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E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rüßdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, den 17. October 1889. Witternngsausftchten für den 17. October: Keine Aeuderuug in der bestehenden Witterung zu erwarten. Barometerstand am 16. October, nachmittags 3 Uhr: 764 mm. Gestiegen. "Waldenburg, 16. October 188v. Kaiser Alexander III. ist auf der Rückreise nach Rußland. Der Aufenthalt in Berlin ist ohne Störun gen verlaufen, und der Empfang des russischen Selbst herrschers dort durch die Bevölkerung würde nicht so lau gewesen sein, wie er thatsächlich war, wenn man nicht zu sehr übertriebenen polizeilichen Maßnahmen gegriffen Halle. In den wenigen Fällen, wo man dem Publikum völlige Freiheit ließ, zeigte dies zwar keine herzliche, wohl aber eins freundliche Haltung, und es ist nicht der leiseste Zwischenfall zu verzeichnen ge wesen. Indessen das Polizeiaufgebot ist in Rußland nun einmal Mode, und in Berlin, und selbst in dem stillen Ludwigslust, hat man den Wünschen in dieser Richtung natürlich entsprechen müssen. Der Czar kam sehr ernst nach Deutschland; er ist überhaupt eine zu rückhaltende Natur, die wenig nach öffentlichen Festlich keiten fragt, und deshalb sind diese in Berlin auch auf das geringste Maß beschränkt worden. Aber im Laufe seines Aufenthaltes ist Alexander III. doch et was, um einen volksthümlichen Ausdruck zu gebrauchen, aufgethaut. Das war namentlich bei dem Frühstück in der Alexander-Kaserne der Fall. Der Czar war so angeregt, daß er plötzlich Französisch, in welcher Sprache er sich bis dahin stets unterhalten hatte, — nur mit dem Kaiserpaare hatte er leise Deutsch ge sprochen — Französisch sein ließ und sich zu einem Toast in deutscher Sprache auf deutsche Truppen verflieg. Dieser kurze Zwischenfall ist der bedeutsamste Punkt im ganzen Kaiserbesuch. Der französisch gesprochene Toast im Weißen Saale, in welchem Kaiser Alexander sehr knapp erwiderte, daß er ebenfalls freundschaftliche Gefühle für unseren Kaiser hege, wie dieser für ihn, bedeutet praktisch wenig. Alle persönliche Freundschaft zwischen dem Berliner und Petersburger Hofe hat zu Lebzeiten Kaiser Wilhelm's I. nicht den Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses gegen Rußland ver hindert, und auch in letzter Zeit hat es ja manche Weiterungen gegeben. Wenn aber der Czar die deut sche Sprache gebraucht, er weiß doch ganz genau, wie ungemein gerade auf diesen Punkt in Paris geachtet wird, um auf das Wohl deutscher Soldaten zu trinken, nun, so gehl daraus doch wohl hervor, daß Alexander III. heute nicht an einen nahen Krieg mit Deutschland denkt. Weitere Bedeutung diesem Trinkspruche zuzu schreiben, wollen wir uns aber hüten. Es ist auf die plötzlich höchst freundlich gewordenen Aeußerungen Petersburger Blätter hingewiesen, die sich sogar bis zu der Ankündigung versteigen, daß in Folge des Czarcnbcsuches engere Beziehungen zwischen Deutsch land und Rußland eintreten würden. Wenn wir aber keine anderen Grundlagen dafür haben, als diese Preß- stimmen von der Newa, dann können wir unsere Hoff nungen nur ruhig in den Schornstein schreiben; denn russischen Zeitungen kann man nicht eine Stunde trauen. Einen derartigen Stimmungswechsel, ein so gehässiges Verleumden des Nachbars, wie in Peters burg es möglich ist, giebt es überhaupt nirgends in Europa. Die Franzosen sind in ihrem Deutschenhaß sich consequent, aber die russischen Zeitungen sprechen heute so und morgen so. Sie sind fast alle in den Händen der Panslawisten, und zwischen Panslawisten und Deutschen ist keine ehrliche Freundschaft möglich. Wir erkennen es dankbar an, daß der Czar dem Kriegsgeschrei dieser Partei bisher hartnäckig Wider stand geleistet hat und hoffen, daß er das in Zukunft erst recht thun wird. Ein sehr liebenswürdiges Bild bot das Verhalten des Czaren gegenüber dem Reichskanzler; daraus geht doch so viel hervor, daß er von seinem bekannten früheren Argwohn, Fürst Bismarck intriguire heimlich gegen Rußland, gänzlich abgekommen ist. Was zwischen dem Kaiser und dem Kanzler in ihrer langen Unterredung besprochen worden ist, läßt sich unschwer errathen; es handelte sich um die leidige bulgarische Angelegenheit. Daß Alexander III. hierin seine Anschauungen ändert, ist ausgeschlossen, und das läßt schon sein Stolz nicht zu. Bekannt ist aber auch, daß Fürst Bismarck nach seinen großen Reichstagsreden in Sachen Bulgariens Rußland die weitgehensten Concessionen macht. Er tbeilt durchaus nicht die Anschauungen Oesterreichs und Hst nichts gegen einen Einfluß Rußlands in Sofia einzu wenden. Nur der Forderung, Oesterreich-Ungarn zu bewegen, sich dem Willen des Czaren zu unterwerfen, der kann und darf er nicht entsprechen, denn dann wäre es mit dem Fricdensbunde aus. Eine Lösung der in der europäischen Lage bestehen- den Schwierigkeiten hat der Czarenbesuch also nicht s gebracht, höchstens etwa eine Beruhigung. Wenn keine s urplötzlichen neuen Zwischenfälle eintreten, ist diese Beruhigung aber wohl geeignet, eine schließliche Lösung vorzubereiten. Freilich wird darüber noch viel Wasser s ins Meer laufen. Allzugroßen Hoffnungen wollen wir ! uns nicht hingeben, nur die eine Gewißheit können wir wohl haben: Mit dem französisch-russischen Kriegs- - bündniß ist cs vor der Hand rein nichts! PörmMe NMkSM K rr. Deutsches Reim. Die kaiserlichen Majestäten sind am Dienstag, nachdem Tags zuvor im Weißen Saals des Berliner Schlosses große Galatafel und Soiree zu Ehren der Prinzessin Sophie von Preußen, der Braut des grie chischen Kronprinzen, stattgefunden hatte, nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurückgekehrt. Die Kai- i serin begab sich schon am Vormittage dorthin, der > Kaiser folgte erst am Abend nach, nachdem er im Laufe ' des Tages noch eine Pürschjagd auf Jagdschloß Hu- i bertusstock abgehalten hatte, wo am Sonnabend auch ? der Kaiser von Rußland anwesend gewesen war. Nach ! der Rückkehr wohnte der Kaiser der Vorstellung im i Berliner Theater bei. Kaiser Alexander von Rußland lebte in Lud- ! wigslust, wo er Sonntag Abend von Berlin aus ein getroffen ist, sehr zurückgezogen. Am Montag ver weilte er ausschließlich im Kreise der großherzoglichen Familie und sprach sich bei dieser Gelegenheit sehr be friedigt über den ihm in Berlin zu Theil gewordenen Empfang aus. Am Dienstag fand im Forstrevier Groß-Laasch eine Treibjagd ans Hochwild statt, welche am frühen Nachmittage ihr Ende erreichte. Abends 6 Uhr trat der Czar mit dem Großfürsten Georg seine Rückreise nach Petersburg an, die, wie es heißt, über Berlin und Danzig geht. Es ist anzunehmen, daß der Kaiser im Danziger Hafen mit seiner aus Kopenhagen abgereisten Gemahlin zusammentreffen und den Rest des Weges mit ihr gemeinsam zurücklegcn wird. Die Eröffnung des Reichstages findet am Dienstag, den 22. October, mittags 12 Uhr durch den Staatssekretär von Bölitcher statt. Der Reichs kanzler reist jetzt mit seiner Gemahlin nach Friedrichs ruhe zurück. In Stuttgart ist der Abg. Karl Mayer, einer der Führer der schwäbischen Volkspartei, nach längerem, schwerem Leiden gestorben. Mayer war ursprünglich Kaufmann und wendete sich seit 1848 dem politischen Leben zu. Zu den neuen Militärforderungen schreibt die „Post": „Im neuen Militär Etat wird zweifellos die Ergänzung der noch aus 4 Geschützen bestehenden Friedens-Batterie auf 6 Geschütze enthalten sein. Es handelt sich noch um 65 fahrende, 19 reitende Batte- rieen in Preußen, 2 reitende Batterieen in Sachsen, 6 fahrende Batterieen in Württemberg, 16 fahrende, 4 reitende Batterieen in Bayern, also im Ganzen um 87 fahrende, 25 reitende Batterieen, wahrend sich be reits 230 fahrende, 22 reitende Batterien auf dem hohen Etat befinden. „Eine Gleichmäßigkeit in dieser Hinsicht," so schreibt die „Post", „ist ein dringendes Erforderniß, um so mehr, als die neuen reglemema- rischen Vorschriften der Feldartillerie ohne die volle Zahl der Geschütze in der Batterie illusorisch bleiben, ja sogar noch die Beigabe einiger bespannter Muni- lionswagen erfordern, was bisher nur bei einer ge ringen Zahl von Batterieen erfolgt ist. Dis 1888 bewilligten 278'/2 Million Mark können hierfür nicht verwendet werden, weil dieselben für die Bewaffnung und Ausrüstung der neugeschaffenen Landwehr zweiten Aufgebotes bereits verausgabt sind. Für die Beschaf fung neuer Gewehre und Geschütze, sowie des verbes serten Pulvers tür Linie und Landwehr ersten Aufge botes sind neue Mittel erforderlich, und es werden daher in den nächsten Jahren sehr bedeutende Summen für Bewaffnung neu auf den Etat kommen. Darauf ist auch schon in der letzten Ses sion des Reichstages vorbereitet worden. Die Fort schritte in der Technik, wie die Verstärkungen der Wehr kraft bei fremden Mächten stellen tagtäglich neue An forderen an unsere Kriegsverwaltung, die sich nothwen diger Weise auf das Budget übertragen. Was hilft es da, jedesmal aus der Haut zu fahren? Erscheinen die Kriegsausgabcn zunächst als unproductiven Zwecken dienend, so rentiren sie zu gewissen Zeiten doch außer ordentlich. Kleine Staaten wachen in dieser Richtung gewaltige Anstrengungen, um so weniger kann also das deutsche Reich Zurückbleiben. Die Samoaner haben den aufständischen Häuptling Mataafa, mit dessen Leuten unsere Seeleute den schweren Kampf hatten, zu ihrem Könige gewählt, nachdem der frühere König Malietoa eine Wiederwahl abgelehnt, aber sich bereit erklärt hatte, Mataafa mit Rath und That zu unterstützen. Er wurde darauf zum Vicekönig gewählt. Der König Tamasese ver weigert die Anerkennung, auch in Berlin scheint man nichts von Mataafa wissen zu wollen. — In Ostafrika war cs bekanntlich zu Streitigkeiten zwischen dem Sul tan von Witu und der WitugeseUschaft gekommen. Die letztere bat nun nachgegeben und herrscht jetzt wieder voller Friede. Eines der vier neu zu bauenden großen deutschen Schlachtschiffe ist der Germania-Werft in Kiel über wiesen, dem mit der Herstellung dieses 10,000-Tonnen- schiffes eine sehr große Aufgabe gestellt ist. Die deutsche Industrie wird sich des Vertrauens der Admiralität sicher würdig zeigen. Das neue Socialistengesetz soll dem Reichstage erst im späteren Verlaus der Session zugehen, nachdem für dasselbe durch vertrauliche Verständigung von vorn herein eine feste Mehrheit gesichert sein wird.