der Handarbeiter, desto mehr Kinder. Sechs btS acht Kinder sind nicht Einzelfälle, sondern in ge wissen weiten Kreisen der Durchschnitt! Etivas mehr als drei Kinder durchschnittlich tst die Vorbedingung, um die Menschenzahl in einem Kreise von Familien, in einer Be völkerungsschicht aufrecht zu erhalten. Und wir? In der Zeit des heutigen Wahlrechts und Parlamen tarismus ist nun einmal dte Gtimmenzahl ausschlaggebend. Wohl schwanken die Ergebnisse der Wahlen infolge politischer Stimmungen auf und ab, so daß eine Wellenbewegung nach rechts und links entsteht. Wohl kann man sich über Wahl- mttdigkeit rechts bei den Parteien ber durchschnittlich weit älteren Wählerschaft beklagen. Aber das bedeutet wenig im Hinblick auf die grosse zahlenmäßige Verschiebung innerhalb der Bevölkerungs- kreise. Sie vornehmlich treibt «ns in immer beschlc««igtem Tempo dem Marxismus in die Arme. Mag die Linke jetzt ans Ruder kommen und mit ihren Rcgierungöergebnissen die Augen einer noch hinreichend grossen Zahl Wähler so weit öffnen, dass bet der nächsten Wahl eine Schwankung narb rechts zu erwarten ist. Das sind chmache Hoffnungen und oas wäre nur geeignet, die Auf merksamkeit von der Hauptsache abzulenken. Und dabei kommen bis jetzt bei den Wahlen erst die Geburtenzahlen bis 1S08 in Wirkung. Was werben die nächsten zwei Jahr, zehnte bringen! Die BolkSkreise. auf die unsere Hoffnung auf politische Gesundung gerichtet ist «nd sein muss, vermindern sich durch «ussterben ganzer Familie«, um so mehr als unsere Bevölke- rungs» und Sozialpolitik auf falschen Wegen ist. So setzt ber Staat seine Mittel und seine beste Kräfte vergeblich dazu ein, geistig und körperlich erblich Kranke durch Pflege zu eben- bürttgen Mitbürgern zu machen, und erreicht dadurch nur, baß diese um so leichter ihre traurigen Anlagen auf eine große Zahl von bedauernswerten Nachkommen vererben, was das Elend nnd damit die geistige Widerstandslosigkeit gegen verderbliche politische Lehren nur weiter reißend vermehrt. Wer von «nS weiß heute, dass die sogenannten höheren Schichten und der gesamte Mittelstand so geringe Geburtenzahlen ausweisen, dass sich