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^ dlio- Nummer 297 — 29. Jahrgang Erscheint 8 mal wöchll. mit tllustr. Tratisbetkagen.Heimat un« Well' und der Kinderbeilage .Frohmul'. sowie den Lextbeilagen »St. Bemw-Biati'. .Unterbaitung und Wissen'. .Die Welt der Frau', .«erjülcher Raigebcr'. .Da» gute Buch'. .Fiimruud» schau'. Monatltcher Be/cugSpretS 3 einschl. Bestellgeld. Linzeinummer 10 g, Sonnabend- ». Eonniagnummer LO Laubtschrtstieiiei! Dr. B. De»c,t,k, Dresden. Mittwoch, -en 24. Dezember 1939 Verla,«ort, Lrr-de» Sluzetgenpreisr: Die Igesvaltene pelttzeile SO g FamitieiO anzeigen u.SIcllengesuche SO Die petitreNamczeile. b» mm breit. I ^c. Für »njeigen autzerhalb de» BerbrettungSgebiete, «o ^.die petür-ti-mezeiie l.SO-r. Briesgeb.»i»4. Im Fall, höherer Bemalt erlischt sede Berpflichlung aus Lieferung sowt« Erfüllung d. Anzeigen - Austrllgen u. Leistung v. Schadenersatz. Seschüstlicher Leit: Araa» Buagar», Dresden. Otesch>tst»s»«Ne, DruN ».Verlag > Mermania Sl.-ch. sür Verlag und Druikerei, Filiale Die»den. Drr»den-!ll.>. Polterslrakie N. FeniruiLWIS. Voslicherktoiuo Dresden ?7ll3. Bankkonto Stadtbaak Dre»drn Nr Für christliche Politik un» Kultur Die Genfer Iarmarlagung Deutschland verzichtet aus da« Präsidium, um seine Sache besser führen zu können Ein richtiger Enlschlutz Berlin, 23. Dezember. Während die Vossischo Zeitung heute früh das Programm »er Genfer V ö l k e rb u n d s v c rh a nd l u n g e n noch unter der grosse» tleberschrisr „Ratstaaung unter Curtius Vor sitz" behandelt, berichtet ein anderes Moigenblalt. daß der Reichr-außenininisier dem Rat diesmal nicht präsidiere,, wird. Wir glauben zu wissen, das; diese letzte Darstellung richtig ist Tnrnusinotzig stehl der Vorsitz uns zwar im Januar zu: in der Wilhelinstrahe hat man sich aber die Frage vorgelegt, ob er- opvorinn sei. das; der Reichsaußeiiiuiuisler den Vorsitz wirk lich ausiibl, während wir gleichzeitig in einer Reihe von wich tigen Punkten der Tagesordnung, vor allein wegen der deut schen Unterdrückung in Polen, in einer scharfen Kampsstelluug stehen. Ist der Vorsitz schon rein arbeitsmäßig eine starke Be lastung. die die Vertretung der deutschen Interessen bccinträch ügl. so würde die traditionelle Ausgabe des Vorsitzenden, aus- zvglcichen und Kompromisse vorzuberciten und zu empfehlen, den deutschen Außenminister auch in seiner Ellbogenfreiheit als Partei zweifellos erheblich hemmen. Auch Dr. Stresemanu Hai diesen Nachteil des Vorsitzes äußerst unangenehm empfunden, als er seinerzeit die Frage des Bahnschntzcs tin Saargebiet dnrchznkämpfen hotte. Es ist deshalb damit zu rechnen, daß wir für diesmal ans i^en Vorsitz verzichten. Für die nächste Tagung steht er England *2u. Es ist wahrscheinlich, daß das Auswärtige Amt in London ^Vorschlägen wird, mit uns zu tauschen. Das würde also bc-deu- <«*en, daß Dr. Curtius dem Rat ganz iu der Maitagung präsidie re» würde. Einen solchen Tausch hat es in der Praxis des Völ kerbundes schon gegeben; man kann also damit rechnen, daß England sich dem deutschen Vorschlag nicht entziehe» wird. Unverdächtige Zeugen Ein französisches Urteil über die Zustände in Polen. Paris, 23. Dezember. Der Sonderkorrespandeut des „Petit Parisic»", der sich iu Polen befindet, sendet seinem Blatte heute einen Artikel, der sich insbesondere mit der Stellung der Franzosen in Polen beschäftigt. Der Korrespondent stellt fest, daß auch die Franzose» in Polen mit einem gewissen Mißtrauen ausgenom men und behandelt würden. Die gemeinsame geschichtliche Er innerung mache i» Polen bei Napoleon hall. Auch die Fran zosen. die sich in Polen wirtschaftlich oder industriell betätige», würden oft durch politische Gründe, die seit einigen Jahren gegen Frankreich geltend gemacht würden, in ihrer Tätigkeit behindert. Die Ergebnisse, die die in Polen tätigen Franzosen angesichts der finanzielle» und politischen Gefahren, denen sie sich aussetzten, erreichen könnten, stünden nach Ansicht der Be-, treffenden in keinem Verhältnis zu ihren Bemühungen und den eingesetzten Kapitalien. Die Tätigkeit dieser Franzasen in Polen werde nicht iinmer gebührend geschätzt: es bestehe bei ihnen der Eindruck, nicht die Unterstützung bei den Behörden zu finden, auf die sie zu rechnen berechtigt wären. Oft gehe man über ihre Interessen und Rechte hinweg Dieser Bericht bedarf wobt keines Kominentnrs. Unver dächtigere Zeugen für die in Polen herrschenden unerträglichen Zustände als die Franzose» kann es wohl kaum geben... Der Leipziger Vergleich Thüringen hat sich zur Einhaltung der Reichsrichtlinien für die Polizei verpflichtet Ein Sieg -er Vernunft Leipzig, 23. Dezember Ter Vergleich, der ln der Streitsache Reich—Thüringen gestern auf Varschlag des Reichsgerichtspräsideuien Vnmke ab geschlossen worden ist, hat folgenden Wortlaut: „Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Fragen, ob und inwieweit die NSDAP, umstürzlerische oder sonst strafbare Ziele verfolgt, im ^Rabinen des gegenwärtigen Verfahrens nicht ausgetragen wer- kann und soll Der Standpunkt, den jede Parlei zu dieser DlWragc cinniinmt, wird durch den Vergleich und die in ihn, ab gegebenen Erklärungen in keiner Weise berührt. Die Parteien gehen davon aus, daß diese grundsätzliche Frage erst in einem anderen vor dem Reichsgericht schwebenden Verfahren einer Klärung zugeführt werden wird. Die Sperre der Polizei- zu schlisse wird aufgehoben, die bisher einbehaltenen Beträge werden nachbezahlt. Das Land Thüringen nimmt sei nen Antrag var dem Slaalsgcrichtshof zurück. Das Land Thüringen erkennt wiederholt die Verpflichtung an, dafür Sorge zu tragen, daß der unpolitische Charakter der Schutzpolizei als Ganzes, wie auch das unpolitisch« Verhallen des einzelnen Beamten im Dienste undedingt gewährleistet wird. Demgemäß wird die thüringische Regierung bei der Ein stellung, Beförderung und Versetzung von Polizeidenmien nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten, sondern nur nach dem Gesichtspunkt der Eignung und des dienstlichen Interesses ver fahren. Die Parteien sind einig, daß hiermit eine grundsätzliche Ablehnung der Einstellung von Sozialdcmokralen ebenso unver einbar ist wie eine Weitergabe von Vewrrberlisten an eine Parteiorganisation zwecks Feststellung der Parteizugehörigkeit. Die Gewähr sür die Einhaltung dieser Verpflichtungen über nimmt das thüringische Staatsministerium in seiner Gesamt heit. Der Frage, ob die Grundsätze und Vereinbarungen, ans Grund deren die Polizeikosieiizusckliise an die Länder gezablt werden, eine rechtliche ZahlnngspsUchl oder nur eine politische Bindung des Reiches begründen, wird durch diesen Vergleich nicht vorgegrissen." Zweck der Sperrung der Polizeikosien Zuschüsse war. das Land Thüringen zur Befolgung der zwischen dein Reich und den Ländern vereinbarten Richtlinien über die Gestaltung der Schutzpolizei onzuhallen. Wie aus dem Wortlaut des Vergleichs hervorgeht, hat nunniehr die thüringische Gesamtregierung, also auch der Minister Frick, die Haftung dafür übernommen, dos; diese Richtlinien künftig eingehalten werden. Mit der Ueber- nahme dieser Garantie sind die Voraussetzungen sür die Sperre fortgefallcn. D e r N e i ch s i n n e n m i n i st e r hat also nur folgerichtig gehandelt, wenn er der Aufhebung der Sperre zugestimmt hat. Die Presse der Opposition, die schon lange einen Erfolg braucht, such! diesen Entschluß des Ncichsinnenministers zu einem großen Erfolge der thüringische» Rechtsregierung umzu- deuien. In diesem Bestreben findet sie merkwürdigerweise die Unterstützung der ultra-republikanischen Blatter der Reichs- Hauptstadt. die wie das „Berliner Tageblatt" von einer „zwei ten Niederlage der Republik" <die erste soll das Verbot des Re marque-Films gewesen seinl spreä^n. Schon diese widernatür liche Idecngemeinschaft zwischen Berliner Demokratenvresse und nationaler Provinzpresse beweist, daß ans beiden Seiten der Wunsch der Pater des Gedankens gewesen ist. Tatsächlich ist sowohl das 'Verbot des Rcmargue-Filins wie der Leipziger Vergleich zwischen Reich und Thüringen nicht als „Niederlage der Republik", sondern als S i e g d e r V e r n » n f t zu kenn zeichnen Selbstverständlich kommt nun alles daraus an. daß das thüringische Kabinett die in so feierlicher Weise übernommenen Verpflichtungen auch.tatsächlich einhält. Wenn allein Herr Irick. dessen Parteigenosse Slraßer den Eidbruch sür ein zulässiges politisches Mittel erklärt hat. Garant dieser Vereinbarung wäre, dann allerdings inüßie man den Leipziger Vergleich als einen „faulen Frieden" bezeichne!,. Wir möchten aber n chi glauben, daß die anderen Parteien, die i» der Thüringer Koalition sitzen, sich solche machiaoelliskische Grundsätze ebenfalls zu eigen machen werden Die Blatter, die Keule de» Leipziger Vergleich als einen Sieg der >hüri»giicbe» Landesregierung über Sen Reuhsinnen minister seiern. leisten damit der Sache des Reichs der natio imle wie demokraliiche Blätter zuerst in gleicher Werse dienen zu wollen behaupten — einen schlechten Dienst Es liegt nicht im Interesse des Reiches, daß Reichscegierung und Landes regierungen sich vor dein Staalsgerichtshos herumstreiten. Im Interesse des Reichs liegt es vielmehr. Saß beide zusa 1» m e 1, arbeiten in »leier Notzeit zum Wahle des deutschen Volkes. Aufgaben (Von unserer Berliner Sch r i f t k e k t u n g.) Staat, Kirche und freiwillige Wohlfahrtspflege muhen sich nach Kräften, die schwere Not. die heute weite Kreise unseres Volkes bedrückt, nach Kräften zu lindern. An diesem edlen Werk — das in Sachsen seinen äußeren Ausdruck in der „Sächsischen Nothilfe" findet — mitzu- wirken, ist im vornehmsten Sinne staatserhaltende Arbeit. Die leibliche und geistige Not hat noch immer politische Not zur Folge gehabt. Denn es gibt in solchen Zeiten immer politische Geschäftemacher, die die Not des Bottes ausbeuten und in höchst egoistischer Weise daraus ausgehen, überall Unruhe zu stiften oder diese auszu schlachten, wo sie vorhanden ist. In einer solchen Gefahr befinden wir uns jetzt. Noch deutlicher als parlamentarische Unzulänglichkeit und der von den Radikalen mit boshafter Absicht entfachte Reichstagslärm hat uns derRemarque> Rummel gezeigt, wo wir stehen: Nämlich inmitten einer politischen Erhitzung, aus der wir schleunigst wieder heraus müssen. Man hat sich auf beiden Seiten in einer Weis« aufgeregt, die weit über das sachliche Streitobjekt hinaus gegangen ist und die uns den Abgrund der Gegensätze zeigt, an dem wir dauernd einhertaumeln. Krieg — Friede. Republik — Monarchie, Freiheit — Diktatur: Alle diese Begriffe haben sich in der Remarque-Debatte überpurzelt. Es ging wieder einmal in grober Uebertreibung um Sein oder Nichtsein. Und daß dieser Film überhaupt zum Anlaß einer solchen Auseinandersetzung werden konnte, illustriert uns den Grad der inneren Spannung, in die wir nach dem 14. September hineingeraten sind. Es ist in Deutsch land wieder einmal eine Zeit angebrochen, wo man nicht mehr anständig und sachlich debattieren will, wo man nicht mehr mit geistigen Waffen kämpft, sondern wo man aus die Straße geht, Skandal zu schlagen sucht und damit politische Geschäfte zu machen sich bemüht. Das haben wir nach 1918 schon oft erlebt. Aber diese Erscheinungen kamen damals entweder nur von einer Seite her oder sie waren allein der Ausdruck einer politischen Unzufriedenl-eit. Jetzt kommen sie von rechts und links und fallen mit einer wirtschaftlichen Depression zusammen, die immer der gefähr. lichste Feind einer ruhige» Entwicklung ist und die uns mahnt, di«se und ähnliche Vorgänge mit aufmerksame» Augen anzusehen. Es besteht die Gefahr, daß wir uns in eine Psychos« hineinleben. Nichts aber könnte törichter und verkehrter sein, als wenn man diese Gefahr unbeachtet laßt, zumal der Radikalismus immer wieder dafür sorgt, daß dir Menschen irgendwie in Atem gehalten werden und daß di< wirtschaftliche Not ein p o l i t i s ch e s V e n t i l erhält, da natürlich nur den „Heilslehren" des Radikalismus ent sprechen kann. Deshalb muß die ganze Politil darauf eingestellt sein, den Radikalismus wieder zu beseitigen oder ihn wenigstens in seine Schranken zurückzuweisen. Die erst« Notwendigkeit ist die, daß wir eine feste, enl> schlossene Regierung haben und daß ne einen ganz eindeutigen und klaren Kurs steuert, der gar keinen Zweifel aufkommen läßt, daß Ordnung und Ruhe in Deutschland gegen alle Elemente der Störung gesichert sind und daß niemand am Staate rütteln darf. Der Reichs tag hat sich bis zum 3. Februar vertagt. Die Vernünftigen werden sagen: Zu seinem und zu unserem Glück. Denn in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung ist das Paria, ment das größte Hindernis für die Führung einer ruhigen, sachlichen und stetigen Politik. Wenn die Opposition, die unter normalen Verhältnissen und — was entscheidend ist — bei einer staatsklugen Einstellung eine durchaus not- wendige Funktion erfüllt, ihre Aufgabe in nichts anderem steht, als darin, das System zu diskreditieren, auf Grund dessen sie überhaupt erst lebt, dann muß ihr diese Waffe aus der Hand aslcblaaen werden. Es kann doch keine Re gierung geben, die sich dafür einsetzt, daß den Gegnern des Staates die Tribüne einfach deshalb freigegeben wird, damit von ihr aus die Pfeiler der Staatsordnung und Staatsautorität unter der Begleitmusik höhnischen Ge« lächters täglich erschüttert werden können. Wenn heute di« Opposition die Vertagung des Reichstages angreist, so ist das paradox. Denn man klammert sich nur an das Paria« ment, um den Parlamentarismus zu beseitigen. Man muß aber auch der Regierung Brüning nach ihren schweren parlamentarischen Kämpfen die Ruhe geben, die sie braucht, um ihr« bisherigen Maßnahmen weiter auszudauen und die bereits getroffenen Maßnahmen sich auswirken zu lasten. Wir denken jetzt nicht nur an die Innenpolitik. Im Anfang des neuen Jahres wird trotz der internationalen Stagnation die Außenpolitik wieder stärker im Vordergründe stehen. Die Genfer Tagung will dies mal mir ganz besonderer Sorgfalt vorbereitet sein; denn der deutschen Regierung fällt die Ausgabe zu. in Genf endlich in der Frage der deutschen Minderheiten in Polen unter Hinweis auf die furchtbare» Greuel in Oitoberichlesien.