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Dresdner Journal : 15.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190602153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19060215
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19060215
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-15
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Dresdner Journal : 15.02.1906
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BezugS-reiS: Beim Bezüge durch die Heschäf>,Nell» inner»«»» Z>re»den» 2,ü0 M (einschl Zutragung), durch die ün Teutlchen Reiche » M. (ausschließlich Bestellgeld) vierteljährlich Einzelne Nummern 10 Pf. Wird Zurücksendung der für die Schriftleitung bestimutteu, aber von dieser nicht em» aesorderten Beiträge bean» spracht, so ist das Postgeld beizufügen. Dnsdntl Amnml. Herausgegeben von der Königl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen: Werktag» nachm ü Uhr. — Originalberichte «nd Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden. vntündigu«,»gebühre«: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi gungs-Seite oder derenRaum 2» Pf Bei Tabellen- und Ziffernsas b Pf. Ausschlag für die Zeile Unterm Re- daktionSstrich (Eingesandt) oie Textzeil: mitlier Schrift oder deren Raum üv Pf. Aebühren - Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittags 12 Uhr für die nach mittag» erscheinende Nummer. W38 Donnerstag, den 15. Februar nachmittags. 190«. Wchtnmtlichtr Teil. Tagesgeschichte. Dresden, 15. Februar. Zu dem gestern abend am Königl. Hofe stattgefundenen zweiten Kammer ball waren über 350 Einladungen ergangen. In der Hofgesellschaft, deren Versammlung von 's9 Uhr ab in den Festräumen des Königl. Residenzschlosses erfolgte, befanden sich die Herren Gesandten Graf v Dönhoff, Graf v. Montgelas und Frhr. v. Braun mit ihren Damen, Ihre Erlauchten der Graf und die Frau Gräfin v. Schönburg-Glauchau, Se. Er laucht der Graf zu Solms-Wildenfels mit Kom- teises Töchtern, Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin v Hanau, Ihre Exzellenzen die Herren Staats minister v. Metzsch, vr. Rüger, 0r. Otto und General der Infanterie Frhr. v. Hausen mit ihren Damen, die Herren Präsidenten der beiden hohen Kammern der Ständeversammlung, Oberstmarschall Graf Vitzthum v. Eckstädt, Exzellenz, mit Gemahlin und Geh. Hofrat Dr. Mehnert, ferner viele aktive und inaktive Generale und Offiziere mit ihren Damen und eine größere Anzahl Damen und Herren der Aristokratie. Neben Sr Majestät dem Könige wohnten Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde und Se. Hoheit der Herzog Karl Borwin zu Mecklenburg - Strelitz mit den Damen und Herren der Hof- und Militärstaaten dem Ball feste bei. Se. Majestät der König, Allerhöchstwelchcr die Unilorm des 1. Husarenregiments „König Albert" Nr 18 trug, begrüßte zunächst die im roten Salon versammelten Gäste und begab Sich dann mit den genannten Fürstlichen Herrschaften in den großen Ballsaal, wo bald darauf der Tanz begann. Ter große Ballsaal war an den beiden Ein gängen durch Aufstellung kleiner Prunkmöbeletablisse- mcnts salonartig eingerichtet und im allgemeinen mit einem reichen Blumen- und Pflanzenschmuck aus gestattet Als Vortänzer fungierte wieder Ober leutnant Frhr. v. Fritsch vom Königl. Gardereiter regiment, und die Hofballmusik führte da- Trompeter- korps des Königl. 1. Feldartillerieregiments Nr. 12 aus. Um 1l Uhr wurde im Eckparade- und Bankett saal an kleinen Tischen soupiert und nach Aufhebung des Soupers der Tanz wieder fortgesetzt. Das Ballfest endete nachts 1 Ühr. — Se. Majestät der König wohnte heute vor mittag der Rekrutenbesichtigung beim 1. Bataillon des 1. (Leib s Grenadierregiments Nr. 100 in der Kaserne bei. An der heutigen Mittagstafel bei Sr. Ma jestät dem Könige nahmen Ihre Majestät die Königin-Witwe und Ihre Königl. Hoheiten der Prinz Johann Georg und die Prinzessin Mathilde mit den Damen und Herren vom Dienste teil. Heute abend wird Se. Majestät der König den Fast- n.ichtsabend der Offiziersgesellschaft des Landwehr bezirks I Dresden mit Allerhöchstseinem Besuche auszeichncn; ebenso wird Se. Königl. Hoheit der Prinz Johann Georg dieser festlichen Veranstaltung beiwohnen. Deutsches Reich. Berlin. Se. Majestät der Kaiser konferierte gestern mir dem Reichskanzler Fürsten v Bülow und hörte dann die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, Wirk! Geh Rats vr v. Lucanus, des Chefs des Militär- kabinetts, Generalleutnants Grafen v. Hülsen-Haeseler und des Chefs des Admiralstabs der Marine, Admirals Büchsel — Der Ausschuß des BundeSratS für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten gestern Sitzungen ab — In den deutsch-amerrkanischen Handels beziehungen dürfte, wie die Blätter melden, das Zu standekommen eines Provisoriums gesichert sein Da der Abschluß eines Handelsvertrags bis zum I.März eine Unmöglichkeit war, so ist durch die jetzt getroffene Regelung immerhin der von verschiedenen Seiten als unvermeidlich angesehene Zollkrieg vermieden worden. DaS vorgesehene Provisorium wird darin bestehen, daß auf die Vereinigten Staaten unser Vertragsentwurf in Anwendung gebracht wird, wogegen die Union gewiße Erleichterungen in der Behandlung und Zollabfertigung deutscher Waren einräumt. — Wie dem Zentralverbande deutscher Industrieller von amtlicher Seite soeben mitgeteilt wird, hat die russische Regierung sich bereit erklärt, nach dem 28 Februar die Gesuche deutscher Interessenten wegen An wendung des bisherigen Zolltarifs hinsichtlich der jenigen Warensendungen einer Prüfung zu unterziehen, die durch Ausnahmezustände auf dem Wege von der Grenze nach den Zollämtern im Jnlande aufgehalten worden sind Zum Erlaß einer generellen Vorschrift über die mildere Zollbehandlung der Waren, deren zoll amtliche Besichtigung am 28. Februar d. I. nicht be endigt ist, hat sich die russische Regierung dagegen nicht bereitsinden laßen. — Auf Grund des Z 12 des neuen Zolltarifgesetzes hat der Bundesrat eine Zoll-StundungSordnung erlaßen. Danach können die Zölle den Zahlungs pflichtigen auf Antrag vom Hauptamte gegen Sicherheits leistung auf drei Monate gestundet werden. Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers kann aber die so fortige Einziehung sämtlicher gestundeten Beiträge an geordnet werden. Von der Stundung ausgenommen sind schon nach dem neuen Gesetze die Zölle für Getreide, Mälzereierzeugniße, Hülsenfrüchte, Raps und Rübsen, für Mehl, Graupen, Grieß, Grütze und sonstige Müllereierzeugniße aus Getreide oder Hülsenfrüchten, Rapsöl und Rüböl in Fäßern oder anderen Behält nissen, sowie ferner die auf Grund von Abrechnungen zu zahlenden Zollbettäge für die aus Privattransit- und Privatteilungslagern ohne amtlichen Mitverschluß und aus fortlaufenden Zollrechnungen (Konten) in den freien Verkehr übcrgcführttn Waren, sowie alle aus dem Veredelungsverkehre zu zahlenden Zollbeträge. Ober die Zollbeträge, die gestundet werden sollen, ist von den Zahlungspflichtigen bis zu dem Zeitpunkte, zu dem die Zahlung zu erfolgen hat, der Hebestelle ein StundungSanerkenntnis zu übergeben. Der Betrag jedes Anerkenntnisses muß 50 M erreichen; die oberste Landes finanzbehörde kann Ausnahmen zulassen. Auf Anord nung der Direktivbehörde sind die im Laufe eines Monats abgegebenen Stundungsanerkenntnisse nach Ab lauf des Monats vom Zahlungspflichtigen gegen ein Hauptanerkenntnis umzulauschen Die gestundeten Be träge sind spätestens am 25. Tage des Monats, in dem die Stundungsfrist abläuft, und wenn dieser Tag ein Sonn- oder Feiertag ist, fpätestens am vorhergehenden Werktage einzuzahlen. Hinsichtlich der fortdauernden (eisernen) Zollstundung für den Handel mit Wein ver bleibt es bei den Vorschriften des Weinlagerregulativs und hinsichtlich der Stundung der Zollgefälle für die auf Privatkreditlagern abgefertigten Waren bei den Vor schriften des PrioatlagerregulativS mit der Maßgabe, daß die von den obersten Landesfinanzbehörden festgcstellten Grundsätze, nach denen die Sicherheit zu leisten ist. An wendung finden. Die aus einem Veredelungsverkehr zu zahlenden Zollbeträge für die oben aufgeführten Waren sind mit jährlich 4 Proz. zu verzinsen Tw Zinsen fließen in die Reichskasie. Die der Zinsberechnung zu grunde zu legende Zeit bestimmt die Direktivbehörde nach den Umständen des einzelnen Falles. Preußischer Landtag. In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde die Beratung des Etats der Berg- und Hüttenverwaltung noch nicht zu Ende geführt. Den größten Teil der Sitzung füllte noch die allge meine Besprechung au» Der Minister fand dabei mehrfach Gelegenheit, Äußerungen von markanter und programmatischer Natur abzugeben — Die nächste Plenarsitzung des Herrenhauses ist auf Donnerstag, den 8. März d. I, nachmittag» 2 Uhr festgesetzt worden; die Verausgabung der Tagesordnung bleibt aber noch Vorbehalten. — Der Arbeitsplan de» Abgeordnetenhauses dürfte sich für die nächste Zeit folgendermaßen gestalten. Nach der Beratung des Etat» für Handel und Gewerbe, die nach der Ankündigung des Präsidenten in der gestrigen Sitzung jedenfalls am Donnerstag zu Ende geführt werden soll, kommt die Beratung des Justizetats an die Reihe. Sie soll planmäßig bis Ende dieser Woche zum Abschluß gebracht werden. Sodann wird beabsichtigt, in die Etalsberatung die zweite und dritte Lesung de» Kreis- und Provinzialabgaben- gesetzr» einzujchalten, damit diese» im nächsten Monat im Herrenhause durchberaten und so schon für die Aufstellung der Kreisetats auf das Jahr 1906 nutzbar gemacht werden kann. Zwischen die zweite und dritte Lesung des KreiSabgaben- gesetzentwurss dürfte die Beratung des BauctatS, vielleicht auch die des Etats der Finanzverwaltung, eingeschaltet werden. Einem Wunsche de» Eisenbahnministers entsprechend, gedenkt man dann zunächst nicht in die Beratung de» Eisenbahnetals, sondeni, sofern die Budgetkommission, was zu erwarten ist, mit ihren Vorberatungen so weit fortgeschritten ist, in die Be ratung des Etats des Kultusministeriums einzutreten. Diese erhofft man in kürzerer Zeit zum Abschluß zu bringen, weil im Hinblick auf die zur Beratung in der Kommission vor liegende Schulunterhaltungsvorlage die Fragen de» Bolksschulwesens, die sonst eine geraume Zeit in An spruch nehmen, diesmal aus der Verhandlung zu einem großen Teile ausscheiden dürsten Es darf daher als sicher angenommen werden, daß die Etals beratung zu dem dafür angesetzten Endtermin, vielleicht schon etwas srüher, zu Ende geführt werden wird. Auch während das Plenum regelmäßig Vollsitzungen abhält, werden die Beratungen in den zur Vorberatung wichtiger Gesetzentwürfe eingesetzten Kommissionen, insbesondere in derjenigen für das Volksschulunterhaltungsgesetz, nicht ausgesetzt, sondern weiter gefördert werden E» erscheint daher sehr wahrscheinlich, daß in die zweite Lesung der letzteren wichtigen Gesetzesvorlage im Plenum unmittelbar nach der Lsterpause wird eiogetreten werden können. Kiel. Se. Majestät der Kaiser trifft bereits heute nachmittag 3 Uhr hier ein. Wie eS heißt, wird der Monarch vor der Abreise nach Kopenhagen der Germania werft einen Besuch abstatten. Lübeck Die Bürgerschaft nahm nahezu ein stimmig eine Vorlage an, wonach Bewohner des Lübeckschen Staates erst nach fünfjährigem Aufenthalt in Lübeck das StaotSbürgerrecht erwerben. Oldenburg Prinz Eitel Friedrich von Preußen und der österreichische Botschafter Szögyeny-Marich, die an dem Abschiedshosball für die Herzogin Sophie Charlotte teilnahmen, sind gestern vormittag nach Berlin zurückgereist. Düsseldorf. Der Provinziallandtag der Rheinj- provinz beschloß die Übernahme der im Gesetz vom 1. April 1905 betreffend die Herstellung und den Aus bau von Wasserstraßen geforderten Garantien. Danach übernimmt die Rheinprovinz 44,5 Proz der Verpflichtungen für den Rhein—Hernekanal und 26,8 Proz. für die kanalisierte Lippe Solingen Die Stadtverordneten bewilligten gestern aus Anlaß der Silberhochzeit des Kaiser paars 100000 M. zu Krankenhauszwecken Darmstadt. Se Königl. Hoheit der Großherzog hat den Oberregierungsrat vr. Usinger zum Vor sitzenden der Ministerialabteilung für Landwirt schaft, Handel und Gewerbe ernannt. München. Kammer der Abgeordneten. Bei der gestrigen Fortsetzung der Beratung des Etats des Ministeriums des Äußeren führte Minister Frhr. v. Podewils folgendes aus: »Ich konnte nicht voraussehen, daß ich mit meinen Ausführungen vom 24 Oktober 1905 eine prinzipielle Erörterung der einschlägigen Fragen Hervor rufen würde Ich glaubte im Einklänge mit den Anschau ungen deS hohen Hauses zu fein, und habe nur dasselbe au-- gesührt, was meine Amtsvorgänger srüher schon wiederhol! gesagt batten Der Widerspruch gegen meine Ausführungen erklärt sich wohl nur aus einer mißverständlichen Auffassung, als ob ich mich gegen den bisherigen Usus gewendet hätte und ein neues staalsrechllicheS Dogma ausstcllen wollte Diese Aussassung ist nicht richtig. Ich habe nicht gesagt, daß hier über auswärtige Rcichspolitik nicht gesprochen werden dürfe Die Regierung will die Zuständigkeit de» Landtag» nicht eng herzig beschränken. Ebensowenig will die Regierung sich in Fragen der auswärtigen Politik ihre- verfassungsmäßigen Einflusses begeben. Wir fühlen un» zu sehr al» Glieder de- Reiche- und empfinden alles, was das Reich anbetrifft, als unser eigenste» Interesse über die Fragen der auswärtigen Politik geht uns von Berlin in stetiger Kontinuität ein reiche- diplomatische» Material zu, und jedem Ersuchen um Ergänzung dieses Materials wird stets entsprochen. Der BundelratS ausschuß für auswärtige Angelegenheiten tritt selten zusammen, weil dafür Ersatz durch dir Übermittelung der diplomatischen Akten geschaffen ist; aber in besonderen Fällen und bei außerordentlichen Fragen hat jener Ausschuß sich al» sehr wertvolle Institution erwiesen. Ich halte daran fest, daß die auswärtige Politik kein geeignete» Thema für die Behandlung im Landtag ist, und daß da» geeignete Forum der Reichstag bleibt Nur dort steht der Volksvertretung derjenige gegen über, der die Verantwortung für dir auswärtige Politik trägt, der diese Politik verteidigen kann und allein zu beurteilen vermag, wie weit in jedem Moment Aufschlüsse gegeben werden können. DaS vermag der Minister eines Einzelstaats nicht, und wenn deshalb aus den Einzellandtagen die Kritik unwidersprochen hinausgeht, entsteht leicht ein falsches Bild, da» unter Umständen unsere auswärtige Politik schädigt." Der Minister legte sodann nochmals die versasiungsrechtliche Frage dar und die Stellung de» Fürsten BiSmarck zu dieser Angelegenheit. Gegenüber den vorgestrigen Bemerkungen Easselmanns rechtfertigte der Minister seine früheren, gegen diesen Abgeordneten gerichteten Ausführungen und bemerkte dann, er habe sich lediglich verteidigt, und zwar gegenüber einem Exzesse des Angreifers mit einem Exzesse des Ber teidigerS Damit sei diese Angelegenheit hoffentlich erledigt. Mit Auslösung des Landtag» wegen Annahme des Wahl gesetzes habe der Ministerrat sich noch nicht befassen können, weil das Gesetz noch nicht in allen Stadien erledigt sei (Beifall rechts.) Abg v. Vollmar (Soz.i führte aus, die Auslösung des Landtags und Neuwahlen im nächsten Jahre seien selbstverständlich Da» Recht de» Landtags, über die auswärtige Politik zu sprechen, müsse noch verliest werden Redner bekämpfte in längeren Ausführungen die Ansichten des Ministerpräsidenten über die persönliche Stellung des Kaiser-, über den Einfluß des Bunderats und über den diplomatischen Ausschuß des BundeSratS, dem durch die Verfassung zweifellos ein gewisser Einfluß auf die auswärtige Politik zugedachl worden set. Der bayrische Ministerpräsident bleibt dem Landtag gegenüber ver antwortlich für Bayern» Einfluß aus die auswärtige Politik des Reiches Der Landtag müsse sein Recht sesthalten. Abg Memminger (Freie Vereinigung) erzählte, wie BiSmarck ihm persönlich gegenüber keinen Zweifel gelassen habe, daß er wünschte, der bayrische Landtag und die bayrische Regierung möchten gegen Fehler der auswärtigen ReichSpvlittl Opposition machen. Der Redner kritisierte ferner scharf die in neuerer Zeit vorgekommencn Erhebungen von Au-ländern und Au- länderinnen in den bayrischen Adelsstand und fordert die Aus Hebung von einigen unwichtigeren bayrischen Gesandtschaften Abg. Müller-Meiningen (Liberal) erklärte c» für sehr be denklich, wenn die Einzellandtage in Fragen der auswärtigen Politik dem Reichstage vorgreifen wollten. Zurückhaltung sei dringend geboten, zumal in kritischen Zeilen. Viel besser sei eS, stets mit vollem Nachdruck die Einigkeit der Regierungen und des Volkes gegen jede aggressive Politik deS Auslands zu betonen. Aber wenn im Landtage Zurückhaltung auch praktisch geboten sei, so sollte man doch nicht versuchen, die» verfassungsrechtlich zu begründen. Der Kaiser fei in der völkerrechtlichen Vertretung des Reiche- nach außen zwar un beschränkt, aber nicht nach innen; da spreche der Bundesrat mit. Jede Regierung bleibe ihrem Landtage gegenüber für die Instruktion ihre- BundeSratSvertreter- verantwortlich Redner kritisierte dann den bayrisch-russischen AuSliesrrungs- verlrag, dessen baldige Kündigung dringend erwünscht fei Abg Daller (Zentrum) erklärte namens seiner Partei, daß die Auflösung de» Landtags nach Beendigung dieser Session ihnen recht sei. Damit schloß die allgemeine Diskussion Ter erste Teil de» Etats wurde sodann genehmigt. Österreich-Ungarn. Budapest. Die Pariser Presse begrüßt, wie ein Telegramm aus Paris an die „Neue Freie Presse" zu melden weiß, mit besonderer Befriedigung eine aus An laß der Marolkokonferenz gegen Deutschland gerichtete Kundgebung der ungarischen Koalition. Wie dem Ungarischen Telegraphen-Korrespond.-Bur. aus ungarischen Rrgierungskreisen gemeldet wird, hat man dort von solchen Kundgebungen der Koalition keinerlei Kenntnis, und man zweifelt um so mehr daran, daß solche Kundgebungen von der Koalition ausgegangen seien, als deren Führer, Kunst und Wissenschaft. Königl. Schauspielhaus. — Am 14. d. M.: „Sappho". Trauerspiel in fünf Aufzügen von Franz Grillparzer. In der gestrigen Aufführung der Grillparzerschen Jugcndtragödie verlörperte Fil. Alice Verden vom Cölncr Stadtthcater, als zweite Gastrolle, die Gestalt der Melitta und löste damit eine Aufgabe, die weit außer halb deS Kreises lieg», in dem sich die jüngsten Gast spiele bewegt haben Die junge Darstellerin verriet, im Gegensatz zu ihrer Herma in der Schönthan-Kadclburg- schen „Berühmten Frau", in welcher der beherzte Ton gelegentlich an einen scharfen und kühlen heranstreifte, daß ihr weichere Laute zu Gebote stehen und die Fähigkeit tiefere Gemütsbewegungen in Mienenspiel und Sprache zu spiegeln, nicht fehlt Ohne die poetische, höchst anmut volle und fein beseelte Wiedergabe der gleichen Gestalt, die Frl Politz oft geboten hat, vergessen zu machen, interessierte und fesselte Frl. Verden immerhin durch die ernste Schlichtheit, mit der das mädchenhaft Unbewußte, Unentwickelte der Melitta zu seinem Recht kam. Der Abstand von der kecken und fast burschikosen Lebendigkeit der Herma bi» zur rührenden Weichheit und sehnsuchts vollen Sentimentalität der Melitta ist groß genug, um die Wandlungsfähigkeit de» Talent« erkennen zu lassen und Frl. Verden ist unter all den jungen Künstlerinnen, die sich in letzter Zeit gezeigt haben, ohne Frage die alentoollste Forderungen an größere Eigenart der Charakteristik und persönliche Besonderheit stellt die Rolle der Melitta nicht, das Erschrecken der Harm- und Hilf losen, al» sie erkennt, daß sie nicht ein Kind des Hause«, sondern eine Sklavin ist, trat ganz lebendig heraus. Aber ob die Darstellerin auch fröhliche Laune, blitzenden und neckischen Humor besitzt, etwa einen Puck un „Lommer- nachtstraum" gewinnend und hinreißend zu spielen, läßt sich nach ihrer Melitta ebensowenig beurteilen, als nach ihrer Herma. Die Leistungen der Frau Salbach (Sappho) und der Herren Müller (Rhamnes) und Wierth (Phaon) in der Grillparzerschen Tragödie bedürfen keiner neuen Würdigung A. St. Sächsische Talisman- oder Glückspfcnnigc. Der Mode der Zeit folgend, die allerhand sogen. Glückszeichen in Gestalt von Kleeblättern, Glückstieren, Hufeisen, Münzen rc als Schmuck- und Ziergegenstände wählt, verschenkt und trägt und natürlich der Nachfrage Rechnung tragend auch anfertigt, sei eS gestattet, auch auf eine unscheinbare Münze kursächsischen Gepräges hin zuweisen, die länger als ein Jahrhundert hindurch als Talisman-, Amulett-, Glücks- oder Heckpfennig angesehen wurde, ja von jedermann in ffüheren Zeiten, als noch Münzen sächsischen Gepräges — vor Einführung der Reichswährung — im Umlauf waren, beim Vorkommen im Verkehr zurückgehalten und als Seltenheiten auf- bewahrt wurden. Es sind dies die Kupferpfennige mit dem JahreSgepräge 1777, mit deren Herstellung die aben teuerlichsten Geschichten in Verbindung gebracht wurden. Die anhörbarste Lesart ist diejenige, die erzählt, daß bei der Kupferschmelzung zu den Pfennigen irrtümlicherweise eine Stange Gold — der Volksmund behauptete, es sei sogar alchemistisches Gold eine» Goldmachers aus der Zeit Augusts de« Starken gewesen, da» in der Münz stätte zu Dresden aufbewahrt wurde — mit in den Schmrlztiegel gekommen und mit vermünzt worden sei. Um der Wahrheit dieser Sage auf die Spur zu konimen, ließ der Verfasser diese« Aussatzes bei einem verpflichteten Wardein vor 40 Jahren 50 Stück abgegriffene Pfennige vom Jahre 1777 probieren; es wurde fejtgestellt, daß gestellt wurden. Die Vorderseite dieser Kupferpfennige allerdings Spuren von Golv nachzuweisen seien Hierzu bemerkte aber der probierende Herr, daß es gar wohl möglich sei, daß in eingekausten alten Kupfermünzen (namentlich solchen russischen Gepräges) öfters Spuren von Goldgehalt nachzuweisen wären und daß dies u. a. bei Probierung von Kupferpfennigen aus den 1770er und 1780er Jahren, wo mehrfach Kauskupser vermünzt worden ist, auch festgestellt wurde, aber die Scheidekosten nicht lohnend erachtet worden sind Diese 1777er Gold-, Glücks- oder Hcckpfennigc nun haben die Eigenschaft, so versichert wenigstens der Volksmund, daß ihrem Inhaber das Geld nie ausgehe. (!) Sie wurden, noch viele alte Einwohner werden sich dieser Münzsorte erinnern, von alt und jung wert gehalten, gesammelt und damit seltener gemacht. Immerhin gelang eS beispielsweise einem alten Landwirt der Umgegend unserer Stadt, etliche hundert Stück dieser Glückspfennige zusammenzubringen, die später durch Zufall in den Besitz des Referenten gelangten. Anlaß zu diesen Zeilen gab ein Vorkommnis, das die Er innerung an diese Pfennige wachrief Gelegentlich einer kleinen Reise wurde an der Uhrkette eines frcmdsprechen« den Herrn ein kursächsischer in Gold gefaßter Kupfer pfennig vom Jahre 1777 bemerkt und auf Befragen von dessen Besitzer erzählt, daß seine Vorfahren bereit« vor 100 Jahren im Besitze von fünf Stück dergleichen amuletpfennigen gewesen, diese an ihre fünf Kinder bez in deren Familien al» GlückstaliSmen vererbt und von den Nachkommen bi« auf den heutigen Tag hcch- gehalten worden feien. Diese Talisman-Pfennige haben da« Gepräge der seit 1772 in Sachsen eingeführten ältesten Art von Kupferpfennige«, die unter der Regie rung de» letzten Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August III. durch die Münzmeister Ernst Dietrich Croll (1764 bis 1778) und dessen Sohn Johann Ernst Croll (1779 bi« 1804) in der Münzstätte zu Dresden her- träzt das vom Kurhute bedeckte ovale läng» geteilte Wappenschild Kursachens (rechts die Kurschwerter, links das Balkcnschild mit der Raute) innerhalb von zwei unten gekreuzten Palmcnzweigen Die Rückseite trägt innerhalb einer gebogten Dreiblattumrahmung die vier zeilige Schrift: 1/Pfennig/Jahrzahl /6. (d i der Anfangs buchstabe des MünzmelsterS). Man kennt dergleichen Pfennigmünzen aus der Zeit 1772 bis 1804 von 21 Jahren; in diesem Zeitraum sind für etwa 93000 Taler (- 279000 M) Kupferpfennige der ersten „schweren" Sorte ausgeprägt worden Diese Pfennige, die bis zum Jahre 1777 die einzigen Kupfermünzen in Kursachsen bildeten, da Heller erst seit 1778, Treier seit 1799 rc. geprägt wurden, haben Stückgewicht von ungleicher Größe, die zwischen 2,2 und 3,0 x und in Größe von 20 und 21 wm schwanken Die 1777er Goldpfennige sind darunter keineswegs die schwersten unter den be kannten 21 Jahrgängen dieser ersten Pfennigsorte, da die leichtesten nur 2,3, die schwersten 2,9 x wiegen Daß sie aber bereits kurz nach ihrer Herausgabe be sondere Liebhaber fanden, beweist nicht allein da« Be stehen traditioneller Überlieferungen, sondern auch die Verwendung dieser Kupserpsennigsorte al« Schmuckstück rc. ES sind uns dergleichen Münzen vorgekommen in wert vollen Einfassungen, gehenkelt, gröhrt, vergoldet, ver silbert, durchlocht, eingebogen, bestempelt und graviert mit alchemistischen, astronomischen bez. astrologischen Zeichen und Buchstaben rc. Fein erhaltene Exemplare dieser 1777er Pfennige werden heute hoch bezahlt, obschon der eigentliche Münzsammler nicht so hohen Wert auf diese Jahreszahl legt. Ausgezeichnet erhaltene älteste kur sächsische Kupfermünzen haben ebenso wie die ältesten preußischen Münzen allgemein einen verhältnismäßig hohen Sammelwert
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