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Adorfer Grenzbote Amtsölalt für dm Stadtrat zu Adorf. Fernsprecher Nr. 14. Verantwortlicher Schriftleiter, Drucker und Verleger: Otto Meyer m Adorf. Tel.-Adr. Grenzbote. M 200. q-, LIS Sonrmbend. den 28. August W20. ' P-stiche6.«vnw Leipzig 873SS AatzrH. 85, Sonnabend, den 28. d. Mts, vorm. 8 — 12 Uhr Berkans von Kartoffeln, das Pfund 30 Pfennige. Bezugsschrine im Riedrlschrn Hause.. Kartoffeln in der alten Schule. Stadt. Lebensmitteramt. Stadt. Areibank. Heute Freitag rachm. 6 — ^/°8 Uhr Rindfleischverkauf. Haushaltungen: v — k 6 — */,7 Uhr 6 - V-? - ? » X - U 7 - V,8 „ Berkanfsvrcis: 4 Mark das Pfund. Adors, den 27. August 1920. Der Stadtrat. Könfirmanden-Unterricht. Am Sonntag, den 29. d. Mte., wird der Konfirmandenunterricht durch eme« besonderen Gottesdienst um ^11 Uhr in der Houptkirche eröffnet. Zum De! ch« sind alle Konfirmanden von Stadt und Land verpflichtet. Erwünscht ist die Teilnahme aller Erziehung-berechtigten. Am Mittwoch, den 1. September, versammeln ch sämtliche Konfirmanden um 2 Uhr in der GotUsacksrsirche. Adorf i. B., den 26. August 1920- Tänzer, Pfarrer. Die leAe Woche. Die Sorgen, welche die Reichsregierung ^"-en- Vach von ihrer Vorgängerin vor zwei Monaten .e- nommen hatte, sind seitdem nicht geringer geworoen, sondern mehren sich von Woche zu Woche. Der Reichs präsident Ebert hat die Bevölkerung aufgefordert, die uns von der Entente auferlegte Entwaffnung ohne Schwierigkeiten zu vollziehen, und wer dem Va:er* lande bittere Not ersparen will, wird sich nicht sllSu- Ven, dieser Ermahnung, zu entsprechen. Was für unsere Zukunft im Innern geschehen mutz, das kann nicht mit Waffen, sondern nur durch ein verständnisvolles An- passen an die Verhältnisse erreicht werden. Die letzten spartakistischcn Putsche im Rheinland und im Anhal tinischen, wenn sie auch sehr schnell unterdrückt worden sind, schaden uns in Deutschland und erwecken bei unseren Gegnern ein Hohngelächtcr der Schadenfreude. Wir haben allen Anlaß, zur Besserung zu gelangen, denn die Aufträge in der Industrie gehen weiter zu rück. Das Geschäft auf der Leipziger Messe war nicht so, wie es erwartet wurde^ Die Senkung der Preise der Lebensmittel ist noch nicht im nötigen und möglichen Matze eingetreten, dagegen meldet sich eine neue Steuer nach der anderen, deren Bezahlung die Kaufkraft weiter schwächt. Wie traurig es bei uns bestellt ist, zeigt die Tatsache, daß noch nicht einmal das erforderliche Brot- kor« trotz der guten neuen Ernte bcigeüracht wird. Die größte Schwierigkeit liegt heute in Oberschlc- sien. Kaum haben die Polen durch das Weichen der Russen in der Kampffront etwas Luft gewonnen, so gehe« sie daran, ihre Absichten aus Oberschlcsien in Taten umzusetzen. Sie wollen der Abstimmung für dies Gebiet zuvorlommen und es mit Gewalt in ihren Besitz bringen. Die deutsche Bevölkerung wird drang saliert, und da dort unsere Streitkräfte abgezogen sind, kann die deutsche Reichsrcgierung nur mit papicrucn Waffen, mit diplomatischen Noten kämpfen. Deren Er folg ist leider sehr schwach, denn die Polen beachten sie gar nicht, und die Franzosen stehen den Polen bei. Ihre sogenannten Bemühungen, in Oberschlesicn die Ordnung wreder hcrzustellen, sind leider mehr Komödie, als ernster Wille, und so erklärt es sich, datz die deutsche Bevölkerung letzt nn Frieden nicht weniger auSzustehen hat, als im Kriege. Dazu kommt, daß England in folge der letzten Erfolge der Polen gegen die Russen Otellunq nimmt, also den polnischen Vergewaltigungen deutschen Gebietes ebenfalls Vorschub leistet. Die eng lischen und französischen Arbeiter wollten einen Krieg gegen die Bolschewisten verhindern und Llohd Georgs hatte versprochen, sich ihren Forderungen zu fügen. Jetzt, wo die Polen unter französischer' Führung die Rüssen zurückgeschlagcn haben, bleibt auch diese Ar beiter-Intervention auf sich beruhen. Mehr noch, die Polen gehen auch daraus hinaus, ihre Hand auf Danzig zu legen, und es werden große Anstrengungen erforder- kch sein, sie daran zu verhindern, wenn es über haupt gelingt. , . _ Ebenso plötzlich wie lM JUlr 1918 an der Marne die Wendung im Waffenglück für Deutschland erfolgte, ist jetzt eine solche im Kriege zwischen Rußland und Polen eingetreten. Sic ist wie 1918 ans das Eingreifen einer großen Zahl von modernen Kriegsmaschinen zu- rückzuführen, denen die Russen nicht gewachsen waren. Sie sind deshalb aus dem früher deutschen, jetzt pol nischen Weichsclland wieder zurückgcgangcn und haben «ich den Angriff auf Warschau aufgcben müssen. Waren es früher die Russen, die die Verhandlungen über Waffenstillstand und Frieden sehr saumselig betriebe«, da sic des Sieges gewiß zu sein glaubten, so sind «s jetzt die Polen, 'die eS mit der Einstellung der Feindseligkeiten nicht eilig haben. Es mutz abgewartct »erden, ob sich der polnische Sieg zu einen, entscheiden- den gestalten oder ob eine abermalige Wendung zu Gunsten der Russen eintrcten wird. Für uns bleibt es, vas sei wiederholt, bedauernswert, datz wir matt gesetzt «r»d außerstande sind, unsere berechtigten Interessen E "E?' Kraft wahrzunchmen. Tie jetzigen Ereig- LUe lagen uns erkennen, was wir in Lukunkt as «üMnien zu erwarten Haven, wenn die Polen das Hefi in der Hand behalten. Einen Freundschaftsdienst haben wir von niemandem zu erwarten. Die Konferenz in Luzern zwischen Llohd George und dem italienischen Ministerpräsidenten Giolitti hat mit einer Verständi- ; gung zwischen beiden geendet, das heißt, Italien hat wieder einmal einen Extranutzen herausgeschlagen. Die Franzosen machen deshalb ein mißtrauisches Ge sicht, aber was.haben wir davon? Aus unserer Haut schneiden alle iHr Stiefelleder. > Aus Moskau heißt es, datz der frühere türkische Kriegsminister Enver Pascha, der im Weltkriege ent- ' schieden auf unserer Seite stand und seit dem Herbst 1918 spurlos verschwunden war, dort aufgetaucht ist und im Verein mit den Russen den Widerstand des Islam gegen England von Asien aus in die Wege leiten will. Er ist ein zäher und energischer Mann, der der Londoner Regierung noch große Schwierig keiten bereiten kann, aber England als Herrn von Asien aus dem Sattel zu heben, wird auch ihm nicht ' wehr gelingen. Was 1918 versäumt worden ist, das ! kst nicht wieder gut zu machen. Von einer Anbahnung von Verhandlungen mit den Bereinigten Staaten von Nordamerika zur Wieder herstellung eines offiziellen Friedensstandes ist noch i immer nichts zu merken, und doch ist dies dringend wünschenswert. Schon um des Standes unserer Valuta willen. 100 Mar? galten nach dem Kursstände vom - Beginn dieser Woche zwei ganze Dollar. Das ist der zwölfte Teil des Friedensstandes von 1914. Und das .erleben wir jetzt, wo wir an die große Zeit von Sedan i vor fünfzig Jahren zurückdenken. Daß wir in einem halben Jahrhundert so sinken konnten, das will uns heute noch immer unfaßbar erscheinen. Helft Oberschleflen! Mine twette deutsche Note. Dre deutsche Regierung hat nach dem Mißerfolg der i ersten, eine zweite, schärfere Note der Pariser Friedens konferenz überreichen lassen, in der es heißt: Tie Lage im oberschlesischen Abstimmungsgebiet hat sich seit dem 21. August in bedrohlicher Weise verschlimmert. Von 17 Kreisen, die unter inter alliierter Verwaltung stehen, sind 7, darunter der ge- ! samte Jndustriebezirk, von bewaffneten Aufrührern ' heimgesucht, die an vielen Stellen die tatsächliche Gewalt an sich gerissen haben. Durch die Unruhen ist in der Kohlenförderung, auf die Deutschland zur z Erfüllung der in Spaa übernommene« Verpflichtungen anerkanntermaßen angewiesen ist, eine bedenkliche Stockung eingetreten. Damit wächst die Gefahr eines ! Stillstandes der Industrie und vermehrter Arbeitslosig- ! keit. Gewalttaten gegen die deutsche Bevölkerung sind i an der Tagesordnung. Es wird gemeldet, daß sich alliierte Truppen mit den Jnsurgeuten verbrüdert haben. Die Sicherheitspolizei, die im Dienste der Interalliierten Kommission Blut und Leben gegen j besser bewaffnete Aufrührer einjetzcn mutzte, ist trotz ihrer Hilferufe stellenweise ohn - Unterstützung ge- j lassen worden. Der Zustand, in dem sich heute das Land befindet, widerspricht dem Vertrage von Versailles, nach dessen Bestimmungen die Interalliierte Kommis sion die Pflicht hat, das Land zu schützen, die Ordnung ; aufrechtzuerhalten und die Bewohner vor Schaden an ! Leben und Eigentum zu bewahren. Wiederholt hat die Deutsche Regierung die Auf merksamkeit der Juteralliierten Kommission und der Verbündeten Hauptmächte auf die Vcwasfnung der pol nischen Vereine gelenkt. Sie hat durch authentische Dokumente den Nachweis erbracht, daß von polnischer Seite, o ffcnbar um die Abstimmungzuvereiteln, eine gewaltsame Erhebung vorbereitet wurde. I Sie bedauert, feststen«« zu müssen, daß Ihre War- j nun gen unbeachtet bliebe« «nd so die augenblick lichen Zustände ernrÜLÄcht wurda». Tie Erregung der Bevölkerung, die sich dem Terror einer bewaffneten Minderheit preis- gegeben sieht, wächst und kann zu Folgen von unab sehbarer Tragweite führen. Die Möglichkeiten; zur Einwirkung sind für die Deutsche Regierung ge-, ring, da ihr der unmittelbare Verkehr mit dem Ab-' stimmungsgebiet versagt ist. Von den ihr gebliebenes beschränkten Möglichkeiten macht sie Gebrauch, um ein-j dringlich zur Ruhe und Besonnenheit zu mahnen. Ihre; Mahnungen werden aber aus die Dauer nur dann Er-' folg haben, wenn in der Bevölkerung das Vertrauet auf Recht und Gerechtigkeit wiedsrhergestci ki wird. ! Dazu ist erforderlich, daß Lie einheimischen Insurgenten vollständig entwaffnet und die über die Grenze eingedrungenen Unruhestistev> des Landes verwiesen werden, die Sicherheitspolizei wie-' der in ihre Rechte eingesetzt und die Verwaltung dcr^ insurgicrte« Kreise und Orte den gesetzgebenden Bchörü den zurüügegeben wird. Rasches Zugreifen ist nötig! Wirksame Maßnahmen gegen eine Wieder holung der sich jetzt abs.p.ielenden Ereignisse sind un erläßlich. Tie Zustände l« Odecfchlcjic» haben sich rflcht im geringsten gebessert. In den großes Städten herrscht Ruhe, außer in Mhslowitz ist es in kei ner größeren Stadt den Polen gelungen, die Gewalt an sich zu reißen. Tie „Säuberungsaktion" der inter«- alliiertcn Truppen schreitet fort, doch ein Erfolg ist nicht zu sehen. , Auf dem Lande Hausen noch immer die polnischen Räuberbanden in übelstem Terror. In de« Städten und aus den Bahnen hat das interalliierte Mi litär indeß Ordnung geschaffen, sodaß man jetzt auf einer Bahnfahrt seines Lebens wieder einigermaßen sicher ist. In den polnisch besetzten Orten sind die Zustands immer noch geradezu toll, die Leiden der Deut schen grauenhaft, Ermordungen, Verhaftungen, Brandschatzungen sind an der Tagesordnung. Zu Tau senden bedecken die deutschen Flüchtlinge die Land straßen, die nach Mittel- und Niederschlesien führen. Um verschiedene Orts wird immer noch gekämpft. Tis Franzosen sehen dem Treiben der Polen immer noch untätig zu, ja es hat sich sogar ein überaus freundschafl- liches Verhältnis zwischen Franzosen und Polen her- ausgebildet. Nur iu den Städten, wo auch die andere^ Alliierten vertreten sind, besinnen sie sich auf ihrs Pflicht, weil sie müssen. So hat jetzt General Le Rondt eine in höflicher Form gehaltene Note nach Warschau j gerichtet, in der er Beschwerde führt, daß sich unter de« polnischen Insurgenten auch uniformierte reguläre pol nische Soldaten und Offiziere befunden hätten. Aber das ist auch fast alles. In Kattowitz hat das Kriegsgericht bereits zu „wirken" begonnen. Unterdessen zeigen sich jenseits der Grenze größere polnische Truppe nansammlungen, bet Czen« stochau ist sogar Artillerie zusammengezogen. Die Deut schen befürchten von dieser Seite — nicht ohne Grund — das schlimmste. Die Auflösung der Sicherheitspolizei, eine der wichtigsten Bedingungeuder,nebenbei noch nicht erfolgten, Einigung, wird dagegen bereits kräftig vorgenommen. Die „Grünen" haben sich den Polacken gegenüber als zu tüchtig erwiesen, darum müssen sie fort. Ersatz dafür ist noch nicht da, trotzdem sind all« nicht in Oberschlesien geborenen Beamten bereits au» den großen Städten abtransportiert worden. Der polnische General st reik ist am Zusam menbrechen. Ob die Deutschen den angekündigten Gv» neralstreik proklamieren werden, ist noch nicht klar. Das Ultimatum der deutschen Organisationen ist mH Donnerstag nachmittag abgelaufen. Die Franzosen ha ben aber den Vertretern der Deutschen soviel Honi- «m den Bart geschmiert, daß diese schon wieder dem ,H«ten Willen" der Franzosen zu glauben begänne« «nd eine weitere kurze Frist gaben. >