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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111028021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911102802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911102802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-28
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Nr. 29S Sonnsbenü. üen 2S. Oktober ISN. Aineiqln Preis für vnlerar« au» Leiozig und Umgebung die Ilpaltige BeittzeU« a5P( dieNeklome» »eil« I MI. von aurwart» Z>> Pt, K,Namen läiv MI. Inleratr oon Behörden tm amt lichen Teil dl« Petiixetl« SO Pt Telchaltoanzeigen m»l Platzoorlchrister» im Prell« erhobt Rabatt nach Tarif Beilagegedubr Delamt- auilag« ö Mk. p Tauienb ertl. Postgebühr. Teilbetlage h^ker. Feltertrilt« Aullraae tonnen nicht zurück gezogen werben Für da» Erscheinen an veltiinmien lagen und Planen wird kein« tüarunti« übernommen. Anzeigen > Annahme I»han,i»«,I1« 8. bei iamtlichen Filialen u. allen Annoncen- Erpedltionen de» Zn- und Auslände». Druck und Verla, »«, Fischer L kiirft«» Zntzaber Paul Kürst,n. Redattion und Seschält»tt«ll«r Zohannirgalte 8. Haupt-Filiale Dre»deu: 8ce>lrage 4. l slelephon 48214 los. Mtzrggny. irF- Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 14 Seiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen ÄS Litten. „politisches" Pulver. I,. Paris. 26. Oktober. „Politisches" Pulver sprengt die französischen Kriegsschiffe in die Luft — die Enthüllungen des Pulvcrdirektors Maissin über den Pulverdirektor Louppe, das spurlose Ver schwinden hochwichtiger Rapporte aus dem .Kriegs ministerium — es ist wieder ein trauriges Bild von Hass. Eifersucht und Leichtsinn, das sich im republika nischen Getriebe auttut. In Frankreich hat der Staat das Monopol der Pulverfabrikation. Zwei der Hauptfabriken, im Departement Finisteres gelegen, sind seit langen Jahren den Ingenieuren Maissin und Louppe unter stellt. Diese Herren dünkte ihre berufliche Aufgabe nicht ausreichend; vielleicht wußten sie auch, dast man weniger Angst um seine Beamtcnkarriere zu haben braucht, wenn man über politischen Einfluß verfügt; sie brachten es beide zustande, daß ste von den Ortsbezirken, in denen ihre respektiven Pulver fabriken lagen, in Moulin-Blanc und Pont-de-Buis, zu Eeneralräten gewählt wurden. In der Provinz versammlung, in der nur lokale Interessen vertreten werden sollen, gerieten Maissin und Louppe an einander. Ersterer hatte sich als „Sozialist" wählen lasten, letzterer huldigte einem gemässigt radikalen Programm. Beide Kollegen der Pulverfabrikation lernten sich hasten. Maissin fing an, Louppe beim .Kriegsministerium wegen schlechter Leitung der Fabrik von Pont-de-Buis zu denunzieren — insge samt hat er seitdem 170 Rapporte gegen Louppe an den Minister gesandt. Zunächst erreichte er damit ein unerwünschtes Resultat: ein witziger Kriegs minister dekretierte, das; die feindlichen Direktoren ihre Plätze zu vertauschen hätten. Maissin kam nach Pont-de-Buis und Louppe nach Moulin-Blanc. Louppe rächte sich durch Anklagen bei den Vorge setzten, das? Maissin, ehe er Moulin-Blanc verliest, das ganze Personal und die Arbeiterschaft gegen ihn, seinen Nachfolger, aufgehetzt habe! Er sei als Reaktionär geschildert und sofort in dem wahrhaft anarchistischen Getriebe boykottiert worden. In der Folge erfuhr Maissin von seinen früheren Unter gebenen alles, was in Moulin-Blanc vorging, und er konnte den verhassten Kollegen nicht nur wegen seiner Neuerungen, sondern auch wegen seiner früheren Tätigkeit in Pont-de-Buis denunzieren. Wiederholt wurden höhere Beamte entsandt, um die Anklagen Maissins nachzuprüfen, die sich zumeist als unrichtig erwiesen. Eine Anklage erregte das ganz besondere Aufsehen des Unterstaatssekretärs des Krieges, Chöron. Maissin hatte nach der Explosion des „Jöna" behauptet, das Schiff wäre infolge Selbst entzündung des Pulvers „LU 13 av. 8. 2. 08" in die Luft geflogen. Der betreffende Puloervorrat wäre von seinem Vorgänger in Pont-de-Duis nicht nach den Regeln der Sicherheit hergcstcllt worden und be deute eine Gefahr für alle Panzer, an deren Bord es aufbewahrt werde. Eine Enquete führte zu einem Rapport an den Kriegsminister Brun, der ihn wegen Krankheit unberücksichtigt liest. Als Brun starb, verschwand das Schriftstück und niemand konnte erfahren, wo es hingeraten sei. Als jetzt die „Liberia in die Luft flog, wiederholte Maissin seine Anklage gegen Louppe mitten in der Eeneralratssitzung des Finistere. Gleichzeitig stellte die Untersuchungskommission fest, dast die Erplosion durch Selbstentzündung des Pulvers „LU 13 av. 8. 2. 08" hervorgerufen worden sei. Mit einem Male wurde den Denunziationen Maissins, die man nur mit seinem allbekannten Hast gegen Louppe begründete, gröstte Bedeutung beigemessen, zumal man sich erinnerte, dast er zusammen mit dem Chefingenieur Chapclle das Pulver L erfunden hatte und somit einige Kompetenz in Hinsicht auf Sicherheit des französischen Spezialpulvers haben musste. Kriegsminister Messimy liest Maissin jetzt nach Paris kommen und Marineminister Delcassö befahl, alle Pulvermengen „LU" auszuschiffen. Louppe zeigte sich einem Interviewer gegenüber sehr erbost auf Maissin und versicherte, dast er auch einen Aktenstost gegen den Gegner gesammelt habe, der viel Staub aufwirbeln werde. * Maissins Vernehmung. Paris, 28. Oktober. (Eig. Trahtm.) Kriegs minister Mcisimv vernahm gestern den Ober- Ingenieur Maissin. Er richtete an ihn die Frage, weshalb er die Sitzung des Generalrats des Fi- nisterrc-Tepartements dazu benutzt habe, um seine Enthüllungen zu machen, auf die Gefahr hin, im Lande eine vielleicht übertriebene Beunruhigung her- vorzuruscn. Maissin antwortete, daß er infolge seiner vergeblich gebliebenen Anklage sich an die öffent liche Meinung gewandt habe, um sich Gehör zu ver schaffen. Ueber die sachlichen Aufklärungen, die Maissin dem Kriegsminister gegeben hat, wird Stillschweigen beobachtet. Man weiß nur, dast Maissin im Auftrage des Kriegsministcrs sich bereithaltcn must, um seine Beschuldigungen vor der Untersuchungskommission vorzubringen. Die Stichwahl in Konstanz. Wie nach dem Ausgang der Hauptwahl in Kon- stanz vorauszusehen war, hat der gestrige Stich wahltag dem Zentrumskandidaten eine Niederlage, dem nationalliberalen Kandidaten den Sieg gebracht. Während beider Hauptwahl für den Zentrumskandidaten Landgerichtsdtrektor Freiherr von Rüpplin 13262, für den nationalliberalen Gärtnermeister Schmid 11441, für den sozial demokratischen Kandidaten Großhirns 3025 Stimmen abgegeben wurden, erhielten in der Stichwahl Rüpp lin 14 014, Schmid 15 112 Stimmen. Gemäß dem badischen Blockabkommen hatten die Sozialdemo kraten in der Stichwahl ihre Stimmen dem natio nalen Kandidaten zugeführt. Ta dec Stimmen zuwachs des nationalliberalen Kandidaten gegenüber der Hauptwahl rund 3800 Stimmen beträgt, steht fest, daß außer den sozialdemokratischen Stimmen noch etwa 800 liberale Stimmen aus der Reserve gewonnen worden sind. Tas Zentrum erhielt gegen die Hauptwahl rund 800 Stimmen aus seinen Re serven mehr, blieb aber gegen die Hauptwahl von 1907 immer noch um 300 Stimmen im Rückstände. Die Revolution in Shins. Yuanschikai hat trotz anfänglicher Ablehnung nun doch das schwie rige Amt eines Reorganisators in China über, nommen: Peking, 28. Oktober. (Petersburger Telegraphen agentur.) Durch ein Edikt wird Puanschikai dec Titel eines Allerhöchst bevoll» machtigten verliehen. Gleichzeitig sind ihm da mit alle gegen die Aufständischen operierenden Trup pen zu Lande und Wasser unterstellt. Es wurde ihm überlassen, alle zur Unterdrückung des Auf« standes geeigneten Maßregeln nach eige nem Ermessen unabhängig vom Kriegs minister zu ergreifen. Der Kricgsminister Pin tschang erhielt Befehl, das Armeekommando dem Kanzleichef Fengkuochang zu übergeben und nach der Ankunft Puanschikais nach Peking zurückzukehren. Peking, 28. Oktober. (Reuterbureau.) Puan schikai begibt sich morgen nach Sinjangschan, um den Oberbefehl zu übernehmen. — Die Vizekönigc wurden ausgefordert, mit ihm zusammenzuarbeiten. Puanschikai drängt auf Reorganisation der A r m e e, da er den Truppen jetzt in der Front folgen will, um die erste Armee unter Fengkuoschang dem Direktor der Adelsschule, zu bilden. Suanch- gui, Kommandant der sechsten Division, wird die zweite Armee, die jetzt mobil gemacht wird, kom mandieren; eine dritte wird im Anschluß daran ge bildet werden. Puanschikai wünscht, alle Offiziere vom Regimentskommandeur auswärts selbst zu er nennen und für sich eine besondere Leibwache von 12 000 Mann bilden zu dürfen, deren Zahl aber für unnötig hoch gehalten wird. — Die Kaiserin- Witwe stiftete heute für den Feldzug eine Mil. lion Taele. — Die Nationalversammlung emp fiehlt die sofortige Bildung eines Parlaments und Rekonstruktion des Kabinetts unter Aus schluß der Adeligen, sowie Amnestie für alle politi schen Vergehen. — Die Beziehungen zwischen den Mantschus und Chinesen in Peking werden immer gespannter; jedoch herrscht Zuversicht auf den schließlichen sieg der Negierung. — Pin tschang kehrt nach Peking zurück; man glaubt, daß er verwundet worden ist. Lebt General Pintschang. L. 0. Peking, 28. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Obwohl die Negierung die Ermordung Pin tschangs hartnäckig dementiert, wird in wohlunterrichteten Kreisen behauptet, daß sie trotz aller gegenteiligen Versicherungen zutrifft. Die von Pintschang an die Regierung adressierten Tele gramme sollen von der Regierung gefälscht worden sein. Anschlag auf den Berkehrsminister. Peking, 28. Oktober. (Neuterbureau.) Gestern wurde ein Anschlag auf den soeben abgesetzten Verkehrsminister Schengkung-Pao verübt. Er konnte sich nur mit genauer Not in die Gesandtschaft der Vereinigten Staaten retten, von wo aus er sich unter einer Eskorte von zehn Soldaten nach Tientsin begab. — Die diplomatischen Vertreter mehrerer europäischer Großmächte und der Vereinigten Staa ten von Amerika erhoben bei der chinesischen Re gierung V o r ste l l u n g e n, um die möglich« Ent hauptung des abgesetzten Vcrkehrsministers Schengkung-Pao zu verhindern. Die Angst vor den Revolutionärem. Brüssel, 28. Oktober. (Eig. Trahtin.) Die Agi- tation der Revolutionäre in China wird wesent lich dadurch erleichtert, daß viele Bizekönige entweder vor dem Vordringen der Revolutionäre die Flucht ergriffen haben, oder ihre Posten nicht antraten, um den ihnen ver geblich dünkeuden üainps gegen die Rebellen nicht aufnehmen zu müssen. So finden denn die Rebellen bei ihrem Vordringen in vielen Provinzen statt eines wohlorgaiiisicrten Heeres, an dessen Spitze der Vizekönig steht, eine mehr oder minder große Ver wirrung vor, die sie natürlich weidlich auszunützen verstehen. So hieß es, daß Chen - Tsuen - CHuen zum Vizekönig von Szetschwan ernannt worden sei, und daß er sich nach seiner Provinz begeben habe, um den Widerstand gegen die Armee der Rebellen zu organisieren. Tie „A. E. O." erhält nnn einen Bries von ihrem Korrespondenten in Hankau, der am 9. Oktober aufgegeben wurde, also vor den großen üämpsen, aus dem hervorgeht, daß Chcn- Tsiren-Chueii schon damals zögerte, seinen Posten a n z u t r e t e n. Nach den letzten Ereig nissen ist es mehr als wahrscheinlich, daß er auf den ihm zugedachten Posten verzichtet hat. Tas Schreiben lautet: Chen-Tsuen-Chuen, der damit be auftragt wurde, die Ordnung in Szetschwan wieder- herzustellen, ist auf dem Wege nach Szetschwan in Utschang eingetroffen. Er erwartet dort die Trup pen, um sie in die gefährdete Provinz zu entsenden, beabsichtigt aber selbst nach Schanghai zurückzu kehren. Er hat in Szetschwan Proklamationen ver teilen lassen, um die Einwohner zu beruhigen, doch sind diese gänzlich wirkungslos geblieben. Oer Krieg um Tripolis. Die Kämpfe vor Tripolis. Konstantinopel, 28. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Eine amtliche Mitteiluna über den Kampf bei Tripolis am 23. Oktober berichtet auf Grund einer Depesche des Obersten Nechet B e i, der Kampf Lauerte zehn stunden. Die Küstenbcvölkerung nahm auf türkischer Seite daran teil. Die Zahl der Toten auf italienischer Seite überschreitet 400, dazu kommen noch etwa 100 Maultiere. Eine große An. zahl Gewehre und Lebensmittel wurde erbeutet. N o in, 28. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Inoffi ziellen Kreisen wird das gestrige Treffen als erste wirkliche schlacht betrachtet, in der sämtliche Türken, die noch in Tripolis vereinigt sind, gegen die Italiener kämpften. Es standen sich 12 vvü Italiener und 800!) Türken in der Schlacht gegenüber. Die Türken, die zurückgeschlagen wur den, hatten einen Verlust an Toten, Gefangenen und Verwundeten von insgesamt 15V!) Mann. Es ist offenbar, daß die Türken auf eine Erhebung der arabischen Beoölk.runq der Stadt Tripolis im Rücken der Italiener gerechnet hatten. Sie hätten sich in dieser Annahme auch nicht getäuscht, wenn die Jta» liener eine solche Erhebung nicht vorausgesehen und die schärfsten Eegenmaßrrgcln getroffen hätten. Jedenfalls verbreitet sich in Rom immer mehr die Annahme, dast der wirkliche Krieg erst jetzt beginnen wird, und -er keneralstab hat in der letzten Sitzung beschlossen, sofort noch weitere 5VVV Mann nach Tripolis zu schicken und Len Stand des Expeditionskorps aus 5V OVU zu erhöhen. Zuzug für die Türkei. London, 28. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Dem Reuterschen Bureau wird aus Malta gemeldet, daß in einem Privatbriese aus Tripolis berichtet wird, die Truppenmacht der Türken und Araber 13) Aälk. Hochgebirgsroman von Adolf Ott. (Nachdruck verboten.) Der Bauer Kilian Greiner Hai seinen Bruder HanS um das Erbe betrogen. Hans mutz aus des Bruders Hose Änechtdicnste tun. Als ihm Kilian auch noch die Braut, die Anne-Marie vom Lcnzhos, wcgschuappt, sagt ihm der gutmütige Bruder den Dienst aus. Beim Auswandern aus der alten Heimat in die ungewisse Fremde spendet ihm Asra, des Krugwirts Tochter, Trost und Liebe. Der Löwenwirt brummte etwas von übermütigen Bauern, die einem di« besten Gäste vertreiben und sah dabei mit g.ftigen Seitenblicken nach dem Hans, Lcr sich schon längst wieder an seinen Platz zurück gezogen harte. Dann torkelte er an den Scyenktisch, wo er sich ein großes Glas Schnaps einschenkte und dieses aus einen Zug hinunterstürzt«. Sein widerwillig verhaltener Zorn mußte sich aber Luft schaffen und dazu war ihm Li« Afra gerade recht. „Faule, nirnutze Dirn", schrie er sie an. „Da- sitz'n, Manlafs n feil halt'n dös is Lei Sach! Siehst net, dast dort der ganze Tisch voll Gläser steht? Wart, ich komm' und Helf dir." Damit warf er sich auf das sich erschreckt zusam menduckende Mädel, piickte es bei einem Oberarm und stieß es mit solcher Gewalt gegen die Zimmerecke, dast es, einen Schmerzensschrei ausstostend, aus die Diele hinschlug. Das war für den Hans zu viel; einer solchen, ganz und gar ungerechten Mißhandlung eines wehrlosen Wesens konnte er nicht ruhig zusehen. Mit einem Sprung war er an den Wirt, hatte diesen bei der Gurgel gepackt und schüttelte ihn, dast ihm Hören und Sehen verging. Der Bursche war so in Zorn geraten, dast er den Säufer vielleicht erdrosselt hätte, wenn sich nicht ab wehrend die Hand Afras aus seinen Arm gelegt hätte. „Last' ihn. Hans!" sagte sie ruhig, aber kalt, mit einem nnstern Ausdruck ihres Eestchtes. „Laß ihn. Er weist net, was er tut, so betrunken ist er. Und schließlich bleibt er doch mein Vater." Die Berührung der Mädchenhand ernüchterte vlötz- lich den Burschen; er ließ ab von der Gurgel des Sckjeusals, das, ohne ein Wort zu sagen, nach der Schenke taumelte, dort wieder die Schnapsflasch« er- griff und sie mit einem langen Zuge halb leerte. Jetzt erst schien der Mann sich wieder so weit erholt zu haben, dast er mit grölenden heiseren Lauten weiterschimpfte, mit der Faust drohte, aber dann doch oorzog, die Stube zu verlassen, wo sich ein viel Stärkerer, als er war, befand. Man hörte ihn noch auf dem Hausflur; dann mußte er auf der Treppe di« ihn den oberen Stock hinaufführte, einige Male gefallen sein — darauf wurde es so still im Hause, daß die beiden jungen Menschen, die dicht nebeneinander, in der Mitte der Stube standen, gegenseitig ihren erregten Atem hören konnten. Das Schweigen Lauerte längere Zeit an, dann legt« Hans seinen Arm über die Schulter des nun still weinenden Mädchens und führte es an seinen Tisch, wo sie sich beide, wi« ermattet, auf der hinter diesem stehenden Bank niederließcn. Eine Zeitlang war nichts zu hören, als das leise Weinen und Schluchzen der Afra und das Ticken der alten Schwarzwälder Uhr. Die jungen Meirichen saßen Schulter an Schulter. Damit schien gleichsam der Weg gescksasfen, auf dem ihre schmerzlichen Gefühle ineinander übergehen konnten, und dadurch entstand plötzlich ein gegen seitiges Verstehen, ohne Worte, ohne Aussprache. Hans strich dem Mädl wie einem Kinde beschwich tigend über den Scheitel. Wie Schutz suchend, drängt« sie sich näher an ihn und legte ihren Arm auf seine Schulter. Der Bursche brach das lange Schweigen, indem er fragt«: „Weißt du kein' Ausweg, könntest d' gar net wo anders hinkommen?" Afra schüttelte den Kopf. „Nein, er tät's net leiden, er hat seine b'sondern schlechten Pläne mit mir. Und auch schon wegen der krank'n Mutter —" Das sah der Hans ein, und er nickte beistimmend. „Ja, da heißt es, sein Elend trag'»", sagte er, als ob dies so eine ganz einfach« Sach« wäre. Aber das Mädl war jung und feurig, in ihren Adern floß «in Heister Lebensstrom, unbändig, trotz aller Klip pen und sonstigen Hemmnisse. Sie rist den Arm von der Schulter des Burschen und rückte etwas von ihm weg. „Das kannst du mir rat'n?" rief sie erregt, wo bei die Stimm« vor innerer Bewegung bebt«. Und trotzdem lag kein Hohn darin, als sie fortfuhr: „Du bist doch auch noch'jung! Willst du den Kopf 'nein- steck'n und die Augen schließ'» und alles über dich kommen lass'n, grad weil'» di« andern so woll'n? Hans, dös kann ich von dir net glauben, so einer bist du net. Ich, wenn ich tönnt', ich tät mir mein Schicksal selber machen, das hriht, wenn ich ein Mann wär! Aber so, ein armes Mädl in ein'm Haus, wi« dem unsrigcn — hah!" Afra wendete mit einer Ekelbewegung den Kopf zur Seite. Dcr sah der Hans ein, daß er vorhin eigentlich etwas Dummes und seiner eigenen Sache gar nicht Entsprechendes gesagt hatte, er schämte sich und wollt« es put machen, indem er nach der Hand des Mädels grifi und ihr mit schlichten und kurzen Worten er zählte, was ihn oon der Heimat trieb. Als er geendet hatte, lachte das Mädl kurz aus. Der Bursche konnte einen etwas unmutigen Laut der Ueberraschiing nicht unterdrücken. Aber Afra rückte ihm näher und sah ihm schelmisch in die Augen. „Weißt d ", sagte sie, „b'sonders schlau hast deine Sach' net ang'fangt. Wenn einer ein Mädl gern hat und spürt auch >o was. so möcht sie's doch auch von ihm hör n. Dadrauf hast du ganz vergess'», mein lieber Bua, und es ist kein Wunder net, daß die Anna- Mari« net g wußt hat, wie s' mit dir dran ist." Afra schaute einige Augenblicke sinnend vor sich hin. „Ich, wenn an Stell' von dem Mädl g'wesen wär', ich hätt's anders g'macht —" „Was hättest denn du getan?" fiel der Bursche interessiert ein. Asra iah ihm scharf in das Gesicht: „Ich hätt' zuerst mich und dann dich g'fragt, und wenn's auf alle zwei Seit'n ja g'heißen hätt', so hält' der Tanneckbauer sich wo anders umschauen können." „Aber wenn's dein Vater hätt' durchaus woll'n?" Auf dem Gesicht des Mädls zeigte sich ein finsterer, entschlossener Zug. „Wenn 's gar nimmer anders 'gangen war', aber gar nimmer anders! Dann — dann gibt's tiefe Wasser und Sleilabstürz grad g'nung, die ei m von «i'm verhaßt'« Leben helfen können. Es ist überhaupt mein Trost, daß der Mensch Schluß mach'n kann, wenn er will." „Um Gottes willen, Deandl!" fuhr Hans er- schreckt auf. „Sag' keine solch«» Sachen! So jung und schon —" „Eben desweg'n", fiel das Mädl trotzia ein. „Ich bin jung, ich will was vom Leben hab'n. Der Bursche versucht« einen Scherz »u machen, denn es war ihm eigentlich nicht ernst, als er sagte: „Schäft' dir «in' Schatz an, Afra, dann hast doch wenig stens 'was für d«in Herz." Da lachte sie hell auf. „Was du a'scheit bist! Anschafs'n? Weicher richtige Bursch möchi' doch was Ehrlichs Vorhaben mit der Afra vom Löwenwirt. Und di« andern? Bah!! Zu den andern tätest du mir selber net raten. Ich werf' mich n«t weg." Sie war bei diesen Worten etwas vom ihm ab geruckt, ihre Augen sprühten in der Erregung, die tonst bleichen Wangen prangten sanft gerötet. Hans bemerkte auf einmal, daß bas Mädl neben ihm schön und stolz war. Nach einer kurzen Pause fuhr Asra fort, indem sie die Arme über der Brust verschränkte und mit erhobenem Kopfe vor sich hinsah: „Es gibt kein Mannsbild aus der Welt, das sagen könnt', es sei mir zu nah kommen. Dir kann's zwar gleich gültig sein, denn wenn du auch gut mit mir warst, jo bin ich für dich viel zu wenig, als daß d' auf mich schauen tätest. Ich verlang's auch net, ich muß schon mit dem zufrieden sein, was du für jede andere auch getan hättest." Diese Worte und das ganze Wesen des Mädl» verfehlten ihren Eindruck auf den Burschen nicht. Sie war ihm entgegengetreten mit dem ganzen Stolze ihrer Jungfräulichkeit und halte ihm die richtige Ant wort auf seinen leichtsinnigen Rat gegeben. Er ver- spürte etwas wie Bewunderung in sich aufsteigen vor dieser, trotz der schlimmen Umgebung, so gefestig ten Persönlichkeit, und es tat ihm herzlich leid, wenn er sie etwa tiefer beleidigt hätte. Er griff nach ihrer Hand, die sie ihm anfangs nur widerwillig überliest, und versuchte mit überstürzen den Worten sich bei ihr zu entschuldigen. Dabei war er warm und innig geworden, weil er unwill kürlich die Empfindung bekam, daß er zu jemand sprach, der ihm seelenverwandt war, der ihn verstehen mußte. Je mehr er aus sich h«rausging, desto erstaunter sah das Mädl, das sich ihm wieder zugewendet hatte, auf den Burschen. Zuletzt war es eine selige Emp findung, ein weicher Stolz, der Asra bewegte. Es tat ihr so unendlich wohl, von einem Menschen, auf den ste etwas hielt, sich geachtet zu kühlen. Und dabei glomm etwas in ihr auf, dem sie keinen Namen geben konnte, vor dem sie in ängstlicher Scheu zitterte und das doch zu ihrer Lust wurde. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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