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Mittwoch, 5. Dezember 1SW. W« -Mott - .„ „ , öder »bemiit-ii! Nr. 8«. Erster Jahrgang, Kuer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher RcdakNicr: Fritz Arn hold. Filr die Inserate verantwortlich: Arthur Aupier. beide in Aue. uni der wöcheiülicheii Uuterlialluirgsbeilage: Illustriertes ^oiifitagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Telegramm-Adresse- Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt cingcsandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. vrnck und Verlag Gebrltder Leuthuer (Inh.: Paul Beuthuer) in Aue. Bezugspreis: Durch unsere Boten srei ins Irans monatlich so f>fc,. ^ei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich Psg. und wöchentlich ,n s?sg. — Bei der Post bestellt und selbst abaeholt vierteljährlich iso Mk — Durch den Briesträger frei ins Saits vierteljährlich I.-I2 Ulk. Liuzelue Bummer ,» psg — Deutscher Postzeituugs- katalog — Lrschciut täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn, und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens H/r Uhr vormittags. Für Aufnahme von grdßeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am «Lage vorher bei uns entgehen, jänsertionspreis: Die siebcngespalteue Aorpuszeilc oder deren Baum w psg., Reklamen 2» Psg Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese N»»n»tt»er »»«rfntzt f» Seite«» Das Wichtigste vom Tage. In der n a t i 0 n a l l i b c r a l e n Frakti 0 n ist von einer A bsicht, wegen der A n s w eisnng s p r ariS die Regierung im Reichstage zu interpellieren, nichts l> e k n n n 1. * Der lReichStag hat gestern die erste Le s n n g der kolo nialen N a ch t r a g s e I a t S beendet. Heute sollen die P 0 l c n i n t c ipc l lati 0 nen zur Sprache kommen.* Eine n m s a n grci ch e B v t s ch a s t des Präsidenten R 0 0- scvelt streift die amerikanischen Interessen der Renzeit, hebt den W c r t d e r F l o t t e hervor und besürworlel die Rn 0 breit n ng des Schütze n w e s e n s nach Schweizer Muster. Gelegentlich der Ausführung des T r e n >1 nn g s g e - festes es auf der zum Departement Fineieslcrre gehörenden Insel B ater zu e r n sl c n ?! n h e st ä r u n g e n.* Die a in e r i k a n ischc (tz e s andschast ist'gestern von Fez in Tanger cingeIr 0 sfe n. Der G eneral sl a l> s ch e s hat seine E n l l a s s u g gegeben, Wendung der Truppen bei den pr 0 Ie st iere n. des !>. Armeekorps in T v u r s mit dadurch gegen die Per- Kircheninvenlar-Ansnahmeu zu Näheres stehe unten. Die Marottoaktion. (Ls ereignen sich immer noch merkwürdige Dinge. Alle Welt wartet aus die maritime Aktion Frankreichs und Spaniens gegen Marokko, alles ist bereits vorbereitet, die Kessel sind ge heizt, die Schisse haben Befehl zum Auslaufen. Da stürzt das spanische Kabinett über den Hause» und auch in Paris überlegt man sich die Geschichte über 'Nacht. Die Gondeln bleiben schön im Hasen, und man wartet. W eshalb ? W 0 ra u f? Mau erzählt sehr hübsche Geschichtchen vom französischen Marine minister, dem plötzlich das Herz in die Unaussprechlichen gerutscht ist, als er die Nachricht von der Order an die Schiffe in Toulon bekam. Das ist sehr bezeichnend! Der französische Marineminister, der Nachfolger des grasten Lichtes Pelletan, wusste also gar- nichts davon, dast die Order ergangen war, er mustte sie tele graphisch widerrufen ? Wie kann so etwas Vorkommen? Da must doch ein ungeheuerlicher Regicsehler passiert sein? Wer hat ihn gemacht? Das Frankreich des Herrn C l e m c ncea u rasselt gewaltig mit dem Säbel. Und das liebe kleine Spanien glaubte mittun zu müssen, weil der graste Bruder eben so gewaltig bärbeissig tat. Dast Spanien schliesslich von Frankreich nur daz u benutzt wor den wäre, die marokkanischen Kastanien aus dem Feuer zu holen, das ist lange genug gesagt, und mindestens millionenmal geschrie ben worden. In Madrid kehrte man sich nicht daran, sondern tat so kriegerisch als irgend möglich, bramarbassierte mit dem notwendigen Schutz der spanischen Interessen und der spanischen Staatsangehörigen in Marokko, und kam sich selber ungeheuer wichtig vor. Aber plötzlich wurde die schöne Ernte verhagelt, und das graste Frankreich sah sich, wie das kleine Spanien, gezwun gen, zu stoppen und die Feuer unter den Kesseln wieder auslöschen zu lassen. Glaubt man wirklich, dast die spanische Minister krisis, oder dast das plötzliche Erschrecken des sranzösischen Marine ministers schuld mar, an dem Uber Nacht gekommenen Um schwung? So naiv ist doch heute niemand mehr. Der Umschwung hat wohl einen ganz anderen Grund, der in dem Einspruch der europäischen Diplomatie zu suchen ist. Dast die französisch-spanische Expedition im Grunde als eine Inva sion mit daraussolgender Okkupation zu betrachten war, darüber besteht kein Zweifel. Die gemachte, und zwar von den Fran zosen gemachte Erregung in Marokko hat ernstlich noch keine europäischen Interessen gefährdet, und wenn das offizielle marok kanische Kaiserreich sich der sranzösischen Unterdrückungspolitik gegenüber von Anfang an nicht freundlich gestellt hat, wenn der Hast noch wuchs, als Frankreich sich ganz ungeniert anschicktc, die groste Apfelsine zu verspeisen, so war das gar kein Grund, die europäischen Interessen im allgemeinen als bedroht zu erklären. Hat man davon gehört, dast etwa Engländer oder gar Deutsch e von de» Mauren bedroht worden wären? Man hat ein paar sranzösische Offiziere insultiert, unreife Burschen warfen ein paar Steine. Daraus hat man den Schlust gezogen, dast diese jungen Spektakelmacher im Auftrag des Maghzen gehandelt haben — eine sehr willkürliche Auffassung, sür die jeder Beweis fehlt. Die Dinge lagen ganz einfach s 0, dast Frankreich einen Grund zum Eingreifen haben wollte — er war leicht gesunden Aber das Eingreifen selbst ist den Herrn Nachbarn im Westen vorerst noch nicht möglich gewesen. Niemand weist, wer den gallischen Hahn darauf ausmerk sam gemacht hat, dast sein kriegerisches Krähen die Nuhe von Europa stören könnte. Aber man hat den Leuten aus die Fin ger geklopft. Vermutlich ist es von London aus geschehen, wenn nicht am Ende Italien dem sonst so bcsreundeten Bruder ernsthafte Borstellungen gemacht hat. Es ist nicht unbemerkt geblieben, dast sich zwischen Rom und Berlin in den letzten Tagen allerlei Dinge zutrugen, die aus eine FestigungdesDrei- bundes hinauslicsen. Wie weit Deutschland dabei die Hand im Spiele gehabt haben mag, das soll unerörtert bleiben, aber jedensalls behaupten e r n st e politisch geschulte Männer, dast der Dreibund aus eine neue Basis gestellt werden soll, dast Italien sich wieder enger anschliesten will, nachdem es erkannt hat, dast der lateinische Bruder doch nicht sonderlich zuverlässig ist. Wir wollen das unerörtert lassen, aber cs müssen zwingende politische Gründe gewesen sein, die das sübelrasselnde Frankreich über Nacht zur grösseren Borsicht veranlastten. Umsonst lästt man sich nicht auslachen! Eine Blamage ist den lieben Nachbarn im Weste» allerdings nicht erspart geblieben, denn wer sich tapser zurückzieht, nachdem er erst tüchtig geprahlt und mit seiner Kraft grost getan, der wird i m m e r ausgelacht. Natürlich aber ist die Marokkoangelegen heit sür Frankreich kein überwundener Gedanke. Man wird wahrscheinlich in Paris schon sehr bald wieder darauf zurück kommen, denn der sranzösische Besitz in Afrika bedarf dringend der Abrundung, wenigstens nach Ansicht der Herren Clemenceau Liebesorakel in ver Avventszeit. Bon Dr. L. E. Stein. lNachdruck verboten.) Unsere heidnischen Borsahren begingen zwei Hauptseste im Jahre, die sich dem Lause der Sonne anschlossen und Sonnen- w e n d e n genannt wurden. Wenn die Sonne nach ihrem Glau ben ihren Laus von neuem begann, um den grimmigen Winter zu vertreiben, und den lichten Frühling zu bringen, dann feierten sic das Fest der Wintersonnenwende, auch Iulfest genannt. Während dieser Festzeit, die zwölf Tage dauerte, stiegen, nach alt heidnischer Anschauung, die Götter hernieder und hielten, wie auch damals die Menschen zu Festzeiten zu tun pflegten, feierliche Umzüge aus Erden. Namentlich besuchten Wodan und seine Gemahlin, im Norden Frigg, in Deutschland Freia oder Frau Holle genannt, die Menschen in ihren Wohnungen, um ihnen Glück und Freude zu bringen. Wenn die Götter den Menschen nahe waren, war es diesen vergönnt, einen Blick in die Zukunft zu tun, zu hören oder, zu hlosen, wie die alten Germanen sagten. Daher hiesten die in die Fcstzcit sallendcn zwölf Nächte auch Losnächtc. Man nannte sie wohl auch Unternächte, weil die Götter jetzt unten auf der Erde waren, und Rauhnächte, eine Be zeichnung, die wohl mit dem altdeutschen Worte runen (raunen, flüstern) zusammenhängt. An die Stelle des altgcrmanifchen Festes der Wintersonnenwende ist später das Weihnachts fest getreten, aber viele der Volksbräuche und Volksmcinungen haben sich durch Jahrtausende hindurch bis in die Neuzeit hinein erhalten. In Erinnerung an die alten Ueberlieferungen vom Umzuge der Götter ist noch heutzutage die Weihnachts- und die dieser vorhergehende Adventszcit reich an geheimnisvollen Volks anschauungen. Ihrem Wesen nach bestehen sie in der Annahme, dast um jene Zeit übernatürliche Dinge auf der Erde geschehen, das Zeitliche nushört und das Ewige an seine Stelle tritt, die Zu kunft sich enthüllt. Mit dem Andreasabend, sagt Dr. M 0 gk, beginnt diese Zeit der allgemeinen Prophetie, hinter der etwas mehr steckt als ein kindlicher Scherz: es ist der naive Wunsch unseres Volkes, hinter den Schleier der Zukunft zu schauen, ein Zug, der in erster Linie unserem weiblichen Geschlechte eigen ist. Erwachsene, un verheiratete Mädchen sind es vor allem, die in diesen Tagen eine Frage an das Schicksal stellen und zu erfahren suchen, ob sie ihr Lebensziel, die Verheiratung, im kommenden Jahre erreichen werden, und was sür ein Mann ihnen zugedacht sei. Vielfach be gegnet man in der Andrcasnacht dem Schuhwerfen. Die jungen heiratslustigen Mädchen werfen ihren Schuh rückwärts und sprchen dabei: Schühchcl aus, Schühchel ei, Wo werd' ich über's Jahr sei'? Aus der Lage des niederfallenden Schuhs ziehen sic einen Schlust aus ihre nahe oder ferne Hochzeit. Wenn z. B. die Spitze des geworfenen Schuhs nach der Tür zeigt, so wird das Mädchen im folgenden Jahre als Braut das Elternhaus verlassen und dem Manne seiner Wahl folgen. Hier und da ist das Horchengehen üblich. Ein Mäd chen begibt sich in der Andrcasnacht an irgend eine Stuben- oder Haustür, um aus das Gespräch der Leute, die sich in der Stube befinden, zu horchen. Es stellt dabei heimlich die Frage, ob es und Genossen. Seit Jahren arbeitet man mit gröstter Energie darauf hin, Herr De leas sä hätte beinahe einen Krieg wegen des scherisischen Reiches angefangen, und nun sollte man etwa den Gedanken der schönen Erwerbung in der Versenkung ver schwinden lassen? Das fällt niemand ein. Aber man wird es vorsichtiger anfangen. Nach alten Beispielen kann man die Zu kunft ziemlich sicher voraussagen. Frankreich wird weiter in Marokko stänkern. Französische Waffen werden in das Land ge schmuggelt werden, französisches Geld wird das Seine dazu tun, um die Ruhe in dem Kaiserreich nicht einkchren zu lassen. Dann werden wahrscheinlich ein paar Ausländer von Marokkanern er mordet werden, und dann wird Frankreich die Initiative er greifen „müssen", um die Europäer in Marokko zu schützen. Vor derhand langten die Motive nicht, aber man wird schon sür wei tere sorgen. Und wer heute Einspruch gegen die bewaffnete In vasion erhoben hat, der kann morgen wieder anderer Meinung sein, wenn man ihm etwa einen anderen Fleck Erde als Einfluß sphäre einräumt. So ist die Geschichte ausgeschoben, aber nicht aufgehoben. Man wird noch viel über Marokko disputieren müssen! Politische Tagesschau. Aue, 5. Dezember löOV. Dernburg der Sieger. Die vorgestrige Sitzung des deutschen Reichstages wird in der Geschichte deS deutschen RcichoparlamenteS dereinst sicher eine bedeutsame Rolle spielen, denn sie stellt in der Aera der Kolonialdebatten einen kaum mehr zu überbietenden Gipfel punkt dar. Das ganze Pandäinonium von Leidenschasten, das bei den heftigen Kämpfen zwischen den Freunden und Gegnern unserer Kolonialpolitik sich wie ein Ring um die parlamentarische Walstatt gelegt hatte, entfesselte sich plötzlich mit einer solchen Ve hemenz, als slände WallotS Prachtbau nicht mehr am KönigSplatzc in Berlin, sondern am Franzcnsring in Wien. S iegcr aber blieb in diesem Ringen der Kolonialdirektor Dernburg, her mit jener RncknchtSlosigkeit, die ihn als Geschäftsmann auszeichnete, gegen den ZentrumSmann Rocren losging, dast man seine Helle' Freude daran haben konnte. Tenn die Rolle, die gewisse Zentrums leute in der deutschen Kolonialpolitik spielen, liegt weder im In teresse des Reiches noch der Partei selbst. Dies zeigte sich ins besondere in dem Falle Wisluba, wo Herr Rocren es ungeniert versuchte sich in die amtlichen Angelegenheiten der Kolonialver- waltnng hineinzumischcn und dabei Millelchen gebrauchte, die einem gewöhnlichen Sterblichen teuer zu stehen gekommen wären. Wir sind gewiß dafür, daß unsere .Reichsboten sich um die Staats geschäfte t ü chtig kümmern, aber wohin würde man kommen, wenn die Herren Reichstagsabgeordncten ihre Ausgabe darin er blickten, in den Bureaus der Ministerien herumzuschinisfcln, sich zum Anwalt jedes Beamte» zu machen, der sich unschuldig gemaß regelt oder zurnckgesctzt glaubt, oder daraus zu dringen, daß dieser und jener Beamte entlassen werde? Dann würden bald bei ans ähnliche Zustände wie in Serbien entreißen. Direktor Dcrn- burg hatte also mit seiner glänzenden Abwehr vollkommen recht und seine bisherige Amtstätigkeit gibt der Hoffnung Raum, daß cs ihm gelingen werde, die Schäden unserer Kolonialpolitik zu be seitigen. Er hat die Eiterbeule anfgestvchen, aber die Wunde kann nicht zuheilcn, wenn sie immer wieder ansgcrisscn wird! sich im nächsten Jahre oder überhaupt verheiraten wird. Diese Frage findet dann durch das erste Ja oder Nein, das darinnen gesprochen wird, ihre Beantwortung. Ein ähnlicher Brauch ist das Wasser schöpf en. Mit geschlossenen Augen füllt die heiratslustige Schöne, die einen Blick in die Zukunft tun will, schweigend ein Gesäß mit Wasser, das mit einem bestimmten Maste ausgemessen wird. Bleibt hierbei etwas Wasser übrig, so bleibt das Mädchen ledig, im andern Falle bekommt es einen Mann. Im Vogtland und in der Lausitz und in Schwa ben bilden die heiratslustigen Mädchen einen Kreis, in dessen Mitte sie einen Gänserich mit verbundenen Augen stellen. Das Mädchen nun, dem sich der Vogel zuerst zuwendet, wird im näch sten Jahre Braut. Andernorts, z. V. in Sachsen, füllt man, um das Schicksal zu erfahren, eine Schüssel mit Wasser und legt einen Stroh- oder Myrtenkranz, einen Ring und eine kleine Puppe hinein. Die Mädchen müssen nun mit abgewandtem Ge sicht in die Schüssel hineingreifen. Erfassen sie hierbei den Kranz, so winkt ihnen im nächsten Jahre der Brautkranz: ergreifen sie den Ring, so erfolgt die Trauung, und fällt ihnen die Puppe in die Hände, so werden sie im folgenden Jahre Mutter. War auf die eine oder andere Weise die wichtigste Frage, ob man sich im nächsten Jahre überhaupt verheiratet, glücklich gelöst, so wollte man gern auch etwas Näheres über den zu künftigen Gatten erfahren. In verschiedenen Gegenden läßt man zu diesem Zwecke in der Andrcasnacht tropfenweise geschmol zenes Blei in ein Gefäß mit Wasser fallen. Aus den Figuren, die aus diese Weise entstehen, schließt man auf das Gewerbe des künftigen Geliebten. In Böhmen ist das sogenannte Lichter- schwimmen üblich. Man lästt doppelt so viele Lichter, als