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Sonntag. — Rr. 266. ——- 12. Novernber 18S4 vt«3^ttmg Z» beziehen durch alle «rich«ä?»L«Mi«h»-b-« M LWM'UM K Postämter des In. und --L-- Dciltschc MMtmc Zntllng. SM-- f-r d«. Ansevtl-nsgebüh- ' Rgr."' «Dahrhtit »ad «echt, Freiheit und Gesetz!» 2°Nn .ll<^ ' ? -.1.^ .71!. Deutschlinchs Aufgabe m der orientalischen Bcrnnckelung. — 8tz!pjig,. 11. Nov. Ein bairischer Minister reist jetzt an den grö ßern deutschen Höfen umher, diplomatische Fäden der Vermittelung, der Anknüpfung neuer Verhandlungen, neuer Verträge oder neuer Protokolle — wa- wissen wir? — hin- und herspinnend. Welcher politische Gedanke sei- nein Vermittelung-gMäst als leitender Zielpunkt dient, das ist so sehr in das Dunkel tiefsten Geheimnisses gehüllt, daß von den aufrichtige» Patrio ten bie Einen, da- Gelingen seiner Mission wünschen, die Andern e-fürch ten, während Die wol am sichersten gehen, welche derselben überhaupt kei- nen andern Erfolg prophezeien als den, zu den vielen diplomatischen Ex perimenten der jüngsten Zeit ein neues „schätzbares Material" zu liefern. Wenn wir unsere Wünsche iy Bezug auf die Sache, um die es sich Han- delt, und unsere Erfahrungen in Bezug auf die Personen, welche handelnd uüftretrn, zurqthe ziehen, so können wir uns mit unsern Wünschen und Hostzungen nur dieser letzten Ansicht anschließen, wobei wir freilich nicht in Abrede stellen wollen, daß Hr. v. d. Pfordten wol auch einmal nach «iner andern Seite hin uns Enttäuschungen bereiten konnte, als wir von sonsther gewohnt sind. Jedenfalls ist unsere Ungeduld in Bezug auf, den Au-gang dieser politischen Mission des genannten Staatsmanns nicht so groß,, daß wir denselben nicht ruhig abwarten sollten, ohne uns im voraus Leu Kopf darüber zu zerbrechen. Der Augenblick schien uns aber nicht ungeeignet, um an die Bestre- bungen eine-, andern Staatsmanns und ehemaligen Ministers desselben Landes zu erinnern, als dessen dermaliger politischer Leiter und Vertreter Frhx. v. d. Pfordten soeben bemüht ist,, die etwas in Verwirrung gerathenen Positionen de,x großstaatlichen Diplomatie wieher zurechtzurücken — Bestre- bungen, dir freilich nicht mit der unmittelbar praktisch eingreifenden Wich- tMn, wie die des gegenwärtigen bairischen Ministerpräsidenten, sondern nur in der bescheidener« Form subjektiver Vorschläge und Wünsche in der Presse austreten, möglicherweise aber doch in Betreff der letzten und end lichen, Entscheidung der schwebenden Frage größere Aussicht auf Gelingen haben als jene, Das Schrifkchen des Fürsten v. Wallerstein (denn wir täuschen »ns wol nicht, wenn wir diesen unter der Bezeichnung: „ein ehe- mastgxr deutscher Minister" verborgen glauben): „Deutschlands Aufgabe in der orientalischen Verwickelung. Von einem ehemaligen deutschen Ministers (München, Franz), spricht so klar, so entschieden und wahrhaft staatsmän- msch. Das aus, waS in der gegenwärtigen Krisis Deutschland cinsetzen muß und gewinnen kann, daß wir eine Mitthcilung der leitende» Ideen dessel ben, nicht für überflüssig halten, wennschon diese Ideen im Wesentlichen nur Das zusammen fassen, was in der nationalen Tagespreise und nament lich auch in diesen Blättern während der letzten Zeit vielfach angeregt und jMchgesprochen worden ist. „Zwei Mittel gibt es", sagt der Verfasser, Hessen allgemeiner Standpunkt in dem Conflict zwischen dem Osten und Westen hiermit sogleich scharf hervortritt, „Rußlands Uebergewicht zu be wältigen, entweder: Zurückdrängcn des halb europäischen, halb asiatischen Äkiesen aus den Stellungen, welche ihm eine expansive Politik, namentlich gegenüber dem Norden und Süden Europas, als Naturnothwendigkeit auf erlegen, oder: Kräftigung dktstS übrigen Eüropa in einer Wesse, welche der Massiven Politik an dem Newastrom jede Aussicht auf Erfolg unbedingt und für immer benehine." „Theoretisch", fährt er fort, „sind beide Mittel ausführbar. Will daSi vereint« Europa, sy kann äußerstenfalls mittels, eines Kampfe- aufLeben und Tod Bessaralüen,daSKönigreichPolen, Finnland, jaselbst Kurland und Livland- genommen, Kaukasien sämmt der Krim und den trans kaukasischen Länder, dem nordischen Aar entrissen werden." Allein an ein solches Resultat glaubt der Verfasser nicht, weil er den Gegnern Rußlands «richt genug Einigkeit, Ausdauer und Opferbereitheit zu einem so kolossalen Unternehmen zutraUt. Wir bemerken hierzu, daß die Schrift geschrieben ward, ehe Oesterreich seine neueste entscheidende Stellung gegen Rußland cinnahm und ehe die gegen die Krün unternommene Expedition den Entschluß und di« Lhatkraft der Westmächte zur Führung des Kriegs mit den äußersten Anstrengungen und im Anstichen der höchsten Endziele dem staunenden Eu ropa verkündigte. Genug, der Verfasser hält nur den zweiten Weg für den zum Ziele führenden, „nämlich: von Rußland lediglich jene Opfer zu hei- Men, ohzze wchche Europa die Ausrechihallung seine- völkerrechtlichen Sta- tuSquo absolut unmöglich wird,, gleichzeitig aber Errichtung eines unbezwing- bmen moralisch«» Wall- durch, Vollkräftigung der verschiedenen staatlichen -Organismen, in der Richtung rascher, energischer Thatenfähigkeit und durch Emporhebung,, sämmtlicher Bevölkerungen, insbesondere der Rußland zunächst umgebenden, auf die höchste Stufe geistiger Ausbildung, sittlicher Verede lung, politischen Selbstbewußtsten«, administrativen Comforts und materiellen WSHlständts^. Deutschland- Aufgabe würde hierbei, nach dem Verfasser, folgende'fei»! „1) Entschiedenes Zusammengehen mit den Mestmächten in I allem den freien Verkehr durch die Dardanellen und auf dem Schwarzen Meere, dann den geistigen, materiellen und politischen Aufschwung, die Eon- sistenz und Wehrfähigkeit der Ländermassc zwischen Donau, dalmatisch»illy rischem Litorale, Adriatischem, Mittelländischem und Schwarzem Meere Be- zielenden; 2) Erzwingen der thatsächlich verbürgten freien Beschiffung, des DonaustromS durch Befreiung Bessarabiens von russischer Herrschaft und durch Begründung eines gesammteuropäischen ProtectoratS über die Donau- fürstcnthümer unter Executive des deutsche» Oesterreich; 3) tatsächliches, unerschütterbareS Hereiuziehen de« Sundes und der dänischen Lande in die occidentale Politik; ä) Kräftigung des Deutschen Bunde- in der Richtung schneller, kräftiger und einheitlicher Entfaltbarkeit der Gesammtmacht; 5) in den einzelnen Bundesstaaten Verfassungen, «als Vollwahrheit» neben star ken Regierungen, die innere Verwaltung entsprechend der Eulturstufe des deutschen Volks, den Anfoderungen der Civilisation und dem Geist« des Jahrhundert«." „Lassen sich", sagt er, „die zwei ersten dieser Zielpunkte erreichen ohne Krieg — wehe Dem, der eine Lösung durch Pulver und Blei wünschen oder gar herbeiführen möchte! Sind beide Punkt« nicht erzielbar ohne Anwendung der Waffen, so müßte Deutschland wi« Ein Mann sich erheben auf den Ruf feiner Fürsten! " Oeffenlliche Blätter rühmen, Frhr. v. d. Pfordten habe die zu Wien versammelten Diplomaten überrascht durch seine klare und, warmpatriotische Auseinandersetzung der europäischen und deutschen Verhältnisse. Wenn dies der Fall gewesen, so müßte, sollten wir meinen, seine Rede sich nahezu in denselben Bahnen bewegt haben, auf de- nen hier sein Landsmann und ehemaliger BcrufSgenosse mit so wackerer Ent schiedenheit uns auf dieses höchste und schönste Ziel nationalen Handeln- hinweist. Deutschland. Aus Wien vom 6. Nov. schreibt man dem Journal de Francfort: „Die Hoffnung auf Herstellung der Einigkeit zwischen Oesterreich, Preu ßen und dem Deutschen Bunde in Bezug auf die orientalische Ange legenheit ist neu belebt und den, Vernehmen nach alle Aussicht vorhanden, daß das gerechte Verlange« Oesterreichs werde befriedigt werden. Die Er klärung des österreichischen Cabinets in der Note vom 23. Oct., daß es nämlich in der Aufstellung des Kerns der russischen HeereSmacht in Polen „eine verhängnißvolle Drohung gegen Oesterreich" erblicke, war allerdings zu ernst und selbst zu verhängnißvoll, als daß Preußen sich nicht zur noch maligen reiflichsten Erwägung aller Verhältnisse hatte bestimmt fthen sollen. Und es unterliegt wol geringem Zweifel, daß die Folgen dieser Erwägung Preußen geneigt gemacht haben, der in der österreichischen Depesche vom 23. Oct. ausgesprochenen Hoffnung zu entsprechen, baß nämlich die Ver treter der beiden deutschen Großmächte in der Bundesversammlung in voll kommener Ucbereinstimmung handeln werden. Es ist daher auch zu erwar- ten, daß Preußen sich über die dem Frhrn. v. Manteuffel mitgetheilte even tuelle Instruction an den kaiserlichen Präsibialgesandten günstig ausgespro chen haben werde. In diesem Fall würde Deutschland wok in der kürze sten Zeit durch die Nachricht erfreut werden, daß Oesterreich und Preußen in der Bundesversammlung eine gemeinsame, wirklich und wahrhaft eitti- gcnde Äorlage in Betreff der großen Krisis der Gegenwart machen-" Preußen, r Berlin, 10. Nov. Einen sonderbaren Eindruck mach te» hier die Artikel des Journal de St. - Petersbourg, worin dieses amtliche Blatt sich bemüht zu beweisen, daß die freie Schiffahrt auf der Donau bis ins Schwarze Meer durch Rußland nie behindert worden sei. Es ge hört fast mehr als Naivetät dazu, den schreiendsten Thalsachen gegenüber, deren bleiernes Gewicht auf dem Handel der andern Nationen nach jenen Gegenden gelastet hat, mit solchen nichtssagenden Worten vor Europa auf- zutrcten und von solchen luftigen Aufstellungen irgendeine Wirkung zu er warten. Das Ganze gibt höchstens einen Begriff, wie Rußland die Frei heit der Schiffahrt auf der Donau eigentlich auffaßt, und nicht zu bestrei ten ist, daß, es eine echlrussische Auffassung von Freiheit ist. — Wit wir hören, wird sich der Geh. Oberfinanzralh Seidel aus dem hiesigen Finanz ministerium noch vor Ende dieser Woche nach Wien begeben, um den den zu eröffnenden Verhandlungen in Betreff der Anbahnung eines gemeinsa men Münzw.escns der ZollvereinSstaaten und Oesterreichs beizv- zuwohnen. Die in Rede stehenden Verhandlungen dürften bei der gxoFen Schwierigkeit des Gegenstandes vor Januar des kommenden Jahres nicht ihr Ende erreichen. — In der hiesigen englischen Kapelle wurde vor wevi- gz:n Tagen von dem anglikanischen Kaplan Bellson zur Betheiligung. an dxzu „Patriotic Freud" fstr die verwundeten englischen Soldaten in dir Krim u. aufgefodert. Die Sammlung für diesen Zweck ist unter den hie sigen englischen Unterthanen eine allgemeine. Auch die hiesige englische Ge-