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Dresdner Journal : 09.10.1872
- Erscheinungsdatum
- 1872-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187210092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18721009
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18721009
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1872
-
Monat
1872-10
- Tag 1872-10-09
-
Monat
1872-10
-
Jahr
1872
- Titel
- Dresdner Journal : 09.10.1872
- Autor
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5. ksioke, uuä Lv»m»»»»>wprel,s r - Io tritt iUlrliod « l'bllr 8t«n>pvlKebai»r, - - - « j^tbrlick: I Dür 1S K^r. B»»«Io« Uvwm«rn: l b/^r)8t«iup«Irv»cbI»E bmnu Iu»er»1e»pr«!»«r t^lr clvv K»um «ioer ev«p»Itevoo 2«il«i 1»» ^8^- voter „Lioz«»»oat" äi« Avils- S Kgr. Lrsvdsl«»»» IRbtivtl, loit Xoiv»luvs ä«r 8000 - vod siortLAT, Fpovll» Kr äov koi^voäso 1-tz. Mittwoch, OctobE Dres-mrIMrml. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. Io»vr»1vovoo»km« »usvLrtsr j F> ^ra»Ä«tstter, OonuoinviooLr ä« Or««io«r ^ourazlv; vdvväo».: 7/ L,!Alrr, Loy«»» /'ort u. L. 7>ri/«r, 8»a»- dllrF-LvrUo-Vi«i>-I.«Ixrix-L»»«I-Lr«iIku-rr»oL/ur1 ». N.! //aa»^xt«>n l^vA/«r, LerUo - V!,«il - Himburg - kr»o^- Ivrt L. H.-Lüockvo: L«c/. A/o«e,' UerUa: ^1. 77.Xibrec/it, Lr«mvo: L.Lc/i/ott«, Nr««I»u: L.§/anv<>»'» Uür«»u u. 7t. cken/le, rr»vkkurt ». « : L'. ./arAer'selis «. <7.7/errrnann tielig öucdd., La«/»eck t>'o., kr»x: 7>. ^/»«-/»c/»'» üuedd ; vdsmoitr: 7-r. ^o»At,- k»ris: 7/ar aF, La/itte, Lu//,er E 6'0., Vivo: X/. O^e/iL,- Srutt8»rr: Laube ck t7o. Nerausxvbvrr Küvi^t krpelliOoo lies Orv«6ner Journal», Lrevtivo, Hsr^arstlien^avso d/o. I. Amtlicher Theil. DreSdrv, 8. October. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz ist gestern Nachmittag 24 Uhr von Ischl wieder hier ein gett offen. Dresden, 10. September. Se. Majestät der König haben alleranädigst geruht, dem Gendarmerie-Brigadier Johann Friedrich Wilhelm Naundorf in Lichtenstein die zum Verdienstorden gehörige Medaille in Silber zu zu verleihen. Dresden, 7. October. Se. Königliche Majestät Haden dem Bergverwalter Carl Ludwig Schnorr in Schedewitz das Ehrenkreuz des AlbrechtSordens zu ver leihen geruht. Bekanntmachung, die Ausgabe verzinslicher Schatzanweisungen im Betrage von 22 Millionen Thaler betreffend. Das unterzeichnete Finanzministerium hat, auf Grund der ihm von der Ständeversammlung des Königreichs Sachsen mittelst Ständischer Schrift vom 5. April 1872 dazu ertheilten Ermächtigung, beschlossen, an Stelle der laut Bekanntmachung vom 6. Juni 1872 (Gesetz- und Verordnungsblatt vom Jahre 1872 Seite 277) aus gegebenen, am 15. Octobrr und beziehentlich am 15. No vember 1872 fällig werdenden 8er. 1 und II der Kö niglich Sächsischen Schatzanweisungen vom Jahre 1872 im Gesammtbetrage von Zwei Millionen Fünfhundert Tausend Thaler wiederum neue verzinsliche Schatzanwei- sungen im Gesammtbetrage von Zwei Millionen Fünf hundert Tausend Thaler mit 500,000 Thlr. in Abschnitten zu 100,000 Thlr. lit. A, 750,000 - , , . 50,000 . - 8, 1,200,000 - . - . 10,000 - - 6, 50,000 » » - « 1000 » - O, in zwei Serien auszugeben. Der Zinsfuß dieser Schatzanweisungen ist auf drei und ein halbes Procent für das Jahr, die Dauer ihrer Umlaufszeit aber für eine Serie von Einer Million Zweihundert und Fünfzig Tausend Thaler (8or. V der Königlich Sächsischen Schatzanweisungen vom Jahre 1872) auf vier Monate — vom 15. October 1872 bis zum 15. Februar 1873 — und für eine weitere Serie von Einer Million Zweihundert und Fünfzig Tausend Thaler (8sr. VI der Königlich Sächsischen Schatz- anweisungen vom Jahre 1872) auf fünf Monate — vom 15. November 1872 bis zum 15. April 1873 — festgesetzt. Die Schatzanweisungen werden von dem unterzeich neten Finanzministerium ausgefertigt. Die Begebung dieser Schatzanweisungen wird die Königlich Preußische Grneraldirektion der SeehandlungS- Societät in Berlin bewirken, welcher auch die Mittel zur Einlösung der Schatzanweisungen überwiesen wer den sollen, soweit nicht die Besitzer derselben acht Tage vor e mgetretener Fälligkeit erklären, daß sie die Zahlung unmittelbar bei der Königlichen Finanzhauptkasse in Dresden zu erheben wünschen. Die Bedingungen, unter welchen die Ueberlassung erfolgt, sind bei der genannten Direction zu erfahren. Dresden, den 7. October 1872. Königlich Sächsisches Finanzministerium. von Kriese«. v. Brück. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. Telegraphische Nachrichten. Zeitung-schau. (Preußische Jahrbücher.) Tage-grschichte. (Berlin. Wernigerode. Eisenach. München. Lemberg. Pesth. Paris. London. Belgrad. New Aork.) Dresdner Nachrichten. Provinztalnachrichtev. (Großenhain. Marienberg. Pirna. Leisnig.) Vermischtes. Statistik und Bolkswirthschaft. Eingesandt«-. Lotteriegewiunliste vom 7. October. Feuilleton. Inserate. Tageskalender. Börsennach- richten. Beilage. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Straßburg, Dienstag, 8. October. (W. T. B.) Der ,,Elsässer Lorrespondenz" zufolge sind bei deu Behörden von Elsaß Lothringen 164 633 Op tionen für Frankreich erfolgt, von denen durch Auswanderung ungefähr 38,86V wirksam wurden. Oberelsaß zählt S2662 Optanten auf mit 745V Auswanderern» Uvterelsaß 42,8S4 Optanten mit 1V,2VV Auswanderern. Außerdem find von den am 2. März 1871 dort domictltrten Franzosen etwa 12.VVV vor dem jetzigen Optionstermine auS- grwandert- Anzeigen sprechen für den Wunsch Vieler nach Rückkehr. Dem steht nach der „Els. Eorr." nichts entgegen, wenn sie deutsch« Staats bürger mit allen Verpflichtungen werden. Eisenach, Montag, 7. October, Nachmittags. (W. T. B) Dir in der gestrigen Sitzung der Ver sammlung zur Besprechuna der socialen Frage ab- gebrochene DiScussion über Gewerkvereine und Arbeitseinstellungen wurde in der heutigen Sitzung zu Ende geführt. (Lgl. den ausführlichen Bericht unter „Tagesgeschichte".) Die in der gestrigen Abendsitzung gewählte Commission legte darauf die von ihr im Anschluß an die gestrige Debatte festgestellten Grundsätze, welche als Grundanschauungrn der Versammlung über die Fabrikgesetzgebung zu betrachten seien, derselben zur Beschlußfassung vor. Die Versamm lung genehmigte die ausgestellten Grundsätze, und haben diese im Wesentlichen Folgendes zum In halt: Die Fabrikgesetzgebung bedarf einer wirksamen Aus führung durch ständige, amtliche Organe des Staats; die Gesetzgebung muß auf alle industrielle Tbätigkeit ausgedehnt werden, und muß sich auch auf die Beschäf tigung der verheirathctcn Frauen erstrecken. Kerner beschloß die Versammlung, einen ge schäft-führenden Ausschuß zu bilden, welchem die Borschlätze für die Constituirung im nächsten Jahre unterbrertrt werden sollen. Nach einem ausführlichen Vorträge Engel - über die Wohnungsnoth wurde die Fortsetzung der Sitzung auf heute Lbeud vertagt, um die DiS- cusfion über die Wohnungsfrage zn Ende zu führen. Pesth, Montag, 7. October, Nachmittags. (W. T. B.) Der Budgetausschuß der Reich-rathtdele- gation nahm bei der Berathung über die Schluß rechnung von 187V, unter Anführung ungerecht fertigter Ausgaben bei der Marine, eine Resolution an, welche dahin geht, den Krieg-Minister aufzu- fordern, daß in Zukunft keine Ueberschreitungrn stattfinden. Die Budgetüberschreituvgen anderer Ministerien wurden vom Ausschüsse größtentheilS anerkannt. Sodann wurde dir wiederholt vorge schlagene Resolution wegen Einberufung einer Eowmisfioa zur Berathung eines NormalbudgetS für KrirdenSzeiten angenommen. Paris, DienStag, 8. October. (W. T. B.) Der Vertreter des deutschen Botschafters, Graf Wesdehlen, ist hier eingetroffen und Graf Arnim gestern Abend nach Baden-Baden abgrreist. Rom, Montag, 7. October, Nachmittag-. (W. T. B.) Der König ist heute nach Neapel adgereist. DaS „Giornale di Roma" erfährt, daß Cardi nal Bonvechose die Mission hatte, den Papst zu bestimmen, Rom nicht zu verlassen, und soll es dem Cardinal ohne Mühe gelungen sein, seine« Zweck zu erreiche«, da der Papst fest entschlossen ist, in jedem Falle in Rom zu verbleibe«. Kopenhagen Moutag, 7. October, Nachmit tags. (W. T. «.) Der Reichstag ist heute im Bei sein der Königin, der Prinzessin Tbyra und de- GrsHfürsten-ThronfolgerS von Rußland und seiner Gemahlin vom Könige mit einer Thronrede eröff- net worden. In der Thronrede heißt es, daß die vermehrten Ein nahmen aus den indirecten Abgaben von dem steigen den allgemeinen Wohlstände des Landes Zeugniß ab legen. Die nordische Industrieausstellung und mehrere andere volkswirthschaftliche Versammlungen, deren eine ein gemeinschaftliches Münzsystem beantragt habe, lie ferten den Beweis, daß man einen großen Fortschritt auf dem Wege gemeinsamen Wetteiferns zwischen Däne mark und den vereinigten Königreichen von Schweden und Norwegen gemacht habe. Der Tod des Königs von Schweden habe das königliche Haus und das dä nische Volk mit Schmerz erfüllt; die Regierung hege indeß das Vertrauen, daß die seitherigen herzlichen Be ziehungen beider Staaten zu einander sich auch unter der weisen Regierung des Königs Oskar fortsetzen und befestigen werden. In den Beziehungen Dänemarks zu den auswärtigen Mächten sei keinerlei Aenderung ein- grtretcn. Die schleswigsche Frage sei noch in der Schwebe; die Regierung erhalte die Hoffnung aufrecht, dieselbe einer befriedigenden Lösung zugeführt zu sehen. An wichtigeren Gesetzvorlagen würden dem Reichstage zugehen: eine Revision des Gesetzes betreffs der Landes- vertheidigung, welche letztere die Negierung nach den Steuer- und Menschenkräften des Landes so stark als möglich zu organisircn wünsche; ferner soll das Gesetz über den Unterricht in den Volks- und Mittelschulen in mehrfacher Beziehung vervollständigt werden. Athen, Montag, 7. October. (W. T. B.) Frank- reich und Italien Haden auf die von der diessei tigen Regierung in der Laurionfrage gemachten Vorschläge noch nicht geantwortet. Die Gesandten der genannten Mächte haben indeß die officielle Erklärung abgegeben, in neue Erörterungen die- ser Krage nicht eingehrn zv wollen, und die Alter native gestellt, daß Griechenland den Streitfall entweder einem internationalen Schiedsgericht vor- zulegev, oder fick anderenfalls mit der Gesellschaft der Bergwerke abznfinden habe. Ueber die letztere Alternative werden nunmehr die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und dem fran zösischen Gesandten beginnen. Washington, DienStag, 8. October. (W. T. B., Kabeltelegramm.) Regierung-Personen schätzen nach sorgfältiger Prüfung die Majorität der Re- pubUkauer bei den Oktober- und Novemberwahltu in Pennsylvanien auf 12.VVV, in Ohio auf 2V.VVV, in Indiana auf 15VV und in Iowa auf 3V.VVV. In Cincinnati hat ein Zusammenstoß zwischen einem Negrrmerting und einer demokratischen Pro- cesfion stattgefunden, wobei von den Schußwaffen Gebrauch gemacht wurde und mehrere Vrrwuu- dangen vorkamen. Dresden, 8. October. Der Versammlung zur Besprechung der socialen Frage, welche vorgestern und gestern in Eisenach tagte, hat ein Anhänger der Richtung der sogenannten „Kathedersocialisten" in den „Preußi schen Jahrbüchern" ein Wort „zur Verständigung" vorausgehen lasten. Die ganze moderne Volkswirth- schaft fußt, so führt er aus, auf den grundlegenden Ge danken von Smith und stellt demgemäß an ihre Spitze den Satz: „Das einzig berechtigte und treibende Mo tiv zu allen volkswirthschaftlichen Handlungen ist die Selbstsucht des Individuums; ein Jeder strebt nach Er ¬ werb von Natur schon, und diese einmal gegebene That- sache muß das Verhalten der Gesellschaft und des Staa tes zu der volkswirthschaftlichen Entwickelung bestimmen. Der Staat hat lediglich dem Triebe des souveränen Individuums freie Bahn zu schaffen; alle Hindernisse, welche dasselbe hemmen und einengen, müssen fallen, und dann wird Jeder seinen Zweck auf die ihm mög liche und entsprechende Weise erreichen. Dieser Stand der Dinge wird nicht nur der Naturordnung entsprechen, sondern auch der Gerechtigkeit Genüge thun, da Jeder ein durchschnittliches Maß von Einsicht besitzt, das ihm verbietet, Andere geradehin als Mittel für seine Zwecke zu mißbrauchen." Diese Lehre, deren Ausbildung und Vertheidigung Ricardo übernahm, ist heute noch die allgemein herrschende, die Nationalökonomie war unter allen Wissenschaften die am Entschiedensten dogmatische; ein Zweifel an ihren Grundlagen galt als unerhört. Und'doch ist er auf dem Boden der deutschen Wissen schaft langsam, aber sicher und nothwendig erwachsen. Seit bei uns überall die geschichtliche Betrachtungsweise den Sieg davontrug über die construclive, dogmatische, seitdem ist auch für die Bolkswirthschaft von den deut schen Gelehrten der Grundsatz als maßgebend erkannt, daß nicht nach abstracten Ideen sich das Leben gestalten kann, sondern daß es sich aufbaucn muß auf der Grund lage geschichtlich gewordener Verhältnisse. Es giebt nicht ein schlechthin souveränes Recht des Individuums, so daß dieses „das Maß aller Dinge" wäre und nach seinem Gutbefinden mit dem Vorhandenen umspringen dürfte; es findet vielmehr eine Reihe von Zuständen, von fremden, von wohlerworbenen Rechten vor, welche es vor Allem als unantastbar zu achten hat. Nur wenn dieser Grundsatz sich Bahn bricht, sagt der Verfasser des angezogenen Artikels, nur dann kann Karl Marx mit seinen socialistischen Ideen über Capital und Arbeit wissenschaftlich überwunden werden; denn von dem ab soluten Individualismus Smith's und Ricardo's aus läßt sich ebenso gut das Recht des Communisten ab leiten, der gleiche Vertheilung aller Güler unter Alle fordert, wie das des Manchesterwanncs, der sagt: „Wenn das Individuum souverän ist, so darf ich mich allein als Mittelpunkt meiner Bestrebungen ansehen und Andere nach Kräften ausbcutcn; der Erfolg beweist mein Recht; was ich kann, darf ich anch." Gerade, daß aus einem Grundsätze zwei so extreme Richtungen hervorgehen konnten, beweise, daß er nicht mehr aus reicht; er war berechtigt.in einer Zeit, da alle mög lichen Privilegien und Monopole die freie Bewegung des Einzelnen hemmten und seine Thatkraft lähmten; er ist es nicht mehr heute, da jene Hemmnisse gefallen sind. Das Pochen auf ein absolutes Recht irgend welchen Individuums ist es, was von den spöttischer Weise so genannten Kathedersociaiisten bekämpft wird; sie wollen Capitalisten und Arbeiter zu der Einsicht bringen, daß ein Theil dem andern etwas schuldig ist, jene den Arbeitern eine über die Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse hinausgehendc Existenz, die Arbeiter jenen gewissen Ueberschuß am Gewinn durch die Arbeit, da der Capitalist seinen Arbeitern erst Ge legenheit giebt, ihre Kräfte zu vcrwerthen, und da er zur Leitung des Ganzen ein höheres Maß von Intelli genz, von Ueberblick herzubringen muß. Ciigesgrschichtt. * Berlin, 7. October. Das zuerst in dem „Hbg. Corr." aufgetauchte und sodann in der Augsb. „Allg. Ztg." wiederholte (auch von uns erwähnte) Gerücht von dem bevorstehenden Rücktritt des Justizministers Or. Leonhardt und dessen Ersetzung durch den Cul- tusminister vr. Falk, wird heute entschieden als un begründet bezeichnet. Die „N.A.Z." sagt, dieses Gerückt entbehre dergestalt der thatsächlichcn Unlerlage, daß sie dasselbe gar nicht erwähnen würde, wenn es nickt in der hiesigen Presse Gegenstand ernsthafter Erörterungen gewesen wäre, und die „N. Pr. Z." versichert, daß das Gerücht lediglich einer kühnen Conjectur des betreffen- Feuilleton. (Redigtrt von Otto Banck.) Die deutsche Rationalliteratur de- u«uuzehn- tev Jahrhundert-. Literarhistorisch und kritisch dar- gestellt von Rudolph Gottschall. Breslau, Tre- wendt's Verlag. 1872. Es handelte sich für den Autor darum, nach einer langjährigen Pause in einer dritten Auflage durch Ver mehrung und Vervollkommung den Materialien nach zukommen, welche unsere arbeit-rüstige Zeit und in- dustrivse Production geliefert hat. Keine Epoche gab eS, in der so viel und so vielerlei geschrieben wurde wie in der gegenwärtigen, keine noch hat in Deutsch land die literarische Beschäftigung, wenn man sie als Erwerb betrachtet, auf solcher materiellen LebenShöhe gezeigt. Die Literatur der Zeitungen, der Wochenschriften, der Bücher und Broschüren hat mit größerer Dctail- arbeit als ehedem die Anregung für daS Fortschreiten der allgemeinen und nationalen Cultur in die Hand genommen; doch ihre Vertreter arbeiten nicht mehr als Paria- der Gesellschaft, sondern sie stehen in den ersten Reihen derselben, mehr und mehr auch in Bezug auf ihre pecuniare bürgerliche Sttutrung; ja sie sind sich oft nur zu sehr deS Einflusses bewußt geworden, den sie sichtbar wie unsichtbar nach allen Richtungen hin auSübrn. Bon allen Extravaganzen als Ausnahmen abgesehen, ist dieser Umschwung ein zeitgemäßer, ge reckter; er stellt »wischen der geistigen und materiellen Position da- nöthtge Gleichgewicht wieder her und wird nach und nach den tüchtiger» Kräften der Literatur eine leidenschaftliche, krankhafte Erregung und Reizbarkeit deS ««sichern „qui vivo" benehmen, ein willkommener Verlust, für den ein guter Ersatz zu wünschen ist: die ruhige Objectivität, welche auS einer gesicherten Reserve entspringt. Gottschall hat in seiner kritischen und literargeschicht- lichen Thätigkeit stets die wohlmeinend ambitiöse Ten denz verfolgt, dem literarischen Stande als einem sol chen mit Achtung zu begegnen und denselben in Bezug auf sociale Stellung in der allgemeinen Achtung weiter befestigen zu helfen. Wer eine Uebersicht und Charak teristik der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts schreiben will, würde ein solche- Ziel schwer verfolgen können, wenn er in streng sachlicher Kritik nur nach den höchsten Maßstäben urtheilen und überhaupt von der Annahme ausgehen wollte, daß nach Abschluß unsrer klassischen Epoche die moderne literarische Pro duction nur das Leben einer zweifelhaften Nachblüthc fristet. In Bezug auf die Tendenz und subjective Stim mung für das Recht des Lebenden und den Sieg des Modernen erklärt und mildert sich zugleich, was ein neuer Kritiker zusammrnfastend über Gottschall'- Bände sagt: Literarische Zeitgeschichte muß wie jede Zeitgeschichte subjectiv, ja parteiisch geschrieben werden und die Ent schiedenheit der Parteinahme ist der größte Vorzug Gott- schall's. Geschichte kommt dadurch natürlich nicht zu Stande, doch macht der Autor selbst einstchtigerwrise darauf auch keinen Anspruch. Wenn wir un- nun mit seinen negativen Resultaten einverstanden erklären, gegen die positiven jedoch Einspruch einlegen, so hat auch unsre Arußerung selbstverständlich nur den Werth eine- Etnzelvotum». Dennoch sei eS ausgesprochen, daß wir Gottschall's Ueberzeugung von den ästhetischen Män geln der „realistischen" Dichtung wie von der Nichtig keit der „akademischen" Allerweltspoetrrrt theilen. In der letzten» sehen wir sogar geradezu nichts al- da- Kunstgrwerbr de-Eptgonenthum-, während uns die erstere zwar literarhistorisch tief, aber kulturhistorisch sehr hoch steht, als das charakteristische Surrogat für reine Poesie »n einer für diesen eben platterdings nicht berufenen Zeit. Denn was nun andererseits Gottschall über alles Maß erhebt, dir mannichfachen Bestrebungen, den Ideen gehalt unsrer Zeit, der allerdings in einigen Richtungen dem unsrer klassischen Epoche überlegen ist, auch in poetischer Form zum Ausdrucke zu bringen, darin kön nen wir doch bis heute nur eben immer wieder miß lungene Bestrebungen erkennen. Er hat gut reden, wenn er an Fülle, Glanz und Popularität die moderne Lyrik weit über das 18. Jahrhundert setzt; die originellen Erfindungen von damals werden eben heute wie in allen nachclasstschen Perioden industriell auf das Viel fältigste vernutzt und die Producte dieser unbenutzten Industrie genießen nun auch von vornherein die freund liche Theilnahme des Publikums, welche jene originellen Erzeugnisse erst mühsam für sich und ihre Nachkom men erobert haben. Eine zukünftige Geschichtschreibung wird unsers Erachtens aus der ganzen Literatur unsrer Zeit al- den werthvollsten Bestandtheil die wissenschaft liche berau-heben, die Gottschall zwar nicht übergangen, aber seiner Grundanstcht gemäß doch nur als Beiwerk behandelt hat. Der Rückblick, den er auf Classikrr und Romantiker wirft, befriedigt unS am wenigsten, ob wohl wir im Uriheil über die letzter» ihm bäufig zu- sttmmcn müssen. Gottschall's AuSdruck-weise ist oft derb, in einzelnen Fällen roh, doch muß man das wohl dem energischen Parteigänger zu Gute halten. Daß er die warme Lobrede eines Andern über eins seiner eigenen Themen bescheidentlich in dir Darstellung aufnimmt, würde man bei einer naivern Natur belächeln dürfen. Seien wir so gutherzig, es auch bei Gottschall zu belächeln, obgleich er gar keinen Anspruch hat auf den hilfreichen Gebrauch vom AllerweltSfeigrndlatt der kind lichen Naivetät. Wer aber das literarische Temperament und die ungenirt: kameradschaftliche Verve hat, mit so viel Nachdruck für seine Freunde und Gesinnungsgenossen zu sprechen, wie es Gottschall thut, dem müssen wir gestatten, wenn er sich erlaubt, auch sein eigener und zwar bester Freund zu sein und für und von sich selbst bei guter Gelegenheit nicht allzu kurz zu rede«. Sagte doch schon Heine, dem die gute Gelegenheit einer Lite- raturgeschichtsabfassung fehlte: „Der Dichter, den ich am meisten liebe, nämlich Heinrich Heine" rc., — und ist es doch ferner gar nicht zu verwundern, daß bei Gottschall's Wärme für qualificirte Lieblingsrichtungen und Talente die persönliche Protection nicht so wün- schenswerth vom sachlichen Gehalt gedeckt werden kann, wie der Knappe vom Schild oder die Flagge von der Ladung. Im Gegentheil, die Ladung muß oft von der Flagge gedeckt werden, und bei dieser sanguiniscbcn Op timistenkritik kann cs nicht Wunder nehmen, wenn als Contrast dazu die Gottschall'sche Literaturgeschichte man chen soliden Arbeitern im Weinberge des Herrn ein sehr bescheidene- Plätzchen anweist und mit einigen kargen Eigenschaftswörtern über ihre Köpfe hinweg, volttgirt. Dergleichen ist auch ohne die Bedingungen solidarischer Gegenseitigkeit erklärlich. Gewiß aber darf man Gottschall's Werke nachrüh men, daß eS ein lebhaftes Bedürfnis; erfüllt, daß es mit Fleiß geschrieben, auf reiche Lectüre gestützt und vor Allem interessant, geistvoll bespiegelnd dargestcllt ist. Die Bewunberungsphrase „ein blühender Stil" im besten Sinne des Wortes wäre hier wirklich manchem Leser zu verzeihen. Und noch Eins: während die Zopf kritik vieler Literaturgeschichtsprofessorcn — dwsc Be wunderung mit rückgewandtem Angesickt — nur das Atte preist, wird hier auch die Lebensdcrechtigung deS Reuen dem Publicum warm ans Herz gelegt. Uebe^
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