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»«.FM«««, «r. 29» Abend-Aussabe AreUag, 27. Kml 1929 »rahlimlchrist: «achriKte» »reede« Urrnlvrecher-Eammeloumme,: »»«1t Rur sür Nochtgesprüch«: Rr. SOOtt SchnslleXun, a. Hauplg«lchckl»«ftelle: Tieldrn - L. 1, M-rtenstraß« S8/1» «qu««S«»i>-r üom >«. »t« »N. Ju»1 1»« »«t UtgNch pvev-aNgrr ZufteNm«, s«t Hm- t.70 «k. Voltbe»»o»vret« sür Monal Juni ü.io MI. etnschl. «8 Psg. Postgebühr lohne PosliusteUungbgebühr). Mnzelnummer t(> Psg. «n»eigen»reise: Die Anzeigen werden nach Bold inarl berechnet: die ein spaltige »8 mm breite Zeile Sd Psg., sür auiwLrt» 10 Psg. gamilienanzeigen und Stellengesuch« ohne Rabatt IS Psg.. außerhalb SS Psg., die so mm breite Reklamezeile sno Psg., außerhalb »so Psg. Ossertengebühr »0 Psg. Autwärltg« AustrLge gegen vorautbezahlung , «-»»». «erlag: Lievs« « Neichardt. »««den. Postscheck-Üw. U>«8 Trelde» Nachdruck nur mitdeutl.Quellenangabe lDretdn. Nachr.s zulässig. Unverlangt« Schriftstück« werde« nicht ausbewahr» Deut-chlan-s Recht auf Kolonien Protks» im NeichStas gkgln »ie NergewaMmmi Ssiaikilas vratztraolllaog nnooror varUuor SvLrlltloltno» Berlin, 27. Juni. Der Reichstag beschloß am Freitag die Verlängerung des NothauShaltes in dritter Lesung, und fuhr dann in der Beratung des Haushaltes des Auswärtigen Amtes fort. Abg. Dr. Schnee (D.Vp.) »erlangt Förderung des Ausländerstudiums in Deutschland. Aus diese Weise könne die Kenntnis deutscher Kultur im Aus lande verliest und erweitert und der verlogenen Hetze gegen Deutschland der Boden entzogen werden. Als Frucht dieser Hetze stehen die Grcuelbilder im Seebrügger Museum nicht allein da. In A u st r a l i e n findet man noch viele Denkmäler «md Inschristen, in denen die Deutschen als „Hunnen" bezeich nt werden. Der Kamps gegen die Kriegsschuld- lüge muß fortgesetzt werden. Gegen den Plan der Einverleibung deS frühere» Deutsch» Oftafrika in das englische Imperium muh der schärfste ' Protest eingelegt werden. ^ Oie englische Arbeiterregier«»» setzt die imperialistische Pplstik des frühere» konservativen Kabinetts fort. Sie setzt sich iMdelhinmeg über de« »och Völkerbund sestgelegte» Charakter dhh Mandatsgebiete. Sie stört Labei unser« BestrebMigeu «n »B^rchoengltschen Verständig»»« «nh ste mißachtet diö Wünsche btt oftasrlkauischen Bevölkerung, die ansbrücklich k» einer Etzt» ichkketznug dagegen protestiert hat. daß das Mandatsgebiet a» «t»er englischen Kolonie gemacht wird. Hier ist herPrüs, ft ei» sür den Völkerbund. Wenn er in dieser Frage »erlagt, so spricht er sich damit selbst die Existenzberechtigung a». Beifall.» Abg. Eisenberger (Deutsche vauernp.) «endet sich zunächst gegen die Christenverfolgungen in Ruß land und beschäftigt sich dann mit dem österreichischen Han delsvertrag. Die bayrische Sägewerksindustrie werde da durch geschädigt, und tm Zusammenhang damit auch die ge samte Wirtschaft in den bayrischen Gebirgsbörsern. ! Die Deutsche Bauernpartei könne diesem Vertrag «icht zu- fttmmen. Abg. Dr. Wendhausen (LhrM.-nat.) »«int, baß am Etat des Auswärtigen Amtes noch viel gespart «erden könne. Bei internationalen Konferenzen sei di« deutsche Delegation immer die stärkste, so daß sich auf der letzten Haager Konferenz ein ausländischer Diplomat zu der ironischen Bemerkung veranlaßt gesehen habe: „Die Deut sche» treten wohl gleich in einer Reichswehrkompanie an." Der Briandsche Paneuropaplan bedeute nichts anderes als die Befestigung des Versailler Systems und die Schaffung eines neuen Napoleonischen Weltreiches. Zum polnische» Handelsvertrag erklärt der Redner, es sei ein Gebot nationaler Würde, gegenüber den Rechtsbeugungen und dem Uebermut der Polen Handelsverträge überhaupt nicht abzu- schließen. Abg. Dr. Bell sZentr.s wendet sich gleichfalls gegen die britischen Bestrebungen in Ostafrika, denen gegenüber die Neichsregierung den deut schen Nechtsstandpunkt nachdrücklich vertreten müsse. Bezüg- lich des Völkerbundes spricht der Redner die Hoffnung aus, baß dem unfruchtbaren Jahrzehnt der Problematik und Pro- grammatik eine fruchtbringende Epoche praktischer Gemein schaftsarbeit folgen möge. Besonders gelte eS, die klaffen den Lücken im Völkerrecht zu schließen und sür besten zeit gemäße Reform tm Lichte der Gerechtigkeit und Humanität einzutrcten. Abg. Laverrenz (D.-7l.) erklärt, die Kolouialfrage sei sür Deutschland «ine Lebens frage. Wirtschaftlich« und politische Gründe machten es notwendig, mit größerer Ausmerksamkeit Li« Bestreb»»««» »» »erfolge«, de» Mandatsbegrifs »«»»»hüstle« »«L -»> An» «ektion der frühe«» dontsche» Kolonie« »« kämmen. Die deutschen Sachverständigen bet de» Pariser B«rsta»dl«»ge» hätten mit vollem Recht Kolonie« für Deutschland gefordert. Diese Forderung müsse jetzt mit Nachdruck wiederholt werden. Abg. Dr. kill, (Dem.) betont, der deutsche koloniale Gedanke habe nicht das min» beste mit imperialistischen Gedankeugängen ,« tun, er müsse Sache des ganzen Volkes sein. Die Unhaltvarkeit der kolo nialen Gchnldlüge ist schon von vielen Ausländern anerkannt morde». Denlschland besitzt als WeltwirtfchastSmacht «in unverjährbareS Recht, an der kolonisatorischen Erschließung der Welt teilznnestmen. SS ist auch das Naturrecht unseres Volkes» sich des De»tfcht»»»s im Auslande anzunehmeu. Abg. Frau Dr. Lüder» (Dem.) verlanal die schleunige Ratifikation der Genfer Hand- bels konventton. Sie führt weiter Beschwerde darüber, daß das Auswärtige Amt die Anstellung weiblicher Attaches ablehne. — Damit ist die Aussprache beendet. Die Abstim mungen über den Haushalt werden zurückgestellt, das deutsch- polnische Wirtschaftsabkommen und die Verträge mit Oester reich den Ausschüssen überwiesen. Es folgt die zweite Be ratung -es Haushaltes des ReichSarbeitSministeriumS in Verbindung mit der Novelle zur Arbeitslosenversicherung. Das Programm los ReicksarbMmtMers Reichöarbeitsminister De. Stevertval- wieS einleitend auf die Weltwirtschaftskrisis hin. Die deutsche Depression habe ihre maniiigsalttgsten Ursachen: Krieg und Inflation haben sür Deutschland eine gewaltige Kapitalver- Wüstung gebracht. Von 1924 bis 1928 sind jedes Jahr 2,5 bis 2 Milliarden Mark srenrdes Kapital nach Deutschland geflossen, womit rund 750 090 bis 1 Million Menschen Arbeit und Brot verschafft werden konnte. Dieser Kapttalzustrom hat tm letzten Jahre nicht nur ausgehört, es sind im Gegenteil große Mengen deutschen Kapitals ins Ausland geflossen. Die Landwirtschaft, di« in den letzten Jahren mit Unterbilanz arbeitete, ist somit für deutsche Erzeugnisse nicht ausreichend kaufkräftig. Außer dem haben wir in den letzten Jahren nicht nur in der Privat wirtschaft, sonder» auch in der öffentlichen Wirtschaft über »nsere Verhältnisse gelebt. Jetzt müssen Reich und Gemeinden mitten in einer Deprcssionsperiode mehr als 8 Milliarden Mark kurzfristige Schulden teilweise tilgen oder in langfristige Schulden umwandcln. Durch diese Finanzpolitik ist naturgemäß das Vertrauen zur deutschen Staatssührung und zur össcntliche« Ber» waltung stark erschüttert worben. Das Baugewerbe, eine der bedeutsamsten Schlüssel. Heilungen in der deutschen Volkswirtschaft, wird naturgemäß durch die Unordnung der Finanzen stark in Mitleidenschaft ge logen, so daß gegenwärtig tm Baugewerbe 500 000 bis 600 000 Arbeiter weniger beschäftigt find als im Vorjahre. Für unsere öffentliche Finanzpolitik muß ich persönlich jede Verantwortung ablehueu, weil ich seit fünf Jahren, als die drakonischen Steuern zur Markstäbilisierung um 2Z Milliarden Mark gesenkt wurden, gefordert hübe, daß daraus starke wirtschastspolittfche Forde rungen gezogen werden müßten, was aber nicht geschehen ist. Der Stcuersenkungsaktion von 192» habe ich mich wtdersetzt; Art und Ausmaß der BeamtcnbesoldungSrcsorm von 1927 habe ich im Hinblick aus Deutschlands Gcsamtlag« sür «in Unglück gehalten. Man kann nicht dauernd Sozialpolitik machen, losgelöst »«« der Finanz- und Wirtschaftspolitik deS Landes. Wir stehen jetzt vor -er furchtbaren Erkenntnis, daß wir in den letzten Jahren vielfach in Träumen gelebt und infolgedessen in unserer ganzen Politik ein großes Maß von Vertrauen ver wirtschaftet haben. Ich halte es für falsch, wenn man in Arbettgeberkretsen auf das Schlichtungswesen und die Sozial versicherung die Hauptursache unserer gegenwärtigen Gesamt- mtsere zurückführt. In England, das eine viel größere Be- ivegungsmöglichkett hat als wir, ist die Gesamtwirtschasts- verfassung nicht günstiger als bet uns. Man berücksichtigt zu wenig die Tatsache, das das Gros der deutschen Arbeiter zu den fleißigsten und leistungsfähigsten Europas gehört. Wir werden jedoch in der nächsten Zeit sparsamer mit Verbindlich- keitscrklärungen verfahren müssen. Der Minister geht dann auf den Schiedsspruch von Oeynhausen ein und bemerkte dazu, daß cs zwei Möglich keiten gab: die erste mar, man ließ die Angelegenheit in Form eines tartflosen Zustandes laufen, was in vielen Werken zu 20 und mehr Prozent Lohnabzug und zu einem untragbaren Arbeitskampf geführt hätte. Die zweite Möglichkeit war die Verbindltchkeitserklärung des Schiedsspruches, von der der Minister der festen Ueberzeugnng sei. daß er damit das Richtige getroffen habe. Unser heutiges inneres Preisniveau ist ungesund und nicht dauernd haltbar, und ich rechne damit, baß die linkende Wcltpreistendenz zn einer Dauererscheinung werden wird. Wir kommen «m eine baldige Preissenkung nicht herum. Diese muß jedoch »orausaehe«, da Lohnkürzungen «llei» bestimmt nicht zum Ziele führe» und auch nicht dnrchsührbar find. Wenn man di« Löhne senkt, ohne die Preise,« senken, da«« verschärft man die Krise; men« man die Löhne »nr «Len» soviel senkt wie die Preise, bau« erleichtert mau zwar di« Ausfuhr, schasst aber im Innern sognt wie keine verstärkte Ka»skrast. Rur Lurch stärkere Genknng Ler Preise als der Löhne wird zusätzliche Kauskrast geschaffen. Einer Senknng Ler Neallöhne mühte ich mich nachdrücklichst widersetze«. Für eine Senkung der Preise gibt es viel« Mittel, unter anderem die Lockerung ber Kartellpolttik, die Jn-Ordnung- Bringung des Zinsendieiistes, die Verringerung der Preis spanne vom Erzeuger zum Verbraucher insbesondere bei den landwirtschaftlichen Produkten, Vereinfach»»« und Berbillt- O. VZoldemar Graf Vitzthum v. Erkstädt, Dresden Dar «m»s»«LKlto Prästdont d»o L>«»tsch«» Erxur-l. gung der Lebensführung in breiten Schichten des deutsche» Volkes und Lohnkürzungen dort, wo sich Ueberspttzunge« zeigen. — Der Minister ging dann auf die Frage der Arbeitslosenversicherung ein. Die Regierung wolle der Arbeitslosigkeit durch ei» Arbeitsbeschasfungsprogramm begegnen, mit dem sie 200 OOü bis 900 000 Menschen glaubt Arbeit und Brot geben zu können. Die Regierung suchte wegen der Frage der Sanierung der Arbeitslosenversicherung eine Reichstagsauflösung zu ver meiden. Wenn aber die Arbeitslosenversicherung weder mit Artikel 48 noch mit einer Reichstagsauflösung in Ordnung ge bracht werden soll, dann scheint zweierlei fcstzustehen, nämlich, baß ein wesentlich anderer Weg, als ihn die Regierung vor schlägt, nicht gegangen werden kann, und daß die Neuauf- rollung des Streites um die verschiedenen Anschauungen dieser Frage uns keinen Schritt weiterbringt. Znr Sanierung der Arbeitslosenversicherung sind min destens 709 Millionen Mark notwenLig. Ich muß offen gestehen, ich habe bei dem Kampf um das Not opfer bas deutsche Volk nicht mehr verstanden. Das Jahr 1981 wirb nicht mehr, sondern weniger Steuern bringen als das vorige. Auch unsere Arbeitslosigkeit wird nur allmählich zurückgedrängt werden können. In solcher Situation gibt eS keine andere Rettung, als auf der ganzen Linie zu sparen. ES ist »icht ausgeschlossen, daß im Herbst «nd Winter mit «och viel drakonischere« Maßnahmen gearbeitet werde» muß» als mit dem Rotopfer der letzten Woche». Ich wende mich gegen jede weitere Belastung--er Wirtschaft» nicht etwa um dem Kapitalismus Handlangerdienste zu leisten, sondern ich wende mich deswegen dagegen, weil jede weiter« Steuer, die die Produktion erschwert, so und so viel mehr Arbeitslose bedeutet. Es gibt in der Hauptsache nur zwei Möglichkeiten zur Lösung des Arbeitslosenproblems: Wieder herstellung des Vertrauens in Staat und Wirtschaft und Neu belebung der Wirtschaft mit allen erdenklichen und mögliche« Mitteln durch die öffentliche Hand. Wir hoffen, nach der Siche rung des Etats und nach der Sanierung der Arbeitslosen versicherung mit etwa 750 Millionen Mark die deutsch« Wirt schaft neu beleben zu können,- Reichsbahn und Retchspost sollen für etwa 400 Millionen Mark Aufträge erteilen, da neben soll ein zusätzliches Wohnungsbaupro gramm mit 250 Millionen Mark durchgcführt werden. Schließlich sollen noch größere Beträge für den beschleunigte» Ausbau des Straßen wesens und sür die wert schaffende Arbeitslosensürsorge geschaffen werden, und zwar nicht durch Steuern, sondern durch Anleihen. Voraus, setzung für die Aufträge ist allerdings, daß die Wirtschaft be- reit ist, ihrerseits in dieser Zeit der Not durch eine an- gemessene Senkung der Preise ein Opfer zu bringen. Jetzt ist die Stunde gekommen, schnell zu handeln, und dann wird das deutsche Volk über keine jetzigen Schwierigkeiten wegkommen. Die Mintsterrede wird wiederbalt öurch Beifallskund gebungen -er Mitte und durch Zurufe von links unterbrochen. Als von links gerufen wird: „Die Deutschuationalen sind mit Ihnen sehr zufrieden", ruft ber Minister: „SS ist mir gegenwärtig furchtbar wurscht, wo ich t» diese« Hause Beifall ernte." Sans «Mionen Mark «Mirale Berlin, 27. Juni. In dem seit mehreren Wochen vor dem Hamburger Schöffengericht verhandelten Spritschmuggel- prozeß gegen den Kaufmann Schramm aus Weser- münbe und Genossen wurde gestern nachmittag das Urteil gefällt. Schramm und seine beiden Mitangeklagten wurden zu Geldstrafen von insgesamt 5 288 456 RM. verurteilt. Der Antrag deS Staatsanwalts lautete aus über 21 Millionen RM. Geldstrafe. Dret wettere S»g«klaate wurde» fretgefprocheu.