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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22^ Sgr. sZ Thlt.) vierlchährUch, 3 Thaler für da-ganze Jahr, ohne Er- höhung / in allen Theilen der Preußischen Monaredie. für die Nan prlnumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition fMohrcn - Straße Nr. Z4l; in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl Post - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den 9. April 1832. Schweden. Amp. 0 rein Stockholm. Derselbe Französische Gelehrte, dessen geistreiche Bemerkungen aus einer Reift über Deutschland nach Skandinavien wir in Nr. 2 und 3 des Magazins mitgcthcilt haben, gicbl im neuesten Hefte der Revue de Paris den nachstehenden Bericht über seine Ankunft und seinen Aufenthalt in der Schwedischen Hauptstadt: Malar See- — Ankunst in Stockholm — Umgegend. — Schwedische Lite rarur. — Romantiker. — »vsala — Gener — Tegn-'r — Alterbom — Hiarta. — Die silberne Handschrift — Mine von DanemorN. — Nord licht. — Der König von Schweden. Ich ging aus dem Dampsbote von Upsala nach Stockholm ab; das Welter war mild, der Himmel umzo'gcn; cs war ein ruhiger, me lancholischer, zu dem trüben und stillen Charakter der Ufer des Mä- lar-Sces vollkommen stimmender Herbsttag. Niedrige, bewachsene, runde Felsen mit weichen Linien und monotone» Formen — ein ein samer Anblick: größtcntheils Tannen, die bis zum User hinabrrichen, aber auch Erlen, Eichen, Linden; hier und dort einige rotbc Hölzerne Hauser, ein modernes Schloß, das durch das Grün der Baume schimmert, — das ist Alles, was das Auge von Upsala bis nackSlock- holm erblickt. Bald zieht der See sich wie ein Fluh zusammen, bald erweitert er sich zu einem Bassin. Diese beiden Gestalten wechseln ebne weitere Veränderung mit einander ab, bis der See sich zum letztenmale erweitert; dann sicht man, aus cincui ziemlich langen Kanal herauskommcnd, den nach dem See zulicgenden Theil von Stockholm,- der sich allmaug in seiner Länge entfaltet, je weiter man in den Meerbusen dincmkommt, an welchem er liegt. Stock holm liegt nicht flach aus dem Wasser, wie Kopenhagen, »och am- philheatralisch, wie Neapel; seine Lage ist eigcuthümlich und es ist schwer, sich eine richtige Borstellung davon zu machen, ohne sic ge- schen zu baden. Die Stadl liegt aus Felsen von ungleicher Höhe zwischen dem Meere und dem MalarSce zerstreut. Mit Einbruch der Dunkelheit kam ich in Stockholm mit jenem Schwindel an, den man immer empfindet, wenn man zum ersten Male in eine größere Stadl cintritl. Dieser Eindruck wurde hier noch durch den Konlrast der stillen Einöde, durch die ich gekommen war, mit dem Lärmen einer Hauptstadt gesteigert. Abends verließ ick meinen sehr schlechten Gasthof und ginH aus; in Stockholni^ erwartet man keine Fremden, und nichts ist für sie vorbereitet, weil Stockholm Niemanden aus dem Wege liegt; man befinccl sich dort außerhalb der Europäischen Bewegung. Ein junger Diplomat, der sich dort langweilte, verlangte daher auch einmal einen Paß nach Europa. Ich ging in s Theater, wo man eine Schwedische Nachahmung einer Deutschen Nachahmung eines Pariser Vaudevilles gab. Zn ganz Deutschland fand ich die Bühnen mit unseren kleinen Stücken über füllt. Die Couplets von Seribe pflanzen sich wie ein Echo vom Boulevard Bonne-Nouvelle bis zum Fuße der Skandinavischen Alpen fort; übersetzt, erläutert und nach dem Geiste der verschiede nen Völker verändert, unterhalten sie Deutschland, Dänemark, Schweden und Rußland, wenn sie in Paris vom Publikum und vielleicht vom Verfasser selbst bereits vergessen sind; einem dieser Vaudevilles nachreisend, würde man durch ganz Europa kommen, und etwa achtzehn Monate nach der Abreise mii demselben nach Stockholm gelangen. Ich verließ da« Theater; die Temperatur war merkwürdig mild, obgleich cs der 2. September war, der Mond gerade voll, die Nacht wunderschön. Durch die Neuheit mcincr Umgebungen betäubt, noch aufgeregt durch die Musik und durch die Lichter des Theaters geblendet, wanderte ich ohne bestimmtes Ziel in der seltsamen Stadt umhcr-, ich ging »ach dem Meere zu und kam über eine lange, dicht über dem Wasser liegende Brücke, auf der ich öfter stehen blieb, um die unter den Fenstern des Palastes vor Anker liegende» Schiffe und den Palast selbst zu betrachten, der sich mit seiner viereckigen Masse über die mondbegläntte Stadt erhob; ich dachte daran, daß in die sem Palastc ein König wohne, der, wie ich, aus dem fernen Frank reich gekommen, und sann über sein Geschick nach, das noch wunder ¬ barer ist, als Alles, was mich umgäb. Nach einiger Zeit befand ich mich auf Felsen mit großen Eichen, und hinter den Felsen erblickte ich das Meer, das ihren Fuß bespülte. Wie durch einen Zauber gefesselt, setzte ich mich hier nieder, zu meiner Linken und Rechten palte ich chensalls Felsen Mit weißen Häusern aus ihrer Spitze, in der Ferne sah ich Vorgebirge, Meerbusen, Inseln, zu meinen Füßen breitete sich das stille glänzende Meer aus, welches kleine Barken unaufhörlich durchkreuzten, und auf dem die großen Schiffe zu schla fen schienen; hinter mir die Stadt mit ihren Lichtern, ihrem Wa- gengeraffel, ihren Volks-Gesängen, vor mir in der Tieft des reinen Himmels der Vollmond. Diese Luft, dieser Glanz, diese Bäume, an die ich lauge Nicht mehr gewöhnt war, entzückten mich; ich wun derte mich, in Stockholm an Italien erinnert zu werden; meine Ge fühle gränztcn an Trunkenheit und Bezauberung; wäre ich noch in - dieser Nacht abgcrcist, so wurde Stockholm die Erinnerung an eine wunderbare Erscheinung in mir zurückgclasse» habe». Am solgendcn Morgen reguelc cs, Stockholm war »och immer eine schr schöne Stadt, aber ich komile doch nicht begreife», daß cs dieselbe sep, und daß mein Spaziergang von gestern Abend kein Traum gewesen. Ich bestieg den Thurn, der St. Katharinen-Kirche, von wo man das seltsamste Panorama erblickt: Stockholm zwischen dem Meere und dem Mälar-Sce. Dieses Gemisch von Wasser, Felsen, Häusern und Wäldern bildet ei» Ganzes, das sich nicht beschreiben und schwer vergessen läßt. Leider besitzt Stockholm wenig bemcrkenswcrthe Denkmäler oder schöne Häuser und steht in dicscr'Bczichung unter Kopenhagen, das von ihm an malenfcher Lage bei weitem übertroffen wird. Das schönste Gebäude der Stadt ist der Königliche Palast im Florcntini- schcn Stil. Liese Italiämsche Architektur steht mit der Umgebung nicht ganz im Einklang, dennoch bringt der Palast durch seine Lage eine imposante Wirkung hervor; er erhebt sich über einer Fclscn- maffc und beherrscht die Stadt und das Meer. Die Nidar-Holm- Kirche ist die merkwürdigste wegen der Grüfte, die sic cinschließl, und unter denen sich auch die Gustav Adolphs und KarlsXII. befinde»; ick »«Ute schon nach Christinens Grab fragen, als ich mich erinnerte, es i» de» Gewölben von Sankt Peter zu Rom gesehen zu haben. Obgleich Stockholm nur Gl,MO Einwohner zählt, so hat es doch eine ungeheure Ausdehnung. Außer dem Raume, den nackte Felsen einnehmcn, die hier und dort über die Häuser hcrvorragen, und außer dem Wasser, welches verschiedene Tbcilc der Stadt trennt, -enthält diese auch Felber und Wiesen; die Straße der Kö nigin, die »ach cinem der äußersten Enden führt und eine halbe Stunde lang ist, führt durch eine förmliche Landschaft. Die Umge bungen Stockholms sind reizend und von eigenem Charakter, sie ha ben etwas Sanftes und doch zugleich Wildes, etwas Anmuthigcs und Einsames. Dies ist der Charakter des lieblichen Lustschlosses Haga und des Parkes, wo man, aus der Stadl heraustretend, ne ben schönen Landhäusern stille Plätze findet, an denen man sich von jeder menschlichen Wohnung entfernt glauben kann. In ein Tannen- vder Eichcngchölz vertieft und vop Granitfclsen umgeben, sieht man plötzlich ei» großes Schiff oder eine kleine Barke vorüberglcitcn und hinter dem Laube verschwinden; dann verschwindet wieder alles Le den, man kann sich für einen Augenblick tief nach Norwegen hin- eindcnken und sicht einige Schrille weiter dicht vor sich die Ge bäude einer Hauptstadt. Die Sillen Slockholms sind ganz Französisch; die Zranzomche Sprache ist allgemein bekannt uiid hier das, was die Deutsche Sprache in Kopenhagen ist. Gustav III. schrieb den Plan zu sei nen Opern Französisch, und seine vertraute Korrespondenz ist bald in seiner Muttersprache, bald in der Französischen geschrieben. Die letztere war unter ihm bereits schr in der Mode, natürlich hat diese Mode inner einem Könige von unserer Nation nicht abgenommen. Gustav III., dessen Ende so tragisch wär, stand völlig unter dem Einflüsse, den der Französische Geist im achtzehnten Jahrhunderte fast aus alle Länder und insbesondere auf die Höfe Europas ausübtc. Er gründete eine Akademie nach dem Muster der Französischen, und sein ganzer Wunsch war, daß die Literatur seines Landes eine Kopie der unsrigcn werde. Ruhmboll war cs für den Königliche» Literaten, daß er selbst zuerst den von ihm gestifteten akademische» Preis davonlrug und erst lange Zeit nachher als der Verfasser des gekrönten Werkes bekam« wurde. Aber weder die Produciioncn Gustavs, noch die der Schöngeister, die er in seine Akademie aus- nahm, konnten eine nationale Literatur bilden. In den füdlichen Ländern Europa'« stellte fick der Einfluß der Griechischen und Rö mischen Literatur leicht fest, deren Geist sich dort gewissermaßen fvrt- sctzte. Die christliche Religion formte sich nach dem Hcidcnthum und die moderne Literatur nach der antiken. Die dem Süden na türliche religiöse und poetische Form stand aber, nach dem Norden verpflanzt, mit den Gefühlen und Ideen der Völker im Wider spruch. Aus diesem Widerspruch entstand zuerst Unterjochung,