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Der Winter Erstarrt zittern in eisigen Schneeschauern beim schneidenden Hauch des schrecklichen Windes, im Lauf immer wieder die Füße aufstampfen und vor grimmiger Kälte die Zähne klappern; Ruhig und zufrieden seine Tage am Kamin zubringen, während draußen der Regen alle durchnäßt; Eisläufen, langsam und aufmerksam, aus Angst zu stürzen. Rasch sich drehen, ausrutschen, zu Boden fallen, wiederum auf dem Eise sich bewegen und rasch laufen, bis das Eis bricht und sich aufspaltet; Fühlen, wie aus den eisernen Pforten kommen Südost- und Nordwind und alle die kämpfenden Winde, das ist der Winter, aber, wie er auch sei, weich' Freuden bringt er. Uber die Entstehung seiner Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 berichtet uns RobertSchumann : „Ich schrieb die Sinfonie zu Ende des Win ters 1841, wenn ich es sagen darf, in jenem Frühlingsdrang, der den Men schen wohl bis in das höchste Alter hinauf und in jedem Jahr von neuem überfällt. Schildern, malen wollte ich nicht; daß aber eben die Zeit, in der die Sinfonie entstand, auf ihre Gestaltung und daß sie gerade so gewor den, wie sie ist, eingewirkt hat, glaube ich wohl.“ Diese erste, die „Früh lingssinfonie“, entstand also in demselben Sinfoniejahr 1841 wie die Erst fassung der späteren Vierten und die sogenannte Sinfonietta. Nach langen Kämpfen gegen seinen Schwiegervater hatte sich Schumann die Ehe mit Klara erkämpft, und das Glück ihrer Gemeinsamkeit spiegelte sich in den Kompositionen dieser Zeit wider. Aus diesem Glück heraus ist der Jubel, ist das Jauchzen dieser vorwärtsdrängenden, strahlenden Sinfonie vor allem auch zu verstehen. Obwohl Schumann nicht schildern, nicht malen wollte, hatte er doch ursprünglich den einzelnen Sätzen Überschriften gegeben, die er dann jedoch fortließ (Frühlingsbeginn — Abend — Frohe Gespielen — Voller Frühling). Der erste Satz besitzt eine langsame Einleitung (Andante un poco maestoso), die mit einem stolzen Ruf der Hörner und Trompeten sowie dessen Wiederholung im Tuttiorchester eröffnet wird. Huschende, un ruhige Floskeln schließen sich an, ehe zart das punktierte Kopfmotiv wie der in den Holzbläsern erklingt. Nach einer ritardierenden Flötenkadenz beginnen Trioien in den Streichern, das Tempo anzutreiben. Über an schwellenden Paukenwirbel jagen diese Figuren dem Allegro molto vivace zu, dessen Hauptthema zwar genau aus dem anfänglichen Hornruf auf ge baut ist, nun aber eine vitale, jubelnde Note erhält. Der rasche Nachsatz führt diese Energien nur noch weiter. In den Holzbläsern wird ein zwei tes Thema eingeführt, wiegend und schmeichelnd. Aus dem Anfangsthema wird schließlich gegen Ende der Exposition noch ein weiterer Gedanke entwickelt, der in strahlende Höhen führt. Die Durchführung wird wesent lich von dem drängenden Hauptthema bestritten, das in Teilmotivtechnik durch das ganze Orchester wandert und schließlich auf dem Höhepunkt hymnisch gesteigert in der Vergrößerung erscheint. An die Reprise schließt sich eine längere Coda an, die den Frühlingsjubel zu neuen Höhen führt. Warmherziger Ausdruck der musikalischen Romantik bestimmt den zwei ten Satz, ein in Es-Dur stehendes Larghetto. Die tiefempfundene, liedhafte, weit ausgesponnene Weise wird erst von den Streichern vorgetragen, er scheint dann in den Holzbläsern, später besonders kantabel in den Violon celli, zart von den übrigen Instrumenten umspielt. Nur kurz kann sich eine Verdüsterung der Stimmung halten. Kurz vor Schluß ertönen feier liche Posaunenklänge, ehe sich nahtlos der dritte Satz (Scherzo-Molto vivace) anschließt. In dessen Grundmotiv erkennen wir die gerade ver nommenen Posaunenklänge wieder, nun allerdings energisch, leiden schaftlich gesteigert. Leichteres Spiel finden wir in dem tänzerisch konzi pierten ersten Trio, dem wiederum das Scherzo folgt. Für das zweite Trio ist ein Tonleiteraufstieg bzw. -abstieg von thematischer - Wichtigkeit. Nach einer verkürzten Wiederholung des Scherzos bringt die in D-Dur stehende Coda noch einmal helle Farben ins Spiel. Der letzte Satz (Allegro animato e grazioso) wird mit einem jubelnd auf steigenden, einmal energisch synkopierten Thema eröffnet, das noch von Bedeutung sein wird. Erst einmal macht sich in rasch dahinhuschenden Figuren eine unbeschwerte Heiterkeit breit. Besonders keck beteiligen sich die Holzbläser an der ausgelassenen Stimmung. Dann jedoch taucht im mer wieder das Kopfmotiv auf, dunkel zuerst, dann immer klarer und strahlender. In der Durchführung wird es vollkommen beherrschend, be harrend auf den wiedergewonnenen Kräften der frühlinghaften Natur. Eine Flötenkadenz gibt den Weg für die anfängliche Unbeschwertheit frei. , In strahlender Lebensfreude endet dieses glückvolle Werk. Dr. Dieter Härtwig XX. BERG- UND HÜTTENMÄNNISCHER TAG KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Walter Hartwich, Dresden, Violine Mittwoch, den 2. 7. 1969, 20 Uhr, Kreiskulturhaus „Tivoli“ Freiberg, Külzstr. G. HERTEL, FREIBERG 111/11/2 Kf/484/69 1611 0,850