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Ottendorfer Zeitung «s- o Bezugspreis: vierteljährlich 1,20 Mar! sro, !^- ^au-. Uri dcr Gesä>ästsstelle abgeholt viertel jährlich ; Ulk. Einzelne Nummer n> Pfg. Erscheint am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag, —. 8 «nä Mnzeigeökatt ,, Anzeigenpreis: Für die Neinspoltige Aorpur-Zeile oder deren Raum 40 Pfg. — Im Reklamettil für die kleinspalttge Petit-Zeile 2s pfg. Anzeigenannahme bis;r Uhr mittag». Beilagegebühr nach Vereinbarung. Arit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie den abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel" „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle, Buchdruckerei in Groß-Okrilla. verantwortlich für die Redaktion H. Rühle in Groß-Okrilla. Nummer 93 Freitag, den 7. August M s3. Jahrgang Bekanntmachung. Der Kirchgemeinde wird bekannt gegeben, daß Hoher Verordnung gemäß Freitag, Sen 7. MgO, von», y tlbr ein Allgemeiner Huß- u. Hettag auch in der hiesigen Kirche abgehalren werden soll. Ns» aem Lomstlienlie finget ISeMe unü ki. -ibenamablskeie«' statt. Ottendorf, Das ev.-luth. Pfarramt am 5. August 1914. Pfarrer Werner Schule zu Ottendorf-Okrillas Dec Unterricht beginnt Montag, den 1V. Ang rst d. I. vorm. 7 Uhr. Wer sich von den hiesigen Schulkindern an den Erntearbeiten beteiligen muß, hat eine schriftliche Bescheinigung der Eltern darüber beizubringen und wird dann ent sprechend vom Schulunterricht befreit. Ottendorf, am 6. August 1914.Der Schuldirektor. OerMHes und Sächsisches. Vttendorf-ÄkrMa, 6. August WH. — Große Z-ilen — Gottes Zeilen! Für Freitag den 7. August rst in allen evangelischen Krrchen Sachsens ein Buß- und Beitag angeordnet. Damit geschieht dasselbe, was auch beim Ausbruch des letzten großen Krieges geschehen tsl: unser Volt wird es vor aller Welt bekunden, daß es mit Gott den schweren Krieg führen will der ihm aufgedrungen ward, daß es ge sonnen ist Ernst zu machen mtl der Losung: Mit Gott für König und Vaterland! Buß- und Bettag- so erfordert es der Gedanke an den furchtbaren Ernst der Stunde, da der längst gefürchtete große europäische Riesenkampf fernen Anfang genommen hat, da die haßerfüllten Feinde von zwei Selten her unfer Vaterland bestürmen. So er fordert es aber auch der Gedanke an die Größe dec Stunde, wo Deutschland in wunderbarer Einigkeit sich erhebt zu der großen Abrechnung mit der slawischen Tücke und der französischen Revanch-gier, wo unseres großen Kaisers herrliches Werk, Deutschlands Heer und Flotte sich an- schicken zu einer Probe von weltgeschichtlicher Bedeutung, da gilis Herzen und Hände eniporzuheüen zu dem Lenker der Völker- geschtcke, daß er unter uns wegnehme allen unhetligen Sinn und alles falsche Selbst vertrauen, daß uns die große Zeit nicht llein finde im Handeln, klein rn der Ge- sinnung. klein im Glauben. Buß- und Bettag — ja Buße wollen wir tun. Wer fühlte nicht in solcher Stunde sein deutsches Gewissen schlagen, wenn Unglück über uns käme, wahrlich es iräie uns nicht un verdient! Wie tief hat doch in den langen Friedensjahren die innere Fäulnis, das religiöse und sittliche Verderben sich hmein- fressen dürfen m das Mark unseres Volkes. Noch am letzten Sonntage, dem ersten Rüstlage zum Kampf, wieviel oberflächliches We,en, das man vom Ernst der Stunde weggefegl hätte wähnen sollen, machte sich breit! Zn vielen Tanzsälen des Landes wurde getanzt als wäre nichts geschehen. In einem großen Dresdner Ballokal wurde mit folgenden Worten zum Tanz eingeladen: Stoch ist kein Brut geflossen, Tanzet, mnzet unverdrossen. Tanzet bis zum Morgen, Denn es kommen Sorgen! Buß- und Betrag — ja ein Tag der Für- brtte ganz besonders soll der nächste Freitag für urrS alle werden! Nicht umsonst soll unser geliebter Kaiser es gesprochen haben: gehet in die Kirche und betet! Er kennt die Macht und Kraft der Fürbitte aus seinem eigenen Leben, er weiß aus der Ge schichte, was es b-deutet. wenn ein ganzes Volk vor seinem Golt auf den Kmeen liegt, er weiß, daß alle Macht der Waffen und alle Kriegstüchligkeit zuschanden werden wrnn Gott nicht den Sieg verleiht, daß es auch hier gilt: Gott läßt sich gar nichts nehmen, es muß erbeten sein! Große Zeiten sind Gottes Zeiten — möge die Wahrheit dieses Wortes sich auch an unserem Volke in dieser seiner großen Zeit erweisen! Wir werden sie erleben dürfen, diese Wahrheit, wenn wir als ein Volk von Betern in den Krieg gehen! Und darum feiern wir Buß- und Bettag I — Der Postverkehr zwischen Deutschland und England ist gänzlich eingestellt und findet auch auf dem Wege Über andere Länder nicht mehr statt. Es werden daher keinerlei Postsendungen nach dem an gegebenen fremden Lande mehrangenommen lereits vorliegende oder durch die Brief kasten zur Einlieferung gelangende Sen dungenwerdenden Absendern zurückgegeden. Der private Telegraphen- und Fernsprech verkehr zu und von diesem Lande ist eben falls eingestellt. — Was bedeutet die Besetzung von Czenstochau und Kalisch für uns und den Gegner. Zu dieser Frage erhält die „L. N. N." von einem Leser, der das deutsch russische Grenzgebiet genau kennt, folgende interessante Zuschrift: Die von unseren Truppen besetzte russische Grenzstadt Bendin liegt gegenüber der oberschlesifchen Grenze, bei Kattowitz. Bendin und Sosnowice, zusammen mit den Vororten, sind die erste Stauon der Wien-Warschauer und der Breslau—Warschauer Eisenbahn, die die russische Regierung erst vor zwei Jahren von der Gesellschaft gekauft hat. Czenstochau ebenfalls eine große Station dieser Eisen bahnlinie, liegt 40 Kilometer entfernt von Bendin, ist aber ebenfalls eine Grenzstation 1b Kilometer entfernt von Preußisch-Herbh Kreis Lubllnitz, und mit diesem auch durch oie Herby-Czenstochauer Eisenbahn ver bunden. Das Gebiet Sosnowice Bendm —Czenstochau wird in Rußland der „Goldne Schlüssel" genannt, weil er der wirkliche Schlüssel der gesamten polnischen Industrie ist. Dieser Bezirk ist der reichste an Erz und Kohlen in ganz Rußland, lieber eine halbe Million Arbeiter arbeiten in den Lchachlen von Bendin—Czenstochau. Durch die Besetzung von Bendin—Czenstochau durch deutsche Truppen ist die Kohlen-Quelle für gauz Polen abgeschnitten und somit würde der Eisenbahnverkehr für Polen fortan lediglich von seinen Lagervorräten zu. zehren haben. Bendin—Sosnowice samt den Gruben zählen ca. eine Million Einwohner. Czenstochau ist nach Warschau und Lodz die größte Fabrikstabt Polens. In Czenstochau sind fau alle Industrien vertreten, Eisenwerke und Textilfabriken, fast die größlen in Polen, befinden sich m Händen von Franzosen. Die Stadt Czen stochau ist durch ihr altertümliches Kloster „Jasna-Gora" (Heller Berg) weltbekannt. Das ebenfalls von unseren Truppen besetzte Kalisch an der deutschen Grenze ist die einzige russische Fabrikstadt von Spitzen und Gardinen. Kalisch ist eine alte Stadt und hat sich seit kurzer Zeit durch ihr Fabrikat sehr hervorgetan, und zwar in Konkurrenz gegen die Stadt Plauen i. V. Noch bis vor kurzem lieferte Plauen seine Fabrikate nach ganz Rußland. Durch die neueren Erfindungen an Stickerei-Maschinen Hal Kalisch in letzter Zeit Plauen auf dem russischen Markte verdrängt. — Mieter, die zum Kriege einberufen worden sind oder ihre Einberufung erwarten können ihren Mietsvertrag nicht einfach auflösen, sondern müssen ihn erfüllen. Wer aber durch die Einberufung gezwungen fft, sich in seinem Hausstande einzuschränken kann, falls er sich nicht auf bestimmte längere Zeit festgelegt hat, bedingt für den Monats- bezw. Vierteljahrsschluß kündigen. Er kann also z. B. wenn der Mietzins nach Monaien bemessen ist, bis zum 15. des laufenden Monats dem Wirte erklären daß er für den Fall der Einberufung seine Wohnung für den Monatsschluß kündige. Bei Vierteljahrsmiete müßte diese Er klärung spätestens am Ende des dritten Werktages des Vierteljahres erfolgen Nimmt aber der Gegner diese bedingte Kündigung nicht an, so mag der Mieter unbeschränkt kündigen. — Wie stark ist ein Armeekorps. Ein deutsches Armeekorps hat eine Kriegsstärke von 41000 Mann, 14000 Pferden und 2400 Fahrzeugen, einschließlich der Geschütze. Befindet sich das Korps auf einer Straße, im Marsch, so nehmen die fechtenden Truppen mit den notwendigen Abständen eine Länge von 27 Kilometern ein. Der tägliche Verpflegungsbedarf eines Armee korps beträgt rund 103 Tonnen, also 103 000 Kilogramm, und zwar 40 Tonnen für rund 40000 Köpfe und 63 Tonnen ür die Pferde. An tragbarem Schanzzeug um schnelle Verteidigunsstellen schaffen zu können, verfügt das Korps über etwa 13000 Spaten, 2000 Hacken, 1000 Beil picken, 2200 Beile, 1300 Aexte und 300 Sägen. Um mit der Bahn befördert zu werden, braucht das Armeekorps 136 Züge zu 30 bis 35 Wagen. Da das deutsche Bahnnetz eine gewaltige Ausdehnung be sitzt, würde der Aufmarsch des deutschen Heeres gegen den Feind in etwa 8 Tagen beendet sein. Dresden. Am Dienstag wurde in einer gemeinschaftlichen Sitzung der beiden städtischen Kollegien eine Million Mark für Kriegszwecke einstimmig bewilligt. Nach einer kurzen An» Iprache des Oberbürgermeisters, die mit einem dreifachen Hurra auf Kaiser, König und Vaterland schloß, wobei sich die Sozial demokraten von ihren Sitzen erhoben, erklärte der sozialdemokratische Stadtverordnete Nitzsche daß auch seine Fraltian mit allen Kräften dafür eintrete, um die Wunden zu heilen, die der Krieg schlagen werde. Die Summe von einer Million soll mit 200,000 Mark zur Unterstützung der Familien der eingezogenen Arbeiter, mit 300,000 Mark zu Ankäufen von Lebensmittel sür die arbeitende Bevölkerung Mit 250,000 Mark zur Einrichtung eines Reseroelazaretts im städtischen Ausstellungs palast, mrl 100,000 Mark für das rote Kreuz und mit 150,000 Mark sür unvorhergesehene Ausgaben anläßlich des Krieges verwendet werden. — Bei den Dresdener Standesämtern sind seit Beginn der Mobilmachung bis Dienstag mittag 433 Kriegs-Notehejchließungen vorge nommen worden. — Der König hat dem Landesausschuß der Vereine vom Roten Kreuz für das König eich Sachsen das vornials v. Kapherrsche Calais zur Verwendung als Lazarett zu 150 Zetten zur Verfügung gestellt. — Die Gebäude des städtischen Ausstellungs geländes sind während der Dauer des Feld zugs vom Rate der Stadt Dressen für die Zwecke des Roten Kreuzes zur Verfügung estellt worden. Grimma. In dec Nacht zum Sonntag wurde auf einen Husaren, der am oberen Bahnhof Wachdienst hatte, mit Steinen ge worfen. Der Soldat feuerte, scheint aber in der Dunkelheit nicht getroffen zu haben. Der Täter entkam. Es sanden sich Spuren, daß er sich an den Schienen zu schaffen gemacht ;atte. Am Sonntag abend wurden am oberen Bahnhof vier russische Arbeiter fest genommen, die sich verdächtig gemacht hatten. Am Montag nachmittag wurde an der Kössener Eisendahnbrücke, die die Mulüe überbrückt, ein iusse verhaftet, der die Brücke sprengen wollte, ltan fand bei ihm eine Generalstabskarte. Er wurde gefesselt ans Amtsgericht abgeliefert. Nach einem anderen russischen Spion wird gefahndet. Weiter sind zwei Bulgaren und ein Rumäne Montag mittag sestgenommen worden. Rochlitz. Montag vormittag trug sich auf der Königsfelder Strafe ein schweres lutomobilunglück zu. Das Automobil, in dem sich der Leitungsinspeklor der Eleltrizitäst- gesellschaft Licht und Kraft, Ingenieur Lindner )ec hier wohnhaft ist, befand, fuhr an einen Baum. Ingenieur Lindner wurde aus dem Auto geschleudert. Er brach Arme und Beine. Man brachte ihn ins hiesige Krankenhaus. Das Automobil ging völlig in Trümmer. Leipzig. Es ist naturgemäß, daß in- olge der großen Menschenmassen das Slraßen- eben bedeutender Städte ein anderes Gesicht zeigt, wie in der Kleinstadt. Die Ereignisse brücken hier ihren Stempel stärker aus als dort. Einen Sturm des Publikums gab es gestern auch auf Lokale, die französische oder russische Bezeichnungen tragen. Man Hal diese — wie Casö francais, Hotel de Russie usw. — schnellstens emfirnen müssen. Schreck- iche Szenen spielten sich gegen 7 Uhr in der Kurprinzstraße ab. Ein Russe machte sich bei Demonstrationen gegen die Aufschrift „Hotel Prusse" bemerklich. Hunderte von Fäusten und Stöcken hoben sich — zwei Soldaten nahmen den Bedrohten in die Mitte und schützten fihn vor der Volkswut! Im Hotel de Prusse — warum auch nicht „Preußischer Hof"! — wurden alle großen Fensterlcheiden mit den Inschriften wie Diners, Soupers usw. zertrümmert, die Glasschilder herabgerissen und die Menschenmenge wuchs in unheimlichem Maße, bis tue Schutzmaunlchail Orönung schaffte. Mehrfach gab es zwischen den Leuten blutige Köpfe. Nur der Besonnenheit der Schutzleute rst es zu danken, baß der Auflauf nach enva einer Stunde beendet war. Das Polizeiamt sucht infolge dec Einberufung von mehr als der Hälfte seiner Beamten 200 Hillsschutzleute. Dec Andrang war massen- hast. Lie BuchgewerdeauSstellung dleiot un verändert geöffnet — uuc d^e russischen, sranzösochen uno englischen Pavillons sind geschlossen. Die Bäckereiausstellnng bleibt ebenfalls geöffnet, uno nur alle Fest lichkeiten fallen weg. Lie Theater bleiben leer — Heller nöhücher Sang von patriotischen Liedern und Loloatenweiseu unter den Ein berufenen zeugt von dem Geiste, der unsere Soldaten erfüllt.