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Wöchentlich erscheinen drei Runimern. Pranum«rati«n<- Prei« 22j Sar. (j Tble.) vierreliädrlich, 3 Thlr. für da- gan>e Jahr, ohne Er höhung, in alten Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man prännmcrirl auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Rr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« hei den Wohllöbl. P°ft--Aem«ern. Literatur des Auslandes. 22. Berlin, Freitag den 18. Februar 1841. Frankreich. Das Fouriersche Social-System. ES ist Zeit, daß man sich mit dem Fourierschcn System mehr beschäftigt, als bisher geschehen, da es Fragen und Ideen vom höchsten Interesse anregt. ES sind aus dieser Schule Schriften her- vorgegangen voller Geist und Originalität, und Keiner, der sich für die von ihr angeregten Fragen interesssrt, kann sie länger ignoriren oder vornehm übersehen. Dein Jrrthum versperrt man nicht den Weg, wenn man sich Ohren und Augen dagegen verschließt. Sollte man nicht auch aus dem Umstand, daß eine Doktrin sich verbreitet, daß sie gute Köpfe verführt hat, schließen können, daß sic neben vieler Spreu auch manches edle Weizenkorn, neben vielen Jrrthümern auch manche neue Wahrheit, manche brauchbare Idee enthält, daß, mit einem Wort, auch sie ihren Tribut zu dem großen Civilisations- tverk darbringt, an dem die Geister fort und fort arbeitens Allerdings hat sich Fourier's Schule sehr feindselig gegen das Publikum benommen. Aergerlich über die Nichtbeachtung, die man ihr zeigte, trat sie mit zu viel Geräusch und Prätension auf, indem sie dem ungläubigen Mißtrauen der Einen eine fanatische lieber- zeugung, dem Spott der Anderen tausendmal ditterern Spott und der Gleichgültigkeit der Mehrzahl Beleivigungcn und Drohungen «ntgegenstcute. Daher die mitunter etwas brutalen Ausfälle, die sich ihre talentvollsten Schriftsteller, wie besonders Victor Considö- rant, gegen die Civilisation, gegen die politische Oekonomic und gegen Alles, was bisher für ^Philosophie, Politik oder Social- Wissenschaft gegolten, erlaubt, Ausfälle, die sich übrigens aus der eigenthümlichen Stellung der neuen Schule, wo nicht rechtfertigen, doch erklären lassen. Die Fouriersche Schule will nicht einzelne Leiden der Menschheit heilen; sic verwirft vielmehr alle« Bestehende. Ihr Social-Prinzip, das demjenigen, welches der gegenwärtigen Ordnung der Dinge zu Grunde liegt, gerade entgegengesetzt ist, läßt sich nicht stückweise in dieselbe cinschmuggeln oder an irgend etwas dieser Angehöriges an- knüpsen. Dieses Prinzip braucht vor Allem ein Medium, in welchem «S leben kann, und dieses M»oium ist ein Phalansterc und eine Phalange, das heißt eine lokale, aber vollständige Realisation des Systems. Die Doktrin muß auf dem Boden der Civilisation einen leeren Raum haben, auf welchem sie ihr Ei fertig niederlegeu und unter der Wärme ihres Prinzips aufgehen lassen kann, fern von der Berührung der feindlichen Elemente, in deren Mitte wir leben. DiS dieses Vacuum und dieses Medium sich gefunden haben, muß die Doktrin in der Luft leben, über der civilisirten Erve schwebend, den armen Menschenkindern in der Ferne ihr Ei zeigend und sich be mühend, ihren Appetit danach zu erregen. Mit einem Wort, für den Augenblick spaziert die Societar-Schule im Ballon über unseren Häuptern. Diese luftige Stellung hat zwar ihre Nachthcile, aber auch ihre Bortheile. Erstens giebt sie eine sehr genaue Ansicht von den Formen des Bodens und den Dingen, die darauf sind. Aus der Ferne und aus der Höhe läßt sich Vieles besser erkennen, als in allzu großer Nähe. Daher ist auch Vic Kritik unserer Civilisation das merk würdigste Resultat der Arbeiten dieser Schule. Man findet in den Schriften der Chefs und besonders Fourier's thcilwcisc Analysen unseres Gesellschafts-ZustandeS, deren Tiefe und Kühnheit in Er staunen setzt. Ein zweiter Vortheil, der den Fourieristen aus ihrer isollrtcn Stellung erwächst, ist der, daß sie jeden von der Erfahrung hergenommenen Einwand leicht zurückweisen können; denn die Er fahrung konnte nur in dem civilisirten Medium erworben werden, und auS tpr E» kann man auf nichts schließen, was in dem har monischen Medunn vorgehen wird. Sie haben cS eben so frei, die schönen Wirkungen ihres Systems auSzumalen, als die Theologen die Freuden des Paradieses. Wer kann ihnen beweisen, daß sie sich irren? Das Ganze steckt im Keim in einem Ei, das sic sich wohl hüten werden zu zerbrechen und das wir ihnen nicht auszubrüten erlauben. So hat die Schule ihre Dichter in Prosa, und wenn sic keine Verse machen, so kommt dies vielleicht daher, daß ihr Neologis mus sich dazu nicht eignet, oder daß sie die Versification der Civili sirten verachten. Andererseits ist diese Jsolirung dcr Fourieristen sehr begreiflich Quelle Erbitterung und des Verdrusses. Ein Ei zu haben, welches das Glück dcr Menschheit birgt, und cS nirgends niederlegeu »» können! I« einem Ballon gefangen sitzen zu müssen, weil man nirgends ein Erdwinkelchep bemerkt, wo man sich nicdcrlaffcn kann. Welche Lage! Gewiß, die Versuchung muß stark seyn, auf diese insolenten hcrabzubonnern, die sich i» ihrcn Hütten und Palästen breit machen und sich um den Socictar-Lallon eben so viel kümmern, als ob er nichts enthielte. Ehe wir nun zu dcr Darstellung des Systems selbst übcrgehcn, nennen wir noch die vorzüglichsten Werke, aus denen wir dieselbe schöpfen: I) Einleitung zum Studium dcr Social - Wissenschaft (ImruNuction ä I'öxuüv No In «nenco xnoiul«), von l)r. Paget; 2) Courier ex .->on «v^xeme, von Madame Gatti de Gamond; 3) LruNen nur la ^cioiic« .-iveiale, von Z. Lcchcvalier, das Resume der von dem Verfasser, einem ehemaligen St. Simonisten, gehaltenen öffentlichen Vorlesungen vor einem großrnthcils aus Simönistcn be stehenden Auditorium; man findet darin eine Parallele beivcr Systeme. 4) öo^xinoe «ooialo, von Victor Consivörant. Die menschlichen Gesetze haben bisher die gesellschaftliche Ord nung auf den Zwang gegründet; durch Unterdrückung unserer Leiden schaften haben sie unS den GcsellschaftS-Zustand möglich gemacht. Daher der Kampf der Interessen, das Elend mit allen seinen Folgen, die Cvrruption der Reichen, die brutalen Leidenschaften der Armen, die Unsicherheit in allen Verfassungen, die Mangelhaftigkeit aller politischen Verhältnisse; kurz, das verworrene System, das wir Ci vilisation nennen. Nun konnte uns der Schöpfer keine Leidenschaften geben, die nicht unserer gesellschaftlichen Bestimmuntz entsprächen. Indem er uns dazu schuf, in Gesellschaft zu leben, mußte er Alles in uns diesem Zweck gemäß einrichten; er konnte nur Triebe in unS legen, welche die Erreichung dieses Zwecks beförderten. Wenn aber unsere Leidenschaften unserer gesellschaftlichen Bestimmung entsprechen, so ist die Erfüllung dieser letzteren der freien Entwickelung dcr crstercn nothwcndig untergeordnet, und die Grundform dcr Gesell schaft muß diese Entwickelung gestatten, d. h. diese Form muß den Forderungen und Tendenzen unserer Leidenschaften gemäß eingerichtet lcyn. Um also diese Form zu finden, muß man eine vollständige Analyse unserer Leidenschaften geben, d. h. jener ursprünglichen, an geborenen Triebe, deren verschiedene Combinationen die menschlichen Jndividuali.ätcn charakterisircu und deren Gesammthcit von Fourier mit dem Namen axxrnexiun paxsionmstl« bezeichnet wird. Fourier thcilt die axxruoxinn pa-iiäuimollo in zwölf Ur- oder Elementar-Leidenschaften, die in drei verschiedene Klaffen zerfalle». Die erste ist die der physischen oder rein sinnlichen Leidenschaften; sie umfaßt fünf den fünf Sinnen entsprechende Triebe, und das Ziel dieser Klaffe ist das Wohlleben, d. h. daS Glück, insofern cS aus der Befriedigung unserer Begierden hervorgcht. Die zweite Klaffe um faßt die affektiven Leidenschaften, die unS antrcibcn, die Gesellschaft von unseres Gleichen zu suchen, unS ihnen, sep cs zur Arbeit oder zum Genuß, anzuschlicßcn. Dieser affektiven Triebe giebt es vier: Freundschaft, Liebe, Ehrgeiz und Familienliebc (ünoitiEe). Ihr ge meinschaftliches Ziel ist die Bildung der Gruppe, d. h. der Elementar Association, auf welcher das ganze Gebäude vcr allgemeinen Associa tion bcruht. Der kombinirtc Mechanismus der Gruppen endlich, der diese allgemeine Association bilden soll, ist das Resultat des Spiels dreier Leidenschaften, die Fourier pa^im,-. ü^xribuxivex vu »»cani- xantc.-. genannt hat und welche die dritte Klasse dcr alkiacxiou pii.^iun- ncllo bilden. Diese distributiven Leidenschaften hat Fourier inipil- >»nne, cabuli^te und cöittpo^ite genannt. Die papillnims ist bas Bedürfniß nach Veränderung und Abwechselung. Die oabsli^xe ist der Partei- oder NachciserungSgcist; sic ist cs, welche die Rivali tät zwischen den einzelnen Gruppen erregt. Die <wmpu.->ite ist der Geist der Gemeinschaft, dcr Enthusiasmus, dcr uns beseelt, wenn wir mit einer Menge anderer Personen zugleich derselben Arbeit oder demselben Genuß nachgchcn. Aus der Wirkung dieser drei Trieb federn geht die Serien-Organisation hervor, die Vertheilung der Gruppen in Serien. Die Serie besteht aus Gruppen, die sich nur durch Nüanccn von einander unterscheiden: je weniger diese Nüanccn von einander geschieden sind, desto kompakter ist die Serie. Ferner gehört zur Bildung dcr Serie die Verrichtung jedes Geschäfts in kurzen Zeiträumen und die Zerstückelung der Arbeit. Der Grund hiervon liegt in dcr Mannigfaltigkeit und Spezialität der indivi duellen Fähigkeiten. Da wir Alle eine größere Anzahl von Fähig- kciten haben und diese Fähigkeiten alle geübt seyn wollen, so können wir die vollständige Ucbung derselben nur durch die Vcrthcilung dcr Arbeit in kurze Zeiträume erreichen. Außerdem erlaubt uns ost die Spezialität unserer Fähigkeiten nur die Anwendung derselben auf besondere Einzclnheitcn einer Arbcit. ES ist selten, daß wir die zur