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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag i» Uhr. Inserate werden mit w Pf. 'für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 129. Mittwoch, den 28. Oktober 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Vkrilla, 2?. Dktober 1903. —* Am vergangenen Sonntage fand im Gasthof zum Hirsch in Groß-Okrilla eine öffentliche Einwohnerversammlung der in der Gemeinde Groß-Okrilla wohnhaften Personen statt, welche sich mit der schon seit längerer Zeit angeregten Vereinigung mit der Gemeinde Ottendorf-Moritzdorf befaßte. Die Versamm lung, welche sehr zahlreich besucht war, faßte nach mehrfachen Debatten, welche sich für und gegen die Vereinigung stellten, den Beschluß, von einer Vereinigung abzusehen und in diesem Sinne an die Königliche Amtshauptman, schäft eine Petition zur Absendung zu bringen. In gleichem Sinne sollte auch der Gemeinderat ersucht werden, van einer Vereinigung der Ge meinden abzusehen. — Nachtfröste sind im Allgemeinen nicht begehrt und doch ist leichter Frost auch der Gesundheit durchaus zuträglich, Schnupfen ver wandte Belästigungen nehmen vor der reinen, klaren Luft Reißaus, die mißmutige Stimmung heitert sich auf. Es sei aber auch auf einen ernsteren Punkt hingewiesen: Viele Eltern meinen, bei einer solchen Witterung sei cs am besten, Kinder abzuhärten, indem man sie an Schlafen in ungeheizter Stube gewöhne. Gewiß hat eine Abhärtung viel für sich, aber nicht jedes Kind eignet sich zu einer solchen Kur. Schwächliche Kinder mit Gewalt und im Nu krästig machen zu wollen, ist eine riskante Sache, und es ist bester, sich bei einem Arzt vorher Rat zu erholen, als zu spät zum Arzt zu gehen, wenn ein längere Behandlung er forderndes Leiden entstanden ist. Vor allem ist zu unterscheiden zwischen ungeheizten trockenen und feuchten Schlafräumen. Durch das Schlafen in ungeheizten feuchten Stuben haben sich schon viel« Kinder schwere, rheumatische Leiden geholt, und die Entstehung solcher Krankheiten wird dadurch begünstigt, daß nicht selten das Schlaf zimmer ein abgelegener Raum ist, den man nur deshalb zum Schlafen wählte, weil er für andere Zwecke nicht ansehnlich genug war. In der kalten Jahreszeit soll man aber das ge sündeste Zimmer als Schlafstube benützen, nicht das erste beste. Seit der Nachtfrost seines Amts gewaltet hat, raschelt das Laub von den Bäumen, das sich immer noch ziemlich reichlich gehalten, mit Macht zur Erde nieder, und wer in den Morgenstunden, wenn die Sonne hoch kommt, das Schauspiel beobachten kann, wird es nicht uninteressant finden. Wie ein Schnee fall von Blättern geht es in den Alleen, namentlich die Kastanienblätter rascheln und rauschen vernehmlich aus der Höhe herunter. In den Gärten haben die letzten Herbstblumen, soweit sie nicht ganz geschützte Plätze hatten, dran glauben müsten, müde lasten sie die Köpfe hängen, wenn die blasse Hcrbslsonne sie trifft, der Frost hat ihre Widerstandskraft getötet. Dresden. Die „Dresdn. Nachr." melden: Wegen Wechselschicbereicn ist die Inhaberin deö Ateliers für Photographie und Porträtmalerei, Frau Milena verw. Höffert in Dresden, in Haft genommen worden. Bekanntlich ist über die Firma in der Reperstraße 7 seit längerer Zeit das Konkursverfahren eröffnet worden. — Der vor nunmehr 26 Jahren in Genf ge gründete, auch in Dresden blühende internationale Verein Freundinnen junger Mädchen will sic der alleinstehenden Mädchen jedweden Alters und Standes annehmen. Er will, so viel es in seiner Macht steht, sie beschützen und be wahren, ihnen Auskunft erteilen, Erkundigungen für sie einziehen, sie warnen, trösten und be raten; er will ihnen Gelegenheit bieten, ihre Mußestunden heiter zu gestalten, ihnen helfen ihrer Pflicht gewissenhaft nachzukommen, mi einem Wort: er will ihnen „Freundinnen" und Beraterinnen zuführen in allen Lebenslagen. Die Dresdner „Freundinnen" sind aber oft in Verlegenheit, wenn sie Erkundigungen einzuziehen haben. In Sachsen müßten die Maschen des Netzes noch viel dichter werden. Wer dazu beitragen will, sei es als Helferin oder auch nur durch einen Jahresbeitrag, ist als „Freundin" gern willkommen. Die Höhe des jährlichen Beitrages ist dem Mitglied anheimgestellt. 1 Mark geht davon an die Kaste des National vorstandes in Berlin ab. Vorschläge und Neu anmeldungen sind an die Landes-Schriftführerin Fräulein N. Schohl, Dresden, Kreutzerstratze 15, zu richten. — Der Sturz des sechsjährigen Knaben aus dem am Donnerstag nach Leipzig vormittags ner abgehenden Personenzuge ist, wie die Untersuchung ergeben hat, dadurch verursacht worden, daß in der Nähe von Kötzschenbroda der Knabe sich an dem an der Abteiltüre be- indlichen Jnnenhebel zu schaffen gemacht hat. Die Türe ist dabei plötzlich aufgesprungen und der Knabe hinausgestürzt. Der telephonisch ge rufene Arzt, Herr Dr. mc d. Schön Herr, stellte einen doppelten Handgelenkbruch und Haut abschürfungen am Kopse fest. Nach Anlegung eines Verbandes erfolgte des Knaben Ueber- führung nach dem Bahnhof Kötzschenbroda, von wo aus der Knabe um 2 Uhr 42 Minuten nach Leipzig weiterbefördert wurde. Dort harrten seiner die Eltern, die aus Italien nach Amerika auswandern wollen. — Sonntag vormittag in der 8. Stunde versuchte auf der Kurfürstenstraße ein 16jähriger Schüler einer höheren Lehranstalt auf dem Vorderperron eines nach der Brücke zu fahrenden Straßenbahnwagens zu springen, kam aber dabei zu Fall und unter den Wagen, wobei ihm der rechte Fuß abgefahren wurde. Man brachte den Schwerverletzten mittelst Unfallwagens nach dem Krankenhause. — Nachdem in der Ersten Kammer der Ständeversammlung neuerlich infolge freiwilliger MandatSniederlegung seitens des bisherigen Inhabers eine weitere solche Stelle, ebenfalls in der Oberlausitz, zur Erledigung gekommen ist, wird die Vornahme einer Neuwahl auch für diese Stelle unter Bezugnahme auf die deshalb an den Landesältesten der Oberlausitz ergehende besondere Verordnung angeordnet. — Am letzten Sonnabend traten hier auf Einladung der König!. Polizeidirektion Dresden die Vertreter der größeren Polizeibehörden des Königreiches Sachsen zusammen, um über das neue Fingerabdrucksystem zur Wiedererkennung von Personen, das bekanntlich in der Deutschen Städteausstellung mit zur Darstellung gelangt war, zu beratschlagen. Von der Versammlung, der auch Herr Ministerialdirektor Geh. Rat Merz beiwohnte, wurde die Einführung dieses neuen Systems bei den Sächsischen Polizei behörden einstimmig beschlossen und die Königl. Polizeidirektion Dresden als Zentrale für die Registrierung und Sammlung der Finger abdruckbogen innerhalb des Königreiches Sachsen gewählt. — Einen gefährlichen Schädelbruch erlitt am Freitag Abend der in Bühlau wohnende Hausschlächter Paul Lippold. Beim Hinaus gehen über die Treppe tat er einen Fehltritt und stürzte rücklings die Stufen hinab. Der schwerverletzte Mann fand in der Diakonissen- anstalt Aufnahme. Derselbe verstarb kurz nach seiner Einlieferung. Schwepnitz. Vor kurzem fand hier die Prüfung der neugegründeten Freiwilligen Feuer wehr durch den Kreisvertreter Herrn Stadtrat Reiche-Bautzen statt. Die 40 Mann starke Wehr erhielt sowohl in der theoretischen wie praktischen Prüfung die Zensur „sehr gut". Die Ausrüstung, Organisation und Schulung der Wehr erfolgte durch die Firma C. A. Schöne- Dresden, der auch die Lieferung der mit zehn Sitzplätzen versehenen Spritze und einer 14 in hohen stützenlosen mechanischen Schiebeleiter übertragen war. Die letztere ist übrigens ein Geschenk des Herrn Professor A- Leonhardi. Großenhain. Freitag Abend gegen 7 Uhr wurde von ruchloser Hand die überdeckte Ge treidefeime (Feldscheune) des RemontedepotS Skassa in Brand gesetzt. Die Ernte von 20—25 Acker Gerste und 10—12 Acker Ge menge ging in Flammen auf. Auf die Er greifung des Brandstifters wurde eine Belohnung von 100 Mark ausgesetzt Der Brandstifter nahte sich dem Brandobjekt von der Skastaer Seite und verließ dasselbe, den gefundenen Fußspuren nach zu schließen, im Laufschritt aus der Großraschützer Seite. Die sofort auf den umliegenden Feldern angestcllte Suche nach dem Unholde blieb erfolglos. Der Feuerschein war weithin zu sehen. — Seußlitz. In der Gemeindeflur Seußlitz ist am 25. Oktober ein männlicher Leichnam in der Elbe aufgefunden und aufgehoben worden. Größe 1,80 Meter, Haare dunkel, rötlichen Schnurrbart, Zähne vollständig. Bekleidet war derselbe mit blauer Bluse (Jacke), welche mit roter Mönche bespritzt war, darunter eine braune Aermelweste, graumelierte Weste und Hose, Gummihosenträger mit Lederbesatz, grau-weiß gestreiftes Hemd, braune Unterhose, Schaft- tiefeln; anscheinend dem Arbeiterstand angehörig. Papiere hat er nicht bei sich; auf dem rechten Unterarm war blau eintätowiert: H. H. 3. Komp. 1894—1896 und der Namenszug Albert R>x (1. Leibgrenadier-Regiment 100). Näheres ist beim Gemeindevorstand in Seußlitz zu erfahren. Oschatz. In Zschöllau verübten vergangenen Sonntag nachts mehrere noch nicht ermittelte Personen einen Einbruch in dem Einzelverkaufs raum der Seifenfabrik von Gebrüder Baumheier und stahlen an Geld aus der Ladenkaste und Waren zusammen im Betrage von ca. 300 Mk. Den Ortsnachtwächter, der sie gegen ^3 Uhr im Fabrikhofe überraschte, schlugen sie zu Boden. Als der schwer in den Unterleib getroffene Mann nach etwa einer halben Stunde wieder zur Besinnung kam, hatten die Einbrecher längst das Weite gesucht. Leipzig. Ein Gerüsteinsturz ereignete sich heute früh in der siebenten Stunde an einem Grundstück Leipnitz-Straße 23. Als die ersten Maurer das Gerüst bestiegen hatten, stürzte dieses mit gewaltigem Krach zusammen und riß den verheirateten Maurer Max Böhm und den ledigen Arbeiter Werner Hoffmann, beide von hier, in die Tiefe. Der der Unfallslätte gegen über wohnende Oberstabsarzt Düms leistete den Verunglückten, welche erhebliche Kopfwunden daoongetragen hatten, die erste Hilfe. Glück licherweise erwiesen sich die Verletzungen als nichtlebensgefährlicher Natur. Da das Gerüst von sehr stabiler Beschaffenheit ist und sehr gut verankert war, so liegt der Verdacht nahe, daß von böswilliger Hand die Verankerung gelockert worden ist, um ein Unglück herbeizuführen. Die Untersuchung ist sofort eingeleitet worden. Freiberg. Hier ging Sonntag morgen halb 8 Uhr ein größeres Schadenfeuer auf. Es brannte das zum sogenannten „Sachsenhof" ge hörige Scheunengebäude nebst sämtlichen Ernte vorräten vollständig nieder. Das Feuer scheint durch Kinder verwahrlost zu sein. Stollberg. Aus der Bezirköanstalt sind am Freitag zwei dort untergebrachte Bürschchen im Alter von 13 bezw. 10 Jahren ausgebrochen; man vermutet, daß sie sich vagabondierend in der Umgegend umhertreiben. Schwarzenberg. Vermißt wird hier seit Montag die Tochter des Brettschneiders O. Feig, Adele. Sie war mit ihrer Stiefmutter Pilze suchen gegangen, hat sich dabei von ihrer Be gleiterin zu weit entfernt und konnte dann trotz eifrigen Suchens nicht gefunden werden. Da die 20jährige Adele Feig etwas geistesschwac ist und an Krämpfen leidet, dürfte eine Verun glückung zu befürchten sein. Aus der Woche. Aus Ostasien, von der Balkanhalbinsel un aus Marokko läßt sich nichts Neues berichten; dort ist alles noch in der Schwebe, etwa wie es schon vor einem halben Jahre war; Ent scheidungen sind noch nicht gefallen und werden auch wohl vorläufig nicht fallen. Und das gleiche läßt sich leider auch von der ungarischen Krisis sagen, denn in der Armeefrage gibt Kaiser Franz Joseph nicht nach und ohne Zu geständnisse in dieser ist die ungarische Mehr- >eit nicht zu haben; bisher wenigstens nicht. Italien würgt noch an dem unter bliebenen Zarenbesuch, in Spanien konzentriert ich das Interesse auf die bevorstehende Rund reise des jungen Königs durch sein Land, auf das neue konservative Ministerium Villaverde und auf die Frage, wie dieses die Finanzen aufzubestern versuchen wird. In Frankreich ist die Deputiertenkammer zusammengetreten und Herr Combes muß nun Rede und Antwort tehen für das, was er während der Kammer- er en getan und unterlasten hat. In England reibt Chamberlain sein Wesen und regt die Volksmasten für den Schutzzoll auf. Norwegen hat sich bei den letzten Storthingwahlen vom chwedenfeindlichen Radikalismus abgekehrt und ein neues Ministerium Hagerup, dem auch ein Sohn Ibsens angehöct, wird versuchen, ein verträgliches Verhältnis mit dem schwedischen Brudervolke anzubahnen. In Rußland — eS ist groß, sehr groß und man kann immer nur von einigen Teilen, im gegenwärtigen Falle vom Süden, reden — gehen die Wellen der Unzufriedenheit hoch. Durch die rechtlich kaum zu «begründende Einziehung des armenischen Kirchenvermögens hat sich das Zarentum in den Armeniern fanatische Gegner geschaffen. Die Arbeiterbewegung vom Don bis nach Baku hin ist gleichfalls nicht zu unterschätzen und die „treuen Kosaken" werden gegenüber den Un zufriedenen bald in der erheblichen Minderzahl sein. Im Nordwesten des Reiches jubeln drittehalb Millionen bedrückte Finnländer auch nicht gerade dem ihnen bisher fremden russischen Knutentum zu und Ausgewiesene des Landes, die sich nach Schweden geflüchtet haben, rufen dessen Hilfe an, so daß aus den finnischen Nussifizierungsmaßregeln leicht noch internationale Schwierigkeiten und Spannungen entstehen können- Finnland steht noch nicht hundert Jahre unter der russischen Krone und die früheren Zaren haben die Rechte der Finnen geachtet. Erst seit 13 Jahren hat sich Rußland über alle Verträge und Versprechungen hinweggesetzt und ist unausgesetzt bestrebt, die Verwaltung von Finnland vollständig in das russische Elend aufgehen zu lasten. Und da zeigt sich der „Friedenszar" so überempfindlich gegen etwaige Pfiffe der Sozialisten und geht, weil solche möglich sind, nicht nach Italien! — Bei uns zulande ist die Frage der Finanzreform durch die Ministerkonferenz in Berlin wieder einmal angeregt worden. Die Beratungen sind schon beendet, aber über ihr Ergebnis ist noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen. Der neue Schatzamtssekretär dürfte auch inzwischen schon die Erfahrung gemacht haben, wieviel leichter es doch sei, Projekte aufzustellen als durch zuführen. Das Ziel der Einzelstaaten geht ganz naturgemäß dahin, nicht mehranMatrtkular- umlagen an das Reich auszuzahlen, als sie aus den Üeberschüsten der Zölle und Reichssteuern bei der Ausschüttung herausbekommen; denn nur dadurch können sie ihre eigenen Finanzen einigermaßen in Ordnung halten; direkte Reichs- Einkommensteuern wollen die rechtsstehenden Parteien nicht; indirekte Steuern auf NahrungS« und Genußmittel verwerfen die linksstehenden Parteien; aber der Reichssäckel ist leer und die Bedürfnisse heischen Befriedigung. Wie mag cö nun Herr v. Stengel angeslellt haben, um alle diese Widersprüche zu lösen, die Schwierig keiten zu überwinden und eine Reform auszu gestalten, die nicht nur den Beifall der Regierungen hat, sondern auch von der Reichs tagsmehrheit angenommen wird? Die Antwort daraus werden wir kaum viel früher erwarten dürfen, als zu Ende des Jahres, wenn dem neuen Reichstage der nächstjährige Reichshaus - Haltsetat vorgelegt wird-