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älhönbnM TagME Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 30. April 9S. 1882. -Waldenburg, 29. April 1882 Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die gestrige Präsidentenwahl im Reichs tage gab den Parteien Veranlassung, ihre Kräfte zu messen. Die liberalen Parteien hatten in der vor gestrigen Sitzung wahrgenommen, daß das Centrum ganz erhebliche Lücken aufwies und da sie der Meinung waren, daß es ihnen möglich werden würde, eine wenn auch schwache Majorität bei der Wahl zu erzielen, so wiesen sie den Vorschlag zu rück, das Präsidium durch Acclamation zu wählen, und stellten ihrerseits als Kandidaten für die Präsi dentenstelle den Abg. Frhr. Schenck von Slauffen- berg, für die erste Vicepräsidentenstelle den Abg. vr. Hänel, und für die zweite Stelle den Abg. v. Benda auf. Als nach Beendigung des Skrutiniums die Ermittelung der Stimmzahl zunächst die an der linken Seite des „Tisches des Hauses" stehende Urne entleert wurde und eine überwiegende Zahl von Stimmzetteln mit dem Namen v. Stauffeubergs aus derselbe» gezogen wurde, da gab man sich links schon der Hoffnung auf einen Sieg hin, die aber sehr schnell zu Wasser wurde, als die Urne der rechten Seite nur einen Zettel mit diesem Namen und sonst nur solche mit dem Namen v. Levetzow's enthielt. Die maßvolle Rede des letztgenannten Herrn, mit welcher er das Präsidium übernahm, hat übrigens auf allen Seilen des Hauses unge- theilten Beifall gefunden und rief auch auf der Linken aufrichtige Zustimmung hervor. Die geringe Majorität, welche der Vicepräsident Ackermann er zielte, rührte daher, daß ein Theil der Freiconser- vativen dem Abg. v. Benda ihre Stimme gaben. Die Fortschrittspartei und die Secessionisten haben den Beschluß gefaßt, die Tabaksmonopol-Vor lage nicht an eine Commission zu verweisen, sondern sie in zweiter Lesung im Plenum zu er ledigen. Da jedoch die conservativen Fractionen, das Cenirum und auch ein Theil der National- liberalen sich für die Ueberweisung an eine Com mission entscheiden werden, so ist die Commissions- berathung schon jetzt als sicher anzunehmen. Die Verpflegungsfrage bildet seit lange für die deutsche Armee den Gegenstand vielfacher Er örterungen. Bekanntlich werden die Mittagskost und die Beschaffung des Frühstücks des Soldaten aus einem Löhnungsabzug desselben mit Zuhilfenahme eines Verpflegungszuschusses bestritten und dem Manne aus der Regiments-, resp. aus der Bataillons küche geliefert. Nach den stattgehabten Ermittelungen muß jedoch der Eiweiß- und Fettgehalt der Mittags mahlzeit als zur ausreichenden Ernährung unge nügend erachtet werden und bleibt die Ergänzung hierfür der Abendkost Vorbehalten, die von dem Manne aus semen eigenen Mitteln beschafft werden muß. In dem „Militär-Wochenblatt" wird jetzt in Anregung gestellt, gegen einen um zwei Pfennige erhöhten Löhnungsabzug und einen um drei Pfennige erhöhten Verpflegungszuschuß die Beschaffung des Abendbrots ebenfalls den Regiments-, resp. Ba- taillons-Speiseanstalten zu übertragen und so von Staatewegen dem Soldaten in seiner Kost den zu seiner Ernährung benölhigten vollen Gehalt an Nährstoffen und namentlich an Eiweiß und Fett sicherzustellen. Der Kostenpunkt dieser Maßregel wird für den Mann per Jahr zu 10 Mk. und für die rund 400,000 Soldaten der deutschen Armee zu vier Millionen Mark berechnet, welche Summe dann allerdings dem Militäretat als eine Steigerung desselben hinzutreten müßte. Den dem Entwurf eines Gesetzes, betr. die Abän derung der Gewerbeordnung beigegebenen Mo tiven entnehmen wir folgende auf das Gewerbe der Tanz-, Turn- und Schwimmlehrer bezügliche Darlegungen. Es heißt darin: „Dies Gewerbe kann ebenfalls von unlauteren Personen in gemein schädlicher Weise ausgeübt werden. Bezüglich der Ertheilung des Tanzunterrichts ist dies in der That in zahlreichen Fällen bereits zur Feststellung gelangt. Arbeitsscheue Personen von der niedrigsten Bildungsstufe und von getrübtem Leumund haben sich nicht selten als Tanzlehrer etablirt und finden mit Rücksicht auf die bestehenden Beschränkungen der öffentlichen Tanzmusiken großen Zulauf. Nur in seltenen Fällen gelingt es, sie wegen Uebertretung der auf die öffentlichen Tanzunterhaltungen bezüg lichen Verbote zur Strafe zu ziehen. Durch diese Art von Tanzunterricht, woran häufig Prostituirte und Unerwachsene Theil nehmen, wird die Unsitt lichkeit und die Genußsucht in sehr bedenklicher Weise gefördert. Es ist deshalb im öffentlichen Interesse erforderlich, daß die Möglichkeit, unzuver lässigen und übel beleumundeten Personen, welche wegen Verbrechen oder Vergehen gegen die Sittlichkeit bestraft worden sind, die gewerbs mäßige Ertheilung von Tanzunterricht untersagt werden kann, durch Gesetz geschaffen werde. In Betreff der Ertheilung von Turn- und Schwimm unterricht sind ähnliche grelle Mißstände wie in Betreff der Tanzunterrichtertheilung bisher nicht constatirt worden. Allein es unterliegt keinem Zweifel, daß auch auf jenem Gebiete von Seilen gewissen loser, unzuverlässiger Personen nicht nur das schlimmste Aergerniß gegeben, sondern irreparabler Schaden angerichtet werden kann. Die Rücksicht auf Leben und Gesundheit kommt hier neben dem Schutze der öffentlichen Moral in Betracht. Wenn gerade in neuerer Zeit die weibliche Jugend mehr und mehr im Turnen und Schwimmen unterrichtet wird, so wird die Gesetzgebung diesen veränderten Verhältnissen Rechnung tragen und die Anforderung der Zuverlässigkeit an die mit diesem Unterricht sich befassenden Personen stellen müssen. Auch hier handelt es sich nicht um die Einführung des Con- cessionssystems, sondern lediglich um die Möglichkeit, gemeinschädliche Elemente von einem Gewerbebetriebe auszuschließen, der nach seiner Natnr wie wenige andere die ernstesten Gefahren namentlich für die Jugend herbeiführcn kann. Darum liegt auch kein Grund vor, die Ertheilung von Turn- und Schwimm unterricht anders zu behandeln, als die Ertheilung des Tanzunterrichts. Die strengeren Bestimmungen des Gesetzentwurfs schädigen einen in Bezug auf seinen Gewerbebetrieb zuverlässigen Tanz-, Turn- und Schwimmlehrer in keiner Weise, vielmehr kom men sie allen zuverlässigen Lehrerpersonen dieser Art zu statten, indem sie den Stand von unsauberen, gemeinschädlichen Genossen zu säubern bestimmt sind." — Bemerkenswerth in diesem Gesetzentwurf ist ferner der Art. 11, der von der Ausstellung der Arbeitsbücher für ausländische Arbeiter handelt. Hier sind die schärferen Bestimmungen des Bayerschen Antrages gestrichen. Die vorgeschlagene Aenderung des § 108 unterscheidet sich von der bisherign Fas sung dadurch, daß eine Bestimmung darüber ge troffen wird, welche Behörde in dem Falle, daß der Arbeiter einen dauernden Aufenthalt im Reichsgebiete bisher nicht gehabt hat, für ihn das Arbeitsbuch auszustellen habe. Wie nothwendig eine solche Be stimmung ist, zeigt die jüngst von dem Fabrikinspector in München gemachte Mittheilung, daß Tyroler Arbeitern, die in Bayern Beschäftigung finden, die Arbeitsbücher nach dem deutschen Formular von den österreichischen Behörden ausgestellt werden. Aehn- liche Beobachtungen sind auch anderwärts gemacht worden. — Endlich ist noch eine dem Gesetzentwurf beigesügte Uebersicht erwähnenswerth, welche die in der preußischen Regierungs- und Landdrostei- Bezirken sowie im Bezirke des Polizeipräsidiums zu Berlin vorhandenen Winkelconsulenten angiebt. Da nach bestehen in Preußen 6594 Winkelconsulenten. Die größte Zahl (570) enthält der Reg.-Bez. Posen, dann folgt der Reg.-Bez. Oppeln mit 480 Winkel consulenten, Königsberg mit 350, Marienwerder mit 346, Breslau mit 340, Düsseldorf mit 333, Berlin mit 309, Arnsberg mit 306 rc., die geringste Zahl von Winkelconsulenten (34) befindet sich im Landdrosteibezirk Osnabrück. Im Reg.-Bez. Posen kommt auf 1813 Einwohner ein Winkelconsulent, im Landdrosteibezirk Hannover, wo 37 Winkelcon sulenten vorhanden sind, auf je 11623 Einwohner ein Winkelconsulent. Oesterreich. Die klerikalen Blätter Oesterreichs beschäftigen sich zur Zeit sehr eingehend mit der inneren Lage und ist es jedenfalls von Interesse, die jüngste Aus lassung eines derselben hier kennen zu lernen. „Eine der schönsten Hoffnungen, die sich an das Kabinet Taaffe knüpfen", so heißt es in derselben, „war diejenige, Oesterreich von dem unheilvollen Einflüsse des Hauses Rothschild zu befreien, der wie ein ent setzlicher Alp auf diesem Lande lastet. In Duna- jewski schien Taaffe den Mann gefunden zu haben, der der großen Aufgabe gewachsen sei. AtS die Länderbank gegründet war und im letzten Jahre die 5proc. Papierrente 92'/e begab, einen Cours stand, den seit den schicksalsschweren Tagen von 1859 die österreichischen Papiere nicht mehr erreicht hatten, glaubte man, der Sieg sei errungen. Heute ist die Situation eine andere. In kolossalem Rin gen des Geldmarktes warf Rothschild Bontoux zu Boden, und die Ländecbank ist trotz aller hohen Dividendenvertheilung factisch machtlos geworden und gelähmt. Vorläufig ist Rothschild großmüthig, er bot für die Papierrente denselben Cours wie die Länderbank. Aber er wird sich seinen Preis sicher noch holen. Nicht mit Unrecht dürfte man gewisse Erlasse des Ministeriums Taaffe bezüglich der anti semitischen Bewegung als die ersten Zeichen betrach ten, daß Taaffe vor Rothschild die Waffen streckte. Damit ist aber der erste Schritt zum Niedergang des Kabinets Taaffe gemacht." Frankrerch- Jn Paris starb der Exdeputirte Jenty, Leiter der „France" und des „Petit Journal." Man glaubt, ein erneuter Versuch Gambetta's, diese Blätter zu erwerben, sei jetzt aussichtvoller. Jen'y hinterläßt 22 Millionen. Rußland. Interessante Mittheilungen über Vorgänge am Hofe von Gatschina enthält eine Petersburger Correspondenz der „Kölnischen Zeitung". Man er zählt sich in der russischen Hauptstadt, daß Graf Jgnatiew sich mit der Absicht getragen habe, den ihm beständig Opposition machenden „Golos" gänz lich zu unterdrücken. Zu dem Zwecke soll er ver schiedene Auszüge aus Leitartikeln dieses Blattes haben anfertigen lassen, um, gestützt auf diese mühe losen Beweisstücke, den Kaiser von der Schädlichkeit desselben überzeugen zu können. Der „Golos" fand aber Fürsprecher in der Person zweier Botschafter, die, als sie die Absicht des Ministers erfuhren, Herrn von Giers Vorstellungen darüber machten, welche guten Dienste der „Golos" bisher den fried lichen Bestrebungen geleistet habe und wie diese neue Maßregel im Auslande den ungünstigsten Eindruck machen müßte. Giers fuhr zum Kaiser und theilte diesem Alles mit, und als Jgnatiew darauf mit seinen Auszügen beim Kaiser erschien, rief ihm dieser gleich zu: „Du, da habe ich heute