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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020403012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902040301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902040301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-03
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
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Nr. 166. Donnerstag den 3. April 1902. Anzeigen-Preis die bgefpaltene Petitzeile L5 L,. Neelamen unter dem Redactionsstrich (4g»spaUeu) 75 vor den Aamtliennach- richte» (S gespalten) KO Lj. Tabellarischer und Hissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannohine 25 H (rxcl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Annalnneschluß für Anzeige»: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen j« eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expeditton zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig. 96. Jahrgang. Verletzung der Meistbegünstigung? v. Einen neuen Bruch der Meistbegünstigung von Leite der nordamertkanischen Union gegen über Deutschland erblickt die „Deutsche Agrarcorrespon- denz" in der Einführung eines nordamerikanlschcn Vor zugstarifes in Gestalt einer Herabsetzung der Zölle um 25 und 20 Proc. zu Gunsten von Euba und den Phi lippinen. Diese Differcnzirung sei eine offenbare Verletzung des deutschen McistbegünstigungsrechteS. In dem deutsch-amerikanischen Handelsabkommen vom Juli 1900 wurden, wie erinnerlich, die Zollver günstigungen, die Nordamerika gewissen französischen, italienischen und portugiesischen Maaren zu Theil werden liest, auch deu gleichen Maaren deutscher Herkunft zu gestanden, während Deutschland der Union den un geschmälerten Fortgcnuh seiner Meistbegünstigung zu sicherte. Bekanntlich bestanden und bestehen noch heute zwischen den beiden Reichen verschiedene Auffassungen über die Meistbegünstigung. Deutschland hält noch immer fest an -er unbedingten Meistbegünstigung, die es allen Staaten ohne Weiteres gewährt, während die nord amerikanische Union nur eine bedingte Meistbegünstigung anerkennt, die erst durch entsprechende Gegenzugeständ nisse erworben werden muß. Um über diese Verschieden heit der Auffassungen Hinwegzukommen, stellte das deutsch-amerikanische Abkommen vom Juli 1900 die gegen seitige Meistbegünstigung im Verkehr der beiden Staaten thatsächlich wieder her. Nordamerika ging, wie gesagt, die Verpflichtung ein, die — nebenbei bemerkt, unerheb lichen — Zollcrmäßigungen, die es mit Frankreich, Italien und Portugal vereinbart hatte, auch der deutschen Einfuhr zu gewähren. Wenn nunmehr die nordamerikanische Union für die Einfuhr aus Euba und den Philippinen einen Vorzugstarif in Kraft treten läßt, so begeht sic dadurch formell keine Verletzung des deutsch amerikanischen Abkommens. Beide Theile haben das Recht, dieses Abkommen zu kündigen, das sodann nach drei Monaten außer Kraft tritt, falls das Princip der gleichen gegenseitigen Behand lung von einer Seite verletzt wird. Demnach kann Deutschland die Einführung von norbamerikanischen Differenzialzöllen zu Gunsten von Cuba und den Philippinen durch die Kündigung des Abkommens be antworten. In diesem Falle erhalten beide Theile freie Hand. Die Union kann die Zugeständnisse, die es in dem Abkommen an Deutschland machte, aufheben und Deutsch land kann Zollzuschläge auf nordamcrikanische Maaren cinführcn, d. h. den Zollkrieg gegen die Union eröffnen. Dieses äußerste Mittel wurde von Deutschland nicht er griffen, als ernstlicherer Anlaß dazn vorhanden war, als gewisse Erzeugnisse europäischer Staaten Vorzugszölle genossen, nicht aber auch die gleichen Erzeugnisse deutscher Herknnft. Zu der Eröffnung eines Zollkrieges wirb die Reichsregierung heute, abgesehen von all gemeinen Rücksichten, noch weniger geneigt sein als da mass, weil die neuen Vorzugszölle, die die Union ein führen will, nicht europäische Staaten begünstigen, sondern nur neue Besitzungen der Union, nämlich Cuba nnd die Philippinen. Sollten diese Vorzugszölle wirklich geeignet sein, den deutschen NuslandShandel zu bcnachtheiligen, so würden davon mehr oder minder auch die übrigen europäischen Staaten betroffen, und es erscheint nicht ein vereinzeltes Vorgehen Deutschlands zweckmäßig, sondern eine Ver ständigung der europäischen Regierungen. Diese Ber- ständigung müßte mindestens versucht werden. Möglich ist sie, da es sich nm verhältnißmäßtg unbedeutende Differenzirungszöllc handelt. Und gelingt die Verstän digung nicht, lassen die übrigen europäischen Staaten sich die neuen Vorzugszölle der Union zu Gunsten von Cuba und den Philippinen gefallen, so wäre es von deutscher Sette sicherlich im Augenblicke nicht zweckmäßig, auf eigene Faust einen Zollkrieg gegen Nordamerika zu eröffnen. Einen wetteren Bruch der Meistbegünstigung gegen über Deutschland erblickt die „Deutsche Agrarcorrespon- denz" in der neuesten Zolltarifänderung Japans, wo- nach die Zölle für den minder polartsirenden Rohrzucker zu Gunsten der englischen Zuckercolonien um einen Be trag ermäßigt werden, der ungefähr dem heutigen Frachtsätze für deutschen Rübenzucker von Hamburg nach Japan gleichkommt. Die Annahme der „Deutschen Agrar- correspondenz", daß diese Ermäßigung in Verbindung stehe mit dem neuen englisch-japanischen Bündntß, dürste zutreffen. Japan ist das wichtigste Absatzgebiet für deutschen Zucker in Asien und bezog im Jahre 1901 lnach der „Agrarcorr.") über eiue Million Centner Zucker aus Deutschland. Wird Rohrzucker von japanischer Seite günstiger behandelt, so ist zu befürchten, daß dadurch die deutsche Zuckeraussuhr nach Japan empfindlich be einträchtigt werde. Hier liegt ohne Zweifel eine Vertragsverletzung Japans vor. In dem deutsch-japanischen Vertrage von 1890 ist der japanische Zoll für raffinirten Zucker auf 10 Procent des Werthes festgesetzt worden und Japan ist nicht befugt, diese Abmachung einseitig abzuändern. Er mäßigt Japan seine Zölle innerhalb der Vertragödauer, so wird natürlich keine Regierung Einwendungen da gegen erheben. Kommen aber diese Zollcrmäßigungen ihrer Natur nach einem einzelnen Staate zu Gute und verfolgen sie sogar offenbar diesen Zweck, so haben die anderen Staaten unzweifelhaft das Recht, dagegen Ver wahrung einzulegen und die genaue Innehaltung des geltenden Vertrages zu verlangen. Japan wurde durch deu Handelsvertrag mit Eng land von 1894 allzu voreilig in den Kreis der Cultur- nnd Rechtsstaaten ausgenommen. Deutschland war ge- nöthigt, dem Vorgehen Englands zu folgen und auch seinerseits mit Japan auf gleicher Grundlage abzu schließen. Japan ist auch von Deutschland als Rechts staat anerkannt worden, und es wird nunmehr, da es eine Maßregel ergreift, die sich mit der Loyalität eines Rechtsstaates nicht vereinbaren läßt, ernstlich an seine Pflichten erinnert werden müssen. Japan hat vertrags mäßig das Meistbcgünstigungsrecht an Deutschland ge währt und ist nicht befugt, iunerhalb ber Vertragsdauer an diesem Rechte zu rühren und eS zu Gunsten eines anderen Staates zu untergraben. Oer Krieg in Südafrika. Die englischen Berlnstziffer« in Wirklichkeit. Für die notorische Entstellung und Unwahrheit der amt lichen englischen Berichte über die Lage auf dem Kriegs schauplätze und aller darauf bezüglichen Daten haben wir unter Anderem bereits Mitts Januar dieses Jahres jenes elastische Beispiel angeführt, das sich in dem krassen Wider spruche zwischen den officiellen Angaben des englischen Kriegsmtnistcriums über die Abgänge im englischen Heere einerseits in der Monatlichen Tablc of CasuaIl li c s und andererseits in den veröffentlichten täg lich e n V e r l n st l i st e n findet. Nach der ersteren hätten die Abgänge während des zweiten Halb- jahrc 8 1901 927 Officiere und 10 604 Mannschaften be tragen, während sie nach den letzteren 1787 Officiere und 29 578 Mannschaften umfaßt haben, was einen Unter schied von 860 Offi eieren und 12974 Mann schaften zum Schaden der Stärke des im Felde stehen den englischen Heeres ausmacht. Dieses Beispiel har natürlich auch seine Fortsetzung, die sich für den Monat Februar 1902 also darstellt: Amtliche Angaben deS englischen Kickegsministeriums. Die Abgleichung dieser Zahlen ergiebt wiederum einen ganz respectablen Unterschied, nämlich: 140 Officiere und 2007 Mannschaften!! Monatliche Nach den täglichen Dadis ok e'aaualries: Berlustlisten: Ojfic er« Mannschaft»» Officiere Mannschaften Getüdtct 16 115 18 131 Berwundet 35 468 34 415 An Wunden gestorben. 7 33 6 46 An Tnsentene gestorben 18 507 14 469 Tödtüche UngiückssäUe. 2 39 — — Vermiß», bez. kriegsges. — 18 1 39 bcimgesendet .... 101 2266 246 4353 179 3446 319 5453 Der Tvvhu» im englischen Heere Nach einer amtlichen englischen Zusammenstellung sind im englischen Heere an Typhus gestorben: tin Ojftcier» Mannschaften Oktober 1901 —— 59 November - — 150 December - 2 251 Januar 1903 9 397 Februar » IS 877 * Brüssel, 2. April. (Telegramm.) Da- Organ der Trantvaalgesandtschaft „Petit Bleu" erklärt die Meldung für unrichtig, daß mehrere Bocrengenerale die lieber gäbe an geboten haben. Da- gleiche Blatt versichert, der angeblich» Eisenbahnunsall bei Barberton, der Aitchener 84 Soldaten kostete, sei nicht- Andere- al» rin Ueberfall des Zuge- durch Boeren. (Mgdb. Ztg.) * London, 2. April. (Telegramm.) Ich erfahre von maß gebender Seite, daß allen etwaigen Frieden-unterhandlunge» mir Schalk Burger die bedingungslose Tapitulation aller Boerrnabtheil un gen vorangehen müsse. Kitchener ist angewiesen, sich nur auf Unterhandlungen hierüber einzu lassen. Das einzige Zugeständniß, da- die britische Regierung machen dürste, bestehe darin, daß Li« BerbannungSproclomation derartig abgeändert werdr, daß Boerensührer, die den Treueid leisten, davon ausgenommen bleiben sollen. Kiichener werde di» Absichten der britischen Regierung hinsichtlich der Zukunft TranS- vaalS und des Oranjrstaates erklären, aber er sei nicht angewiesen, diese in einen» förmlichen Vertrage zu verkörpern. Deutsches Reich. -7- Berlin, 2. April. (Die Ersatzwahl in Elbing.) Die nervöse Besorgniß, mit der die Conservativen der Ersatz wahl in Elbing entgegenseben, ergiebt sich au» ihrem Miß behagen über die Aufstellung eine- eigenen national liberalen Eandidaten und über die Betrachtungen deS nationalliberalen Generalsekretär- über die Spaltung der Conservativen im Elbinger Wahlkreise. Diese Spaltung ist nichtsdestoweniger eine Thatsache, denn wenn auch die uriprünglich in Aussicht stehende doppelte conservative Eandidaiur durch den Rücktritt des Fürsten Dohna vermieden worden ist, so haben doch die Elbinger Conservativen kein Hehl daraus gemacht, daß ihnen die Candidatur Oldenburg in hohem Grade unsympathisch ist. Erst in den letzten Tagen wieder bat die »Elbinger Ztg.', daS Hauptorgan der Elbinger Conservativen, einen scharfen Strauß mit dem Hauptorgane de- Bunde- der Landwirtbe au»- gefochten, zwar nicht wegen des Herrn von Oldenburg, sondern wegen der bündlerischen Angriffe gegen den westpreußischen Oberpräsidenten von Goßler; aber da Herr von Oldenburg einer der Führer d«S Bundes der Landwirthe ist, so wird diese fast uumiltelbar vor dem Wahltermiue erfolgte Fehde ihm sicherlich nicht zu Gute kommen. Es ist nach alledem nicht unwahrscheinlich, daß ein Theil der Elbinger Conserva tiven diesmal dem nationalliberalen Bewerber Vie Stimme geben wird, und daher rührt denn wohl auch haupt'ächlich der Zorn der Conservativen über die Aufstellung eine- eigenen nationalliberalen Bewerber-. Denn wenn auch der conser vative Canbidat — freilich erst in der Stichwahl — den Sieg erlangen dürfte, so muß unter den gegenwärtigen Um ständen jeder Rückgang der conservativen Stimmen im con- servalwen Lager sehr peinlich empfunden werden. Bei dieser Gelegenheit dürste sich auch zeigen, wie falsch die Be hauptung der „Kreuzztg." ist, die Conservativen hätten im Elbinger Wahlkreise immer ihre Stunmenziffer behauptet, sodaß die focialistrschen Fortschritte nur auf Kosten der liberalen Parteien erfolgt seien. Tbatt'ächlich haben die Conservativen seit den Wahlen von 1890 von Wahl zu Wahl an Stimmen verloren, sodaß sie, die l887 11 409 Stimmen erlangt batten, eS bei den letzten allgemeinen Wahlen nur noch auf 9346 brachten, wa- einen Verlust von 2050 Stimmen, alio von rund 20 Procent bedeutet. Bei dieser Gelegenheit sei noch darauf hingewiesen, wie ungerechtfertigt und verfehlt eS ist, wenn die „Kreuzztg." die verlältniß- mäßigen radikalen Erfolge und conservativen Mißerfolge bei den letzten beiden Reichstagsersatzwahlen (Rastenburg-Ger- bauen und BreSlau-West) den Nationalliberalen in die Schube zu schieben sucht. Sie sagt nämlicd, in diesen beiden Wahl kreisen hätten die Freisinnigen einen Zuwachs von etwa 4000 Stimmen gehabt, weil «in großerTbeilderNationalliberalen.die so treu zu Kaiser und Reich zu stehen behaupteten, sür sie eiugetreten wäre. Zur Sacke ist zu bemerken, daß im Wahlkreise Rastenburg feit mehr al» zwanzig Jahren nicht eine einzige nationalliberale Stimme ab gegeben worden ist, womit die Behauptung, die National liberalen hätten für die Fortschrittler gestimmt, von selbst entfällt. In BreSlau-West hat allerdings Wohl ein Theil der Nationalliberalen für die fortschrittlichen Eandidaten gestimmt, aber nicht dem bürgerlichen Radikalismus zu Liebe, sondern weil die Conservativen nicht nur mit dem Centrum zusammen einen Eandidaten auf- aestellt hatten, sondern auch mit dem Centrum gemeinsame Versammlungen abhielten und ein gemeinsames Wablbureau errichteten, also eine vuteuto coräialv, die an Intimität sckou gar nicht mehr zu übertreffen war. Wenn ein Theil der Breslauer Nationalliberalen durch die Abgabe fi cisinniger Stimmenzettel gegen diese Verbindung der conservaliven Partei mit einer ausgesprochen consessionell-katholischen Parte» piotestirte, so war das sein gutes Reckt, und es »st lächerlich, um deswillen die Treue der Nationalliberalen zu Kaiser und Reich in Zweifel ziehen zu wollen. 6. tt. Vertin, 2. April. (Rechenschaftsberichte socialdrmokratischer Gewerkschaften.) Zahlreiche socialbemokratische Gewerkschaften werden zu Ostern ihre Generalversammlungen abbalten und haben soeben ihre Rechen- lchafteberickte versandt; auS ihnen gebt hervor, daß fast überall ein Sinken der Mitgliederzahl eingetreten ist. Einer der mächtigsten GewerksckaftSvereine ist der Centralverband der Maurer; er zählte 1900 82 964 Mitglieder, 1901 80 869, also 2095 weniger; die Einnahme re» BerbandcS betrug im vorigen Jahre 1 248 544 die Ausgaben 994 958 von denen allein für Streiks im eigenen Gewerbe 488 450 und für da- nur einmal in sehr bescheidenem Umfang er scheinende Verbandsorgan 86 751 -E enisielen. Der Bericht deS Tex tilarbeit er-Verbände- umfitzi die beiden Jahre l900 und 190l; am Schluffe des IV. Quartals 1901 waren 29 740 Mitglieder vorhanden, die Organisation bat also in der» beiden letzten Jahren 12 420 Mitglieder verloren. In diesen Jahren hatte sie 4! Streiks durchzuseckten, von denen der Bericht 12 al- erfolgreich, 12 al- ibeilweije erfolg reich und 17 al- erfolglos bezeichnet; die Streiks kosteten 192 894 von denen auS Mitteln der Organisation nur 135 496 beigesteuert werden konnten. Die Leder arbeiter (ibr Rechenschaftsbericht erstreckt sich auf 3 Jahre) batten 1898 5094 Mitglieder, jetzt nur noch 4830; sür Streiks haben sie in den drei Jahren 65 886 aufgeweudet. Der Verband der in den Buchdruckereien beschäftigten Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands hat im letzten Quartal 1901 1000 Mitglieder verloren. Der Localvcrband der Eonditorr»» zählt überhaupt nur 814 Mitglieder. Man sicht also, daß die Gewerkschaften sich nicht in aussteigender Linie bewegen, und da- eröffnet sür die Industrie insofern kein ungünstiges Bild, als sie durch frivole Streiks eine Störung kaum erleiden düifte. Man hört in der That zur Zeit so gut wie nicht- von Lohnbewegungen, die in früheren Jahren »in März überall vorbereitet zu werden pflegten. * Berlin, 2. April. (Die p ä p st l i ch e E n c y k l i k a.) Ucber den Inhalt der vom vfficiösen Telegraphen in Kürze skizzirten päpstlichen Encytlika liegt in dem rhei nischen Centrumsblatte, der „Kölnischen Volkszeitung", folgender ausführlichere telegraphische Bericht vom 29. vorigen Monats vor: In einem heute veröffentlichten Rundschreiben ar» den Gesammtepiskopat giebt der Papst seinem Danke gegen Gott für das lange Ponttsicat und das lange Leben und dem Danke an die Cardinäle und Bischöfe für ihre treue Mitarbeit Ausdruck. Traurig ist der Zu stand der menschlichen Gesellschaft; im Hinblick auf ihn will ber Papst den Bischöfen in dem Schreiber» gleichsam sein Testament mittheilen. Die Gegensätze gegen die Kirche sind hervorgerufen durch den steten Kampf der selben wider das Laster und die Leidenschaften. Dieser Gegensatz zeigte sich schon in der alten Welt, im Römer reich gegen die apostolische Kirche und im Islam gegeri die erstarkende Christenheit. Nach kurzer Ruhe erhob sich ein erneuter Ansturm in der s o g e n a n n t e n Re formation, deren Eonsequenzen die un gläubige Philosophie -es achtzehnten Jahrhunderts und dcnScepticismuö der Gegenwart uns brachten. Der Paps» weist sodann auf das Unheil hin, das die atheistische Zügellosigkeit hervorbringt durch Untergrabung der häuslichen, socialen un- politischen Ordnung. Die Ge sellschaft muß zurückkchren zum Christenthum; darin liegt die einzige Rettung. DieKirche schreitet trotz allen Verleumdungen der Freimaurer gegen die Priester und Faiiilletan. Moderne Frühllngsfeste nah und fern. Bon Otto Sperber. Nachdruck verboten. Von allen Freudenfesten und Vergnüglichkeiten, die sich im Wechsel der Jahreszeiten bieten, sind diejenigen des er wachenden oder voll erblühten Frühlings am meisten ge eignet, an das Innere deS Menschen zu rühren und zu dem angeschlagenen Ton auS dem Gemüth einen vollen Accord hervorzulocken. An sich stehen ja fast alle nach altem Brauche gefeierten Feste in irgend einer Beziehung zu dem sich immer wiederholenden Kreislauf deS Lebens in der Natur, von der Aussaat btS zur Ernte und vom Werden bi- zum Vergehen, und auch der CycluS des christlichen Festjahres knüpft mit diplomatischem Berständniß an Alles das an, waS sich draußen in ber Natur vollzieht. Bet vielen jener Feste ist unS jedoch daS Bewußtsein dieses Zu sammenhanges ziemlich verloren gegangen. Nur die Früh- lingSfeiern machen davon eine Ausnahme; denn sie ge hören zu den reinsten und edelsten Freuden und rühren an daS Herz mit einer Unmittelbarkeit, die sich nicht ab weisen läßt. Der erste FrühlingSspaztergang in wonniger, warmer Luft, wenn aus den schwarzen Schollen deS Erd bodens mit den keimenden Pflanzen würziger Erdgcruch hervorqutllt, die holdseligen Tag« d«r vaumblütbe und ber grünenden Pfingstmaicn haften länger in unserem Gedächtniß, als die elegantesten Vergnügungen des Winters, und wir genießen diese von den immer wieder neuen Schöpfungswundern verklärten Frühlingstage fast mit jener kindlichen Naivetät, die uns leider in den Kämpfen deS Lebens nur allzu früh verloren geht. Der FrllhlingSfeste giebt eS daher im deutschen Volke wie bet fremden Nationen eine große Zahl. Bon dem ursprünglich allen gemeinsamen Grundgedanken der Auf erstehung in der Natur, der Vertreibung des gries grämigen Winters und dem Einzuge deS im Blumen schmuck und in Jugendanmuth prangenden Lenzesknaben ausgehend, haben sich diese Feiern in den einzelnen LandeStheilen derartig verschieden gestaltet, baß ihre Schilderung dickleibige Bänder füllen würde, und der Leser würde bald gewahren, bah ihm schließlich immer wieder das Alte in nur wenig veränderter Form berichtet wirb. ES ist daher vielleicht interessanter, auS der großen Zahl dieser Feste einige wenige herauSzugretfen, welche zeigen, daß die Menschheit im Grunde genommen stets dasselbe feiert, mag Ne nun im Herzen Europas oder um den halben Erdumfang von unS entfernt in fremden Erb- theilen wohnen. Selten ziehen dergleichen Feste Hoch und Niedrig, Reich und Arm gleichmäßig in ihren Bannkreis; denn eS ist eine nicht wegzuleugnende Erscheinung, daß sich die social be vorzugten Massen mehr und mehr von der Bethetltgung zurückzieben, was zuguterletzt natürlich zur Verkümmerung dteser Feste führt. Gin« solch» Feier, der man — nach der allgemeinen Betheiligung zu schließen — ein recht gutes Lebensvorzeichen stellen kann, ist daS höchst originelle Sechsuhrläuten in Zürich, das am ersten Montag nach der Frühjahrs-Tag- und Nachtgleichc, in diesem Jahre also am 24. März gefeiert wurde, weil nunmehr das Krüh- lahr so weit fortgeschritten ist, daß die das Zeichen zum Aufhören -er Arbeiten gebende Abendglocke erst um 6 Uhr geläutet werden braucht. Eine besondere Rolle spielt hier bei die Jngend, und zwar vor Allem der weibliche Theil, die „Marcielt'S", der ein Sammelname für die kleinen weiß gekleideten Mädchen ist, welche mit Maibäumcn oder bänbergeschmückten Kränzen vor die Häuser ziehen und folgendes, die Spcndirlaune der Besungenen heraus fordernde Ltedlein singend: „DaS SechSuhrläuten ischt hüt da; E» grünt hür Alles in Laub und GraS, In Laub und GraS -er Blüthen so viel, D'rum tanzet'S Maretelt im Gattenspiel. Neig di, neig bi, Mareteli, neig di, Neig du dich vor des Herrn HuS, ES schauen viel schöne Damen daruS, Ein rother Apfel, ein brauner Kern, Die Frau ist schön und lacht so gern, Gin golden Faden zieht er um si'S HuS, Abe! nun ist daS Maienlied uSl" Nachdem die männliche Jugend den Bvke oder Butzen- mann, eine auSgeftopfte, den Winter symbolisirende Figur, verbrannt, ordnen sich die Zünfte zu einem großartigen Festzuge, de, seit ISIS in Maskentrachten arrangtrt wird, und so allmählich zum Theil zu einem Fastnachtsfcst post kestvm geworden ist, an Originalität aber die meisten ver wandten Veranstaltungen wett überragt nnd in den statt lichen Zunfthäusern endet, die fast durchweg auch öffent liche Restaurationen und Kaffeehäuser enthalten. Eine noch bekanntere, unterschiedslos von allen Elasten der Bevölkerung begangene KrühlingSfeier ist das Prater- fest, welches, seitdem dieser prächtige Park im Jahre 1766 durch Josef H. den Wienern freigegeben wurde, alljährlich am 1. Mat in diesem bevorzugten VergnüngungSort, der schönen Donaustadt, gefeiert wird. Schon am frühesten Morgen beginnt hier die Feier, die in Oesterreich über haupt von scher weit intensiver begangen wird, als in Norbdeutschlanb, und selbst das fadeste Ringstraßengigerl entreißt sich heute zu ungewohnter Stunde dem weichen Pfuhle, nm sich dem durch die Straßen der Leopoldstadt fluthenben Menschenstrome anzuschließen, ber den Beginn deS Festes, früh »m 6 Uhr, nicht versäumen will. Zn sehen giebt eS da genug; denn wenn auch die früher die Haupt- fache bildenden Wettläufe ber im Dienste des Kaisers und anderer fürstlichen Familien stehenden Lauser keine «ctualttät mehr besitzen, so ist doch der Würstelprater heute bereit- zu so früher Stunde mit all' setncn Verlockungen bereit, die Gäste aufzunehmen, die sich an Ocsterrctcherwein unbvackhendln schon zu einer Stunde delectiren, zu der man sonst kann» den Kaffee eingenommen hat, während überall in den zahllosen Restaurationen MusikcorpS con- ccrttren, von der NegimentSmusik und den feschen, weißgekleideten Damencapellcn angcfangen bis zu den a«tg»nsrr»ich«nden, braun«« Söhnen ter ivußta und de»
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